Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ÖHAG KG Ing. Dr. Josef B***, 6700 Bludenz, vertreten durch Dr. Christian Konzett, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei Josef F***,
6721 Thüringerberg Nr. 22, vertreten durch Dr. Ernst Schmerschneider, Dr. Hilbert Aubauer, Dr. Peter Berethalmy, Dr. Karl Fritsche und Dr. Christiane Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (S 189.250,-) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 28. Juni 1988, GZ 1 b R 99/88-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 31. März 1988, GZ 4 C 1278/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit S 7.360,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer S 669,15) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei begehrte die Feststellung, daß zwischen ihr und dem Beklagten ein Mietverhältnis hinsichtlich eines in der Planskizze zum Tankstellenvertrag vom 26. Oktober 1962 näher bezeichneten Teilstückes auf den Gpn 656 und 658/1 je KG Thüringerberg bestehe. Grundlage dieses Rechtsverhältnisses sei der genannte Tankstellenvertrag vom 26. Oktober 1962 sowie der Nachtrag zu diesem vom 4. März 1965. Die vom Beklagten für 30. September 1987 erfolgte Aufkündigung dieser Verträge sei unter Bedachtnahme auf § 49 MRG und §§ 19 bis 23 MG unwirksam. Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Beim Vertragsverhältnis zwischen den Parteien handle es sich um ein reines Belieferungsvertragsverhältnis mit Vorfinanzierung der Tankstellenanlage durch die klagende Partei. Hilfsweise werde auch die Sittenwidrigkeit des Vertrages eingewendet, auf dessen Grundlage die klagende Partei geradezu unglaubliche Gewinne mit minimalen Einsätzen gemacht habe. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Im Jahre 1060 waren die Eltern des Beklagten, Julius und Melanie F***, Eigentümer der Grundstücke Nr. 656 und 658/1 der EZ 251 KG Thüringerberg. Sie vereinbarten damals mit der klagenden Partei die Errichtung einer Tankstelle auf einem Teilstück dieser Liegenschaften, die nunmehr im Eigentum des Beklagten stehen. Die Eheleute F*** waren Landwirte und wollten auf ihrer Liegenschaft für sich und ihre Nachkommen durch Errichtung einer Tankstelle eine ständige Erwerbsquelle sichern. Zur Finanzierung des Öltanks verkauften sie ihren "Maisäß" um S 37.420,-. Außerdem stellten Julius und Melanie F*** die Wasserversorgung der Tankstelle durch Anschluß an ihre Privatwasserversorgungsanlage und die sanitären Anlagen für den Tankwart sowie für die Passanten bei ihrem ca. 50 m entfernten Wohnhaus zur Verfügung.
Die übrigen Tankstelleneinrichtungen wurden vereinbarungsgemäß von der klagenden Partei beigestellt und finanziert. Nach Ablauf der Vertragsdauer von 25 Jahren sollten diese Einrichtungen zum Schätzwert in das Eigentum der Eheleute F*** bzw. deren Rechtsnachfolger übergehen. Es war vorgesehen, daß Melanie F*** die Tankstelle gegen Provision betreibt und daß ausschließlich Produkte der klagenden Partei vertrieben werden.
Die klagende Partei erhielt im November 1960 die baupolizeiliche und gewerberechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer stabilen Treibstofftankanlage auf den GStNr 656 und 658/1 KG Thüringerberg.
In der Folge wurde die Tankstelle errichtet. Wie vereinbart, wurde der Öltank von den Eheleuten F*** finanziert. Die übrigen Tankstelleneinrichtungen errichtete die klagende Partei auf ihre Kosten. Es wurden ein Tankwartkiosk, der mit Schrauben am Boden befestigt war, und Zapfsäulen aufgestellt. Die gesamten Kosten einschließlich der Errichtung des Tanks wurden mit ca. S 200.000,-
veranschlagt.
