Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma W*** P***, Pelzindustrie Gesellschaft mbH & Co KG, 6845 Hohenems, Kaiserin Elisabeth-Straße 10-12, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Firma P*** BV Autoteppiche, Autoschonbezüge, NL-5753 PB Deurne, Industrieweg 7, Niederlande, vertreten durch Dr. Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 497.415,80 S samt Anhang (Revisionsinteresse 104.777,-- S samt Anhang) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. Oktober 1988, GZ 1 R 240/88-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 11. Mai 1988, GZ 8 Cg 131/87-36, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.657,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 514,35 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei begehrte von der beklagten Partei die Zahlung eines Betrages von 497.415,80 S samt Anhang. Sie habe dieser für gelieferte Maßbezüge für PKW 875.274,05 S in Rechnung gestellt, bisher seien nur zwei Teilzahlungen von zusammen 377.858,25 S geleistet worden.
Die beklagte Partei beantragte Klageabweisung. Sämtliche Rechnungen hätten unrichtige, nicht vereinbarte Preise enthalten und seien daher beanstandet und der klagenden Partei zurückgesandt worden. Die in den Rechnungen vom 4. November 1985 mit 117.530,-- S verrechneten Waren seien überdies nicht geliefert worden. Am 4. November 1985 habe sie die Geschäftsbeziehung mit der klagenden Partei abgebrochen und sei sie von den getroffenen Vereinbarungen zurückgetreten. Schließlich wurden aufrechnungsweise Gegenforderungen eingewendet.
Das Erstgericht sprach aus, daß die Klageforderung mit 416.648,75 samt Anhang zu Recht (Punkt 1), die eingewendete Gegenforderung hingegen nicht zu Recht (Punkt 2) bestehe, und verurteilte die beklagte Partei unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 80.767,05 S samt Anhang sowie eines Zinsenmehrbegehrens (Punkt 4) zur Zahlung von 416.648,75 S samt Anhang (Punkt 3). Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es unter Einschluß seines in Rechtskraft erwachsenen abweisenden Teiles zu lauten habe: 1. Die Klageforderung besteht mit 311.871,75 S zu Recht. 2. Eine Kompensation findet nicht statt. 3. Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der klagenden Partei den Betrag von 311.871,75 S samt Anhang zu zahlen. 4. Das Mehrbegehren von 185.543,43 S (richtig: 185.544,05 S) samt Anhang und das Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen.
Gegen den abändernden Teil des Berufungsurteils richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, ihr einen Betrag von 416.648,75 S samt Anhang zuzusprechen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zwar zulässig (§ 502 Abs 4 Z 2 ZPO), aber nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen gingen von folgenden im Revisionsverfahren noch bedeutsamen Feststellungen aus:
Beide Streitteile sind Vollkaufleute. Die beklagte Partei ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsführer Jan P*** ist. Geschäftsführer der Komplementärin der klagenden Partei, einer GesmbH & Co KG, ist Hans Karl W***.
W*** besuchte aufgrund der Vermittlung eines belgischen Geschäftsmannes am 30. Jänner 1985 P*** in Holland. An diesem Tag kam es zum ersten geschäftlichen Kontakt zwischen den Streitteilen. W*** sprach mit P*** zunächst allgemein über Geschäfte. Er erklärte ihm, was die klagende Partei alles liefern könnte. P*** zeigte sich zwar zunächst nicht sehr interessiert, äußerte jedoch den Wunsch, man solle ihm Muster zukommen lassen, er werde sie gelegentlich anschauen. Diesem Wunsch kam die klagende Partei nach. Im April 1985 bestellte die beklagte Partei bei der klagenden Partei Stoffe für Autoüberzüge, welche die klagende Partei ordnungsgemäß auslieferte und fakturierte. Der Rechnungsbetrag