Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska (Arbeitgeber) und Günter Eberhard (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Angela K***, Zwerndorferstraße 18, 2261 Angern an der March, vertreten durch Dr.Dietrich Koth, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Friedrich
Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juni 1988, GZ 32 Rs 116/88-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 29.Februar 1988, GZ 17 Cgs 1313/87-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht wies das Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin einen Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß ab Antragstag zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen fest, daß die am 10.April 1907 geborene Klägerin im ersten Stock eine Wohnung in Angern an der March bewohnt, die mit einem Öl- und einem Elektroofen beheizt wird. Die Klägerin kann sich allein an- und auskleiden und oberflächlich waschen. Sie kann den Wohnraum oberflächlich instandhalten und einfache Speisen zubereiten. Sie ist auch in der Lage allein zu essen und die Notdurft zu verrichten. Zum Baden, für die schwere Hausarbeit wie Bodenpflege, Fensterputzen, Wäsche waschen, Großreinigung in der Wohnung, sowie zum Einkaufen benötigt sie fremde Hilfe.
Daraus schloß das Erstgericht, daß die Klägerin nicht hilflos im Sinne des Gesetzes sei, weil die für fremde Hilfe, die nicht ständig erforderlich sei, aufzuwendenden Kosten die Höhe des durchschnittlichen monatlichen Hilflosenzuschusses nicht erreichten. Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes.
Rechtliche Beurteilung
Der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der Klägerin kommt keine Berechtigung zu.
Unter dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt die Klägerin ausschließlich angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens - ihre unterbliebene Einvernahme als Partei und jene des behandelnden Arztes sowie unterbliebene Fragen an den Sachverständigen - die in der Berufung nicht geltend gemacht wurden. Verfahrensmängel erster Instanz, die in der Berufung nicht gerügt wurden, können auch in Sozialrechtssachen in der Revision nicht mehr nachgeholt werden (SSV-NF 1/68).
Aus der Tatsache, daß die beklagte Partei ihr von der Klägerin übermittelte Unterlagen ohne weitere Erklärung wegen des anhängigen Berufungsverfahrens mit Schriftsatz zum Gerichtsakt vorlegte, kann keineswegs geschlossen werden, daß sie damit zum Ausdruck bringen wollte, der Gewährung des Hilflosenzuschusses nun nicht mehr entgegenzutreten.
Auch die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen ist zutreffend. Der Oberste Gerichtshof hat in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Gewährung des Hilflosenzuschusses ausführlich dargelegt (SSV-NF 1/46). Aus der Höhe und dem Zweck des Hilflosenzuschusses - dem Hilfsbedürftigen auflaufende Mehrkosten zumindest teilweise zu ersetzen - folgt, daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann angenommen werden kann, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (§ 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt die Höhe des begehrten Hilflosenzuschusses zumindest annähernd erreichen. Dies kann hier auf Grund der Feststellungen aber mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Weil Hilflosigkeit nur insoweit vorliegt, als der Pensionist ohne fremde Hilfe verkommen oder gesundheitliche Schäden erleiden würde, ist an das Ausmaß fremder Hilfe ein eher strenger Maßstab anzulegen. Unabhängig davon, ob die Körperreinigung nicht auf andere Weise vorgenommen werden kann, ist unter diesem Gesichtspunkt tägliches Baden ebensowenig erforderlich, wie tägliches Einkaufen, letzteres weil Haushalte heute üblicherweise mit Kühlschränken ausgestattet sind. Die großen groben Hausarbeiten wiederum sind nur in größeren Zeitabständen erforderlich. Das Zubereiten einfacher Mahlzeiten aber ist der Klägerin nach den Feststellungen möglich. Überdies besteht im Handel ein reichhaltiges Angebot an Gerichten sowohl in Dosen als auch in tiefgekühlter Form, die lediglich gewärmt werden müssen und deren Verwendung in größerem Umfang neben einfachen selbstgekochten Speisen durchaus zumutbar ist (10 Ob S 283/88). Es kann daher ausgeschlossen werden, daß die für fremde Hilfe aufzuwendenden Kosten im Monatsdurchschnitt auch nur annähernd die Höhe des monatlichen Hilflosenzuschusses erreichen. Die Vorinstanzen haben daher zu Recht mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 105 a ASVG das Klagebegehren abgewiesen. Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E16470European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00289.88.1220.000Dokumentnummer
JJT_19881220_OGH0002_010OBS00289_8800000_000