TE OGH 1989/1/11 9ObA302/88

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Veröffentlicht am 11.01.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter M***, Steuerberater, Lauterach, Badweg 12, vertreten durch Dr. Ernst Stolz und Dr. Sepp Manhart, Rechtsanwälte in Bregenz, wider die beklagte Partei ALPEN-T*** G*** mbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Bregenz, Wolfeggstraße 11, vertreten durch Dr. Otmar Simma, Dr. Alfons Simma und Dr. Ekkehard Bechtold, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen S 387.914,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Oktober 1987, GZ 5 Ra 148/87-12a, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom 10. März 1986, GZ Cr 460/85-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.036,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.185,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Den Entscheidungen der Vorinstanzen liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Der Kläger war seit 1970 als Angestellter bei der beklagten Partei, einem Steuerberatungsunternehmen, tätig. Er hat bereits seit längerer Zeit Privatkunden als Steuerberater betreut und hieraus auch Einkünfte bezogen. Der beklagten Partei war diese nebenberufliche Tätigkeit des Klägers nicht bekannt. Es wurde zwar gelegentlich vermutet, daß der Kläger neben seiner Tätigkeit für die beklagte Partei auch Privatkunden betreue, aber es fehlte ein Beweis. 1978 wurde die SÜDWEST-T*** m.b.H. (im folgenden kurz: SÜDWEST-T*** bezeichnet) gegründet. Sitz der Gesellschaft war die Wohnadresse des Klägers in Lauterach. Zum Geschäftsführer war Beda B*** bestellt. Von Dipl.Kfm. G***, dem Geschäftsführer der beklagten Partei zu einer Stellungnahme aufgefordert, erklärte der Kläger, daß er mit der S***-T*** nichts zu tun habe. Tatsächlich war aber zu diesem Zeitpunkt bereits geplant, daß der Kläger nach Übertritt Beda B*** in den Ruhestand Geschäftsführer dieser Gesellschaft werden sollte. Der Kläger hatte beschlossen, zu einem späteren Zeitpunkt für die SÜDWEST-T*** zu arbeiten. Im Jahr 1982 erzielte der Kläger auch Einnahmen aus seiner Tätigkeit für dieses Unternehmen. Die SÜDWEST-T*** und die beklagte Partei arbeiten auf dem selben Gebiet und sind Konkurrenzunternehmen. Am 13. November 1984 legte der Kläger die Steuerberaterprüfung ab. Bei der Weihnachtsfeier 1984 beglückwünschte Dipl.Kfm. G*** den Kläger zur bestandenen Prüfung und fragte ihn nach seinen Zukunftsplänen. Der Kläger erklärte, es werde sich nichts ändern, er werde weiterhin für die beklagte Partei tätig sein. Über das Verhältnis zur SÜDWEST-T*** informierte der Kläger die beklagte Partei nicht. Mit Beschluß der Generalversammlung der SÜDWEST-T*** vom 16. November 1984 wurde der Gesellschaftsvertrag in den Punkten III und VII geändert. Gegenstand des Unternehmens ist seither die Ausübung aller Tätigkeiten, zu denen Steuerberatungsgesellschaften gemäß § 33 der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung befugt sind. Beda B*** ist seither nicht mehr Geschäftsführer. Zum Geschäftsführer mit selbständiger Vertretungsbefugnis wurde der Kläger bestellt. Diese Änderung wurde in der Nr. 33 der periodischen Druckschrift "Vorarlberg Wirtschaft aktuell" vom 7. Juni 1985 veröffentlicht. Dipl.Kfm. G*** las diese Einschaltung am 14. Juni 1985. Er sprach sofort darüber mit dem Kläger, der zu diesem Zeitpunkt bereits zu 25 % an der SÜDWEST-T*** beteiligt war, und erklärte ihm, daß er durch sein Vorgehen einen Entlassungstatbestand erfüllt habe; er werde sich bezüglich einer Entlassung mit den Mitgesellschaftern beraten. Am selben Tag beschlossen die drei Geschäftsführer der beklagten Partei, den Kläger zu entlassen. Ein entsprechendes Schreiben wurde am selben Tag verfaßt und am 15. Juni 1985 abgesendet. Als der Kläger am folgenden Montag, dem 17. Juni 1985, seine Tätigkeit bei der beklagten Partei aufnehmen wollte, wurde ihm mitgeteilt, daß die Entlassung bereits schriftlich ausgesprochen worden sei.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von S 387.914,-- an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Der beklagten Partei sei seit Jahren bekannt gewesen, daß er neben seiner Tätigkeit für die beklagte Partei selbständig eine Reihe von privaten Kunden betreue und an der SÜDWEST-T*** beteiligt sei. Nach Ausscheiden von Beda B*** sei aus gewerberechtlichen Gründen erforderlich gewesen, neuerlich einen Steuerberater zum Geschäftsführer zu bestellen. Nur dies sei der Grund für die Übernahme dieser Funktion durch den Kläger gewesen. Tatsächlich habe sich jedoch seine nebenberufliche und von der beklagten Partei auch genehmigte Beschäftigung nicht geändert. Er habe nach wie vor seine volle Arbeitskraft dem Unternehmen der beklagten Partei gewidmet. Da die beklagte Partei die Nebenbeschäftigung des Klägers seit Jahren genehmigt habe, sei die Entlassung nicht gerechtfertigt; die Entlassung sei überdies verspätet erklärt worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Bis zum 14. Juni 1985 habe sie von einer Tätigkeit des Klägers für die SÜDWEST-T*** keine Kenntnis gehabt. Der Kläger habe zu einem früheren Zeitpunkt jeden Zusammenhang mit der SÜDWEST-T*** geleugnet. Nach Kenntnis von der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer sei die Entlassung unverzüglich ausgesprochen worden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe durch Übernahme der Funktion eines Geschäftsführers der SÜDWEST-T*** gegen die Bestimmungen des § 7 Abs 1 AngG verstoßen. Eine Genehmigung seiner Tätigkeit durch die beklagte Partei sei nicht erfolgt. Da das Entlassungsschreiben an dem Tag, an dem der beklagten Partei die Tätigkeit des Klägers für die SÜDWEST-T*** bekannt geworden sei, ausgefertigt und am folgenden Tag abgesendet worden sei, und die beklagte Partei dem Kläger auch die weitere Tätigkeit untersagt habe, komme auch dem Einwand, die Entlassung sei verspätet ausgesprochen worden, keine Berechtigung zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Die beklagte Partei sei Kraft ihrer Rechtsform Kaufmann. Der Kläger sei daher Angestellter gemäß § 1 AngG gewesen und daher dem Konkurrenzverbot nach § 7 Abs 1 AngG unterlegen. Durch die Übernahme der Funktion eines Geschäftsführers der SÜDWEST-T*** habe der Kläger gegen dieses Konkurrenzverbot verstoßen und die Voraussetzungen des Entlassungsbestandes des § 27 Abs 3 AngG erfüllt. Da die Entlassung durch die beklagte Partei unverzüglich ausgesprochen worden sei, bestünden die erhobenen Ansprüche nicht zu Recht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß Art. II Abs 1 AngG in der Fassung des BG vom 3. Juli 1975 BGBl. 1975/418 finden die Bestimmungen des Angestelltengesetzes auch auf Dienstverhältnisse von Personen Anwendung, die vorwiegend zur Leistung kaufmännischer oder höherer nicht kaufmännischer Dienste oder Kanzleidienste bei Wirtschaftstreuhändern angestellt sind. Wirtschaftstreuhänder im Sinn ihres Berufsrechtes (BG vom 22. Juni 1955 BGBl. 1955/125 idF BGBl. 1982/352) sind die Angehörigen der Berufsgruppen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Buchprüfer und Steuerberater sowie Steuerberater. Diese können sowohl physische Personen als auch Personengemeinschaften und juristische Personen sein (Martinek-Schwarz AngG6, 757). Art. II Abs 1 AngG ist eine Sonderbestimmung, die unabhängig von der Rechtsform des Dienstgeberunternehmens auf alle Angestellten Anwendung findet, die bei Wirtschaftstreuhändern im Sinn der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung mit dem umschriebenen Aufgabenkreis beschäftigt sind. Den Revisionsausführungen ist daher insoweit beizutreten, als sie geltend machen, daß der Kläger nicht Angestellter im Sinn des § 1 AngG gewesen sei. Hieraus ist aber für den Standpunkt des Klägers nichts gewonnen.

