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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §187;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der I W in S, vertreten durch Dr. Hermann Fina, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St. Veiter Straße 41/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 30. Juni 2004, RV/0163-K/03, betreffend Einkommensteuer 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt eine Land- und Forstwirtschaft. Sie verkaufte im November 1991 ein Waldgrundstück von ca 2,6 ha. Im Feststellungsbescheid nach § 187 BAO vom 29. März 1999 stellte das Finanzamt unter Einbeziehung des Gewinnes aus der Veräußerung des stehenden Holzes die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1991 mit 75.663 S fest.
Gegen den Feststellungsbescheid berief die Beschwerdeführerin.
Mit Berufungsentscheidung vom 20. Dezember 2002, RV760/1- 7/99, gab die Finanzlandesdirektion für Kärnten der Berufung insoweit Folge, als sie die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit 64.663 S feststellte.
In der Folge erließ das Finanzamt Klagenfurt den gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid 1991vom 8. Jänner 2003, in welchem es die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit 64.663 S (statt bisher 75.663 S) ansetzte.
In der Berufung gegen diesen Einkommensteuerbescheid brachte die Beschwerdeführerin vor, eine "Ableitung" von Einkünften aus dem Verkauf von Waldgrundstücken im November 1991 sei nicht zulässig. Die Festsetzung solcher Abgaben sei verjährt, weil dem Finanzamt der Kaufvertrag vom 27. bzw 29. November 1991 seinerzeit bereits zur Abgabenbemessung vorgelegt worden sei. Aus dem Kaufvertrag sei ersichtlich, dass es der Käufer übernommen habe, die mit dem Kauf des Grundstückes zusammenhängenden Abgaben zu tragen. Im Übrigen seien im Kaufpreis stille Reserven nicht enthalten, weil die Beschwerdeführerin lediglich jenen Kaufpreis erhalten habe, der im Allgemeinen für "nackten" Grund und Boden gezahlt werde.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Hinsichtlich der Verjährung führte es aus, dass im Verfahren betreffend Einkommensteuer 1991 bereits folgende Bescheide ergangen seien: Berufungsentscheidung vom 9. Mai 1994, gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderter Einkommensteuerbescheid vom 27. September 1999 sowie Berufungsentscheidung vom 20. Dezember 1999. Die Verjährungsfrist sei durch die Erlassung der genannten Bescheide jeweils unterbrochen worden, sodass sie bei Erlassung des nunmehr mit Berufung bekämpften Bescheides vom 8. Jänner 2003 noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Im weiteren Verfahren beantragte die Beschwerdeführerin einerseits die Berücksichtigung eines anteiligen Veräußerungsfreibetrages nach § 24 Abs 4 EStG 1988 sowie die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes nach § 37 EStG 1988 und verwies zur Begründung darauf, dass der Verkauf vom November 1991 als Veräußerung eines forstwirtschaftlichen Teilbetriebes anzusehen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Ein Bescheid betreffend Einkommensteuer 1991 (Berufungsentscheidung) sei am 9. Mai 1994 erlassen worden. Mit Ablauf des Jahres 1994 habe somit die Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen (Ablauf Ende 1999). Durch den gemäß § 295 Abs 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheid vom 27. September 1999 sei die Verjährungsfrist erneut unterbrochen worden. Der nunmehr mit Berufung bekämpfte Einkommensteuerbescheid vom 8. Jänner 2003 sei daher vor Ablauf der Bemessungsverjährung erlassen worden.
Hinsichtlich der Höhe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1991 könne der bekämpfte Bescheid auf den Gewinnfeststellungsbescheid für 1991 in der Fassung der Berufungsentscheidung vom 20. Dezember 2002 verweisen. Die Berufungseinwendungen, der Kaufpreis habe nur jenem Betrag entsprochen, der für nackten Grund und Boden gezahlt werde, gehe daher ins Leere. Ein Veräußerungsfreibetrag iSd § 24 EStG 1988 sei Teil der Ermittlung der Höhe der Einkünfte im Feststellungsverfahren nach § 187 BAO. Es sei daher lediglich auf die Bindungswirkung des § 192 BAO zu verweisen. Ob bestimmte Teile der festgestellten Einkünfte für eine Tarifermäßigung nach § 37 EStG 1988 in Betracht kämen, sei ebenfalls im Feststellungsverfahren auszusprechen. Auf die Einwendungen betreffend die Gewährung des Hälftesteuersatzes sei daher im gegenständlichen Berufungsverfahren betreffend Einkommensteuer nicht einzugehen.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 30. November 2004, B 1113/04, ab. Zugleich trat er die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichthof zur Behandlung ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt, für die Veranlagung der Einkommensteuer 1991 sei zunächst das Finanzamt Villach zuständig gewesen. Erstmals im Jahr 1997 sei sie vom Finanzamt Klagenfurt verständigt worden, dass dieses beabsichtige, das Verfahren Einkommensteuer 1991 wieder aufzunehmen. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens könne aber "nur von der zuletzt sachlich zuständigen Behörde" vorgenommen werden. Das Finanzamt Klagenfurt sei sohin "sachlich und rechtlich" zur Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens nicht zuständig gewesen.
Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass das Finanzamt Klagenfurt nicht gemäß § 55 iVm § 73 BAO zur Erhebung der Einkommensteuer 1991 zuständig gewesen wäre. Eine solche Unzuständigkeit ist im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin dem Finanzamt Villach mit Eingabe vom 10. Dezember 1991 eine Verlegung ihres Wohnsitzes bekannt gegeben hat, auch aus der Aktenlage nicht erkennbar.
