TE OGH 1988/12/22 8Ob648/88

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Veröffentlicht am 22.12.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna F***, Pensionistin, 8344 Bad Gleichenberg 79, vertreten durch Dr. Arne R. Schlossar, Rechtsanwalt in Feldbach, wider die beklagte Partei Vinzenz H***, Landwirt, 8344 Bad Gleichenberg 79, vertreten durch Dr. Erich Portschy, Rechtsanwalt in Feldbach, wegen Aufhebung eines Übergabsvertrages (Streitwert S 450.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 5. Mai 1988, GZ 5 R 112/88-42, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldbach vom 23. Dezember 1987, GZ 2 C 1446/87-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte die Aufhebung des Übergabsvertrages vom 8. März 1963, womit sie ihre bäuerliche Liegenschaft EZ 84 KG Bad Gleichenberg zur Gänze dem Beklagten, ihrem Sohn, zur einen Hälfte ins grundbücherliche Eigentum, zur anderen auf den Todesfall übertragen habe. Da der Beklagte den im Vertrag übernommenen Verpflichtungen nicht nachkomme, sei der Rechtsgrund zur Aufrechterhaltung des Vertrages weggefallen. Sie begehre daher nicht nur die Aufhebung des Übergabsvertrages, sondern auch die Rückübertragung der ihm ins Eigentum übertragenen Liegenschaftshälfte. Der Anspruch auf Aufhebung des Übergabsvertrages werde auch auf den groben Undank des Beklagten gestützt, weil er sich um die Klägerin auch in kranken Tagen nicht gekümmert habe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein: Er bewirtschafte die Übergabsliegenschaft ordnungsgemäß. Eine persönliche Pflege durch ihn habe die Klägerin abgelehnt, weil sie die Betreuung durch ihre in der Nachbarschaft wohnende Tochter vorziehe. Da für den Unvergleichsfall im Übergabsvertrag keine besondere Regelung besteht, liege keine Vertragsverletzung durch den Beklagten vor, welche eine Aufhebung des Übergabsvertrages rechtfertigen würde. Aus dem Verkauf von Liegenschaftsanteilen, dem der Beklagte nicht zustimmen hätte müssen, habe die Klägerin einen Betrag von mindestens S 250.000,-- erhalten. Durch diesen Betrag seien ihre sämtlichen Forderungen abgegolten. Die Klägerin habe auch eine in Langenwang befindliche Liegenschaft ihrer Tochter übergeben. Auf Grund dieses Übergabsvertrages sei die Tochter verpflichtet, die Klägerin auf Lebenszeit zu betreuen. Die auf den Todesfall übergebene Liegenschaftshälfte stelle im Hinblick auf die versprochenen Gegenleistungen durch den Beklagten eine Schenkung dar. Die Klägerin als Geschenkgeberin habe auf einen Widerruf der Schenkung, aus welchem Grund immer, verzichtet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf nachstehende, zusammengefaßt dargestellte Feststellungen:

Die Liegenschaft EZ 84 liegt in der KG Bad Gleichenberg ca. 1 km vom Ortskern entfernt. Das Grundausmaß beträgt 35.907 ha. Die Liegenschaft steht zur Hälfte im Eigentum der Klägerin und zur Hälfte im Eigentum des Beklagten. Das Eigentumsrecht des Beklagten leitet sich vom Übergabsvertrag vom 8. März 1963 ab. Auf der Liegenschaft ist ein gegenseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot einverleibt. Bei der relativ geringen Betriebsgröße wäre eine Bewirtschaftung der Liegenschaft mit Sonderkulturen wie Einlegegurken oder Käferbohnen zweckmäßig oder eine Verpachtung der Flächen vorteilhaft. Für die landwirtschaftliche Nutzung kommen nur 0,6 ha in Frage. Der Rest kann als Dauergrünland, eventuell als Weingartenanlage bewirtschaftet werden. Die Neuanlage eines Weingartens von 1 ha würde S 150.000,-- kosten. Bei herkömmlicher Bewirtschaftung der Liegenschaft würde kein Gewinn erzielt werden; wohl aber besteht die Möglichkeit, Sonderkulturen anzulegen. Durch die Nichtbenützung des Wirtschaftsgebäudes und das Unterlassen von Instandsetzungsarbeiten ist die Eindeckung des Hauses in Mitleidenschaft gezogen worden. Eine Sanierung erforderte den Austausch von Ziegeln und dergleichen und würde ungefähr S 15.000,-- kosten. Die Wohnbarmachung des Wohnhauses erforderte Investitionen von S 50.000,--. Die Wohnräume des Beklagten sind in desolatem Zustand. In den letzten 15 Jahren wurden keine nennenswerten Sanierungsarbeiten durchgeführt. Erst nach dem 2. Juli 1987 wurde einiges renoviert.

