Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Herbert Vesely und Rudolf Hörmedinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl S***, Tankwart, Schleinbach, Kirchengasse 7, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*** MBH, Leopold G***,
Wolkersdorf, Wiener Straße 22, vertreten durch Dr. Margareta Appel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 66.543,05 S brutto sA und Feststellung (Revisionsstreitwert 57.932,43 S brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. August 1988, GZ 32 Ra 77/88-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Jänner 1988, GZ 17 Cga 1022/87-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 1. Mai 1976 bis 20. März 1987 bei der beklagten Partei als Tankwart beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Entlassung.
Der Kläger begehrt insgesamt 66.543,05 S brutto sA an Kündigungsentschädigung, Abfertigung, restlichem Entgelt und Urlaubsentschädigung sowie die Feststellung der Unwirksamkeit der Entlassung. Der Kläger habe sich geweigert, auch Getränke in Dosen und Süßigkeiten neben Autozubehör zu verkaufen, weil er als Tankwart und nicht als Verkaufskraft für andere Waren angestellt worden sei. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei entlassen worden, weil er sich geweigert habe, andere Artikel als Autozubehör zu verkaufen und - wie bisher - aufzuräumen. Das Erstgericht gab der Klage statt und stellt folgenden für das Revisionsverfahren wesentlichen Sachverhalt fest:
Der Kläger war bei der beklagten Partei in einer Bedienungstankstelle beschäftigt, die einen Verkaufsraum umfaßte, in dem neben verschiedenen Autozubehörartikeln auch Grillkohle und Eis angeboten wurde. Der Kläger war eine gute und verläßliche Arbeitskraft. Zu Jahresbeginn 1987 wurden Renovierungsarbeiten in der Tankstelle vorgenommen und der Verkaufsraum vergrößert. Die beklagte Partei beabsichtigte, neue Artikel, wie Getränke und Süßwaren in das Sortiment aufzunehmen. Der Kläger weigerte sich, diese neuen Artikel zu verkaufen. Er hielt diesen Standpunkt auch in einer Unterredeung mit dem Geschäftsführer der Beklagten aufrecht, in der ihm die Entlassung angekündigt wurde. Diese Unterredung fand am Freitag, dem 20. März 1987 statt. Dem Kläger wurden danach die Schlüssel der Tankstelle abgenommen; gleichzeitig wurde ihm erklärt, daß er am Samstag nicht mehr zur Arbeit erscheinen brauche. Mit als Kündigung bezeichnetem Schreiben vom 20. März 1987 wurde dem Kläger von der Beklagten mitgeteilt, daß er per 20. März 1987 fristlos entlassen sei, weil er sich nicht bereit erklärt habe, einige in der Tankstelle geführte Waren zu vekaufen und die entsprechenden Reinigungsarbeiten durchzuführen. Wenige Tage nach dem Ausscheiden des Klägers wurden die neuen Artikeln in das Sortiment aufgenommen. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger als Tankwart angestellt worden sei und der Verkauf des erweiterten Sortiments nicht in seinen arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereich falle; er habe den Verkauf dieser neuen Artikel daher zu Recht verweigert.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil mit Teilurteil im Sinne einer Abweisung des Feststellungsbegehrens sowie des Begehrens auf Zahlung von 57.932,43 S brutto sA ab; bezüglich eines zugesprochenen Teilbetrages von 8.610,62 S brutto sA hob es das Ersturteil hingegen ohne Setzung eines Rechtskraftvorbehaltes auf. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Angemessenheit der zu leistenden Dienste sei dynamisch zu verstehen. Da es zu einer Ausweitung des Warenangebotes der Tankstellen auch auf nicht zum Kraftfahrzeugbedarf gehörige Waren gekommen sei und zum Verkauf des ganz schmalen Lebensmittelangebotes keine zusätzlichen kaufmännischen Kenntnisse erforderlich seien, habe der Kläger die Betreuung des erweiterten Warensortiments nicht verweigern dürfen. Da der Kläger bei der Unterredung mit dem Geschäftsführer seinen (offenbar schon vorher vertretenen) Standpunkt beibehalten habe, sei auch das für den Entlassungsgrund nach § 82 lit f GewO erforderliche Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit gegeben.
