Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Basalka und Leopold Smrcka in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dietmar F***, Elektromechaniker, 4061 Pasching, Stelzhamerstraße 9, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1092 Wien, Roßauer
Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Weitergewährung der Waisenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. September 1988, GZ 12 Rs 123/88-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25.April 1988, GZ 12 Cgs 26/88-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 23.1.1965 geborene Kläger beendete am 28.2.1984 seine Ausbildung für den Lehrberuf eines Kraftfahrzeugmechanikers. Weil er diesen Beruf infolge eines Verkehrsunfalls, den er während des Lehrverhältnisses erlitten hatte, nicht ausüben konnte, begann er am 3.10.1986 im Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum Linz die Ausbildung zum Elektromechaniker-Schwachstrom, die er am 7.3.1988 mit der Lehrabschlußprüfung beendete. Ab 19.3.1988 absolvierte er in dem angeführten Bildungs- und Rehabilitationszentrum die Zusatzausbildung "Mikrocomputer- und Steuerungstechnik", die 6 Monate dauerte und mit 45 Stunden Unterricht in der Woche verbunden ist. Außerdem besucht er an den Samstagen einen Programmiererkurs.
Der Kläger erhielt nach dem ArbeitsmarktförderungsG vom 3.10.1986 bis 30.6.1987 monatlich S 6.116,-- und ab 1.7.1987 monatlich S 5.000,--. Ferner erhielt er als Beitrag zu den Reisekosten den Preis einer Monatskarte von S 350,-- bis 31.12.1987 und von S 380,-- seit 1.1.1988. An dem Ort, an dem die Ausbildung stattfindet, kann er ein Mittagessen um S 14,-- bekommen. Die Lehrmittel wurden und werden ihm kostenlos zur Verfügung gestellt. Die beklagte Partei gewährte dem Kläger bis zur Beendigung seines Lehrverhältnisses am 28.2.1984 die Waisenpension und lehnte seinen am 20.8.1987 gestellten Antrag auf Weitergewährung ab. Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger ab 20.5.1987 die Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab. Es folgerte aus dem wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich, daß dem Kläger für die Zeit seiner Ausbildung eine Waisenpension nicht gebühre, weil seine Lebenserhaltungskosten durch die ihm gewährten Beihilfen voll gedeckt seien. Das Berufungsgericht sprach infolge Berufung des Klägers aus, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht, und trug der beklagten Partei auf, dem Kläger ab 25.4.1988 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von monatlich S 1.150,-- zu erbringen. Im Sinne der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 1/39) komme es für das Bestehen der Kindeseigenschaft nach Vollendung des 18. Lebensjahres nur darauf an, ob sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befinde, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht. Neben einer solchen Ausbildung erzielte Einkünfte hätten auf den Grund des Anspruchs auf Waisenpension keinen Einfluß. Hier beanspruche die Berufsausbildung die Arbeitskraft des Klägers zur Gänze, weshalb er kein eigenes Erwerbseinkommen erziele. Außerdem sei durch die ihm gewährten Beihilfen seine Selbsterhaltung nicht gesichert.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache an die Unterinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Der Kläger erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof beschäftigte sich mit der Frage, welchen Einfluß Einkünfte haben, die dem Kind während der Schul- und Berufsausbildung zufließen, bisher in der schon vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung SSV-NF 1/39 und zuletzt in der Entscheidung SSV-NF 2/35. In der zuerst genannten Entscheidung vertrat er die Auffassung, daß Einkünfte jeglicher Art, die neben der die Arbeitskraft überwiegend beanspruchenden Schul- oder Berufsausbildung erzielt werden, weder den Grund noch die Höhe des Anspruchs auf Waisenpension berührten, sondern sich allenfalls darauf auswirkten, ob das waisenpensionsberechtigte Kind Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension hat. In der zweiten Entscheidung führte er aus, das Tatbestandsmerkmal einer die Kindeseigenschaft verlängernden Berufsausbildung im Sinn des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG sei nur dann gegeben, wenn im Rahmen der Ausbildung kein oder nur ein geringes, die Selbsterhaltungsfähigkeit nicht sicherndes Entgelt bezogen werde. Die gleichen Grundsätze seien auch dann anzuwenden, wenn eine die Arbeitskraft überwiegend beanspruchende Ausbildung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses erfolge, sofern allein die Ausbildung die Grundlage für den Bezug eines den Lebensunterhalt sichernden Einkommens darstelle. In gleicher Weise wie in Fällen, in denen im Zug eines Arbeitsverhältnisses eine Ausbildung erfolge, stünden hier die Ausbildung und der Bezug der Leistung in einem untrennbaren Sachzusammenhang. Eine Behandlung dieser Leistungen, die von der eines Erwerbseinkommens aus einer Tätigkeit, die der Ausbildung diene, verschieden ist, sei nicht vertretbar. Beziehe jemand, der für einen Beruf ausgebildet werde, als Gegenleistung dafür, daß er sich der Ausbildung unterzieht, eine die Selbsterhaltungsfähigkeit sichernde Leistung, so seien die Voraussetzungen des § 252 Abs 2 Z 1 ASVG nicht mehr gegeben.
Aus diesen beiden Entscheidungen, die der erkennende Senat aufrecht erhält, ist also abzuleiten, daß nur solche Einkünfte auf den Fortbestand der Kindeseigenschaft nach § 252 Abs 2 Z 1 ASVG ohne Einfluß sind, die nicht durch ein nur der Ausbildung dienendes Arbeitsverhältnis erzielt und die auch nicht wegen einer Ausbildung, durch die kein Arbeitsverhältnis begründet wird, gewährt werden. Fließen dem Kind solche Einkünfte in einer die Selbsterhaltungsfähigkeit sichernden Höhe zu, so besteht die Kindeseigenschaft auch dann nicht nach Vollendung des 18. Lebensjahres weiter, wenn das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht. Andere Einkünfte hindern hingegen das Fortbestehen der Kindeseigenschaft nicht.
In der bereits zitierten Entscheidung SSV-NF 2/35 hat der Oberste Gerichtshof auch schon ausgesprochen, daß die Kindeseigenschaft nach Vollendung des 18.Lebensjahres nicht mehr bestehe, wenn das Kind nach dem ArbeitsmarktförderungsG eine Beihilfe von S 5.131,-- monatlich erhält. Diese Beihilfe, die wegen der Ausbildung gewährt wird, erreiche eine Höhe, die über dem Ausgleichszulagenrichtsatz (§ 293 ASVG) liege, weshalb davon auszugehen sei, daß sie auch zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten ausreicht. Es besteht kein Grund für die hier dem Kläger gewährte, nur geringfügig niederere Beihilfe etwas anderes anzunehmen, zumal er noch andere Begünstigungen erhielt. Da der Kläger somit wegen seiner Berufsausbildung die Selbsterhaltungsfähigkeit sichernde Einkünfte bezog, bestand bei ihm die Kindeseigenschaft in dem hier maßgebenden Zeitraum nicht mehr gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG, obwohl die Berufsausbildung seine Arbeitskraft zur Gänze beanspruchte. Er hat deshalb keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Waisenpension.
Anmerkung
E16683European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00323.88.0110.000Dokumentnummer
JJT_19890110_OGH0002_010OBS00323_8800000_000