TE OGH 1989/1/12 6Ob735/88

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Veröffentlicht am 12.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert H***, Angestellter, 8103 Tallak 103, vertreten durch Dr.Wilhelm Kubin, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei

P***-H*** mbH, Liebenauer Hauptstraße 10, 8041 Graz, vertreten durch Dr.Gerald Stenitzer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Herausgabe (Streitwert S 75.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 8.Juli 1988, GZ 2 R 142/88-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 26.April 1988, GZ 9 Cg 18/88-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrte von der beklagten Partei die Herausgabe eines PKWs Marke BMW Type 323 i, Modell 1981, Motornummer 7799661, Fahrgestellnummer WBAAH 3106 C 7799661, mit erneuertem Windflügel, der Fahrzeugschlüssel und eines Wagenhebers. Er brachte vor, mit Vertrag vom 3.April 1986 habe er diesen PKW von der beklagten Partei um S 95.000,-- gekauft. Auf den Kaufpreis sei der Preis für ein Eintauschfahrzeug in der Höhe von S 20.000,-- angerechnet worden. Einen Barbetrag von S 75.000,-- habe er am 3.April 1986 entrichtet. Nach Übergabe des Typenscheines habe sich jedoch die beklagte Partei geweigert, die Fahrzeugschlüssel herzugeben.

Die beklagte Partei wendete ein, der Kläger habe sich mit der Absicht getragen, einen PKW zu kaufen, und einen alten PKW zum Preis von S 20.000,-- zum Eintausch angeboten. Noch vor Abschluß des Geschäftes habe sich der Geschäftsführer der beklagten Partei über den Zustand des Eintauschfahrzeuges erkundigt. Der Kläger habe ihm zugesichert, das Fahrzeug sei in ordnungsgemäßem Zustand; ein Motorschaden sei nicht vorhanden. Bei der Besichtigung habe sich jedoch ein Motorschaden herausgestellt. Der Kaufvertrag sei nicht zustande gekommen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest:

Am 1.April 1985 begab sich der Kläger in Begleitung einer Bekannten auf das Gelände der beklagten Partei, um sich über deren Angebot an Gebrauchtwagen zu informieren. Er interessierte sich schließlich für einen PKW der Marke BMW 323 i, Baujahr 1981, der zum Preis von S 95.000,-- (einschließlich Umsatzsteuer) zum Verkauf angeboten war. Da der anwesende Angestellte der beklagten Partei nicht ermächtigt war, die näheren Bedingungen für das vom Kläger zum Eintausch angebotene Fahrzeug auszuhandeln, erschien der Kläger am folgenden Tag erneut bei der beklagten Partei und besprach dort mit dem Geschäftsführer Günther E*** die Möglichkeit, seinen PKW der Marke BMW 2002 in Zahlung zu geben und das Wunschfahrzeug beim A*** testen zu lassen. Günther E*** besichtigte den PKW des Klägers, setzte sich hinein, öffnete den Motorraumdeckel und startete den Motor. Er verzichtete jedoch auf die vom Kläger angebotene Probefahrt und nannte schließlich für das zum Eintausch angebotene Fahrzeug einen Preis von S 20.000,--.

Der vom Kläger geforderte Test des PKWs BMW 323 i wurde noch am selben Tag beim A*** durchgeführt und ergab lediglich einen Mangel an der Spureinstellung, den die beklagte Partei am nächsten Tag beheben ließ. Ebenfalls noch am 3.April 1986 unterzeichnete der Geschäftsführer der beklagten Partei, Günther E***, nachdem er das Eintauschfahrzeug noch einmal besichtigt hatte, den Vertrag, mit dem die beklagte Partei dem Kläger den PKW Marke BMW, Type 323 i, Modell 1981, Motornummer 7799661 und Fahrgestellnummer W*** 3106 C 7799661 zuzüglich Erneuerung der Windflügel und Ausfolgung eines Wagenhebers um den Preis von S 95.000,-- verkaufte, auf welchen der Preis des von der beklagten Partei gekauften PKWs des Klägers der Marke BMW 2002, Baujahr 1976, im Betrag von S 20.000,-- angerechnet wurde. Der Kläger bezahlte sodann den restlichen Kaufpreis von S 75.000,-- in bar und erhielt die Fahrzeugschlüssel ausgefolgt.

Während der Kläger mit einem Angestellten der beklagten Partei noch über einen Termin für die Erneuerung der Windflügel verhandelte, fuhr Günther E*** mit dem Eintauschfahrzeug weg. Schon nach einigen hundert Metern bemerkte er am Motor ein Fremdgeräusch, vermutete deshalb einen Motorschaden, kehrte sogleich um und traf den Kläger noch auf dem Firmengelände an. Er nötigte ihn zur Ausfolgung der Schlüssel zum gekauften Fahrzeug und forderte für die Reparatur des Motors im Eintauschwagen einen Betrag von S 8.000,--, worauf der Kläger und seine Begleiterin das Firmengelände verließen und die Polizei um Intervention ersuchten. Beide Fahrzeuge verblieben in der Folge bei der beklagten Partei. Am Eintauschfahrzeug fanden sich tatsächlich Mängel; insbesondere waren bei bestimmten Drehzahlen deutliche Geräusche zu vernehmen, die auf einen Motorlagerschaden schließen ließen. Der Verkaufswert des Fahrzeuges betrug am 3.April 1986 unter Bedachtnahme auf die Reparaturbedürftigkeit S 13.000,--. Am 6.Februar 1986 hatte die Kraftfahrzeugwerkstätte Rupert H*** in Gratkorn bei der Begutachtung gemäß § 57 a Abs 4 KfG 1967 keine Mängel beanstandet.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Kläger habe den Vertrag erfüllt. Der vereinbarte Kaufpreis sei beim Verkäufer eingegangen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zwar S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision zulässig sei. Es führte aus, die beklagte Partei behaupte, bei Abschluß des Vertrages dadurch in Irrtum geführt worden zu sein, daß der Kläger den beim Eintauschfahrzeug vorhandenen Motorschaden verschwiegen und auch auf den nachträglich eingebauten älteren Motor nicht hingewiesen habe. Hiedurch sei die beklagte Partei listig in Irrtum geführt worden, so daß der Vertrag nicht wirksam zustande gekommen sei. Daß dem Vertragspartner List zur Last falle, habe der Anfechtende nach allgemeinen Regeln zu beweisen. Dieser Beweis sei der beklagten Partei nicht gelungen. Der Kläger habe ihr gegenüber keineswegs erklärt, daß sein PKW völlig schaden- und mängelfrei sei. Täuschung könne allerdings auch durch Unterlassung erfolgen, wenn Aufklärung geboten sei. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Geschäftsführer der beklagten Partei auf die vom Kläger angebotene Probefahrt verzichtet habe. Der Kläger habe den Geschäftsführer als Fachmann auf vorhandene Fahrzeuggeräusche nicht aufmerksam machen müssen, zumal bei einem derart alten Fahrzeug mit Fremdgeräuschen und Schäden immer zu rechnen sei. Ein besonderer Hinweis darauf habe sich daher erübrigt. Dazu komme noch, daß sich das tatsächliche Ausmaß des Schadens ohne Zerlegen des Motors gar nicht hätte feststellen lassen, so daß der Kläger, dem die Zuordnung des Geräusches zu einem bestimmten Schadensbild offenbar gar nicht möglich gewesen sei, daher auch mit einem größeren Fehler gar nicht habe rechnen müssen. Das Ausmaß eines solchen Schadens wäre vielleicht für einen Fachmann bei einer Probefahrt erkennbar gewesen. Gerade das Anbot, eine Probefahrt zu unternehmen, spreche gegen die Auffassung der beklagten Partei, daß sie der Kläger bewußt habe in Irrtum führen wollen. Der Kläger habe die beklagte Partei auch nicht über das Alter des nachträglich in das Eintauschfahrzeug eingebauten Motors in Irrtum geführt. Diesen Umstand hätte der Kläger gar nicht verschweigen können, weil er sich aus dem Einzelgenehmigungsbescheid ergebe. Durch Einsichtnahme in die Einzelgenehmigung hätte der Geschäftsführer der beklagten Partei die entsprechenden Daten ohne weiteres ersehen können. Es wäre dessen Sache gewesen, das Eintauschfahrzeug genau zu überprüfen, zumal es sich dabei um einen alten PKW (Motor Baujahr 1972, Fahrgestell 1976) gehandelt habe, bei dem erfahrungsgemäß mit Mängeln oder Abnützungserscheinungen zu rechnen sei. Solche Mängel seien für einen Fachmann bei genauer Überprüfung erkennbar. Gerade diese Überprüfung habe der Geschäftsführer der beklagten Partei vor Abschluß des Vertrages unterlassen, so daß allfällige Fahrzeugmängel in die Risikosphäre der beklagten Partei fielen. Der Vertrag sei nicht durch eine vom Kläger verursachte Irreführung zustande gekommen. Der Kläger habe den Vertrag erfüllt, dessen Anfechtung nach diesen Erwägungen ausgeschlossen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht zulässig. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof für zulässig erklärt, weil der Frage, inwieweit ein privater Autoverkäufer einen Autohändler auf allfällige Fehler seines PKWs, die der Fachmann bei genügender Sorgfalt selbst hätte erkennen können, ausdrücklich aufmerksam machen müsse, allgemein erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zukomme. Die beklagte Partei hat ihre Einwendungen, daß kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sei, ausschließlich auf die Behauptung gestützt, der Kläger habe ihrem Geschäftsführer Mängel am Eintauschfahrzeug arglistig verschwiegen und ihn hiedurch in "schädigender Weise" getäuscht, nur seien diese Mängel von Günther E*** noch rechtzeitig aufgedeckt worden. Entgegen der Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz kommt der Rechtsfrage, deretwegen es die Revision für zulässig erklärte, für den Streitausgang keine erhebliche Bedeutung zu, so daß sie schon deshalb nicht gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zum Gegenstand einer zulässigen Revision gemacht werden kann.

List ist nach Lehre und Rechtsprechung (JBl 1982, 36 mwN uva) bewußte Täuschung und stets dann anzunehmen, wenn der Vertragspartner durch vorsätzliche Vorspiegelung falscher oder durch Unterdrückung wahrer Tatsachen in Irrtum geführt oder in seinem schon vorhandenen Irrtum belassen oder bestärkt und dadurch zum Vertragsabschluß bestimmt wird. Listige Irreführung kann auch durch bewußtes Verschweigen von Umständen bewirkt werden, die für den Entschluß des Vertragspartners von Bedeutung sind, sofern eine Offenbarungspflicht, also eine Rechtspflicht zum Reden besteht. Täuschung durch Unterlassung setzt somit begrifflich voraus, daß dem Anfechtungsgegner die für den Willensentschluß des Irrenden maßgeblichen Umstände überhaupt bekannt waren bzw. der Irrtum des Vertragspartners bewußt war. Das Vorliegen des Bewußtseins beim Anfechtungsgegner hat der Anfechtende nach allgemeinen Regeln unter Beweis zu stellen (SZ 51/52 ua; Rummel in Rummel, ABGB, § 870 Rz 2). Das Erstgericht, dessen Feststellungen das Berufungsgericht übernommen hat, hat nicht festgestellt, daß der Kläger bei Vertragsabschluß die wertbestimmenden Mängel des Eintauschfahrzeuges gekannt habe oder ihm gar bewußt gewesen sei, daß sich Günther E*** nur wegen seines Irrtums über die Mängelfreiheit des Fahrzeuges zum Anbot eines Preises von S 20.000,-- bereit gefunden habe. Die weiteren Feststellungen, daß die wenige Wochen vorher erfolgte kraftfahrrechtliche Begutachtung des Fahrzeuges auf seine Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Mängel zu Tage gefördert habe und daß der Kläger Günther E*** vor Vertragsabschluß eingeladen habe, eine Probefahrt zu unternehmen, legen vielmehr im Gegenteil seine Gutgläubigkeit nahe. Jedenfalls ist - zu Lasten der beklagten Partei - keineswegs bewiesen, daß der Kläger einen vorhandenen Irrtum Günther E*** ausgenützt habe. Damit erübrigt sich aber die Beurteilung der sonst gewiß bedeutsamen Frage, ob und inwieweit der Kläger, wären ihm die Mängel des Eintauschfahrzeuges bekannt gewesen, Günther E*** hierüber vor Vertragsabschluß aufzuklären gehabt hätte. Ist eine dem Kläger anzulastende Arglistigkeit nicht bewiesen, erweist sich auch die darauf gestützte Einwendung der Vertragsunwirksamkeit schon deshalb als nicht berechtigt. Von der vom Berufungsgericht aufgeworfenen Rechtsfrage ist nach den vorinstanzlichen Feststellungen der Streitausgang somit ebensowenig abhängig wie von anderen zur Beurteilung des Vorliegens von List zu lösenden erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO. Da die Einwendung von List jene von Irrtum im allgemeinen in sich schließt (SZ 46/84, SZ 58/153; JBl 1988, 374 uva), ist aber noch zu prüfen, ob wenigstens insoweit eine nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage der Lösung in diesem Rechtsstreit harrt. Der Irrtum Günther E*** betraf den Wert des Eintauschfahrzeuges und war damit nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Rummel, aaO, § 871 Rz 11 mwN) unbeachtlicher Motivirrtum, auf den die Irrtumsanfechtung grundsätzlich nicht gestützt werden kann; im übrigen hat die beklagte Partei auch die weiteren Voraussetzungen der §§ 871 bzw 872 ABGB im Verfahren erster Instanz nicht dargetan. Soweit die beklagte Partei in der Revision der Sache nach nun auch Gewährleistungsansprüche einredeweise geltend macht, genügt der Hinweis, daß sie solche im Verfahren erster Instanz nicht vorgebracht hat. Diese Ausführungen sind demnach eine nicht weiter zu prüfende Neuerung.

Da die für den Streitausgang maßgeblichen Rechtsfragen durch einheitliche Rechtsprechung gelöst sind, war die Revision trotz des Ausspruches des Berufungsgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen und dementsprechende Anträge gestellt.

Anmerkung

E16399

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00735.88.0112.000

Dokumentnummer

JJT_19890112_OGH0002_0060OB00735_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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