Im Frühjahr 1961 nahm Melanie F*** die Tankstelle in Betrieb. Außer den unter den Empfehlungen über die Mindestprovisionen liegenden Provisionszahlungen erhielten die Eheleute F*** für die Beistellung des Grundstücks und des Tanks keinerlei Entgelt. Da Julius und Melanie F*** noch eine Landwirtschaft bewirtschafteten und für 5 Kinder zu sorgen hatten, sah sich nach zwei Monaten Melanie F*** nicht mehr in der Lage, die Tankstelle zu betreiben. Ab 1. Juni 1961 wurde die Tankstelle von der klagenden Partei bzw. für diese von Ferdinand R*** betrieben. Ferdinand R*** erhielt dieselben Provisionssätze wie vor ihm Melanie F***. Ferdinand R*** sollte ab 1. Juni 1961 an Julius F*** eine Pacht von 0,025 per verkauftem Liter Treibstoff bezahlen. Im Herbst 1962 kam es zwischen den Eheleuten F*** und der klagenden Partei zum Abschluß eines schriftlichen Tankstellenvertrages. In den vorangegangenen Verhandlungen war das Ehepaar F*** durch Rechtsanwalt Dr. Karl S*** vertreten. Der Tankstellenvertrag vom 26. Oktober 1962 hat folgenden wesentlichen Inhalt:
"1. F*** ist Grundeigentümer der Gp 656, 658/1 Kat. Gemeinde Thüringerberg. F*** vermietet an die Ö***
von den vorerwähnten G.P. jenes Teilstück, das in der beiliegenden Planskizze, welche ein Bestandteil dieses Vertrages bildet, mit den Buchstaben A, B, C, D näher umschrieben ist, um auf diesem Grundstück eine Tankstelle für Vergaser-Kraftstoffe zu errichten.
2. F*** übernimmt es, auf diesem Grundstück im Namen und für Rechnung der ÖHAG als ihr Handelsvertreter ihre Kraftstoffe zu ihren jeweils gültigen Preisen zu lagern, zu verkaufen und auszuliefern.....
3. F*** erhält für alle durch diesen Vertrag übernommenen Pflichten und Leistungen folgende Provision:
S 0.12/Liter verkauftem Dieselöl
S O.15/Liter verkauftem Normalbenzin
S 0.18/Liter verkauftem Superbenzin
Mit dieser Provisionsvereinbarung sind alle Kosten an der Tankstelle abgegolten, einschließlich einer eventl. Inkasso.- und Delcredereprovision sowie eines Miet- oder Pachtzinses, für das Vertragsgrundstück, der zur Zeit mit S 500,- für das Jahr festgesetzt wird.
4. Die ÖHAG stellt F*** leihweise die nach ihren Dispositionen erforderlichen Einrichtungen zur Verfügung, die nur zur Einlagerung von zum Vertrieb ihrer bzw. der von ihr bezogenen Ware benutzt werden dürfen. Alle von ihr beigestellten Einrichtungen bleiben ihr Eigentum, auch dann, wenn sie mit dem Grundstück fest verbunden werden. Sie werden nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstückes, sondern nur für einen vorübergehenden Zweck, nämlich für die Dauer des Vertrages von ihr
eingebracht. Die Aufstellung oder Anbringung anderer Einrichtungen und Werbemittel auf dem vermieteten
Grundstück ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung der ÖHAG gestattet.
5. Das Genehmigungsverfahren zur Errichtung der Tankstelle wird von der ÖHAG auf ihre Kosten durchgeführt. F*** erteilt ihr die schriftliche Einwilligung, wonach er sich mit der mietweisen Überlassung des Grundstückes an die ÖHAG und mit der Errichtung der Anlage
einverstanden erklärt.
6. Besitzverhältnisse:
F*** gehören an dieser gesamten Anlage folgende
Liegenschaften:
1 Lagertank, das Grundstück Gp 656, 658/1 KG Thüringerberg; alle übrigen Bauwerke, Maschinen, Einrichtungen und Rohrleitungen sind und bleiben Eigentum der ÖHAG. Bei Ablauf des Vertrages sind die Einrichtungsgegenstände an die ÖHAG frachtfrei zurückzustellen oder von dieser abzukaufen. Die bestehenden Bauwerke sind
zum wahren Wert (Verkaufswert am Tage des Vertragsablaufes) der ÖHAG abzukaufen. Diese Klausel kommt nur dann in Betracht, wenn der Vertrag nach Ablauf nicht verlängert wird.
10. Der Vertrag wird auf 25 Jahre, d.h. bis 30. September 1987 abgeschlossen. Er verlängert sich jeweils um
weitere 5 Jahre, es sei denn, daß er von F*** oder
von der ÖHAG 6 Monate vor Ablauf der jeweiligen Vertragsdauer mittels eingeschriebenem Brief ausdrücklich
gekündigt wird. Maßgebend ist der Tag des Zuganges
des Kündigungsschreibens.
Falls der Vertrag von F*** nach Ablauf der Vertragsdauer gekündigt wird, hat die ÖHAG das Recht, in das günstigste Angebot einer anderen Vertragsgesellschaft einzutreten.
Dieses Recht kann die ÖHAG nur innerhalb einer Frist von 4 Wochen ausüben. Sie beginnt mit dem Tage, an dem F*** der ÖHAG das Originalangebot vorgelegt hat.
