Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hedwig Margaretha N***, geborene P***, geboren am 17.Mai 1949 in Großarl, Hausfrau, Salzburg, Rosa Hofmann-Straße 3, vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Alfred N***, geboren am 26.Jänner 1947 in Regau, Gendarmeriebeamter, Regau, Fischergasse 2, vertreten durch Dr. Georg Hetz, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11.Oktober 1988, GZ 3 R 184/88-51, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 4.Februar 1988, GZ 14 Cg 127/86-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 308,85 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Prozeßparteien schlossen am 31.Dezember 1966 vor dem Standesamt Vöcklabruck miteinander die Ehe. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Martina, geboren am 10.März 1967, Sabine, geboren am 24. Juni 1969, und Alexander, geboren am 6.November 1975. Mit der am 14.Juni 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Scheidung ihrer Ehe mit dem Beklagten aus dessen Verschulden und machte als Scheidungsgründe ehebrecherische und ehewidrige Beziehungen zu anderen Frauen, wiederholte Mißhandlungen sowie boshaftes Verhalten geltend.
Der Beklagte beantragte zunächst die Abweisung der Klage. In der Folge trat er dem Scheidungsbegehren nicht mehr entgegen und stellte wegen der ehebrecherischen Beziehungen der Klägerin zu Alois B*** einen Mitschuldantrag.
Die Klägerin erwiderte, daß der Beklagte diese Beziehungen gewünscht und gefördert habe.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten und sprach aus, daß die Klägerin eine Mitschuld treffe. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Ehe der Streitteile verlief in den ersten Jahren ganz gut. Die Klägerin vertrug sich aus ihrer Sicht mit dem Beklagten auch sexuell bestens. Im September 1969 schickte der Beklagte die Klägerin zu einem Hautarzt, weil er sich bei der Klägerin angesteckt hätte. Nach einem Abstrich erklärte der Hautarzt der Klägerin, daß der Beklagte die Klägerin mit Tripper angesteckt hätte. Die Klägerin erfuhr, daß sich der Beklagte diese Krankheit während der Ehe bei Geschlechtsverkehr mit einer anderen Frau geholt hatte. Nach diesem Vorfall verabscheute die Klägerin jede sexuelle Annäherung des Beklagten. Im November 1969 hatte der Beklagte als LKW-Beifahrer einen Unfall, bei dem er sehr schwer verletzt wurde. Die Klägerin betreute den Beklagten, der bis etwa Dezember 1969 im Krankenhaus und bis etwa März 1970 im Krankenstand war. Infolge dieses Unfalles gab die Klägerin ihre Gedanken an Trennung wegen der Ansteckung mit der Geschlechtskrankheit auf und fand zu ihrem Mann zurück. Sexuell verstand sich die Klägerin mit dem Beklagten nicht mehr. Den Geschlechtsverkehr mit ihm erduldete sie nur mehr. Die Streitteile übersiedelten nach Salzburg. Der Beklagte arbeitete wieder als Maschinenschlosser, wurde dann Fernfahrer und schließlich Gendarmeriebeamter. Die Klägerin mußte sich zwei Unterleibsoperationen unterziehen und hatte immer wieder Rückfälle wegen einer alten Gelbsucht. Der Beklagte war mit dem sexuellen Verhalten der Klägerin nicht zufrieden. Er erzählte ihr Bettgeschichten über Frauen, mit denen es "geklappt" habe. Er erzählte ihr, daß er mit Ingrid A***, Marianne S***, mit der Schwester der Klägerin und mit einer Frau D*** Geschlechtsverkehr gehabt habe und daß es mit diesen Frauen "geklappt" habe.
