TE OGH 1989/1/24 4Ob626/88

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Veröffentlicht am 24.01.1989
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Michaela G***, geboren am 13. September 1971, und Nadja G***, geboren am 4.Februar 1977, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, vertreten durch die Mutter Maria H***, Angestellte, Wien 19., Kaasgrabengasse 3 A/1/4, diese vertreten durch Dr. Kurt Lux, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 13. Oktober 1988, GZ 47 R 658/88-197, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 31.August 1988, GZ 2 P 174/85-194, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der Minderjährigen wurde im Jahr 1978 geschieden; die Elternrechte stehen der Mutter zu. Mit Beschluß vom 2. August 1978 wurde dem Vater ein Besuchsrecht zur mj Michaela eingeräumt. Der Vater hat dieses Recht nur einmal - im Jahr 1978 - ausgeübt bzw auszuüben versucht.

Am 5.Juni 1987 (ON 162) beantragte der Vater das Besuchsrecht zu beiden Kindern dahin zu regeln, daß er ermächtigt werde, die Minderjährigen am ersten und am dritten Sonntag eines jeden Monats zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr von der Wohnung der Mutter abzuholen, und verpflichtet sei, sie jeweils zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr wieder zurückzubringen.

Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus. Der Vater habe das Besuchsrecht zur mj Michaela nie ausgeübt; diese lehne nunmehr Besuche des Vaters ab. Die mj Nadja leide an - mittlerweile weitgehend behandelten - Sprachstörungen; von ihr müßten Aufregungen ferngehalten werden.

Die 17-jährige Michaela erklärte anläßlich einer - ohne Beisein der Mutter - in einer jugendpsychologischen Beratungsstelle der Stadt Wien durchgeführten Befragung, keine Besuche des Vaters zu wünschen. Sie wolle durch Besuche ihres Vaters nicht beunruhigt werden. Ihre Enttäuschung über das Desinteresse ihres Vaters habe sie bereits überwunden; sie wolle erst später entscheiden, ob sie selbst Kontakt zu ihrem Vater aufnehmen möchte.

Die 11 1/2-jährige Nadja kennt ihren Vater nicht; sie will über ihren leiblichen Vater nicht sprechen. Den zweiten Ehemann ihrer Mutter sieht sie als ihren Vater an. Die mj Nadja mußte in den letzten Jahren mit ihren massiven Sprachstörungen fertig werden. Nur mit großen Anstrengungen ist es ihr gelungen, eine normale Volksschule zu besuchen.

Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf Besuchsrechtsregelung ab. Gegen den Willen der bereits 17-jährigen Michaela könne das Besuchsrecht nicht eingeräumt werden. Die mj Nadja wäre durch die Einräumung des Besuchsrechts in ihrer psychischen Entwicklung und in ihrem Schulerfolg gefährdet. Aber auch im Hinblick auf das langjährige Desinteresse des Vaters könne weder seinen Kindern noch deren Familie das Besuchsrecht zugemutet werden.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Besuchsrecht dürfe einem Elternteil nur ausnahmsweise und bei Vorliegen besonders schwerwiegender Gründe versagt werden; das bisher gezeigte interesselose Verhalten des Vaters rechtfertige für sich allein diese einschneidenden Maßnahmen nicht. Ob schwerwiegende Gründe vorliegen, lasse sich aber auf Grund der bisher durchgeführten Erhebungen noch nicht abschließend beurteilen. Bisher sei nur die mj Michaela vor dem Jugendamt zum Antrag des Vaters gehört worden. Die Anhörung mindestens 10-jähriger Kinder durch das Gericht habe nach dem Gesetz zwar nur "tunlichst" zu erfolgen; warum sie aber hier nicht tunlich sein sollte, ließen die Verfahrensergebnisse nicht erkennen. Gerade im vorliegenden Fall, der durch besondere Umstände gekennzeichnet sei, hänge die Entscheidung über das Besuchsrecht wesentlich davon ab, welchen Eindruck der Pflegschaftsrichter durch die Anhörung der Kinder gewinne. Sollte sich allerdings die mj Michaela tatsächlich gegen das Besuchsrecht des Vaters aussprechen, dann müsse dies bei der Beschlußfassung beachtet werden, weil mündige Minderjährige nicht gegen ihren Willen zur Durchführung des Besuchsrechtes gezwungen werden sollten. Ob die Anhörung der mj Nadja im Hinblick auf ihre massiven Sprachstörungen und deren Ursachen tunlich sei, müsse noch geprüft werden. Vom Ergebnis des persönlichen Eindrucks, den sich das Erstgericht allenfalls auch von dieser Minderjährigen verschafft habe, hänge auch noch die Beurteilung der Frage ab, ob ein Sachverständiger darüber befragt werden müsse, wie weit die massiven Sprachstörungen der Minderjährigen durch Irritationen hervorgerufen wurden, die sich allenfalls durch das Auftauchen des Vaters wieder verstärken könnten. Wäre dies der Fall, dann müsse das Besuchsrecht im Ergebnis doch versagt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von den Minderjährigen erhobene Rekurs (richtig: Revisionsrekurs) ist nicht berechtigt.

Die Kinder führen in ihrem Revisionsrekurs im wesentlichen aus, daß die aufgetragenen Verfahrensergänzungen nicht erforderlich seien. Schon aus den Ausführungen des Vaters in seinem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß ergebe sich, daß die Entscheidung über das Besuchsrecht zur mj Michaela versagt werden müsse. Die mj Nadja sei psychisch äußerst labil; es sei zu befürchten, daß schon die Befragung zum Antrag des Vaters zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes und der Sprachstörungen führen würde. Es bedürfe aber auch nicht der Einholung eines Gutachtens, ob die Ausübung des Besuchsrechtes durch den Vater zu weiteren Störungen führen könnte, weil das evident sei. Aus dem Verhalten des Vaters ergebe sich aber auch, daß er an einer Besuchsrechtsregelung nie interessiert gewesen sei. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz; er kann daher - auf richtiger rechtlicher Beurteilung beruhenden - Ergänzungsaufträgen des Rekursgerichtes nicht entgegentreten (EFSlg 52.674; EFSlg 52.676 u.v.a.). Das Rekursgericht hat im vorliegenden Fall die aufgetragenen Verfahrensergänzungen auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles als für die Beurteilung des Kindeswohles erforderlich angesehen. Dabei hat es

die - richtige - Rechtsauffassung vertreten, daß das Besuchsrecht eines Elternteiles grundsätzlich dem Wohl des Kindes entspricht (EFSlg 51.148 u.v.a.), dem Vater ein Recht auf den persönlichen Verkehr mit seinen Kindern nicht schon deshalb verwehrt werden darf, weil er bisher durch Jahre ein Besuchsrecht nicht beantragt oder nicht ausgeübt hat (EFSlg 48.300 u.v.a.) und das Besuchsrecht einem Elternteil nur bei gewichtigen Gründen versagt werden kann (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 148; EFSlg 51.157; EFSlg 35.898). Der Auffassung des Rekursgerichtes, daß das Verfahren noch ergänzungsbedürftig sei, kann unter diesen Umständen nicht entgegengetreten werden.

Dem Revisionsrekurs war somit ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E16580

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00626.88.0124.000

Dokumentnummer

JJT_19890124_OGH0002_0040OB00626_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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