wurde von der beklagten Partei schließlich am 29. August 1985 bezahlt und ist nicht Gegenstand des gegenständlichen Verfahrens. Am 15. Mai 1985 kam es zu einer Besprechung in Vorarlberg. Von der beklagten Partei waren der Geschäftsführer und ein Mitarbeiter zugegen. Es wurde allgemein über weitere, zukünftige Aufträge gesprochen. Der Geschäftsführer der beklagten Partei erklärte, er sei mit verschiedenen Produzenten hinsichtlich des Ankaufes von Autoschonbezügen im Gespräch und die klagende Partei sei ein möglicher Vertragspartner für die Zukunft. Die klagende Partei machte am 21. Mai 1985 ein Angebot. In der Folge kam es in Telefonaten und auch im Korrespondenzweg zu Preisabstimmungen, nicht jedoch zu einer endgültigen Preisvereinbarung. Nach einem Besuch des Geschäftsführes der klagenden Partei in Holland fand am 8. Juli 1985 in Hohenems bei der klagenden Partei ein weiteres Gespräch zwischen den Streitteilen statt. Bei diesem Gespräch wurden die Preise für die zu liefernden Waren (Universalbezüge und Paßformbezüge) fix, definitiv und für beide Teile verbindlich vereinbart, und zwar in der aus Punkt 3 der Klagebeantwortung (AS 12) ersichtlichen Höhe. Liefertermine wurden bei dieser Besprechung nicht fixiert. Nach der Preisvereinbarung vom 8. Juli 1985 bestellte die beklagte Partei mit Fernschreiben vom 23. Juli 1985 in Form einer Großbestellung die klagegegenständlichen Waren (Universalbezüge). In dieser Bestellung führte die beklagte Partei als Liefertermine den 15. August, 15. September, 15. Oktober und 5. November für vier Teillieferungen in jeweils gleich großen Mengen an. Wie erwähnt, waren jedoch diese Liefertermine zwischen den Streitteilen vorher nicht vereinbart worden; vielmehr waren dies Wunschtermine der beklagten Partei. Für die klagende Partei war es vollkommen unmöglich, diese Liefertermine einzuhalten, weil sie das Rohmaterial nicht auf Lager hatte, sondern erst in Stoffabriken in Italien bestellen mußte. Die Fabriken in Italien haben jedoch während des ganzen Monats August Urlaub. Die klagende Partei antwortete daher auf die genannte Großbestellung der beklagten Partei vom 23. Juli 1985 und die dort genannten Liefertermine ihrerseits mit einem Fernschreiben vom 26. Juli 1985, in welchem sie die beklagte Partei wissen ließ, daß es aus bekannten Umständen völlig unmöglich sei, diese gewünschten Liefertermine einzuhalten. Wörtlich heißt es in diesem Fernschreiben der klagenden Partei, daß es "natürlich komplett unmöglich ist, die Gesamtbestellung gemäß den von der beklagten Partei bekanntgegebenen Daten auszuliefern". In diesem Telex wies die klagende Partei auch ausdrücklich darauf hin, daß bekanntermaßen in Italien im August Urlaub ist und man frühestens Mitte September die Stoffe aus Italien bekommen kann. Auf dieses Fernschreiben der klagenden Partei hat die beklagte Partei nicht reagiert. Die klagende Partei hat in der Folge jeweils ohne Verspätung produziert und an die beklagte Partei ausgeliefert. Lieferverzögerungen wurden hinsichtlich der Universalbezüge überhaupt nie geltend gemacht. Es wurden lediglich die Paßformbezüge und diesbezüglichen Liefertermine urgiert. Die Paßformbezüge konnte die klagende Partei aber gar nicht früher produzieren. Sie konnte die von der beklagten Partei für die Produktion der Autobezüge zu liefernden Stoffe aus dem Verschulden der beklagten Partei vom Zollamt nicht "auslösen", weil die beklagte Partei nicht in der Lage war, ein gültiges Ursprungszeugnis für diese Stoffe beizubringen. Neben der erwähnten Großbestellung vom 23. Juli 1985 - sie enthält ausschließlich Universalbezüge - bestellte die beklagte Partei mit mehreren Bestellungen die genannten Paßformbezüge. In den diesbezüglichen Bestellungen der beklagten Partei sind keine Liefertermine angeführt.
