TE OGH 1988/12/20 10ObS327/88

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Veröffentlicht am 20.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska (Arbeitgeber) und Günter Eberhard (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Johann S***, ohne Beschäftigung, D-8201 Raubling, Prinzregentenstraße 15, vertreten durch Dr.Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A*** (Landesstelle Wien), 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen vorzeitiger Alterspension bei langer Versicherungsdauer infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.August 1988, GZ 32 Rs 170/88-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13.April 1988, GZ 18 Cgs 25/88-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger ab 1.11.1987 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, besteht dem Grunde nach zu Recht."

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger binnen vierzehn Tagen die mit 1.188 S (darin 108 S Umsatzsteuer) bestimmten Revisionskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 2.2.1988 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit der Begründung ab, daß innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag (1.11.1987) nur 23 Monate der Pflichtversicherung nachgewiesen seien und die letzten 12 Versicherungsmonate vor dem Stichtag keine Monate der Pflichtversicherung enthielten.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen, später ergänzten Klage gestand der Kläger zu, daß er innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag nur 23 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nachweisen könne, wies aber darauf hin, daß er vom 27.10.1986 bis 31.10.1987, also mehr als 12 Monate, (in der Bundesrepublik Deutschland) arbeitslos gewesen sei. Wenn diese Zeit der Arbeitslosigkeit nicht als Versicherungszeit nach österreichischem Recht anerkannt werde, müßten die ihr vorangegangenen 12 Versicherungsmonate als letzte Versicherungsmonate vor dem Stichtag berücksichtigt werden. Er begehrte daher die von der beklagten Partei abgelehnte Leistung. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es ging von folgendem Sachverhalt aus:

Der am 21.10.1927 geborene Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, hat die Wartezeit (§ 236 ASVG) erfüllt, am Stichtag, dem 1.11.1987, 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben und innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag nur vom 1.11.1984 bis 30.9.1986 23 Beitragsmonate der Pflichtversicherung nachgewiesen. Er hat in Österreich vom Juli 1943 bis Mai 1944 und vom September 1944 bis April 1945 insgesamt 19 Beitragsmonate der Pflichtversicherung und in der Bundesrepublik Deutschland vom Juni 1945 bis September 1986 496 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben. Vom 27.10.1986 bis 31.10.1987 war er (in der Bundesrepublik Deutschland) arbeitslos. Dabei handelte es sich um deutsche Ausfallzeiten. Unter diesen Umständen verneinte das Erstgericht die im § 253 b Abs 1 lit c ASVG genannten Voraussetzungen.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen, auf Abänderung im klagestattgebenden Sinne oder Aufhebung gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge. Die zuletzt erworbenen Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges in der Bundesrepublik Deutschland seien in der österreichischen Pensionsversicherung bei Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen nicht zu berücksichtigen. Es handle sich dabei um Ausfallzeiten iS des § 1259 RVO, denen anders als Beitrags- und Ersatzzeiten (§ 1249 RVO) nur leistungssteigernde, nicht anspruchsbegründende Wirkung zukomme. Der Bezug von Arbeitslosengeld aus der deutschen Arbeitslosenversicherung gelte nicht als Ersatzzeit iS des § 227 Z 5 bzw 6 ASVG. Das Gesetz bestimme ausdrücklich, daß die letzten 12 Versicherungsmonate vor dem Stichtag Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate sein müßten. Sei dies nicht der Fall, dann könne dieser Mangel nicht zu einer Vorverlegung des zu betrachtenden Zeitraumes führen.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, die vorinstanzlichen Urteile im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder sie allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist berechtigt. Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hat der Versicherte gemäß § 253 b Abs 1 ASVG nach Vollendung des 60.Lebensjahres, wenn

a)

die Wartezeit (§ 236) erfüllt ist,

b)

am Stichtag 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben sind,

              c)              innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag 24 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachgewiesen sind oder die letzten 12 Versicherungsmonate vor dem Stichtag Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate gemäß § 227 Abs 1 Z 5 bzw 6 sind und