Als im Jahre 1963 der Übergabsvertrag unter Lebenden und der Übergabsvertrag auf den Todesfall errichtet wurde, zog die Klägerin nach Langenwang, wo sie etwa 20 Jahre verblieb. Von 1963 bis 1965 wurde vom Beklagten die Wirtschaft ordentlich geführt. Dann kam es zu einer Vernachlässigung der Liegenschaft. Ursprünglich war noch Vieh auf der Liegenschaft, welches jedoch verkauft wurde. Seit zwei bis drei Jahren lebt die Klägerin wiederum auf der Liegenschaft EZ 84. In der ersten Zeit kochte sie auch für den Beklagten. Im Februar 1985 erkrankte sie jedoch. Seither werden Haushalt und Wäsche sowie die Klägerin selbst von ihrer Tochter Maria W*** versorgt. Die Klägerin bezahlt hiefür monatlich S 4.000,--. Maria W*** vereinbarte mit dem Beklagten, daß dieser einen Betrag von S 1.500,-- monatlich bezahlen soll. Wegen des vereinbarten Entgeltes für die Verpflegung der Klägerin wurde der Beklagte zu 2 C 501/85 des Bezirksgerichtes Feldbach geklagt. Es erging ein Anerkenntnisurteil. Der Beklagte leistete seit Jänner 1987 keine Zahlungen an Maria W***. Eine Bewirtschaftung der Liegenschaft durch den Beklagten erfolgte in den letzten 20 Jahren nicht. Die Ackerflächen sind mit Zustimmung der Klägerin verpachtet. Der Beklagte hatte seit 1965 bei der Agrarunion Südost gearbeitet. Dieses Dienstverhältnis wurde vor etwa zwei bis drei Jahren beendet. Die Klägerin mußte für ein Darlehen bei der R*** BAD G*** gutstehen. Da keine Rückzahlungen durch den Beklagten erfolgten, übernahm diese die Klägerin. Sie verkaufte zu diesem Zweck verschiedene Grundstücke. Dabei wurde ein Erlös von S 300.000,-- erzielt, wovon der Klägerin S 150.000,-- und dem Beklagten ebenfalls S 150.000,-- zukamen. Die Klägerin legte dann einen Betrag von S 100.000,-- auf ein Sparbuch. Durch einen weiteren Grundbuchsverkauf wurde ein Erlös von S 70.000,-- erzielt. Dieser wurde vom Beklagten allein vereinnahmt.

Als die Klägerin erkrankte, veranlaßte Maria W*** ihre Einweisung ins Krankenhaus. Während dieses Spitalsaufenthaltes kümmerte sich der Beklagte nicht um die Klägerin.

Punkt 3.) des Übergabsvertrages vom 8. März 1963 lautete: "Die Wirtschaftsführung der Übergabsliegenschaft erfolgt gemeinsam durch die Vertragsteile (also durch die Klägerin und den Beklagten), wobei Einnahmen und Ausgaben nach Miteigentumsquoten aufzuteilen sind. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben steht der Übergeberin zu, welche auch berechtigt ist, bei Meinungsverschiedenheiten in der Wirtschaftsführung zu entscheiden.

Der Übernehmer ist verpflichtet, bis zum Ableben der Übergeberin alle Arbeiten zu verrichten, welche zur ordentlichen Bewirtschaftung der Übergabsliegenschaft erforderlich sind. Er darf die Übergeberin nicht verlassen und muß sie ihrem Gesundheitszustand entsprechend in gesunden und kranken Tagen walten und pflegen....."

Unter Punkt 4.) wurde festgehalten:

"Die Übergeberin ist berechtigt, auch schon früher die Übernahme ihrer Liegenschaftshälfte durch den Übernehmer, also den Beklagten, zu verlangen....."