21. F*** erklärt, die Tankstelle wegen Personalmangels selbst derzeit noch nicht führen zu können. Die ÖHAG hat sich aufgrund dessen bereiterklärt, die Tankstelle ab Datum des Vertragsabschlusses 5 Jahre in vollkommen eigener Regie zu führen.
Innerhalb dieses Zeitraumes steht F*** kein Anspruch auf eine Verkaufsprovision zu. F*** erhält von der ÖHAG in diesem Zeitraum für die Miete des Grundstückes und des Treibstofflagertankes sowie für die Miete der Garage für die Lagerung der Motorenöle 2 1/2 Groschen je an der Tankstelle Thüringerberg verkauften Liter Treibstoff. Diese Vergütung entfällt nach Ablauf der 5 Jahre. Nach diesem Zeitpunkt übernimmt F*** die Tankstelle im Sinne dieses Vertrages."
Auch nach Abschluß dieses schriftlichen Vertrages wurde die Tankstelle von Ferdinand R*** im Namen der klagenden Partei betrieben. Sowohl vor als auch nach Abschluß des schriftlichen Tankstellenvertrages erhielt Julius F*** bis Oktober 1967 einen "Pachtzins" von S 0.025 (2.5 Groschen) pro verkauftem Liter Treibstoff.
Am 4. März 1965 wurde von den Eheleuten F*** und der klagenden Partei ein "Nachtrag" zum Tankstellenvertrag mit folgendem wesentlichen Inhalt vereinbart:
"Punkt 1 des Tankstellenvertrages vom 26. Oktober 1962 wird folgendermaßen ergänzt:
1. F*** vermietet anschließend an das Tankstellengrundstück längs der Begrenzungslinie c-d eine weitere
Fläche im Ausmaß von ca. 220 m2, in der von der Firma ÖHAG gewünschten Form. Die ÖHAG bzw. deren Rechtsnachfolger sind berechtigt, auf diesen Grundflächen im Sinne des oben erwähnten Tankstellenvertrages ein Tankwarthaus mit Tankstellendach, und ein Espresso zu errichten. Die architektonische Gestaltung und technische Planung ist der ÖHAG überlassen. Diese Bauwerke bleiben im Sinne des Tankstellenvertrages
Eigentum der ÖHAG. ....
2. Sollte die ÖHAG tatsächlich auch noch eine Servicestation zu errichten beabsichtigen, so vermietet
F*** wieder im Sinne des obzitierten Tankstellenvertrages eine weitere Grundfläche entlang der Linie c-d in der von der ÖHAG gewünschten Form zur Errichtung einer Servicestation. Diese Servicestation
würde im Gegensatz zum Tankwarthaus und Espresso nach
Vertragsablauf ohne Ablöse in das Eigentum F***
übergehen.
3. Sollte durch den weiteren Ausbau der Tankstelle das derzeit vorhandene Brunnenwasser nicht ausreichen,
so wird die Fa. ÖHAG den zusätzlichen Bedarf an
Wasser durch einen Anschluß an die geplante neue Gemeindewasserversorgung auf ihre Kosten vornehmen.
4. F*** erhält ab dem Zeitpunkt, ab dem er die Führung der Tankstelle im Sinne des Tankstellenvertrages übernimmt, zur Abgeltung der Strom- und Wasserkosten zusätzlich zu seiner Provision S 0.02 per
verkauftem Liter Treibstoff.
Dafür hat F*** sämtliche Strom- und Wasserkosten,
die durch den Betrieb der Tankstelle entstehen, zu
bezahlen.
Im übrigen finden auf diese Vertragsergänzung die Bestimmungen des Tankstellenvertrages vom 26.10.1982 vollinhaltliche Anwendung."
Im Jahre 1965 hat die klagende Partei wesentliche Rechte aus dem Tankstellenvertrag mit den Eheleuten F*** an die BP Benzin- und Petroleum AG abgetreten. Im diesbezüglichen Vertrag ist festgehalten, daß die Eheleute F*** von der BP für die Führung der Tankstelle einschließlich des Entgeltes für die Bereitstellung des Grundes und Bodens, sowie des Treibstofflagerbehälters Provisionen in näher bestimmter Höhe erhalten.
Die klagende Partei hat die Tankstelle der BP Austria AG per 31. März 1965 zum Betrieb übergeben. Im diesbezüglichen Inventar sind die Einrichtungen und Anlagen angeführt. Ferdinand R*** hat noch bis Oktober 1967 die Tankstelle betrieben und den Eheleuten F*** lediglich 2,5 Groschen je Liter verkauftem Treibstoff bezahlt.