Im Herbst 1978 lernte die Klägerin Alois B*** kennen. Dieser war und ist verheiratet; er lebt seit etwa März 1984 von seiner Frau getrennt. Die Klägerin ging mit Alois B***, wenn dieser in Salzburg zu tun hatte, am Abend aus. In dieser Zeit unterzog sich die Klägerin, weil der Beklagte mit ihr im sexuellen Umgang unzufrieden war, einer von einem Frauenarzt verordneten Hormonkur. Etwa im Sommer 1979 kam es zwischen der Klägerin und Alois B*** zum ersten Geschlechtsverkehr. Das intime Verhältnis dauerte bis etwa Jänner/Februar 1984. Die Klägerin verstand sich mit Alois B*** sexuell so gut wie mit dem Beklagten vor der Ansteckung mit der Geschlechtskrankheit. Einige Zeit nach dem ersten Geschlechtsverkehr mit Alois B*** erzählte die Klägerin dem Beklagten, daß es mit dem Genannten beim intimen Umgang so schön sei wie mit dem Beklagten vor der Ansteckung. Zwischen dem Beklagten und Alois B*** gab es in den Jahren 1980 bis 1984 verschiedene Telefongespräche und persönliche Gespräche. In der Anfangsphase forderte der Beklagte Alois B*** auf, die Klägerin in Ruhe zu lassen, aber auch, mit dieser auszugehen. Der Beklagte borgte der Klägerin seinen PKW, damit sie Alois B*** in Hörsching besuchen konnte. Im Frühjahr 1981 war Alois B*** drei Monate dienstlich in Zypern. Er überließ der Klägerin seinen fast neuen PKW der Marke Mazda 626 zur Benützung, welchen die Klägerin vor der ehelichen Wohnung abstellte. Im Sommer 1981 besuchte die Klägerin Alois B*** in Zypern. Der Beklagte besorgte der Klägerin
Devisen und einen Reiseführer und brachte sie zum Flughafen. Als die Klägerin in Zypern erkrankte, rief Alois B*** den Beklagten wegen eines Krankenscheins und wegen der Besorgung von Medikamenten an. Am 12.August 1982 sagte der alkoholisierte Beklagte in Gegenwart der Klägerin in der ehelichen Wohnung zu Alois B***, daß dieser die Klägerin haben könne, daß er der Klägerin und B*** aber einmal "zuschauen" wolle. Die Klägerin hatte bis etwa Anfang 1984 auch mit dem Beklagten gelegentlich Geschlechtsverkehr, empfand dabei aber nichts, was der Beklagte auch jeweils bemerkte. Der Beklagte wollte wissen, warum es bei ihm und der Klägerin sexuell nicht "klappe". Er ging deshalb mit der Klägerin zu zwei Ärzten. Etwa 1984 antwortete der Beklagte auf eindeutige Inserate in Zeitschriften. Er bekam obszöne Briefe sowie pornographische Fotos und schickte von sich Nacktfotos. Im Jahr 1984 zog der Beklagte aus dem ehelichen Schlafzimmer aus. Die Klägerin und Alois B*** trafen einander auch nach
Jänner/Februar 1984 gelegentlich, hatten aber miteinander nicht mehr Geschlechtsverkehr. Die Klägerin hatte ihre sexuellen Beziehungen zu Alois B*** abgebrochen, weil sie diese nervlich nicht mehr aushielt. Wenn Alois B*** versuchte, sie zum Geschlechtsverkehr zu verführen, lehnte sie ab.
Anfang November 1984 wollte die Klägerin mit den Kindern die eheliche Wohnung verlassen. Der Beklagte beabsichtigte, der Klägerin die Wohnungsschlüssel abzunehmen. Die Klägerin verweigerte die Herausgabe. Daraufhin stieß der Beklagte die Klägerin zu Boden und versetzte den Mädchen, die sich schützend vor die Klägerin stellten, je eine Ohrfeige.