Gemäß Art. II Abs 1 letzter Satz AngG ist auf die Dienstverhältnisse von Angestellten der Wirtschaftstreuhänder die Bestimmung des § 7 Abs 4 AngG mit Ausnahme der Bestimmung über die Teilnahme an einem Wettbewerb sinngemäß anzuwenden. Daher ist es Angestellten von Wirtschaftstreuhändern untersagt, ohne Einwilligung des Dienstgebers Aufträge, die in das Gebiet der geschäftlichen Tätigkeit des Dienstgebers fallen, auf eigene oder fremde Rechnung zu übernehmen, sofern dadurch das geschäftliche Interesse des Dienstgebers beeinträchtigt wird. Unter Beeinträchtigung des Interesses ist nicht nur die effektive Herbeiführung eines Schadens zu verstehen, sondern es fallen darunter auch Eingriffe in die geschäftliche Interessensphäre des Arbeitgebers überhaupt (Martinek-Schwarz aaO 222).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die SÜDWEST-T*** und die beklagte Partei auf dem selben Gebiet arbeiten und Konkurrenzunternehmen sind. Die beklagte Partei hat ihren Sitz in Bregenz, die SÜDWEST-T*** in Lauterach. Die Gemeindegebiete von Bregenz und Lauterach grenzen unmittelbar aneinander und bilden faktisch ein einheitliches und - bedingt durch die Größe - auch überschaubares Wirtschaftsgebiet. Daher besteht eine unmittelbare Konkurrenzsituation der beiden Unternehmen. Unter diesen Umständen wird durch den Betrieb des Konkurrenzunternehmens das geschäftliche Interesse der beklagten Partei beeinträchtigt. Als Geschäftsführer hat der Kläger die SÜDWEST-T*** gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten (§ 18 Abs 1 GmbHG) und daher auch Aufträge namens der Gesellschaft zu übernehmen. Seine Tätigkeit für dieses Unternehmen verstößt somit gegen das Konkurrenzverbot des § 7 Abs 4 AngG und bildet einen Entlassungsgrund gemäß § 27 Z 3 AngG. Da das Vorbringen der beklagten Partei sämtliche Tatsachen enthält, die eine Beurteilung der Entlassung auch unter dem Entlassungsgrund des § 27 Z 3 letzter Fall AngG (Verstoß gegen das Konkurrenzverbot gemäß § 7 Abs 4 AngG) zulassen, haben die Vorinstanzen das Begehren des Klägers zu Recht abgewiesen.

Die Frage der Rechtzeitigkeit der Entlassung wird in der Revision nicht mehr releviert. Es genügt daher, auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen hinzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E16439

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00302.88.0111.000

Dokumentnummer

JJT_19890111_OGH0002_009OBA00302_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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