TE OGH 1989/1/26 6Ob505/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.01.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Pflegschaftssache der serbischen griechisch-orientalischen K*** ZUM H***

S*** in Wien, infolge Revisionsrekurses der Kirchengemeinde, als deren Vertreter, Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien einschreitet, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 1. Juni 1988, GZ 43 R 374/88-120, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. Oktober 1987, GZ 8 P 221/85-85, in seinem Punkt 3 bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben.

Die angefochtene Entscheidung und Punkt 3 des erstinstanzlichen Beschlusses vom 30. Oktober 1987, ON 85, werden aufgehoben. Dem Pflegschaftsgericht erster Instanz wird eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung über den Antrag des Kurators auf Genehmigung des mit seiner Eingabe vom 30. Oktober 1987, ON 84, vorgelegten Mietvertrages aufgetragen.

Text

Begründung:

Für die im § 4 Abs 1 Orthodoxengesetz (BGBl Nr 229/1967) an erster Stelle genannte Kirchengemeinde ist gemäß § 12 Abs 2 OrthG ein Rechtsanwalt zum Kurator bestellt (Näheres ist der Sachverhaltsdarstellung in der Entscheidung vom 6. November 1986, 6 Ob 666/86 = ON 49 a zu entnehmen). Zum Vermögen der Kirchengemeinde gehört eine städtische Liegenschaft mit einem Gebäude, in dem sich unter anderem Räumlichkeiten befinden, die der gemeinsamen Religionsübung, der Verwaltung der Kirchengemeinde und der Unterbringung des Seelsorgers gewidmet sind. Der gerichtlich bestellte Kurator wurde ermächtigt, die Liegenschaftsverwaltung einem von ihm zu betrauenden Vertreter zu übertragen (Einzelheiten können der Entscheidung vom 4. Juni 1987, 6 Ob 600/87 = ON 75 entnommen werden). Nach dem Bericht des Kurators hat dieser einen Immobilientreuhänder mit der Gebäudeverwaltung beauftragt. Am 27. Oktober 1987 schloß der Kurator mit einem Kirchengemeindemitglied über das Bethaus mit Sakristei, einem Büroraum, den Pfarrsitzungssaal und eine Wohnung im Hause der Kirchengemeinde einen Mietvertrag auf unbestimmte Dauer unter der Vereinbarung einer Kündigungsfrist von drei Monaten und von Kündigungsterminen zu jedem Kalendervierteljahresende. Als einzig zulässige Nutzung des Bestandgegenstandes wurde mietvertraglich festgehalten:

"Die Vermietung erfolgt zu dem Zweck, dem - während der Dauer der gehemmten (äußeren) Handlungsfähigkeit der Kurandin - vom Bischof oder Patriarchen für die Pfarre ..... jeweils bestellten Priester die Verkündung der von der Kurandin gelehrten Heilswahrheiten und die praktische Ausübung ihrer Glaubenssätze zu ermöglichen. Die mitvermietete Wohnung dient dem jeweiligen Pfarrer als Dienstwohnung."

Das Erstgericht erteilte dem Antrag des Kurators entsprechend dem Mietvertrag die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der namens der Kirchengemeinde gegen die bestätigende Rekursentscheidung erhobene Rekurs macht offenbare Gesetzwidrigkeit als Anfechtungsgrund geltend und führt diesen unter Aufrechterhaltung der grundsätzlichen Bedenken gegen die Ansicht, die Vermögensverwaltung sei den äußeren Angelegenheiten der Kirchengemeinde zuzuzählen, dahin aus, daß jedenfalls schon die Vermietung von Bethaus, Verwaltungs- und Versammlungsraum sowie der zur Unterbringung des Seelsorgers gewidmeten Wohnung an eine Privatperson an sich und im besonderen an eine Person, die sich selbst als Präsident einer staatlich nicht anerkannten Schwestergemeinde bezeichne, einen augenfälligen Eingriff in die inneren Angelegenheiten der Kirchengemeinde darstelle. Nach dem im Art 15 StGG verfassungsgerichtlich festgelegten Grundsatz dürfen Akte der staatlichen Verwaltung nicht in innere Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft eingreifen. Auch wenn die im Einzelfall oft überaus schwierige Grenzziehung zwischen den inneren und äußeren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft positiv rechtlich nirgends so klar und eindeutig umschrieben ist, daß eine Verletzung dieser verfassungsgesetzlichen Grenzziehung jederzeit in die Augen springen müßte, ist doch der Grundsatz so bedeutsam und ein Verstoß gegen ihn so schwerwiegend, daß jede schlüssige Ausführung darüber, es liege ein unzulässiger Eingriff in die inneren Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche vor, eine beachtliche Ausführung und wirksame Geltendmachung des Anfechtungsgrundes der offenbaren Gesetzwidrigkeit nach § 16 Abs 1 AußStrG darstellt. Die Vertretungsbefugnis der namens der von der Pflegschaft betroffenen Kirchengemeinde als deren Organe einschreitenden Personen ist vom Rekursgericht im Sinne der im Aufhebungsbeschluß ON 121 dargelegten Rechtsansicht im anhängigen Rechtsmittelverfahren zutreffend anerkannt worden. Die damit anerkannte Vertretungsbefugnis wirkt auch im Revisionsrekursstadium fort. Die für das Pflegschaftsverfahren allgemein zu lösende Frage der gehörigen Vertretung der von der Pflegschaft betroffenen Kirchengemeinde braucht daher aus Anlaß des vorliegenden Rechtsmittels noch nicht abschließend gelöst zu werden.