An einem Montag oder Dienstag im April 1985 rührte die Klägerin in der Küche eine Tasse Hefe an. Der Beklagte trat, um die Klägerin zu sprechen, hinter diese und erfaßte sie mit den Händen am Nacken bzw. an den Schulterblättern. Die Klägerin wollte, daß der Beklagte sie ausläßt. Daraufhin drückte er noch fester. Nach mehrmaliger diesbezüglicher Aufforderung drohte die Klägerin dem Beklagten, ihm ansonsten den Inhalt der Tasse ins Gesicht zu schütten. Daraufhin packte der Beklagte die Klägerin am Arm und stieß sie einige Meter so aus der Küche, daß sie im anschließenden Vorzimmer zu Boden stürzte und am Gesäß sowie am linken Oberschenkel blaue Flecken erlitt. Am Abend des 6.Juni 1985 schaltete die Tochter Sabine den vom Beklagten eingeschalteten Radioapparat ab. Der Beklagte ging daraufhin von der Küche ins Wohnzimmer und gab der Klägerin eine nicht besonders feste Ohrfeige, die zu einer sichtbaren Rötung führte.
In rechtlicher Beziehung kam das Erstgericht zu dem Ergebnis, daß beiden Streitteilen schuldhafte Eheverfehlungen nach §§ 47 bzw. 49 EheG vorzuwerfen seien. Da der Beklagte mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe den Anfang gemacht habe und den nach der Zerrüttung der Ehe begangenen und vom Beklagten erleichterten Eheverfehlungen der Klägerin keine entscheidende Rolle beizumessen sei, sei der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten gerechtfertigt.
Das Berufungsgericht gab den nur den Verschuldensausspruch betreffenden Berufungen der Streitteile nicht Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte zu den Rechtsrügen der Parteien aus:
Auch ohne Erhebung einer Widerklage sei auf Antrag des Beklagten die Mitschuld der klagenden Partei auszusprechen, wenn die Ehe wegen einer Verfehlung des Beklagten geschieden wird und dieser zur Zeit der Erhebung der Klage oder später auf Scheidung wegen Verschuldens hätte klagen können. Hatte der Beklagte bei der Klageerhebung das Recht, die Scheidung wegen Verschuldens der klagenden Partei zu begehren, bereits verloren, so sei dem Antrag gleichwohl stattzugeben, wenn dies der Billigkeit entspricht (§ 60 Abs 3 EheG). Das behauptete Mitverschulden der klagenden Partei müsse grundsätzlich alle Eigenschaften eines Scheidungsgrundes wegen Verschuldens haben (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 60 EheG). Fehlten diesem Mitverschulden einige solcher Eigenschaften, etwa infolge Verfristung oder Verzeihung, so sei nach Billigkeit dem Antrag dennoch stattzugeben (Pichler aaO Rz 4 zu § 60 EheG). Bei der Abwägung des beiderseitigen Verschuldens seien grundsätzlich nur Eheverfehlungen zu berücksichtigen, die von der klagenden Partei als Ehescheidungsgrund oder von der beklagten Partei zur Begründung des Mitschuldantrages geltend gemacht wurden (EFSlg 31.713, 41.278). Verfristete und verziehene Eheverfehlungen seien ebenso zu berücksichtigen wie solche, auf die eine Scheidungsklage nicht gestützt werden könnte, weil sie in einer unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommenen früheren Scheidungsklage geltend gemacht wurden (EFSlg 46.240). Nach der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur entspreche es der im § 60 Abs 3 EheG normierten Billigkeit, nicht fristgerecht geltend gemachte Eheverfehlungen bei der Entscheidung über den Mitschuldantrag dann heranzuziehen, wenn sie für die Zerrüttung der Ehe in hervorragender Weise maßgebend waren (EFSlg 46.241). Ein überwiegendes Verschulden liege nur dann vor, wenn ein erheblicher gradueller Unterschied im beiderseitigen Verschulden gegeben ist (EFSlg 51.661).