              d)              der Versicherte am Stichtag (§ 223 Abs 2) weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig ist,.... Fallen in den Zeitraum der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag gemäß lit c Ersatzmonate gemäß § 227 Abs 1 Z 5 bzw....6, so verlängert sich der Zeitraum um diese Zeiten bis zum Höchstausmaß von 42 Kalendermonaten. Die im § 253 b Abs 1 lit c ASVG genannten letzten beiden Alternativen wurden durch Art II Z 5 lit a der 39.ASVG-Nov BGBl 1983/590 eingeführt und im AB zum diesbezüglichen Initiativantrag 80 BlgNR 16.GP, 2 mit dem beabsichtigten erleichterten Zugang zur Frühpension begründet. Voraussetzung für ihre Inanspruchnahme sei ua die Zweidritteldeckung am Stichtag; werde sie nicht erfüllt, so trete künftig an ihre Stelle die Voraussetzung, daß die letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag Beitragsmonate der Pflichtversicherung oder Ersatzmonate des Bezuges einer Geldleistung aus der Arbeitslosenversicherung oder Zeiten des Bezuges von Krankengeld sein müssen. Die Verfasser der MGA ASVG 45.ErgLfg 1287 merken zu den "letzten zwölf Versicherungsmonaten vor dem Stichtag" an: "gleichgültig, wann sie erworben wurden" (vgl dazu auch Teschner in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg 373 FN 1 und 381). Damit sollte erreicht werden, daß Versicherte, die knapp vor Vollendung der Altersgrenze für die Frühpension gekündigt werden und 420 Versicherungsmonate erworben haben, doch die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in Anspruch nehmen können.

Bei den im § 253 b Abs 1 lit c ASVG genannten besonderen Leistungsvoraussetzungen handelt es sich um qualifizierte Bruchteilsdeckungen. Während die für alle Leistungen der Pensionsversicherung mit Ausnahme der Abfindung vorgesehen gewesene allgemeine Voraussetzung der Dritteldeckung, die gegeben war, wenn die letzten nicht neutralen 36 Kalendermonate vor dem Stichtag zwölf Versicherungsmonate iS des § 235 Abs 2 ASVG, also für die Wartezeit anrechenbare Versicherungsmonate enthielten, durch die 40.ASVG-Nov BGBl 1984/484 seit 1.1.1985 nicht mehr besteht, gibt es die Bruchteilsdeckung, die ihrem Wesen nach eine Verschärfung der Wartezeit darstellt (MGA ASVG 46.ErgLfg 1169), in ihrer strengeren Form bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach wie vor (Teschner in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 372 f, 380 f). Da innerhalb der letzten 36 Kalendermonate vor dem Stichtag (1.11.1987), also in der Zeit vom 1.11.1984 bis 31.10.1987, nur 23 Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachgewiesen sind, könnte die im § 253 b Abs 1 lit c ASVG zuerst erwähnte Bruchteilsdeckung nur unter der im letzten Satz des zit Abs genannten Voraussetzung gegeben sein, daß in den erwähnten Zeitraum Ersatzmonate gemäß § 227 Abs 1 Z 5 bzw 6 ASVG fielen, also Zeiten, während derer der Versicherte wegen Arbeitslosigkeit eine Geldleistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 BGBl 609 oder Überbrückungshilfe nach dem Überbrückungshilfegesetz BGBl 1963/174 oder Krankengeld bezog oder der Anspruch darauf ausschließlich gemäß § 143 Abs 1 Z 2 ASVG ruhte. Dann würde sich der erwähnte Zeitraum nämlich um diese Ersatzzeiten bis zum Höchstausmaß von 42 Kalendermonaten verlängern.

Dies wäre der Fall, wenn die im Anschluß an die vom 1.11.1984 bis 30.9.1986 erworbenen 23 deutschen Beitragsmonate der Pflichtversicherung vom 27.10.1986 bis 31.10.1987 erworbenen deutschen Ausfallzeiten als Ersatzmonate gemäß § 227 Abs 1 Z 5 bzw 6 ASVG zu qualifizieren wären. Dann würde sich der Beobachtungszeitraum um sechs Kalendermonate verlängern und vom 1.5.1984 bis 31.10.1987 reichen. Innerhalb dieses Zeitraumes wären 29 deutsche Beitragsmonate der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nachgewiesen.

