TE OGH 1989/1/11 9ObA5/89 (9ObA6/89)

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Veröffentlicht am 11.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach Josef Rudolf S***, wohnhaft gewesen in Wien 22., Bernoullistraße 4/20/10, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Walter P***, Rechtsanwalt, Wien 1., Mahlerstraße 7, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der TAXI- UND

M*** mbH, Wien 18., Edelhofgasse 27

(6 S 73/86 des Handelsgerichtes Wien), wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert 244.000 S, im Rechtsmittelverfahren 227.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. September 1988, GZ 34 Ra 87, 107/88-66, womit infolge Rekurse der klagenden Partei die Beschlüsse des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23. Februar 1988 und vom 15. April 1988, GZ 7 Cga 9/85-59 und 7 Cga 9/85-63, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte von seinem ehemaligen Arbeitgeber F*** 3130 Vermittlungsgesellschaft mbH die Zahlung eines Betrages von 244.000 S sA mit der Begründung, er sei ungerechtfertigt entlassen worden. Aus dem weiterhin aufrechten Arbeitsverhältnis stünden ihm Geldansprüche in der begehrten Höhe zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Während des Verfahrens wurde die Bezeichnung der beklagten Partei in nunmehr TAXI- UND M*** mbH in Liquidation geändert (HRB Nr. 25127 des Handelsgerichtes Wien). Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers mit einem Betrag von 17.000 S statt und wies das Mehrbegehren ab.

Gegen den klageabweisenden Teil dieses Urteils erhob der Kläger Berufung mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinn des Klagebegehrens abzuändern, hilfsweise sie aufzuheben.

Die beklagte Partei beantragte, der Berufung keine Folge zu geben.

Während des Berufungsverfahrens wurde mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 4. Juli 1986 zu 6 S 73/86 das Konkursverfahren über die beklagte Partei eröffnet. Am 6. November 1986 begehrte der Masseverwalter die Fortsetzung des durch die Konkurseröffnung unterbrochenen (Berufungs-)Verfahrens. Während des Berufungsverfahrens ist der Kläger verstorben. Die Forderung wurde im Konkursverfahren angemeldet und vom Masseverwalter bestritten.

In der Tagsatzung zur mündlichen Berufungsverhandlung vom 13. November 1987 berichtigte die klagende Partei das Begehren auf Feststellung einer Forderung von 244.000 S netto als Konkursforderung im Konkurs über das Vermögen der TAXI- UND M*** mbH in Liquidation.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß das Begehren auf Feststellung einer weiteren Forderung von 227.000 S sA als Konkursforderung im Konkurs über das Vermögen der TAXI- UND M*** mbH in Liquidation

abgewiesen wurde.