Eine Anwendung dieser rechtlichen Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergebe, daß das Erstgericht das überwiegende Verschulden des Beklagten mit Recht bejaht habe. Mit Rücksicht auf die Klageeinbringung am 14.Juni 1985 seien der Entscheidung als nicht verjährte Eheverfehlungen nur die Vorfälle vom April 1985 und Juni 1985 zugrundezulegen. Das vorangegangene ehewidrige Verhalten beider Streitteile sei aber bei der Beurteilung der Verschuldensanteile nach § 60 Abs 3 EheG aus maßgeblichen Billigkeitserwägungen gleichfalls heranzuziehen.
Der Beklagte habe durch seinen Ehebruch in den späten Sechzigerjahren, bei welchem er sich eine Geschlechtskrankheit zuzog und damit in der Folge seine Ehegattin ansteckte, den Anfang mit dem ehezerstörenden Verhalten gemacht. Der nächste Schritt in dieser Richtung sei ebenfalls vom Beklagten, und zwar in der Zeit nach der Übersiedlung nach Salzburg, getan worden, indem er immer wieder seine Unzufriedenheit mit dem sexuellen Verhalten der Klägerin zum Ausdruck brachte und dieser Bettgeschichten über andere Frauen erzählte, mit welchen er nach seiner Darstellung geschlechtliche Befriedigung gefunden habe. An der ehezerstörenden Wirkung dieser Äußerungen vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß nicht erwiesen ist, daß der Beklagte tatsächlich mit den in diesem Zusammenhang erwähnten Frauen geschlechtlichen Umgang hatte. In diese psychische Situation falle sodann die Anknüpfung von ehewidrigen Beziehungen durch die Klägerin zu Alois B*** und die Aufnahme von ehebrecherischen Beziehungen zu diesem ab Sommer 1979. Abgesehen von der Anfangsphase dieser intimen Beziehung zwischen der Klägerin und Alois B*** müsse die Fortsetzung dieser Beziehung vom Standpunkt der Vorwerfbarkeit gegenüber der Klägerin zumindest weitgehend in einem milderen Licht gesehen werden, weil der Beklagte diese Beziehung durch seine festgestellten Verhaltensweisen geradezu förderte. Bei der Verschuldensabwägung müsse dem Beklagten ferner seine pornographische Korrespondenz vorgeworfen werden.
Bei der Gesamtbeurteilung des für die Verschuldensaufteilung relevanten Verhaltens beider Streitteile komme man zu dem Ergebnis, daß das Erstgericht zutreffend das überwiegende Verschulden des Beklagten ausgesprochen habe. Es treffe zwar zu, daß der Ehebruch als schwerste Eheverfehlung gegen die eheliche Treuepflicht besonders schwer wiege; dennoch könne er durch schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG ausgeglichen oder sogar übertroffen werden (EFSlg 51.652). Im hier vorliegenden Zusammenhang könne dem ehebrecherischen Verhalten der Klägerin auch in Ansehung jenes Zeitraumes, in welchem keine Förderung dieser Beziehung durch den Beklagten erfolgte, nicht das sonst zu veranschlagende Gewicht beigemessen werden, weil der Beklagte durch sein eigenes Verhalten ein Klima schuf, welches der Klägerin ihr Fehlverhalten doch wesentlich erleichterte.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit den Anträgen, das angefochtene Urteil (allenfalls auch das Ersturteil) aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht (allenfalls an das Erstgericht) zurückzuverweisen oder das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das überwiegende Verschulden der Klägerin ausgesprochen werde.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Unter dem Gesichtspunkt des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO führt der Beklagte aus, daß die Lösung der Tatfrage, ob der Beklagte die Klägerin (im Jahre 1969) mit Tripper angesteckt habe, allenfalls die ergänzende Vernehmung der Parteien, in jedem Fall aber die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen erfordert hätte. Dem ist entgegenzuhalten, daß nach ständiger Rechtsprechung Verfahrensmängel erster Instanz, die - wie hier - im Berufungsverfahren nicht gerügt wurden, im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können. Dies gilt zwar nicht für vom Grundsatz der Amtswegigkeit beherrschte Verfahren, doch ist der Untersuchungsgrundsatz nach der neuen Rechtslage (BGBl. 1983/566) auf das Ehescheidungsverfahren nicht mehr anzuwenden (Fasching, Lehrbuch, Rz 2355). Mängel des Verfahrens erster Instanz können daher auch im Ehescheidungsverfahren in der Revision nicht mehr releviert werden (6 Ob 549, 550/88 ua). Daß das Berufungsgericht die zu der gegenständlichen Tatfrage in der Berufung des Beklagten beantragte Beweiswiederholung durch Parteienvernehmung nicht für erforderlich hielt, fällt in den Bereich der in dritter Instanz nicht mehr überprüfbaren Beweiswürdigung.