Wären die genannten Ausfallzeiten als Ersatzmonate gemäß § 227 Abs 1 Z 5 bzw 6 ASVG zu qualifizieren, dann wäre auch die letzte Bruchteilsdeckungsvariante des § 253 b Abs 1 lit c ASVG erfüllt, weil dann die letzten 12 Versicherungsmonate vor dem Stichtag solche Ersatzmonate wären.

Schließlich wäre die zweite Bruchteilsvariante gegeben, wenn die vom 27.10.1986 bis 31.10.1987 erworbenen deutschen Ausfallzeiten keine Versicherungsmonate iS des § 253 b Abs 1 lit c ASVG wären. In diesem Fall wären nämlich die letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag die vom 1.10.1985 bis 30.9.1986 erworbenen zwölf deutschen Beitragsmonate der Pflichtversicherung.

Es kommt daher für jede Bruchteilsvariante darauf an, wie die in der Zeit vom 27.10.1986 bis 31.10.1987 erworbenen Ausfallzeiten im Zusammenhang mit dem Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu qualifizieren sind.

Während nach § 224 ASVG unter Versicherungszeiten die Beitragszeiten und die Ersatzzeiten zu verstehen sind, die nach den §§ 231 und 232 leg cit zur Feststellung der Leistungen aus der Pensionsversicherung....in Versicherungsmonate, und zwar Beitragsmonate der Pflichtversicherung, Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung und Ersatzmonate zusammenzufassen sind, kennt das deutsche Sozialversicherungsrecht neben den Beitragszeiten ua Ersatzzeiten (für die Wartezeit) und Ausfallzeiten (nur für die Rentenberechnung). Ersatzzeiten und Ausfallzeiten haben grundsätzlich dieselbe Funktion: Der Versicherte soll keinen Nachteil dadurch haben, daß er durch bestimmte, im Gesetz näher festgelegte und von ihm nicht zu vertretende Umstände an der Entrichtung von Pflichtbeiträgen gehindert war. Anders als bei den Ersatzzeiten sollen durch die Ausfallzeiten im privaten Schicksal begründete Folgen von Beitragsausfällen gemildert werden (vgl Brackmann, Handbuch der SV IV 68.Nachtrag 700 a, aI). Nach § 1259 Abs 1 Nr 3a RVO sind Ausfallzeiten im Sinne des § 1258 leg cit Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld oder übergangsgeld der Bundesanstalt für Arbeit nach dem 31.12.1982, es sei denn, die Bundesanstalt für Arbeit zahlt für den Bezieher Beiträge an eine Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder an ein Versicherungsunternehmen oder an den Versicherten selbst. Nach dem - in der Folge mit Abk abgekürzten Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Soziale Sicherheit vom 22.12.1966 BGBl 1969/382 idgF bedeuten in diesem Abk die Ausdrücke "Beitragszeiten" Zeiten, für die nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates Beiträge entrichtet sind oder als entrichtet gelten (Art 1 Z 10), "gleichgestellte Zeiten" Zeiten, soweit sie Beitragszeiten gleichstehen (Art 1 Z 11) und "Versicherungszeiten" Beitragszeiten und gleichgestellte Zeiten (Art 1 Z 12).

Aus diesen Begriffsbestimmungen ergibt sich, daß ua die deutschen Ausfallzeiten nur "soweit sie Beitragszeiten gleichstehen" als Versicherungszeiten zu betrachten sind. Da diese Zeiten nach deutschem Recht grundsätzlich nur zur Bemessung der Renten, nicht aber zur Beurteilung anderer Tatbestände (zB der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen) heranzuziehen sind, sind sie auch im Rahmen des Abk nur dann als Versicherungszeiten zu berücksichtigen, wenn der Ausdruck "Versicherungszeiten" im Zusammenhang mit Berechnungsvorschriften verwendet wird (MGA Zwischenst SV Lfg 21, 1a, 24).