Punkt 5.) lautete:

"Die Übergeberin beabsichtigt, voraussichtlich im Laufe des Monates April 1963 wegzuziehen und wieder zu heiraten. Für diesen Fall werden von den Vertragsparteien einverständlich folgende Vereinbarungen getroffen:

Sollte die Übergeberin von der Übergabsliegenschaft wegziehen, stehen dem Übernehmer die Bewirtschaftung und die Erträgnisse aus der Bewirtschaftung allein zu.

Als Gegenleistung verpflichtete er sich, beim Waldbestand der Übergabsliegenschaft bis spätestens 30. 9. 1963 die Schlägerung von 20 Stk. Fichtenstämmen mit einer Mindestlänge von 25 m und einem Durchmesser von 35 cm auf jederzeitiges Verlangen der Übergeberin zu dulden. Diese Stämme gehen nach erfolgter Schlägerung in das Alleineigentum der Übergeberin über. Er verpflichtete sich weiters, der Übergeberin jährlich den Betrag von S 2.000,-- in der Weise zu bezahlen, daß S 1.000,-- bis spätestens 30. 6. und weitere S 1.000,-- bis spätenstens 31. 12. jeden Jahres an sie überwiesen werden. Diese Vereinbarungen gelten nur für die Dauer der Abwesenheit der Übergeberin. Sollte die Übergeberin aus irgendwelchem Grunde, sei es, daß die Heirat nicht zustande kommt, oder daß der Ehegatte verstirbt, heimkehren, sollten diese Bestimmungen außer Kraft treten und sollten wieder "die Bestimmungen des Punktes 2.) und 3.) dieses Vertrages gelten."

"Für den Unvergleich werden keine besonderen Vereinbarungen getroffen."

Die Klägerin lebte dann in Langenwang. Sie war auf Grund des Schenkungsvertrages vom 1. März 1982 in Verbindung mit der Sterbeurkunde des Standesamtes Langenwang vom 25. Oktober 1982 auch Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 269 KG 60514 Lechen, bestehend aus dem Grundstück 355/20 Wiese im Ausmaß von 1105 m2 mit dem Einfamilienhaus Hofwiesengasse 2. Mit dem Übergabsvertrag vom 21. März 1985 übergab sie diese Liegenschaft ihrer Tochter Maria W***.