Sowohl die große Sammelbestellung vom 23. Juli 1985 als auch die übrigen Einzelbestellungen der beklagten Partei wurden von der klagenden Partei mit einer Unzahl von Auftragsbestätigungen bestätigt. Abgesehen vom (nicht klagsgegenständlichen) Erstgeschäft im April 1985 dauerte die folgende Geschäftsbeziehung zwischen den Streitteilen lediglich rund 4 Monate, nämlich von Ende Juli 1985 (große fernschriftliche Sammelbestellung) bis Ende November 1985. Schon nach Übersendung der ersten Rechnungen (das erwähnte Erstgeschäft ausgenommen) kam es mehr und mehr zu Differenzen und Streitigkeiten zwischen den Streitteilen, die ihre Ursache im wesentlichen darin hatte, daß die beklagte Partei den Standpunkt vertrat, die klagende Partei halte sich nicht an die am 8. Juli 1985 vereinbarten Preise.
Da die klagende Partei seitens der Kontrollbank ein Kreditlimit für die beklagte Partei gesetzt worden war und dieses Limit überschritten zu werden drohte, durfte die klagende Partei aufgrund der Richtlinien der Kontrollbank nur noch per Nachnahme an die beklagte Partei liefern. Dies wurde von der beklagten Partei jedoch nicht akzeptiert. Die beklagte Partei stellte sich auf den Standpunkt, die Geschäftsbeziehungen seien diesfalls nunmehr als beendet zu betrachten. Jedenfalls wurde die vorletzte Lieferung (Rechnungen vom 4. November 1985 über insgesamt 117.530 S) von der beklagten Partei bereits nicht mehr angenommen, zumal die Spedition Barzahlung per Nachnahme verlangte. Die klagende Partei hatte die den Rechnungen vom 4. November 1985 zugrunde liegenden Waren bereits produziert und auch schon nach Holland transportiert. Die beklagte Partei weigerte sich jedoch, diese Ware noch zu übernehmen, weshalb sie wiederum zurück zur klagenden Partei nach Hohenems ging. Mit Fernschreiben vom 4. November 1985 ließ die beklagte Partei die klagende Partei wissen, daß sie gar keine Waren mehr von der klagenden Partei zu erwarten habe und daher auch keinerlei Waren mehr übernehmen werde, sei es nun mit oder ohne Scheck. Die klagende Partei ist hinsichtlich der den Rechnungen vom 4. November 1985 zugrunde liegenden Waren nach wie vor lieferbereit. Einer Stornierung dieser Warenlieferung hat die klagende Partei nie zugestimmt.
Die beklagte Partei hat die Rechnungen der klagenden Partei - jeweils abgesehen von dem nicht streitgegenständlichen Erstgeschäft - nie unbeanstandet angenommen. Bereits bezüglich der ersten Rechnungen der klagenden Partei vom 30. August 1985 - sie wurden der beklagten Partei Anfang September 1985 zugestellt - nahm die beklagte Partei insofern eine Beanstandung vor, als sie mit Fernschreiben vom 24. September 1985 geltend machte, daß die Preise nicht stimmen, und ausführte, man werde sich über dieses Thema unterhalten müssen. Mit weiterem Fernschreiben vom 30. September 1985 teilte die beklagte Partei mit, man habe nun einen Scheck über 182.010,-- S zur Begleichung der Rechnungen vom 30. August 1985 geschickt. Tatsächlich machten jedoch diese Rechnungen der klagenden Partei einen Gesamtbetrag von 184.294,05 S aus. Im genannten Fernschreiben erklärte die beklagte Partei die Differenz insofern, als sie für bestimmte Artikel andere Preise als die klagende Partei verrechne und so zu einem geringeren Betrag komme. Bereits 3 Tage später, am 2. Oktober 1985, teilte die beklagte Partei neuerlich fernschriftlich mit, es müßten unter anderem kurzfristig Preisprobleme geklärt werden, so könne es nicht weitergehen. Auch die folgenden Rechnungen vom 11. und 23. September wurden mit Fernschreiben der beklagten Partei vom 4. Oktober 1985 hinsichtlich der verrechneten Preise ausdrücklich beanstandet; es wurde auf eine Preisdifferenz von insgesamt 73.476,05 S je nach Berechnungsart hingewiesen. Auch