Sind nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten Versicherungszeiten zurückgelegt, so werden sie nach Art 26 Abs 1 Abk für.....den Erwerb eines Leistungsanspruches zusammengerechnet, soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen. In welchem Ausmaß Versicherungszeiten zurückgelegt und für welche der genannten Tatsachen sie zusammenzurechnen sind, richtet sich nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates, in dessen Versicherung diese Zeiten zurückgelegt sind. Zeiten, die nicht nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates zurückgelegt, aber nach dessen Rechtsvorschriften wie Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind, werden so berücksichtigt, als wären sie nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates zurückgelegt (Abs 2 des zit Art).

Daraus ergibt sich, daß Ausfallszeiten nach den deutschen Rechtsvorschriften von den österreichischen Versicherungsträgern vor der 40.ASVG-Nov für die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen der Wartezeit und der Dritteldeckung und seit dieser Nov für die (einzige) allgemeine Leistungsvoraussetzung der Wartezeit nicht heranzuziehen waren bzw sind, weil sie nach den deutschen Rechtsvorschriften (grundsätzlich) nur für die Bemessung der Rente zählen (MGA Zwischenst SV Lfg 21, 1a, 24 und 89).

Dies hat auch für die besondere Leistungsvoraussetzung der Bruchteilsdeckung iS des § 253 b Abs 1 lit c ASVG zu gelten, weil es sich dabei, wie schon erwähnt, um Verschärfungen der allgemeinen Voraussetzung der Wartezeit handelt.

Ausfallzeiten sind als nach den deutschen Rechtsvorschriften zurückgelegte Versicherungszeiten für den Erwerb eines Anspruches auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nur zu berücksichtigen, wenn es darum geht, ob am Stichtag 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigende Versicherungsmonate erworben sind (§ 253 b Abs 1 lit b ASVG; MGA Zwischenst SV Lfg 21, 1a, 24 und 89 f).

Es ist zwar richtig, daß Voraussetzung für die Gewährung des vorgezogenen Altersruhegeldes wegen Vollendung des 63.Lebensjahres ua die Erfüllung der Wartezeit ist. Diese ist für dieses Altersruhegeld nach § 1248 Abs 7 S 1 RVO idF des Rentenreformgesetzes vom 16.10.1972 dRGBl I 1965 erfüllt, wenn 35 anrechnungsfähige Versicherungsjahre zurückgelegt sind, in denen mindestens eine Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten enthalten ist. Anrechnungsfähige Jahre sind solche iS des § 1258 RVO. Daher sind bei dieser Wartezeit ausnahmsweise auch Ausfallzeiten zu berücksichtigen (Brackmann aaO 67.Nachtrag 685 d; MGA Zwischenst SV Lfg 21, 1a, 90 bb 1.Satz).

Das bedeutet aber - entgegen der in den weiteren Sätzen der zuletzt genannten Belegstelle und im Erlaß des BMsV an den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger 7.1.1985 Zl 24.305/2-2/84 sowie in einigen Entscheidungen des Oberlandesgerichtes Wien, insbesondere in der E 17.7.1985 33 R 171/85 SVSlg 31.329 vertretenen Meinung - nicht, daß die deutschen Ausfallzeiten bei Anwendung des Art 26 Abs 1 Abk für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen generell als Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind und auch unter den im § 253 b Abs 1 lit c ASVG verwendeten Begriff "Versicherungsmonate" fallen.