Am 19. September 1986 gab die Klägerin vor ihrem jetzigen Rechtsvertreter eine Erklärung dahin ab, daß sie auf die im Vertrag eingeräumten Gegenleistungen gegenüber der Übernehmerin Maria W*** verzichte. Hiebei handelte es sich um Wohn- und Betreuungsrechte im üblichen Umfang. Die Liegenschaft EZ 269 KG 60514 Lechen wurde in der Zwischenzeit verkauft. Der Beklagte kümmerte sich seit der Rückkunft der Klägerin aus Langenwang nicht um sie. Er erkundigte sich nur, wie lange die Klägerin "es noch macht" und äußerte sich, daß die Klägerin "verrecken" soll.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß sich die Klägerin in dem mit dem Beklagten geschlossenen bäuerlichen Übergabsvertrag ein Rücktrittsrecht vorbehalten habe. Der Übergabsvertrag vom 8. März 1963 sei aufzuheben gewesen, weil der Beklagte durch sein Verhalten, insbesondere durch die mangelnde persönliche Pflege der Klägerin und sein liebloses Verhalten ihr gegenüber, gegen seine vertraglichen Verpflichtungen verstoßen und so einen Rücktrittsgrund gesetzt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und erklärte die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig. Es treffe zu, daß es sich bei einem bäuerlichen Übergabsvertrag, von dem hier auszugehen sei, um einen Vertrag besonderer Art handle, welcher einerseits einem Kauf gegen Stundung des Kaufpreises ähnlich sei, andererseits aber auch Elemente eines Geschäftes von Todes wegen (vorgenommene Erbfolge) und familienrechtliche Bestandteile enthalte. Solche Übergabsverträge beruhten auf dem persönlichen Vertrauen der vertragschließenden Teile zueinander. Der Übergabsvertrag begründe kein Dauerschuldverhältnis. Er könne daher mangels anderer Vereinbarung auch aus wichtigen Gründen nicht einseitig aufgelöst werden, wenn der Übergeber die Liegenschaft an den Unternehmer bereits übergeben hat. Bei Nichterfüllung der dem Übernehmer obliegenden Verpflichtungen könne der Übergeber nicht die Rückübertragung der Liegenschaft, sondern nur Erfüllung des Vertrages oder Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen. Dies treffe auch für die auf den Todesfall übergebene Liegenschaftshälfte zu. Auch nach dem Wortlaut des Übergabsvertrages sei eine Rücktrittsmöglichkeit nicht vorbehalten bzw. ein bestimmtes Verhalten nicht als Rücktrittsgrund vereinbart worden. Daraus, daß für den Unvergleich ausdrücklich keine besondere Vereinbarung getroffen wurde, ergebe sich nur, daß die Streitteile für diesen Fall die gesetzliche Regelung eintreten lassen wollten, also keine bestimmte (Geld-)Leistung vereinbart haben, die für den Unvergleichsfall anstelle der vertraglich vereinbarten Leistungen treten sollte. Eine vereinbarte Rücktrittsmöglichkeit ergebe sich aus dieser Vertragsbestimmung nicht. Soweit die Klägerin ihr Aufhebungsbegehren auf groben Undank des Beklagten stützt, stehe dem entgegen, daß sich die Übergeberin des Rechtes des Widerrufes "aus welchem Grunde immer" vertraglich begeben habe. Im übrigen lägen keine Anhaltspunkte für eine Schenkung vor.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Klägerin wendet sich in ihrer Rechtsmittelschrift gegen die Richtigkeit der vom Berufungsgericht dargelegten Rechtsansichten über den Ausschluß des Rücktrittsrechtes des Übergebers wegen Nichterbringung der im Übergabsvertrag bedungenen Gegenleistungen des Übernehmers gemäß § 918 ABGB nach erfolgter Übergabe des Gutes, wenn diese Möglichkeit nicht im Vertrag selbst ausgedungen war. Auf diese - der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (zuletzt etwa JBl 1988, 108 mwN) folgende und in der angefochtenen Entscheidung ausführlich dargelegte - Rechtsansicht kommt es jedoch in dem hier zur Beurteilung stehenden besonderen Fall nicht an:

Der Übergabsvertrag der Parteien bestimmt, daß die Wirtschaftsführung der Übergabsliegenschaft durch die Vertragsteile gemeinsam erfolgen soll und die Einnahmen und Ausgaben nach Miteigentumsquoten aufzuteilen sind. Die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben soll der Übergeberin zustehen und diese soll auch berechtigt sein, bei Meinungsverschiedenheiten in der Wirtschaftführung zu entscheiden. Bis zum Ableben der Übergeberin ist der Übernehmer verpflichtet, alle zur ordentlichen Bewirtschaftung der Übergabsliegenschaft erforderlichen Arbeiten zu verrichten (Punkt 3.). Nach Punkt 5. des Vertrages ist zwar für die Dauer der Abwesenheit der Übergeberin von der Übergabsliegenschaft infolge Wegziehens und Wiederverehelichung eine andere Art der Bewirtschaftung vorgesehen - Alleinbewirtschaftung durch den Übernehmer mit besonders bedungener Gegenleistung -, doch sollten nach Heimkehr der Übergeberin auf die Übergabsliegenschaft die Bestimmungen über die gemeinsame Bewirtschaftung wieder voll in Kraft treten.

Unstreitig ist die klagende Übergeberin wieder auf die Übergabsliegenschaft zurückgekehrt, so daß nach der Aktenlage kein Grund ersichtlich ist, die im Vertrag der Parteien für diesen Fall vorgesehene Regelung zu ignorieren.

Danach haben aber die beiden Vertragspartner und nunmehrigen Streitparteien die in ihrem gemeinsamen Eigentum stehende Übergabsliegenschaft - und damit offenkundig auch das darauf befindliche landwirtschaftliche Unternehmen - und auch ihre Mühe zum gemeinschaftlichen Nutzen vereinigt und dadurch eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechts begründet (§ 1175 ABGB). Das dieser Gesellschaft gewidmete Vermögen, nämlich die Übergabsliegenschaft mit ihrem unternehmerischen Zubehör, steht nach der Regelung des ABGB im gesellschaftlich gebundenen Miteigentum der beiden Gesellschafter, so daß sich auch sein weiteres Schicksal nur nach gesellschaftlichen Grundsätzen bestimmen kann. Der Umstand, daß der Beklagte der ihm vertraglich obliegenden Bewirtschaftungspflicht nicht nachkommt und die Ackerflächen - wenngleich mit Zustimmung der Klägerin - verpachtet sind, hat auf den Fortbestand des gesellschaftsrechtlichen Bandes zwischen den Parteien keine Auswirkung.