in der Folge - die Geschäftsbeziehung dauerte lediglich noch rund 4 Wochen - wurden diese Preisdifferenzen nie gelöst. Mit Fernschreiben vom 5. November 1985 stornierte die beklagte Partei alle ihre Aufträge mit der Begründung, die klagende Partei habe kein einziges Mal ihre Versprechnungen gehalten; außerdem seien alle verrechneten Preise um 10 % zu hoch; dies sei für die beklagte Partei nicht akzeptabel; man werde der klagenden Partei dann zahlen, was ihr zustehe. Mit Fernschreiben vom 13. November 1985 wurde der klagenden Partei kundgetan, man werde die offenen Rechnungen nachprüfen und die Preisunterschiede abziehen. Legt man den Fakturen der klagenden Partei vom 30. August 1985, 11. September 1985, 23. September 1985, 27. September 1985, 11. Oktober 1985 und 26. Oktober 1985 die anläßlich der Besprechung vom 8. Juli 1985 fix vereinbarten Warenpreise zugrunde, so ergibt sich für diese Rechnungen ein Gesamtbetrag von 689.730,-- S. Die mehrfach erwähnten Rechnungen vom 4. November 1985 waren gegenüber den vereinbarten Warenpreisen ebenfalls um rund 10 % zu hoch, sodaß sich unter Berücksichtigung der vereinbarten Preise für diese Rechnungen ein Betrag von 105.777 S ergibt und somit für sämtliche klagegegenständlichen Rechnungen insgesamt ein Betrag von 794.507,-- S (richtig: 795.507,-- S). Unter Berücksichtigung der Teilzahlungen vom Oktober 1985 von insgesamt 377.858,25 S ist sohin für die klagegegenständlichen Rechnungen vom 30. August 1985 bis einschließlich 4. November 1985 ein Betrag von 416.648,75 S (richtig: 417.648,75 S) zur Zahlung offen.
In rechtlicher Beziehung waren die Vorinstanzen zutreffend der übereinstimmenden Ansicht, daß auf den gegenständlichen Fall nach den zugrundezulegenden Verkaufs-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der klagenden Partei, aber auch nach § 36 IPRG österreichisches Recht anzuwenden sei.
Was den Vertragsrücktritt der beklagten Partei betrifft, so vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß dieser nicht zu Recht erfolgt sei, weil fixe Liefertermine nicht vereinbart worden seien und die klagende Partei mit ihren Warenlieferungen nicht in Verzug geraten sei. Wegen verspäteter Lieferung sei ein Rücktritt also nicht berechtigt gewesen. Auch wegen der unrichtig berechneten Preise sei ein Rücktritt nicht berechtigt erfolgt. Die beklagte Partei wäre nur verpflichtet gewesen, die vereinbarten Preise zu zahlen, dies jedoch auch für die Rechnungen vom 4. November 1985, weil hinsichtlich dieser Lieferung die klagende Partei lieferungsbereit gewesen sei und sich die beklagte Partei nunmehr in Annahmeverzug befinde. Das Berufungsgericht nahm zu dieser Rechtsfrage wie folgt Stellung:
Der in mehreren Teillieferungen abzuwickelnde Gesamtauftrag, der der Klageforderung zugrundeliege, sei wohl nicht zu den Dauerschuldverhältnissen zu zählen, weil die Erbringung der Leistungen durch die klagende Partei nicht von der Zeitdauer des Vertragsverhältnisses abhängt, sondern sich vielmehr die Dauer des Vertrages nach der Erbringung der bereits festgesetzten Leistungen richtet, also das Vertragsverhältnis der Parteien so lange dauert, als noch Leistungen ausständig sind. Darin liege wohl ein Sukzessivlieferungsvertrag. Auch auf solche vorübergehende Schuldverhältnisse sei eine analoge Anwendung der für Dauerschuldverhältnisse geltenden Regeln gestattet, dies insbesondere dann, wenn noch umfangreiche geschäftliche Leistungen ausstehen und einem Vertragsteil (hier der beklagten Partei) bei Nichteinhaltung des geschlossenen Vertrages, insbesondere im Hinblick auf mögliche eigene Lieferverpflichtungen gegenüber Dritten, ein erheblicher Schaden drohen könne (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 26 und 445; EvBl 1969/196).