Im Jahre 1967 oder 1968 übernahm Melanie F*** wiederum den Betrieb der Tankstelle im eigenen Namen. Sie erhielt die vereinbarten Provisionszahlungen direkt von der BP Austria AG. Von der klagenden Partei erhielt sie bzw. ihr Ehegatte Julius F*** keinerlei Zahlungen.
Ab Anfang 1969 war der Beklagte als Dienstnehmer seiner Mutter auf der Tankstelle tätig. Die Eheleute F*** hatten von vornherein beabsichtigt, daß der Beklagte eine KFZ-Mechanikerlehre macht und später die Tankstelle, allenfalls in Verbindung mit einer KFZ-Werkstätte, betreibt.
Nach dem Tod der Melanie F*** (2. Mai 1970) trat der Beklagte in das Vertragsverhältnis ein und betrieb die Tankstelle zunächst als Handelsagent und ab 1. Jänner 1973 als selbständiger Kaufmann. Er vertrieb ausschließlich Produkte der Firma BP Austria AG und nahm von dieser Provisionszahlungen entgegen. Die klagende Partei leistete gegenüber dem Beklagten keinerlei Zahlungen. Mit Nachtrag vom 10. März 1971 trat die klagende Partei ihr Bestandsrecht an der mit Nachtrag vom 4. März 1965 in Bestand genommenen Teilfläche der Gp 656 und 658/1 (ca. 220 m2) ebenfalls an die BP Austria AG zum Zwecke der Errichtung und des Betriebes eines Normkiosks ab. Auf dieser Teilfläche wurde dann von der Firma BP Austria AG ein Normkiosk sowie ein Tankstellendach errichtet.
Der zwischen der klagenden Partei und der Firma BP Austria AG abgeschlossene Vertrag ist mit 30. Dezember 1986 bzw. 31. Dezember 1986 befristet.
Mit Schreiben vom 17. Februar 1987 kündigte der Beklagte den Tankstellenvertrag zum 30. September 1987 auf.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen weder auf einem reinen Belieferungsvertrag mit Vorfinanzierung, noch auf einem Mietvertrag beruhe, so daß die Kündigung rechtswirksam erfolgt sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,- übersteigt. Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß der Tankstellenvertrag zwischen den Streitteilen als Vertrag sui generis zu beurteilen sei, der bei einer dem § 914 ABGB entsprechenden Auslegung zumindest nicht überwiegend mietvertragliche Elemente enthalte. Zwischen den Parteien bestehe daher keinesfalls ein "Mietverhältnis", so daß das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen habe. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens führt die klagende Partei aus, daß sich das Berufungsgericht mit ihrer Beweisrüge nicht zur Gänze befaßt und zu Unrecht angenommen habe, daß die von der klagenden Partei gewünschten Feststellungen nicht genau bezeichnet worden seien. Sie habe (sinngemäß) die Feststellung begehrt, daß der Tankstellenvertrag mit Nachtrag dem Vertragswillen entsprochen habe; das Berufungsgericht hätte darüber nicht hinweggehen dürfen. Mit diesen Ausführungen wird jedoch keine Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens aufgezeigt; das Berufungsgericht hat deutlich und mit ausreichender Begründung zum Ausdruck gebracht, daß die Feststellungen des Erstgerichtes einerseits in wesentlichen Belangen dem Inhalt des schriftlichen Tankstellenvertrages samt Zusatzvertrag entsprochen haben, andererseits aber - soweit sie sich davon unterschieden - jedenfalls unbedenklich seien. Die getroffenen Feststellungen sind daher als Ergebnis der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht revisibel. Daß das Gericht zweiter Instanz zusätzlich auf die insoweit summarisch gehaltene Rüge der klagenden Partei verwies, wonach aus dem bloßen Hinweis auf den Vertragsinhalt noch nicht auf den Ausschluß anderer Beweisergebnisse geschlossen werden mußte, vermag keinen Anhaltspunkt für eine unterlassene oder mangelhafte Auseinandersetzung mit der Beweisrüge der klagenden Partei aufzuzeigen.
In der Rechtsrüge stellt sich die klagende Partei auf den Standpunkt, daß es sich bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen "Tankstellenvertrag" um einen "Stationärvertrag mit Grundstücksmiete" gehandelt habe, weshalb dem Klagebegehren stattzugeben wäre. Dazu war zu erwägen:
Angesichts des nach wie vor aufrechterhaltenen Standpunktes des Beklagten, daß mit der klagenden Partei kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei, kann dieser das rechtliche Interesse an der Feststellung, daß dies sehr wohl der Fall sei, nicht abgesprochen werden.
