TE OGH 1989/1/24 10ObS344/88

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Veröffentlicht am 24.01.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (Arbeitgeber) und Eduard Giffinger (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paula N***, 1190 Wien,

Sickenberggasse 7/4, vertreten durch Dr. Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.August 1988, GZ 33 Rs 150/88-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 3.Mai 1988, GZ 6 Cgs 1127/87-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin eine Berufsunfähigkeitspension ab 1.Mai 1987 zu bezahlen. Es stellte fest, daß der am 13.Juni 1931 geborenen Klägerin alle leichten und mittelschweren Arbeiten in der üblichen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen zumutbar sind, Arbeiten an besonders exponierten Stellen scheiden aus. Nach dem zusammenfassenden ärztlichen Gutachten, das auch dem berufskundlichen Gutachten zugrunde gelegt wurde, ist die Klägerin allerdings nur mehr für alle leichten geistigen und körperlichen Arbeiten ohne besonderen ständigen Zeitdruck und nicht an exponierten Stellen geeignet (ON 6 iVm ON 10)

Die Klägerin war bei der Firma S*** und vom 4.November 1968 bis 31.Oktober 1974 bei der Firma A*** S*** Gesellschaft mbH im Verkauf beschäftigt, wo sie als kaufmännische Angestellte selbständige Arbeiten geleistet hat. Sie war für die telefonische Kundenwerbung, für Vorbereitungsarbeiten auf Grund von telefonischen oder schriftlichen Bestellungen für die durch Computer erstellten Auftragsbestätigungen und für das Schreiben von Lieferscheinen "zuständig". Rückfragen waren im kaufmännischen Bereich nicht, wohl aber im technischen Bereich durchzuführen. Nach Einholung auch eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß der Klägerin nur mehr Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivertrages für die Handelsangestellten zumutbar sind. Die von der Klägerin bisher ausgeübten Tätigkeiten seien der Beschäftigungsgruppe 4 des Kollektivvertrages zuzuordnen. Die Verweisung auf Arbeiten der Beschäftigungsgruppe 2 stelle daher für die Klägerin einen unzumutbaren sozialen Abstieg dar, sie sei somit berufsunfähig im Sinne des § 273 ASVG.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung der Klage ab. Es verneint das Vorliegen von Verfahrensmängeln, kam aber zu dem Ergebnis, daß die Tätigkeit der Klägerin, wie sie im Dienstzeugnis des letzten Arbeitgebers im Detail beschrieben ist, der Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten zuzuordnen sei. Da die Klägerin noch auf Arbeiten der Beschäftigungsgruppe 2 verwiesen werden könne und eine solche Verweisung keinen unzumutbaren sozialen Abstieg mit sich bringe, sei sie nicht berufsunfähig im Sinne des § 273 ASVG. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, allenfalls Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO). Selbst wenn man alle Tätigkeiten der Klägerin, wie sie im Dienstzeugnis der A*** S*** Gesellschaft mbH vom 31. Oktober 1974 ausführlich und anschaulich dargelegt, aber nicht vollständig festgestellt sind - die Klägerin war mit anderen Mitarbeitern auch darum bemüht, die Ware für den Kunden rechtzeitig vom Lieferwerk heranzuschaffen und den Versand derselben an die Kunden zu veranlassen, sie besorgte außerdem die Einteilung der Ware für die Kunden in Wien und veranlaßte deren Versand mit dem firmeneigenen LKW - zur Beurteilung heranzieht, so gehen diese in keiner Weise über die Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten hinaus. In diese sind Angestellte einzureihen, die auf Anweisung schwierige Tätigkeiten selbständig ausführen. Mit der selbständigen Ausführung "auf Anweisung" ist nicht gemeint, daß in jedem Einzelfall eine gesonderte Weisung und nachfolgende Überprüfung der durchgeführten Arbeit folgen muß, es soll damit lediglich eine Abgrenzung zur Beschäftigungsgruppe 4 - Angestellte mit selbständiger Tätigkeit - vorgenommen werden, die in größerem Umfang Entscheidungs- und Verfügungsbefugnisse und besonders qualifizierte eigenverantwortliche Arbeiten umfaßt. Die Haupttätigkeit der Klägerin war jene von Fakturisten, die nach allgemeinen Angaben oder Unterlagen (z.B. Preislisten, Konditionsrahmen) fakturieren und Ausgangsrechnungen prüfen. Der übrige Tätigkeitsbereich der Klägerin läßt sich unter die in Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages angeführten Angestellten im Einkauf einordnen, die im Rahmen allgemeiner Richtlinien selbständig Anbote einholen und/oder bearbeiten, Waren bestellen oder nach vorangegangenen Dispositionen abrufen, einschließlich der Überwachung von Fristen und Konditionen. Maßgeblich für die Einordnung in eine bestimmte Beschäftigungsgruppe im Rahmen der Prüfung der Verweisungsmöglichkeiten ist die Art der ausgeübten Tätigkeit, nicht aber die vom Dienstgeber tatsächlich vorgenommene Einreihung oder das bezahlte Gehalt.

Da unbestritten ist, daß die Klägerin die Voraussetzungen des § 273 Abs. 3 lit. c ASVG nicht erfüllt, die Berufsunfähigkeit daher nach dessen Abs. 1 zu beurteilen ist, ist das Berufungsgericht zurecht zu der Auffassung gelangt, daß der Klägerin eine Verweisung auf Bürotätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrages durchaus zumutbar ist. Da dies auch dann der Fall ist, wenn man von den Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit ausgeht, wie sie sich - im Gegensatz zu den offenbar unvollständigen Feststellungen - aus dem ärztlichen Gutachten ergeben, bedurfte es keiner diesbezüglichen Ergänzung des Verfahrens. Daß aber die Verweisung einer in der Beschäftigungsgruppe 3 des Kollektivvertrages für die Handelsangestellten tätig gewesenen Angestellten auf Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 keinen unzumutbaren sozialen Abstieg bedeutet, wird auch in der Revision nicht bezweifelt und ist auch zutreffend.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

Anmerkung

E16951

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00344.88.0124.000

Dokumentnummer

JJT_19890124_OGH0002_010OBS00344_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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