Dieses Urteil wurde dem Vertreter der klagenden Partei am 24. Dezember 1987 zugestellt. Am 3. Februar 1988 (Postaufgabe) erhob die klagende Partei Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes. Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 23. Februar 1988, GZ 7 Cga 9/85-59, die Revision als verspätet zurück. Ein von der klagenden Partei daraufhin erhobener Wiedereinsetzungsantrag wurde mit Beschluß vom 15. April 1988, GZ 7 Cga 9/85-63, vom Erstgericht abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab den gegen diese Beschlüsse erhobenen Rekursen nicht Folge; es sprach - ohne substantielle Begründung - aus, daß der Wert des Streitgegenstandes "in beiden Rekursverfahren" 30.000 S nicht übersteige und ein weiterer Rekurs nicht zulässig sei. Die Bestimmungen über die Gerichtsferien (§§ 222 bis 225 ZPO) seien gemäß § 39 Abs 4 ASGG im Verfahren in Arbeits- und Sozialrechtssachen nicht anzuwenden. Ausgehend von der Zustellung des Urteils des Berufungsgerichtes an den Klagevertreter am 24. Dezember 1987 habe die vierwöchige Revisionsfrist am 21. Jänner 1988 geendet. Die am "1. Februar 1988 zur Post gegebene" Revision sei verspätet. Ein Wiedereinsetzungsgrund liege nicht vor. Der Grund der Versäumung der Revisionsfrist liege darin, daß dem Vertreter der klagenden Partei die Bestimmung des § 39 Abs 4 ASGG nach seinen eigenen Ausführungen nicht bekannt gewesen sei. Dies sei als grobes Verschulden zu qualifizieren, das eine Wiedereinsetzung ausschließe. Rekursausführungen über ein angebliches Versehen einer Kanzleiangestellten des Klagevertreters stünden mit dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Widerspruch und würden erstmalig im Rekursverfahren erhoben, sodaß zufolge des Neuerungsverbotes hierauf nicht eingegangen werden könne.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der über das Rekursgericht vorgelegte "außerordentliche" Rekurs der klagenden Partei. Gegenstand der Rechtsmittelausführungen ist nur der die Bewilligung der Wiedereinsetzung versagende Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes. Die klagende Partei stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß in diesem Punkt dahin abzuändern, daß ihr die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist bewilligt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist als ordentlicher Rekurs zulässig; es ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 ASGG hat das Berufungsgericht, wenn der Wert des Streitgegenstandes, über den es entscheidet, nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht, auszusprechen, ob er 30.000 S übersteigt, und wenn der Wert des Streitgegenstandes, über den es entscheidet, 30.000 S nicht übersteigt, ob die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig ist. Gemäß § 45 Abs 3 ASGG hat das Rekursgericht diese Bestimmung sinngemäß anzuwenden; der § 527 Abs 1 zweiter Satz ZPO gilt nicht. Gemäß § 47 ASGG finden die Rekursbeschränkungen des § 528 Abs 1 Z 1 und 5 ZPO in Arbeits- und Sozialrechtssachen keine Anwendung. Es ist daher, sofern der Streitgegenstand 30.000 S übersteigt, auch gegen einen bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes der Vollrekurs zulässig. Da der Rechtsstreit auch in einem Feststellungsprozeß nach § 110 KO ausschließlich eine Geldsumme, nämlich den Betrag, dessen Feststellung begehrt wird, betrifft, bedarf es auch keines Ausspruches des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 2 ZPO (Fasching ErgBd 66, 4 Ob 4/84). Dies gilt entsprechend für die Rekursentscheidung. Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Z 1 ASGG nicht vor, so ost ein dennoch getroffener Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes unbeachtlich; in gleicher Weise ist in Fällen, in denen der Wert des Streitgegenstandes 30.000 S übersteigt, ein Ausspruch gemäß § 45 Abs 1 Z 2 ASGG unbeachtlich; hier steht die Vollrevision bzw. der Vollrekurs an den Obersten Gerichtshof offen.

Mit der (verspätet erhobenen) Revision bekämpft der Kläger die Abweisung seines Begehrens auf Feststellung eines Betrages von 227.000 S als Konkursforderung. Mit dem Teil der Rekursentscheidung, der mit dem vorliegenden Rekurs bekämpft wird, wurde über die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist und damit über eine verfahrensrechtliche Frage abgesprochen, die sich auf den gesamten Gegenstand der Revision erstreckt. Der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, übersteigt daher 30.000 S, sodaß der Rekurs ohne die Beschränkung des § 46 Abs 3 ASGG (§ 45 Abs 1 Z 1 und 2 ASGG) als ordentlicher Rekurs zulässig ist.

Der Rekurs ist allerdings nicht berechtigt.

Die klagende Partei hat den Rekurs gegen den Beschluß, mit dem ihre Revision zurückgewiesen wurde, und den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist in einem Schriftsatz verbunden. Sie vertrat in diesem Schriftsatz die Auffassung, daß unter Berücksichtigung der Gerichtsferien die Revisionsfrist bis 2. Februar 1988 offen gewesen sei. Ein Hinweis dafür, daß die Vormerkung des Endes der Revisionsfrist mit 2. Februar 1988 die Folge eines Versehens in der Kanzleiorganisation gewesen sei, läßt sich diesem Schriftsatz nicht entnehmen; aus den Ausführungen ergibt sich vielmehr, daß dies der Rechtsansicht des Vertreters der klagenden Partei entsprach und daß die Revision erst nach dem 2. Februar 1988 zur Post gegeben wurde. Die Behauptung, daß die fälschliche Eintragung einer durch die Gerichtsferien verlängerten Revisionsfrist ein einmaliges Versehen einer sonst immer verläßlichen Kanzleiangestellten gewesen sei, wurde erstmals im Rekurs vorgetragen. Zutreffend hat das Rekursgericht eine Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen abgelehnt.

Gemäß § 146 Abs 1 letzter Satz ZPO hindert der Umstand, daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last fällt, die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Die Unkenntnis wesentlicher Verfahrensvorschriften durch einen Rechtsanwalt beruht jedoch auf grober Fahrlässigkeit und übersteigt daher den Grad jenes Verschuldens, das nach dem Gesetz der Bewilligung einer Wiedereinsetzung nicht entgegensteht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 154 ZPO, welche Bestimmung einen Kostenersatzanspruch des Wiedereinsetzungswerbers generell ausschließt.

Anmerkung

E16445

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00005.89.0111.000

Dokumentnummer

JJT_19890111_OGH0002_009OBA00005_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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