Die klagende Übergeberin (und Gesellschafterin) strebt mit der vorliegenden Klage das Ziel an, wieder Alleineigentümerin der gesamten Übergabsliegenschaft unter Wegfall der durch das verbücherte Veräußerungs- und Belastungsverbot begründeten Beschränkung zu werden, und begründet dieses Begehren damit, daß wegen der Nichterfüllung der vertraglich übernommenen Leistungsverpflichtungen durch den beklagten Übernehmer (und Gesellschafter) der Rechtsgrund zur Aufrechterhaltung des Vertrages weggefallen sei. Berücksichtigt man das durch den Übergabsvertrag begründete gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen den Parteien, so kann die Klägerin das mit der Klage verfolgte Ziel nur dann erreichen, wenn (zumindest) ein wichtiger Grund in der Person des beklagten Gesellschafters im Sinne des § 1210 ABGB vorliegt, der ihr das Recht gibt, das mit ihm bestehende Gesellschaftsverhältnis aufzulösen und das gesamte Gesellschaftsvermögen durch außergerichtliche Erklärung ins Alleineigentum zu übernehmen. Bei einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden Gesellschaft nach bürgerlichem Recht ist nämlich eine Aufschließung des anderen Gesellschafters gemäß § 1210 ABGB begrifflich nicht möglich, weil die Gesellschaft mangels eigener Rechtspersönlichkeit danach nicht fortbestehen kann; die Rechtsfigur der Einmanngesellschaft gibt es bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ebensowenig wie bei den Personengesellschaften des Handelsrechts (OHG und KG). Herrschender Auffassung zufolge (zuletzt F. Bydlinski in GS für Fritz Schönherr, 1986, 155 ff, bes. 157 mwH in FN 9, 10; OGH in RdW 1988, 421 mwH) ist jedoch § 1210 ABGB auch auf die Zweimanngesellschaft mit der Besonderheit anzuwenden, daß in Ermangelung einer besonderen Anordnung für eine Gestaltungsklage im Sinne des § 142 HGB die außergerichtliche "Ausschlußerklärung" (richtig: Übernahmserklärung) rechtsgestaltend wirkt und das gesamte Gesellschaftsvermögen damit auf den anderen vormaligen Gesellschafter übergeht, ohne daß es eines weiteren Übertragungsaktes bedürfte. Diese "Ausschlußerklärung" kann auch in der Klage abgegeben werden (SZ 31/121; Bydlinski aaO 158). Bei richtiger rechtlicher Sicht des vorliegenden Falles kann eine solche Erklärung der Klageerzählung jedenfalls entnommen werden. Der Rechtstreit über diese Klage kann sich aber nur darauf beschränken, die sachliche Richtigkeit des behaupteten wichtigen Grundes in der Person des beklagten Gesellschafters, der zu seinem Ausschluß aus der Gesellschaft - bestünde diese aus zumindest drei

Gesellschaftern - führen könnte, zu überprüfen und bejahendenfalls

dem nur der Herstellung der richtigen Grundbuchordnung dienenden

Urteilsbegehren stattzugeben (in diesem Sinne auch F. Bydlinski aaO 158).