Mit der Rechtsrüge wendet sich der Beklagte gegen das Ergebnis der Verschuldensabwägung, wobei er einerseits den Standpunkt vertritt, beide Streitteile hätten schwerwiegende Eheverfehlungen gesetzt, die einander die Waage hielten, und andererseits die Feststellung des überwiegenden Verschuldens der Klägerin anstrebt. Er meint, daß sich die Vorinstanzen mit den Fragen der Verfristung - § 57 Abs 1 EheG normiere eine materiellrechtliche, von Amts wegen zu beachtende Präklusivfrist - und Verzeihung - die Fortsetzung der geschlechtlichen Beziehungen zwischen den Streitteilen nach der Ansteckung der Klägerin durch den Beklagten mit einer Geschlechtskrankheit komme einer Verzeihung gleich - nicht entsprechend befaßt hätten. Vor allem aber sei nicht ausreichend gewürdigt worden, daß die Klägerin schwere ehewidrige Beziehungen zu Alois B*** aufgenommen und durch lange Zeit fortgesetzt habe und noch fortsetze.
Dem ist zu erwidern, daß das Berufungsgericht die Grundsätze, von denen bei der Vornahme der Verschuldensabwägung auszugehen ist, in Übereinstimmung mit der Lehre und Rechtsprechung dargelegt und bei der Entscheidung des vorliegenden Falles auch beachtet hat, sodaß das dabei gefundene Ergebnis vom Obersten Gerichtshof gebilligt wird. Es trifft vor allem zu, daß auch verfristete und verziehene Eheverfehlungen in die Verschuldensabwägung mit einzubeziehen sind, wenn die Voraussetzungen der §§ 59 und 60 Abs 3 Satz 2 EheG gegeben sind (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 und 3 zu § 59 EheG und Rz 4 zu § 60 EheG; vgl. ferner EFSlg 48.814, 48.817, 48.826, 51.641, 51.657 ua), und daß es insbesondere darauf ankommt, welcher Ehegatte die Zerrüttung der Ehe schuldhaft eingeleitet hat (EFSlg 51.643 ff), wobei aber stets das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend ist (EFSlg 51.642 ua). Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, daß die ehebrecherischen Beziehungen der Klägerin zu Alois B*** - daß diese noch fortgesetzt werden, ist feststellungsfremd -, wiewohl der Ehebruch als schwerste Eheverfehlung gegen die eheliche Treuepflicht in der Regel besonders schwer wiegt, im gegenständlichen Fall deshalb in einem milderen Licht zu sehen sind, weil sie der Beklagte - vom Anfangsstadium abgesehen - durch sein festgestelltes Verhalten geradezu gefördert hat. Gegen die Würdigung des Gesamtverhaltens der Streitteile durch die Vorinstanzen dahin, daß den Beklagten das überwiegende Verschulden an der Ehezerrüttung trifft, bestehen demnach keine Bedenken.
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E16813European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00503.89.0124.000Dokumentnummer
JJT_19890124_OGH0002_0050OB00503_8900000_000