Die im Gesetz nicht geregelten, sogenannten "Tankstellenverträge" erfordern als Folge der bestehenden Vertragsfreiheit und der daraus resultierenden verschiedenartigsten Ausgestaltungsmöglichkeiten eine demgemäß unterschiedliche und differenzierte rechtliche Qualifizierung. Entscheidend ist letztlich immer die Vertragsgestaltung des Einzelfalles. Dabei ist nicht die von den Parteien gewählte Bezeichnung maßgebend; es kommt vielmehr auf den Inhalt der eingeräumten Befugnisse und den Zweck des Geschäftes an (Klang in Klang2 V 26 f, Bydlinski in JBl 1984, 241 f mwN, vgl. ferner SZ 57/194; SZ 44/18; MietSlg 28.117, 29.146). Der Stationärsvertrag ist dadurch gekennzeichnet, daß gewöhnlich ein Grundstückseigentümer lediglich eine Grundfläche zur Errichtung oder Finanzierung der Tankstelle durch das Treibstoffunternehmen zur Verfügung stellt, und zwar in Form einer meist langjährigen (10- bis 25-jährigen) Vermietung des Grundstückes. Nach erfolgter Errichtung führt er sodann als "Stationär" die Tankstelle für das Treibstoffunternehmen. Seine für die Gesellschaft als Handelsvertreter ausgeübte Tätigkeit weist dienstnehmerähnlichen Charakter auf, es handelt sich aber um keinen reinen Dienstvertrag, sondern um ein komplexes Vertragsverhältnis, das sich auch aus mehreren Einzelverträgen verschiedener Vertragstypen zusammensetzen kann (vgl. JBl 1987, 41 ua). In der Praxis ist das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien oft vielschichtig ausgebaut. Mit dienstnehmerähnlichen Elementen des Vertrages können nicht nur mietrechtliche, sondern auch pachtrechtliche und sogar gesellschaftsrechtliche Elemente verschiedentlicher Art konkurrieren (vgl. JBl 1986, 721).
Auch bei dem hier zur Beurteilung stehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien handelt es sich nicht bloß um einen nach der Art einer Grundstücksmiete typisierten Vertrag, wie ihn die klagende Partei sieht sondern um ein insgesamt gesehen komplexes Vertragsverhältnis. Die Rechtsvorgänger des Beklagten stellten nicht allein ihr Grundstück zur Errichtung einer Tankstelle zur Verfügung, sondern finanzierten auch den hiefür erforderlichen Tank und stellten ihre private Wasserversorgungsanlage sowie ihre eigenen sanitären Anlagen für den Betrieb der Tankstelle zur Verfügung. Die Provisionszahlung hatte im wesentlichen den Charakter einer Entgeltzahlung für die persönlichen Bemühungen der Rechtsvorgänger des Beklagten bei Führung der Tankstelle. Ausdrücklich wurde festgestellt, daß diese außer den unter den Empfehlungen über die Mindestprovisionen liegenden Zahlungen für die Beistellung des Grundstückes und des Tankes keinerlei Entgelt erhielten. Der im Vertrag vom 26. Oktober 1962 enthaltenen teilweisen Umwidmung der Provisionszahlung kommt angesichts des gegenteilig festgestellten Sachverhaltes keine Bedeutung zu. Im übrigen zeigt der im schriftlichen Vertrag enthaltene Hinweis auf den "Miet- oder Pachtzins von S 500,- für das Jahr" die untergeordnete Bedeutung, die die Parteien bei Abschluß des Tankstellenvertrages dem mietrechtlichen Element zumaßen, deutlich auf; den Erwägungen der Vorinstanzen, daß es sich bei der Vereinbarung der Parteien um einen Vertrag eigener Art mit zumindest nicht überwiegend mietrechtlichen Elementen handelte, vermag die klagende Partei keine stichhältigen Argumente entgegenzusetzen. die von ihr begehrte Feststellung eines Mietverhältnisses mit dem Beklagten mit der angestrebten Konsequenz der uneingeschränkten Anwendung der Kündigungsvorschriften als Ausfluß schutzwürdiger Interessen der klagenden Partei ist daher aus dem vorliegend festgestellten Sachverhalt nicht ableitbar. Eine quantitative Einschränkung des qualitativ allein auf die Feststellung eines Mietverhältnisses gerichteten Klagebegehrens kommt nicht in Betracht und könnte auch ohne Anhaltspunkte in dieser Richtung dem Klagebegehren nicht unterstellt werden. Der Revision ist daher der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E16409European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00667.88.1222.000Dokumentnummer
JJT_19881222_OGH0002_0080OB00667_8800000_000