Wie schon erwähnt, sind Ausfallzeiten nur insoeit als gleichgestellte Zeiten Versicherungszeiten, soweit sie Beitragszeiten gleichstehen. Dies ist jedoch hinsichtlich der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen der Wartezeit nur ausnahmsweise der Fall, und zwar bei der Erfüllung der Wartezeit von 35 anrechnungsfähigen Versicherungsjahren für das vorgezogene Altersruhegeld iS des § 1248 Abs 7 Satz 1 RVO und bei der Ermittlung der 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigenden Versicherungsmonate bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer iS des § 253 b Abs 1 lit b ASVG. Darüberhinaus stehen die Ausfallzeiten jedoch Beitragszeiten nur für die Bemessung der Leistungen gleich, weshalb sie auch nur insoweit "gleichgestellte Zeiten" und damit "Versicherungszeiten" iS des Art 1 Z 11 und 12 und des Art 26 Abs 1 Abk sind. Zu den im vorletzten Absatz erwähnten Ausnahmen ist zu bemerken, daß § 1248 Abs 7 S 1 RVO ausdrücklich zwischen 35 anrechnungsfähigen Versicherungsjahren und einer Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten unterscheidet. Für diese zählen nur Beitrags- und Ersatzzeiten, für jene auch Ausfallszeiten (MGA Zwischenst SV Lfg 21, 1a, 17). Auch § 253 b Abs 1 lit b ASVG spricht von 420 für die Bemessung der Leistung zu berücksichtigenden Versicherungsmonaten und ermöglicht deshalb die Berücksichtigung der Ausfallzeiten, weil diese bei der Bemessung den Beitragszeiten gleichstehen und daher insoweit als "gleichgestellte Zeiten" "Versicherungszeiten" iS des Abk sind.

Diese Ausfallzeiten sind daher bei allen Bruchteilsdeckungsvarianten des § 253 b Abs 1 lit c ASVG nicht zu berücksichtigen.

Daraus folgt, daß es sich bei der in der Zeit vom 27.10.1986 bis 31.10.1987 erworbenen Ausfallzeit auch nicht um die "letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag" iS der zit Gesetzesstelle handeln kann.

Diese letzten zwölf Versicherungsmonate vor dem Stichtag sind vielmehr die vom 1.10.1985 bis 30.September 1986 erworbenen zwölf deutschen Beitragsmonate der Pflichtversicherung.

Damit ist die Voraussetzung der zweiten Bruchteilsdeckungsvariante des § 253 b Abs 1 lit c ASVG erfüllt (vgl auch Albert, Was ist unter den "letzten zwölf Versicherungsmonaten vor dem Stichtag" iS des § 253 b Abs 1 lit c ASVG zu verstehen? DRAdA 1986, 238). Albert ist auch insoweit zuzustimmen, daß bei gegenteiliger Auslegung ein Versicherter, der keine Ausfallzeiten erworben hat, besser gestellt wäre als ein Versicherter mit solchen Zeiten, welche Absicht weder den Vertragspartnern des Abk noch dem österreichischen Gesetzgeber unterstellt werden darf. Daß es sich bei den "letzten zwölf Versicherungsmonaten vor dem Stichtag" nicht um die letzten zwölf Kalendermonate vor dem Stichtag handeln muß, wurde schon erwähnt (vgl MGA ASVG 45.ErgLfg 1287; Teschner in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 373 FN 1 und 381).

Das Klagebegehren ist daher, allerdings in einer zahlenmäßig noch nicht bestimmten Höhe, gerechtfertigt.

Deshalb war der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren nach § 89 Abs 2 ASGG als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt wird. Dem beklagten Versicherungsträger konnte jedoch nicht aufgetragen werden, dem Kläger bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung zu erbringen, weil in diesem Ausnahmsfall, in dem nur eine ganz geringfügige österreichische Teilleistung zustehen kann (19 österreichische Versicherungsmonate: 496 deutschen Beitragsmonaten) und keine österreichische Bemessungsgrundlage bekannt ist, - eine Erörterung ist im Revisionsverfahren nicht möglich - jede Grundlage für die unter sinngemäßer Anwendung des § 273 ZPO vorzunehmende Festsetzung dieser vorläufigen Zahlung fehlt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG, allerdings unter Bedachtnahme auf die Höhe der verzeichneten Kosten (§ 52 Abs 3 und § 54 Abs 1 ZPO).

Anmerkung

E16475

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00327.88.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19881220_OGH0002_010OBS00327_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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