TE OGH 1989/1/10 10ObS355/88

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Veröffentlicht am 10.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinrich Basalka (Arbeitgeber) und Leopold Smrcka (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ewa K***, Schulgasse 35/9, 1180 Wien, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Roßauer

Lände 3, 1092 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Juni 1988, GZ 34 Rs 95/88-99, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16.Feber 1988, GZ 7 a Cgs 29/86-91, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Begehren der Klägerin, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß "ab dem Stichtag" zu gewähren, ab. Es stellte fest, daß die am 3.September 1935 geborene Klägerin keinen Beruf erlernt hat. Sie legte in Polen die Reifeprüfung ab und war dort von 1954 bis 1960 als Oberreferentin in einer polnischen Milchgenossenschaft und von 1963 bis 1967 als Inspektor einer polnischen Finanzkammer beschäftigt. Bis zu ihrer Einreise nach Österreich im Jahre 1978 widmete sich die Klägerin der Kindererziehung und einem nicht abgeschlossenen Fernstudium im Wirtschaftsfach. In Österreich arbeitete sie von Juli 1978 bis 20. Oktober 1979 als Essenausgeberin in einem Restaurant, im Oktober 1979 tageweise als Küchenaushilfe, war vom 15.März 1981 bis 2. September 1981 Bedienerin in einem Cafe, vom 1.März 1982 bis 31. Juli 1982 wiederum Bedienerin, vom 19.März 1984 bis 19.Mai 1984 Küchenhilfskraft und ab 16.Juni 1984 Raumpflegerin. Die Klägerin hat in Österreich nie höherwertige Angestelltentätigkeiten verrichtet, bei einer Anstellung in einem Geflügelgeschäft als Verkäuferin übte sie nur die Funktion einer Ladnerin aus. Sie verkaufte Hühner unter Benutzng einer Computerkasse, hatte mit der Geschäftsgebarung nichts zu tun und mußte nicht einmal die Kassenabrechnung durchführen. Die Klägerin ist für leichte bis mittelschwere Arbeiten im Sitzen und Gehen, ohne dauernden besonderen Zeitdruck, ohne dauerndes Knien oder andauerndes Bücken in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen geeignet. Stehen ist bis zu einer Stunde mit Unterbrechungen möglich. Die Klägerin ist unterweisbar und kann eingeordnet werden. Die Fingerfertigkeit ist außer für besondere Feinarbeit erhalten. Das Zurücklegen der Anmarschwege ist gewährleistet. Die Arbeiten müssen ohne ständige Nässe und Kälte zu erledigen sein.

Die Tätigkeiten einer Bedienerin oder Küchengehilfin sind der Klägerin nicht mehr zumutbar, ihrem Leistungskalkül entsprechen aber noch Tischarbeiten in der Lederwarenerzeugung, Hilfsarbeiten in der Spielwarenerzeugung oder in Adressenverlagen, Einlegerin in der Süßwarenerzeugung. Auf dem Gebiet der Angestelltentätigkeiten wären ihr noch die Berufe einer Bürohilfskraft, Werkstättenschreiberin, Fakturistin, Telefonistin, Lohnverrechnerin oder Registraturarbeiterin zumutbar.

Weil die Klägerin noch auf eine Reihe von Tätigkeiten verwiesen werden könne, leitete das Erstgericht rechtlich ab, daß sie nicht invalide im Sinne des § 255 Abs. 3 ASVG sei.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und billigte die Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.

In ihrer dagegen erhobenen Revision machte die Klägerin Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend.

Rechtliche Beurteilung

In der Mängelrüge werden nur, wie schon in der Berufung, global die Ergebnisse der durchgeführten Sachverständigenbeweise, soweit sie nicht mit den eigenen Angaben der Klägerin über ihren Gesundheitszustand übereinstimmen, bekämpft. Folgt das Berufungsgericht einem ihm überzeugend erscheinenden Gutachten eines Sachverständigen und hält es weitere Beweisaufnahmen für entbehrlich, so stellt dies einen mit Revision nicht bekämpfbaren Akt der Beweiswürdigung dar, soferne ihm dabei kein Verstoß gegen die Denkgesetze zur Last fällt. Ein solcher aber wurde in der Revision weder aufgezeigt noch ist er aus den Akten erkennbar. In ihrer Rechtsrüge führt die Berufungswerberin aus, auf Grund ihrer Ausbildung in Polen stellten die von den Vorinstanzen angenommenen Verweisungstätigkeiten für sie einen unzumutbaren sozialen Abstieg dar. Dem ist entgegen zu halten, daß die Klägerin während ihrer gesamten Zeit in Österreich, in welcher sie Versicherungsmonate erworben hat, nach den Feststellungen immer nur ungelernte Arbeitertätigkeiten ausgeübt hat, ihre geminderte Erwerbsfähigkeit daher nach § 255 Abs. 3 ASVG zu beurteilen ist. Versicherten in ungelernten Berufen gebührt - soferne die Voraussetzungen des § 255 Abs. 4 ASVG nicht erfüllt sind - eine Leistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit grundsätzlich erst dann, wenn sie nicht mehr imstande sind, eine auf dem Arbeitsmarkt noch bewertete Tätigkeit zu verrichten. Das Verweisungsfeld ist somit mit dem Arbeitsmarkt identisch. § 255 Abs. 3 ASVG hindert eine Verweisung auf Tätigkeiten, die den bisher ausgeübten unähnlich sind nicht, sondern soll nur in den Ausnahmsfällen eine Verweisung verhindern, die bei Berücksichtigung der schon ausgeübten Tätigkeiten als unbillig bezeichnet werden müßte (SSV-NF 2/34 und 50). Dies ist im Hinblick auf die tatsächlich ausgeübten Hilfsarbeitertätigkeiten der Klägerin hier keineswegs der Fall. Daß die Klägerin in Polen höherwertige Tätigkeiten verrichtet hat, kann im Rahmen der Billigkeitsprüfung nach § 255 Abs. 3 ASVG schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil es sich dabei um keine in Österreich anrechenbaren Versicherungszeiten handelt. Unter den bisher vom Versicherten ausgeübten Tätigkeiten im Sinn des § 255 Abs. 3 ASVG können nämlich nur solche verstanden werden, bei denen nach österreichischem Recht Versicherungszeiten erworben wurden, nicht aber auch Tätigkeiten, bei denen dies nicht der Fall war. Dies trifft auch für Zeiten der Beschäftigung im Ausland zu, die mangels einer zwischenstaatlichen Vereinbarung in Österreich nicht als Versicherungszeiten zählen.

Daß auf die Tatsache, die Klägerin sei Flüchtling, bei der Beurteilung der Invalidität nicht Bedacht genommen werden kann, hat schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt (§ 48 ASGG). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

Anmerkung

E16932

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00355.88.0110.000

Dokumentnummer

JJT_19890110_OGH0002_010OBS00355_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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