Betrachte man nun das Verhalten der klagenden Partei in seiner Gesamtheit, nämlich die Geltendmachung überhöhter Forderungen entgegen der verbindlichen Preisvereinbarung zwischen den Parteien in den Fakturen vom 30. August, 11. September, 23. September, 27. September, 11. Oktober und 26. Oktober, alle aus 1985, mit insgesamt 757.744,05 S statt wie vereinbart mit 689.730,-- S, dies trotz ständiger Bemängelung der Preise schon nach Erhalt der ersten Rechnungen durch die beklagte Partei, dann sei dieses Verhalten der klagenden Partei geeignet, beim Vertragspartner, also der beklagten Partei, den Eindruck zu erwecken, daß die klagende Partei nur ihre eigenen Interessen ohne Rücksicht auf die mit ihrem Vertragspartner getroffenen Vereinbarungen verfolge. Dieses Verhalten der klagenden Partei, das sich insgesamt dahin qualifizieren lasse, daß sie bei ihrem Geschäftspartner durch einen beachtlichen Zeitraum, ja selbst noch im vorliegenden gerichtlichen Verfahren, im Vertrag nicht begründete Geldforderungen unter Erweckung des Eindruckes, sie sei zur Stellung dieser Forderungen berechtigt, durchzusetzen versuchte, widerspreche den im redlichen Geschäftsverkehr zu beachtenden Grundsätzen von Treu und Glauben in so grober Weise, daß es auch bei Anlegung eines strengeren Maßstabes der beklagten Partei nicht zugemutet werden könne, das Vertragsverhältnis aufrecht zu erhalten (SZ 57/186). Die beklagte Partei sei also am 4. November 1985 durch Erklärung einerseits und Verweigerung der Annahme der Lieferung laut Rechnungen vom 4. November 1985 über 117.530,-- S - richtig vereinbart wären hier nur 105.777,-- S angemessen - andererseits begründet und zu Recht vom Vertrag zurückgetreten. Eines Eingehens auf die Frage, ob die Forderung der klagenden Partei nach Barzahlung bei Auslieferung vereinbarungsgemäß war oder ebenfalls eine Annahmeverweigerung rechtfertigte, bedürfe es nicht mehr. Da die Unangemessenheit des Kaufpreises keinen Gewährleistungsmangel bilde (HS 6370), damit auch unter Kaufleuten keine unverzügliche Rügepflicht bestehen würde (AC 2896), gälten auch nicht die Gewährleistungsregeln der §§ 922 ff ABGB. Die Auflösung des Vertrages, der gültig zustande gekommen sei, wegen eines nachträglich erst entstandenen wichtigen Grundes (Nichtzuhaltung der Preisvereinbarung) wirke damit nicht zurück, sondern bloß ex nunc, wenn ein Teil des Vertrages zwischen den Parteien bereits abgewickelt worden ist und die von der klagenden Partei erbrachten Leistungen für die beklagte Partei nicht völlig nutzlos geworden sind. Letzteres sei nicht einmal behauptet worden und auch offensichtlich nicht der Fall. Damit verbleibe es bei einer Verpflichtung der beklagten Partei zur Zahlung des vereinbarten Preises für die bereits erbrachten Leistungen und angenommenen Lieferungen von 689.730,-- S abzüglich der geleisteten Teilzahlungen von 377.858,25 S, sohin eines Betrages von restlichen 311.871,75 S. In der Revision wendet sich die klagende Partei zunächst gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Streitteilen die für Dauerschuldverhältnisse und Sukzessivlieferungsverträge geltenden Regeln anzuwenden seien, mit dem Argument, daß ein "in mehreren Teillieferungen abzuwickelnder Gesamtauftrag" nicht von vornherein vorgesehen gewesen sei, sondern sich die Notwendigkeit von Teillieferungen erst im Nachhinein ergeben habe.
Dem kann nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, daß die Klageforderung nach den Feststellungen nicht nur aus der großen Sammelbestellung vom 23. Juli 1985 - in der übrigens entgegen den Revisionsausführungen von vornherein 4 Liefertermine bzw. Teillieferungen vorgesehen waren -, sondern auch aus mehreren in der Folge aufgegebenen Einzelbestellungen resultiert.