Gegen die Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 57.932,43 S brutto samt Anhang mit dem Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Dem Berufungsgericht ist im Ergebnis darin beizupflichten, daß mit der Erweiterung des bisher feilgehaltenen Warensortiments der Rahmen der vom Kläger als Tankwart übernommenen Pflichten nicht überschritten wurde. Da die vertraglich vereinbarten Dienste des Klägers als Tankwart von Anfang an auch eine Verkaufstätigkeit umfaßte und der Kläger eine solche Tätigkeit immer verrichtete, war er verpflichtet, im Rahmen dieser vertraglich bedungenen Verkaufstätigkeit das jeweils übliche Warensortiment zu vertreiben. Zieht man darüber hinaus in Betracht, daß der Verkauf von Getränken (in Dosen) und (verpackten) Süßigkeiten weder eine Beratung noch eine besondere Manipulation erforderte und sich daher an der Art der Tätigkeit des Klägers und ihrem Schwergewicht (Verkauf von Treibstoff und Kraftfahrzeugzubehör sowie diverse damit zusammenhängende Dienstleistungen) durch die der Verkehrsübung entsprechende Erweiterung des überdies schon bisher auch andere Artikel als Autozubehör - etwa Grillkohle und Speiseeis - umfassenden Warenangebotes nichts änderte, dann war die Ansicht des Klägers, er sei zu den vom Arbeitgeber angeordneten Verkaufstätigkeiten nicht verpflichtet, unvertretbar. Die Verweigerung dieser Arbeitsleistungen war daher nicht nur objektiv rechtswidrig, sondern auch subjektiv vorwerfbar und damit schuldhaft. Auf einen durch die Auskunft eines Dritten veranlaßten Irrtum hat sich der im Verfahren erster Instanz durch eine qualifizierte Person im Sinne des § 40 Abs 1 ASGG vertretene, für Schuldausschließungsgründe behauptungs- und beweispflichtige Kläger (vgl. Kuderna Entlassungsrecht 50) nicht berufen, sodaß es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben kann, ob einer derartigen, der Sphäre eines Vertragsteils zuzurechnenden Auskunft überhaupt schuldausschließendes Gewicht beigemessen werden kann (dazu 9 Ob A 163/87).
Weiters ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, daß es die Arbeitsverweigerung des Klägers als beharrlich im Sinne des § 82 f zweiter Fall GewO wertete. Bleibt der Arbeitnehmer trotz Ermahnung durch den Arbeitgeber bei seiner Weigerung, eine für die nächste Zukunft geplante, in seinen Aufgabenbereich fallende Arbeit zu verrichten, dann muß der Arbeitgeber nicht zuwarten, ob der Arbeitnehmer diese ernstlich erklärte Absicht auch verwirklicht oder sich nicht doch entschließt, die aufgetragene Arbeit zu verrichten; dem Arbeitgeber muß vielmehr eine rechtzeitige Disposition zugebilligt werden (dazu 9 Ob A 96/87). Da die Beklagte auf die beharrliche Arbeitsverweigerung des Klägers sofort mit Dienstfreistellung unter Ankündigung der Entlassung reagierte und an ihn sodann ein noch mit diesem Tag (20. März 1987) datiertes Entlassungsschreiben sandte, erfolgte die Entlassung jedenfalls rechtzeitig, auch wenn dem Kläger das Schreiben erst am Sonntag, dem 23. März 1987, zukam; der in der Revision gerügte Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.
Soweit sich der Revisionswerber gegen die vom Berufungsgericht in der Begründung des Aufhebungsbeschlusses ausgesprochene Rechtsansicht wendet, ist er darauf hinzuweisen, daß dieser Beschluß nicht angefochten wurde, und auch mangels Rechtskraftvorbehaltes nicht anfechtbar ist.
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E16663European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00296.88.0125.000Dokumentnummer
JJT_19890125_OGH0002_009OBA00296_8800000_000