Rechtliche Beurteilung

Das nach den oben stehenden Darlegungen zulässige Rechtsmittel ist im Sinne einer Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Verfahrensergänzung berechtigt.

Der Kurator hat Räumlichkeiten im eigenen Haus der Kirchengemeinde, die unmittelbar der gemeinsamen Religionsübung und dem kirchlichen Gemeinschaftsleben gewidmet sind, an ein Kirchenmitglied zu dem Zweck vermietet, daß dieser Mieter die Räumlichkeiten einer Nutzung im Sinne der satzungsgemäßen Zwecke der Kirchengemeinde zuführe. Im Mietvertrag mag in kautelarjuristischer Betrachtung ausreichend Vorsorge dafür getroffen worden sein, daß bei widmungswidriger Nutzung des Bestandgegenstandes durch den Mieter oder Endigung des kirchengemeindlichen Ausnahmezustandes das Nutzungsrecht des Mieters wieder beendet werden könnte. Allein der Umstand, daß Räume im eigenen Haus der Kirchengemeinde durch Einschaltung eines Mieters der bestimmungsgemäßen Nutzung durch die Kirchengemeinde selbst zugeführt werden sollen, läßt den gewählten Verwaltungsvorgang als ungewöhnlich erscheinen. Die Notwendigkeit einer pflegenden und ordnenden Tätigkeit in den von der Kirchengemeinde unmittelbar selbst genutzten Räumen leuchtet ein. Es läge aber nahe, solche Aufgaben durch einen - in der Regel von der Kirchengemeinde zu entlohnenden - Kirchendiener besorgen zu lassen. Wenn anstelle dessen diese Maßnahmen über eine Person gewährleistet werden sollen, der die Ausübung der Nutzungsrechte im fremden Interesse, nämlich zur Erfüllung der satzungsgemäßen Aufgaben der Hauseigentümerin und Vermieterin selbst, gegen Entgelt überlassen wird, erweckt dies nach dem ersten Anschein den Eindruck, ein Kirchengemeindemitglied wolle sich über die Mietzinszahlung durch die formelle Rechtsstellung eines Mieters einen Einfluß auf die "Rahmenbedingungen" des kirchlichen Gemeinschaftslebens verschaffen, der einem einfachen Gemeindemitglied nicht zukäme.

Zur Klärung dieser schwerwiegenden Verdachtsmomente bedarf es einer Verfahrensergänzung in erster Instanz. In deren Verlauf werden durch Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Kurators, der Anhörung der als Seelsorger tätigen oder in Aussicht genommenen Person und der Vertreter sämtlicher Gruppen von Gemeindemitgliedern, die in sich schlüssig darzulegen vermögen, daß sie mit innerkirchlicher Wirksamkeit Organe bestellt haben, gegebenenfalls nach diesen Ergänzungen noch durch Vornahme weiterer Erhebungen die Auswirkungen der vom Kurator vorgeschlagenen Vermietung zu klären sein.

Erst danach wird abschließend beurteilt werden können, ob eine Vermietung des Betraumes, Versammlungssaales, Verwaltungsraumes und der für den Seelsorger bestimmten Wohnung an sich zweckmäßig und den satzungsgemäßen Zielen der Kirchengemeinde dienlich, sowie ohne unzulässige Eingriffe in ihre inneren Angelegenheiten möglich sei, sowie zutreffendenfalls, ob gegen die Person des Bestandnehmers, insbesondere mit Rücksicht auf die von dem Mieter selbst behauptete Funktion in einer anderen Kirchengemeinde, unter den erwähnten Gesichtspunkten Bedenken bestehen.

In Stattgebung des Revisionsrekurses waren die Entscheidungen beider Vorinstanzen aufzuheben und dem Pflegschaftsgericht erster Instanz war eine Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Entscheidung über den Genehmigungsantrag des Kurators aufzutragen.

Anmerkung

E16384

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00505.89.0126.000

Dokumentnummer

JJT_19890126_OGH0002_0060OB00505_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten