Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Kellner als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler (Arbeitgeber) und Eduard Giffing (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz N***, 9020 Klagenfurt, Karawankenzeile 1, vertreten durch Dr.Manfred Angerer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei
P*** DER A***, 1092 Wien, Roßauer
Lände 3, vertreten durch Dr.Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.August 1988, GZ 7 Rs 141/88-58, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15. Februar 1988, GZ 34 Cgs 138/87-54, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 26.April 1946 geborene Kläger erwarb 1959 im Erbweg das Alleineigentum an einer 6,51 ha großen Liegenschaft (Einheitswert zum 1.Jänner 1971 S 102.000). Diese Liegenschaft, auf der sich ein bäuerliches Anwesen befand, hatte den Charakter eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes. Ab dem Erwerb bis zum sukzessiven gänzlichen Abverkauf dieser Liegenschaft durch den Kläger waren deren landwirtschaftlich nutzbare Flächen stets beinahe zur Gänze an verschiedene benachbarte Landwirte verpachtet. Nur im Wirtschaftsjahr 1972/73 führte der Kläger auf einer Teilfläche von 3 Joch eine Eigenbewirtschaftung mit für diesen Zweck entlehnten landwirtschaftlichen Geräten durch. Eigenes landwirtschaftliches Betriebsinventar zur Bewirtschaftung der ererbten Landwirtschaft hatte der Kläger nicht geerbt und erwarb es auch in der Folge nicht, da er mit Ausnahme der erwähnten kurzzeitigen (nebenberuflichen) Eigenbewirtschaftung stets als Hilfsarbeiter beschäftigt war. In der Zeit zwischen 1970 und 1977 verkaufte er die von ihm verpachteten Grundflächen nach und nach an verschiedene benachbarte Landwirte, vorwiegend an die vormaligen Pächter der jeweiligen Flächen. Ihm selbst verblieb nur ein Haus mit einer kleinen umliegenden Hoffläche, das er schließlich im November 1985 ebenfalls verkaufte. Der Kläger bezieht seit 1.Juni 1981 (richtig seit 22.April 1981 - OZ 26 des Anstaltsaktes) eine Invaliditätspension, die monatlich ab Mai 1985 S 3.377,90, im Jahr 1986 S 3.496,10, im Jahr 1987 S 3.629 ausmachte und ab Jänner 1988 S 3.712 beträgt. Die Ehefrau des Klägers, die erst ab November 1985 im gemeinsamen Haushalt lebte, erhielt an Notstandshilfe im November 1985 und im Jahr 1986 S 4.932 im Dezember 1985 S 4.875, von Jänner bis April 1987 S 6.135 monatlich. Ab Mai 1987 verdiente sie in einer unselbständigen Erwerbstätigkeit monatlich S 4.170. Die vier Kinder des Klägers lebten im Mai 1985 im gemeinsamen Haushalt, das älteste Kind war von Juni 1985 bis 25.November 1987 unselbständig erwerbstätig. Die Tochter des Klägers Silvia N*** war von Jänner bis Juni 1986 als gewerbliche Hilfskraft beschäftigt, ab Juli 1986 als kaufmännischer Lehrling mit einer monatlichen Entschädigung im zweiten Lehrjahr von S 3.916,70. Der Sohn Franz N*** jun. war vom 1. Oktober bis 12.Dezember 1986, vom 12.August bis 30.November 1987 und ab 25.Jänner 1988 berufstätig mit einem eine Richtsatzerhöhung ausschließenden Einkommen.
Mit Bescheid vom 29.August 1985 lehnte die beklagte Partei die Gewährung einer Ausgleichszulage zur Invaliditätspension ab, weil durch die Anrechnung eines fiktiven Einkommens aus verkauftem Grundbesitz gemäß § 292 Abs 8 ASVG der Richtsatz überschritten werde. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei (im zweiten Rechtsgang) schuldig, für Mai 1985 S 3.060,10, für Juni 1985 bis einschließlich November 1987 (monatlich S 2.579,10) S 15.474,60, für Mai 1987 bis einschließlich August 1987 (monatlich S 212) S 848, für Dezember 1987 S 212, und für Jänner 1988 S 354 an Ausgleichszulage zu bezahlen.
Auf Grund der vom Oberlandesgericht Graz in seiner aufhebenden Entscheidung vom 17.Februar 1987 überbundenen Rechtsansicht sei davon auszugehen, daß kein landwirtschaftlicher Betrieb bestanden habe und daher eine Anrechnung eines pauschalierten fiktiven Ausgedinges zur Pension des Klägers nicht stattzufinden habe. In den im Urteilsspruch angeführten Monaten habe das Einkommen des Klägers unter Berücksichtigung der Einkünfte seiner Ehefrau und der Richtsatzerhöhung für die nicht selbsterhaltungsfähigen Kinder um die dort genannten Beträge den Richtsatz nicht erreicht. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei keine Folge. Auf den vorliegenden Fall sei nach dem für die Invaliditätspension geltenden Stichtag 1.Mai 1986 die Bestimmung des § 298 Abs 8 ASVG idF der 31.ASVG-Novelle anzuwenden. Danach seien, wenn die Bewirtschaftung eines land(forst-)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen wurde, der Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistung 25 % des zuletzt festgestellten Einheitswertes der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung überlassenen land(forst)wirtschaftlichen Fläche zugrundezulegen, soferne die Aufgabe (Übergabe, Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als 10 Jahre gerechnet vom Stichtag zurückliege. Würde man eine solche Anrechnung vornehmen, wäre eine Ausgleichszulage für den Kläger auszuschließen. Für die Anwendung des § 292 Abs 8 ASVG fehle es aber an der Voraussetzung eines landwirtschaftlichen Betriebes. Nur wenn der Übergeber (Verpächter) die Möglichkeit gehabt habe, ein Ausgedinge zu vereinbaren und sich so eine wenigstens teilweise Deckung des Lebensunterhaltes zu verschaffen, sollte eine Anrechnung stattfinden. Der Kläger habe, gleichgültig ob außerhalb oder innerhalb der Zehnjahresfrist vor dem Pensionsstichtag, keinen landwirtschaftlichen Betrieb übergeben, verpachtet oder verkauft. Nur wenn durch die Führung des Betriebes auf eigene Rechnung und Gefahr die Pflichtversicherung nach § 2 BSVG begründet werde, liege ein landwirtschaftlicher Betrieb vor. Nach dem LAG seien wesentliche Elemente eines Betriebes unter anderem die Betriebsmittel, dazu zähle auch die Sachausstattung mit zur Produktion erforderlichen Geräten und Maschinen. Davon sei beim Kläger keine Rede gewesen. Dieser sei nicht in der Lage gewesen, einen "landwirtschaftlichen Betrieb" zu verpachten oder zu verkaufen. Er habe nur nutzbares Ackerland besessen. Damit komme eine Anrechnung nach § 292 Abs 8 ASVG nicht in Betracht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.
Die klagende Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revision kommt keine Berechtigung zu.
Strittig ist nur mehr, ob eine Anrechnung aus dem Verkauf der landwirtschaftlichen Grundstücke nach § 292 Abs 8 ASVG stattzufinden hat.
Nach dem klaren Wortlaut des § 292 Abs 8 ASVG findet die darin vorgesehene Pauschalanrechnung nur dann statt, wenn die Aufgabe (Übergabe, Verpachtung, Überlassung) eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes nicht mehr als 10 Jahre, gerechnet vom Stichtag zurückliegt. Wie aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der 29.ASVG-Novelle (404 BlgNR 13. GP, 112) hervorgeht, regelt § 292 Abs 5 ASVG die Ermittlung des Einkommens aus der Bewirtschaftung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, während dessen Abs.8 an die Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit anknüpft, wobei die gänzliche Verpachtung einer Übergabe des Betriebes gleichzuhalten ist. Es kommt daher auf den Zeitpunkt der gänzlichen Übergabe, Verpachtung oder sonstigen Überlassung an. Unabhängig davon, ob der Kläger nach dem Erwerb des bäuerlichen Anwesens im Erbwege dieses zunächst selbständig bewirtschaftet hat oder nicht (dies wäre schon im Hinblick auf sein damaliges Alter von 13 Jahren wohl nicht möglich gewesen) und ob damals überhaupt von einem "landwirtschaftlichen Betrieb" gesprochen werden konnte, liegt der Zeitpunkt der gänzlichen Verpachtung, die nach den Feststellungen schon seit dem Erwerb des Anwesens im Jahre 1959 erfolgte, mehr als 10 Jahre vor dem Stichtag (1.Mai 1981). Es kommt daher schon aus diesem Grunde eine Anrechnung nach der Sonderbestimmung des § 292 Abs 8 ASVG nicht in Betracht. Daß der Kläger im Wirtschaftsjahr 1972/73 eine kleine Teilfläche ausnahmsweise und nur mit entlehnten landwirtschaftlichen Geräten selbst bewirtschaftete, ändert nichts daran, daß grundsätzlich der gesamte Betrieb bereits seit 1959, also weit mehr als 10 Jahre vor dem Stichtag, verpachtet war. Weil die gänzliche Verpachtung trotz Aufrechterhaltung des Eigentumes als eine der Übergabe oder sonstigen Überlassung gleichgestellte Art der Betriebsaufgabe im Sinne der zitierten Bestimmung ist, kann es auch keinen Unterschied machen, wenn später innerhalb der Frist von 10 Jahren vor dem Stichtag auch noch das Eigentum durch Übergabe, Verkauf oder ein anderes Rechtsgeschäft aufgegeben wird. In einem solchen Fall käme nur eine Ermittlung des Nettoeinkommens nach § 292 Abs 3 ASVG in Betracht. Im hier strittigen Zeitraum aber hatte der Kläger bereits allen Grundbesitz verkauft. Da dem Kläger somit die der Höhe nach unbestrittenen Ausgleichszulagenbeträge zustehen, war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
Anmerkung
E16462European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00310.88.0124.000Dokumentnummer
JJT_19890124_OGH0002_010OBS00310_8800000_000