Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (AG) und Eduard Giffinger (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ljubomir J***, Rentner, Salzachstraße 28/1, 1200 Wien, vertreten durch Dr. Werner Mayerhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A***
U***, Adalbert Stifter-Straße 65, 1200 Wien,
im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. August 1988, GZ 32 Rs 84/88-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14. Jänner 1988, GZ 13 Cgs 1259/87-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der damals bei einem Autobusunternehmen beschäftigte Kläger erlitt am 6. November 1985 bei einem Arbeitsunfall eine Quetschung des linken Unterschenkels, des Knies und des linken Oberschenkels mit nachfolgender Amputation im Bereich des linken Oberschenkels, einen Bruch des rechten Oberschenkels sowie Abschürfungen im Gesicht und am rechten Kniepunkt. Am 15. November 1985 wurde am rechten Oberschenkel eine gedeckte Marknagelung mit Verriegelungsnagel, peripher ein Verriegelungsbolzen vorgenommen. Mit Bescheid vom 9. Juli 1986 gewährte die beklagte Partei dem Kläger für die Folgen dieses Unfalles, für die Zeit vom 8. Mai 1986 bis 8. Juni 1986 eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß der Vollrente und ab 9. Juni 1986 eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 80 v.H. der Vollrente, je samt Zusatzrente und zwei Kinderzuschüssen. Mit Bescheid vom 16. September 1987 setzte die beklagte Partei ab 1. November 1987 die Dauerrente mit 50 v.H. der Vollrente zuzüglich Zusatzrente und zwei Kinderzuschüssen fest. Beim Kläger wurde am 24. Juni 1987 der Verriegelungsnagel entfernt. Es ist nunmehr ein Ausheilungsstadium eingetreten. Der linke Oberschenkel ist inmitten des Oberschenkels amputiert, es besteht eine gute Weichteildeckung und blande Narbenverhältnisse. Der rechte Oberschenkel wurde operiert. Nachdem der Knochenbruch geheilt war, konnte der Verriegelungsnagel bereits wieder entfernt werden. Nunmehr herrschen gleichfalls blande Narbenverhältnisse. Das rechte Bein ist belastbar, das Gehen mit Abstützkrücken für den Kläger durchaus glaubhaft mühsam, dies auch bedingt durch das bestehende massive Übergewicht. Der Bruch des rechten Oberschenkels ist vollkommen ausgeheilt und bedingt keine Einschränkungen mehr. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit beträgt 50 v.H.
Der Kläger begehrt, die beklagte Partei zur Gewährung einer Dauerrente im Ausmaß von 80 v.H. der Vollrente samt Zusatzrente und Kinderzuschüssen zu verpflichten. In den Unfallsfolgen sei eine Änderung nicht eingetreten. Die bestehenden Unfallsfolgen rechtfertigten nach wie vor die Gewährung einer Rente in diesem Ausmaß.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Gewährung einer Versehrtenrente im bescheidmäßigen Umfang als Dauerrente zuzüglich Zusatzrente und zwei Kinderzuschüssen und wies das darüber hinausgehende Begehren des Klägers ab. Die bestehenden Unfallsfolgen bedingten eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H. Ein Vergleich mit dem zum Zeitpunkt der Erstgewährung bestehenden Zustand habe nicht zu erfolgen, weil vor der nunmehrigen Entscheidung nur eine vorläufige Rente gewährt worden sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und trat dessen rechtlicher Beurteilung bei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer vollen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit der Revisionswerber geltend macht, daß seine Vernehmung als Partei unterblieben sei, rügte er einen behaupteten Mangel des Verfahrens erster Instanz, der schon Gegenstand der Mängelrüge der Berufung war und dessen Vorliegen das Berufungsgericht als nicht gegeben erachtete. Wie der erkennende Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat, kann auch in Sozialrechtssachen ein Mangel des Verfahrens erster Instanz, dessen Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, nicht mit Revision geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32, 2/19, 24).
Die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen sind im Revisionsverfahren nicht mehr überprüfbar. Auch die Frage, ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung für notwendig hält oder Kontrollbeweise durchzuführen seien, gehört der Beweiswürdigung an. Dem Obersten Gerichtshof ist es verwehrt, auf die diesbezüglichen Revisionsausführungen einzugehen.
Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt. Kann die Versehrtenrente während der ersten zwei Jahre nach dem Eintritt des Versicherungsfalles wegen der noch nicht abschätzbaren Entwicklung der Folgen des Arbeitsunfalles ihrer Höhe nach noch nicht als Dauerrente festgestellt werden, so hat der Träger der Unfallversicherung die Rente als vorläufige Rente zu gewähren (§ 209 Abs 1 ASVG). Dadurch wird die endgültige Beurteilung ohne Nachteil für den Versehrten oder den Versicherungsträger hinausgeschoben. Der Versicherungsträger kann bei dieser Feststellung summarisch und damit schneller verfahren. Bei der erstmaligen Feststellung der Dauerrente kann der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit völlig neu bestimmt werden. Diese Feststellung setzt gem § 209 Abs 1 ASVG eine Änderung der Verhältnisse (§ 183 Abs 1 ASVG) nicht voraus und ist an die Grundlagen für die Berechnung der vorläufigen Rente nicht gebunden. Eine Bindung an die Umstände zum Zeitpunkt der Gewährung der vorläufigen Rente besteht daher nicht (Tomandl in Tomandl System 3. ErgLfg, 342). Damit bedurfte es keiner Feststellungen darüber, welche Änderungen in den Unfallsfolgen sich seit dem für die Gewährung der vorläufigen Rente maßgeblichen Zeitpunkt ergeben haben.
Ausgehend vom nunmehr erhobenen Zustand besteht lediglich Anspruch auf eine Rentenleistung auf der Basis einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H., sodaß das darüber hinausgehende Begehren des Klägers von den Vorinstanzen zutreffend abgewiesen wurde.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E16476European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00016.89.0124.000Dokumentnummer
JJT_19890124_OGH0002_010OBS00016_8900000_000