Bei dieser besonderen Art der Auflösung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt es sich, wie F. Bydlinski (aaO 156) überzeugend dargelegt hat, um einen besonderen Anwendungsfall der - spätestens seit Gschnitzer grundlegender Monographie über dieses Thema in JherJB 78, 72 - allgemein anerkannten Regel, daß alle Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grunde jederzeit lösbar sind; diese Regel ist ein der Natur der Dauerschuldverhältnisse angepaßter Spezialfall der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage (so auch Koziol-Welser, Grundriß I8 129 mit Verweisung auf Haarmann, Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Dauerrechtsverhältnissen, 1979). Der beherrschende Grundgedanke ist dabei immer die Unzumutbarkeit des Fortbestandes des Rechtsverhältnisses für den anderen Teil, in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall für die Klägerin. Dabei ist eine umfassende Abwägung des Bestandsinteresses des Beklagten und des Auflösungsinteresses der Klägerin unabdingbar, denn nur wenn diesem eine größere Beachtlichkeit zugemessen werden kann, ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes statthaft (zutreffend Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis, 1982). Vor allem sind hier die von der Klägerin schon bisher vorgetragenen Verletzungen wesentlicher Vertragspflichten durch den Beklagten, aber darüberhinaus auch der von ihr dargelegten (unklagbaren) Verhaltenspflichten (vgl. dazu OGH in JBl 1982, 426 f, bes. 427), die nicht nur dem Übergabsvertrag selbst, sondern auch dem Familienrecht (§ 137 Abs 2 ABGB) entspringen, von besonderer Bedeutung. Es muß aber auch berücksichtigt werden, daß zwischen Eltern und Kindern - der Beklagte ist der Sohn der Klägerin - eine über das sonst bei Personengesellschaften gewöhnlich zu fordernde Maß hinausgehende wechselseitige Toleranz und Bereitschaft zur Vermeidung und Bereinigung von Konflikten verlangt werden darf; dieses Verhaltensgebot findet freilich im Rahmen der Zumutbarkeit seine Grenzen und darf vom anderen Teil auch nicht mißbräuchlich überfordert werden. Die den Übergabsvertrag der Parteien speziell prägende Versorgungs- und Fürsorgepflicht des Beklagten, die eine Summe charakteristischer Verhaltenspflichten in sich schließt, muß gegen das grundsätzlich schutzwürdige Interesse des Beklagten auf - zumindest teilweise - Existenzsicherung aus den Liegenschaftserträgnissen und - nach dem Tode der Klägerin - auch aus der Liegenschaftssubstanz sowie - jetzt schon - aus deren Nutzung (zB Wohnung) sorgfältig abgewogen werden. Das gesamte Verhalten der Parteien zueinander ist dabei zu würdigen. Schließlich muß auch bedacht werden, daß die Übernahmeberechtigung der Klägerin im Sinne des § 1210 ABGB nur als letztes Mittel zum Schutz ihres Rechts in Betracht kommen kann (vgl. Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 524; MietSlg 31.223; 1 Ob 524/85). Das besondere gesellschaftsrechtliche, familienrechtliche und dem Übergabsvertrag als solchem entsprießende Verhältnis zwischen den Parteien und die sich daraus ergebende Treuepflicht erlaubt die Ausübung des Übernahmerechts nur, wenn kein anderer zumutbarer Weg der Konfliktlösung zu finden ist.

Diese Gesichtspunkte waren bisher nicht Gegenstand des Verfahrens, weil die Parteien und die Vorinstanzen die Sache ohne Berücksichtigung gesellschaftsrechtlicher Regeln beurteilt haben. Eine umfassende Erörterung der Rechtssache mit den Parteien im aufgezeigten Sinn ist deshalb unentbehrlich. (§§ 180 Abs 3 und 182 Abs 1 ZPO). Vorher kann über die Berechtigung der Klägerin zur Auflösungs- und Übernahmeerklärung im Sinne des § 1210 ABGB und damit auch des Klagebegehrens nicht abschließend geurteilt werden. Im übrigen haben die beiden Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend das Vorliegen einer Schenkung, wie sie von der Klägerin hilfsweise zur Begründung ihres auch auf groben Undank gestützten Klagebegehrens behauptet wurde, verneint, denn die Beteiligung des Beklagten an der Substanz der Übergabsliegenschaft mit einem Hälfteanteil, den ihm die Klägerin übertrug, muß in Konnex mit den von ihm allein zu erbringenden Bewirtschaftungsarbeiten und Versorgungsleistungen gesehen werden und dies schließt nach der Aktenlage eine für Unentgeltlichkeit sprechende Äquivalenzverschiebung aus.

Aus diesen Erwägungen muß in Stattgebung der im Ergebnis berechtigten Revision der Klägerin die Entscheidung des Berufungsgerichtes abgeändert, das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückverwiesen werden. Der Kostenausspruch beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E16420

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00648.88.1222.000

Dokumentnummer

JJT_19881222_OGH0002_0080OB00648_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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