Die vom Berufungsgericht unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung angestellten Erwägungen, die für eine analoge Anwendung der für Dauerschuldverhältnisse geltenden Regeln (hier: vorzeitige Auflösung aus wichtigem Grund mit Wirkung ex nunc) auf (längerdauernde) Sukzessivlieferungsverträge sprechen (vgl. auch Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 18 zu § 918), treffen aber wegen der ähnlichen Interessenlage der Parteien auch auf den vorliegenden Fall zu, der dadurch gekennzeichnet ist, daß eine einheitliche bindende Preisabsprache für die zwischen den Streitteilen ins Auge gefaßte Geschäftsbeziehung (nach dem Vorbringen in der Klagebeantwortung - AS 11 f - für dem Umsatzvolumen nach bekannte Bestellungen der nächsten 6 Monate) getroffen wurde (vgl. auch Reischauer aaO Rz 7 vor §§ 918 ff, SZ 54/188 = JBl 1982, 533 ua). Dazu kommt, daß, die Verweigerung der Einhaltung einer wesentlichen Vertragsbestimmung, wozu die Preisabsprache zweifellos gehört, grundsätzlich den Rücktritt vom Vertrag im Sinne des § 918 ABGB rechtfertigt, weil ein derartiges Verhalten in der Regel eine schwere Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners bzw. in dessen geschäftliche Korrektheit nach sich zieht und demnach eine weitere Bindung an den vertragsbrüchigen Partner unzumutbar erscheinen läßt (vgl. Reischauer aaO Rz 7 vor §§ 918 ff; 2 Ob 652/86 und 5 Ob 584/87; in der Entscheidung 2 Ob 652/86 wurde ausgeführt, daß der Lehre Gschnitzers in Klang2 IV/1, 473, wonach keine Vertragspflichtverletzung vorliege, wenn der Schuldner seine Vertragspflicht bestreite oder einen unrichtigen Vertragsinhalt behaupte, und daher eine Anwendung des § 918 ABGB ausgeschlossen sei, jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht beigepflichtet werden könne).
Die klagende Partei bekämpft sodann die Meinung des Berufungsgerichtes, sie habe trotz verbindlicher Preisabsprache jeweils überhöhte Fakturen ausgestellt, und weist darauf hin, daß nach Punkt 2 ihrer Verkaufs-, Lieferungs- und Zahlungsbedingungen die nach den Listen der klagenden Partei "am Tage der Lieferung gültigen Preise" zu gelten hätten.
Diese Ausführungen weichen einerseits vom festgestellten Sachverhalt ab und stellen andererseits (in Ansehung des Hinweises auf Punkt 2 der Vertragsbedingungen) eine Neuerung dar; sie sind unzulässig und demnach unbeachtlich.
Schließlich macht die klagende Partei geltend, daß von einem "unzumutbaren Dauerverhalten" als Rücktrittsgrund nicht gesprochen werden könne. Die beklagte Partei sei jedenfalls aufgrund der Preisdiskrepanzen nicht berechtigt gewesen, das Vertragsverhältnis zu lösen. Davon abgesehen habe die beklagte Partei diesbezügliche Behauptungen erstmals in der Berufungsschrift aufgestellt, sodaß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorliege.
Dem ist zu erwidern, daß nach den Feststellungen die beklagte Partei die seitens der klagenden Partei verrechneten Preise von Anfang an ausdrücklich beanstandet und auch in ihrem Stornierungsfernschreiben vom 5. November 1985 als um 10 % zu hoch bezeichnet hat. Das Berufungsgericht hat ausführlich und zutreffend begründet, warum das festgestellte Verhalten der klagenden Partei die beklagte Partei zum Rücktritt berechtigte. Im übrigen könnte selbst eine Berücksichtigung unzulässiger Neuerungen im Berufungsurteil keinem der Revisionsgründe unterstellt werden (Fasching, Lehrbuch, Rz 1733). Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß sich die beklagte Partei auch nicht etwa dadurch ihres Rücktrittsrechtes begeben hat, daß sie nach Erhalt der ersten überhöhten Rechnungen vom 30. August 1985 Anfang September 1985 noch in diesem Monat die weiteren Bestellungen tätigte, die dann am 4. November 1985 (gleichfalls überhöht) abgerechnet wurden. Sie durfte zunächst davon ausgehen, daß die klagende Partei die Preisreklamation berücksichtigen und sich in Hinkunft vertragstreu verhalten werde.
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E16232European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00504.89.0124.000Dokumentnummer
JJT_19890124_OGH0002_0050OB00504_8900000_000