Das oben wiedergegebene Beschwerdevorbringen zielt auf eine Unzuständigkeit für die Erlassung eines Wiederaufnahmebescheides (betreffend das Verfahren für Einkommensteuer 1991) ab. Dieses Vorbringen erweist sich aber schon deshalb als nicht stichhaltig, weil es hinsichtlich Einkommensteuer 1991 zur Verfügung einer Wiederaufnahme gar nicht gekommen ist. Mit dem angefochtenen Bescheid wird über eine Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom 8. Jänner 2003 abgesprochen, welcher nicht nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern auf der Grundlage des § 295 Abs 1 BAO erlassen worden ist. Auf die gleiche verfahrensrechtliche Grundlage ist im Übrigen der Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes Klagenfurt vom 27. September 1999 gestützt gewesen.
Die Beschwerde rügt weiters, dass im angefochtenen Bescheid die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu hoch angesetzt worden seien. Diese Einkünfte hätten nämlich gemäß § 17 EStG 1988 nach Durchschnittssätzen ermittelt werden müssen; weiters wäre ein Freibetrag nach § 24 Abs 4 EStG 1988 in Abzug zu bringen gewesen.
§ 187 BAO lautet:
"Gesondert festgestellt werden die Einkünfte
1. aus Land- und Forstwirtschaft, wenn das Lagefinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit. a),
2. aus Gewerbebetrieb, wenn das Betriebsfinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit. b),
3. aus selbständiger Arbeit,
wenn das Finanzamt, in dessen Bereich der Unternehmer eine feste örtliche Anlage innehat, von der aus er die Berufstätigkeit vorwiegend ausübt, nicht auch für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen des Unternehmers zuständig ist."
§ 323 Abs 6 BAO idF BGBl I 1998/9 lautet:
"§ 187 ist auf Einkünfte, die in einem nach dem 31. Dezember 1996 endenden Wirtschaftsjahr (§ 2 Abs. 5 und 6 EStG 1988) erzielt werden, nicht mehr anzuwenden. Bei Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung des § 187 ist die Neufassung des § 55 durch Bundesgesetz BGBl. I Nr. 9/1998 unbeachtlich."
§ 192 BAO lautet:
"In einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für andere Feststellungsbescheide, für Messbescheide oder für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, werden diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist."
§ 252 Abs 1 BAO lautet:
"Liegen einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind."
Hinsichtlich der Höhe der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft verweist der angefochtene Bescheid auf den Gewinnfeststellungsbescheid iSd § 187 BAO und auf die durch § 192 BAO normierte Bindungswirkung.
Mit den Beschwerdeeinwendungen gegen Unrichtigkeiten bei der Ermittlung und somit der Höhe der (steuerpflichtigen) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vermag die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die in § 192 BAO festgeschriebene Bindungswirkung keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids aufzuzeigen.
Die Beschwerdeführerin bringt schließlich vor, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft enthielten einen Veräußerungsgewinn, auf welchen gemäß § 37 EStG 1988 der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung zu bringen sei. Sie sei in ihrem Recht auf Anwendung des § 37 Abs 1 und 2 EStG 1988 verletzt.
Zum entsprechenden Begehren auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes führt der angefochtene Bescheid aus, im gegenständlichen Berufungsverfahren betreffend Einkommensteuer werde darauf nicht eingegangen. Es sei nämlich im Feststellungsverfahren auszusprechen, ob bestimmte Teile der festgestellten Einkünfte für eine Tarifermäßigung nach § 37 EStG 1988 in Betracht kämen.
Im Erkenntnis vom 28. November 2001, 97/13/0204, hat der Verwaltungsgerichtshof zu im Verfahren betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften nach § 188 BAO ergehenden Feststellungsbescheiden zum Ausdruck gebracht, dass alle Feststellungen, welche die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit und Vermietung und Verpachtung betreffen, im Feststellungsbescheid mit Bindungswirkung für die Abgabenbescheide der Teilhaber getroffen werden sollen, weil abgabenrechtlich relevante Feststellungen zweckmäßigerweise in jenem Verfahren zu treffen sind, in dem der maßgebende Sachverhalt mit dem geringsten Verwaltungsaufwand ermittelt werden kann. Wie der Gerichtshof beispielsweise bereits im Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, 92/15/0030, ausgesprochen hat, gehören dazu auch die Feststellungen, ob Einkunftsteile den begünstigten Steuersätzen (§ 37 EStG 1988) unterliegen bzw ob negative Einkünfte iSd § 18 Abs 6 bzw 7 EStG 1988 vortragsfähig sind.
In gleicher Weise wie bei Feststellungsbescheiden nach § 188 BAO soll in Feststellungsbescheiden nach § 187 BAO u.a. darüber abgesprochen werden, ob die festgestellten Einkünfte dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 EStG 1988 unterliegen (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 1977, der an dieser Stelle zutreffend darauf hinweist, dass Undeutlichkeiten und Missverständlichkeiten nicht zu Lasten des Rechtsschutzes des Betroffenen gehen dürfen).
Im gegenständlichen Fall ist von entscheidender Bedeutung, dass der Feststellungsbescheid nach § 187 BAO (die Berufungsentscheidung vom 20. Dezember 2002, aber auch der erstinstanzliche Bescheid vom 29. März 1999) keine Aussage darüber trifft, ob die festgestellten Einkünfte einer Besteuerung nach § 37 EStG unterliegen oder nicht. Zwar besteht die Möglichkeit, über die Qualifikation der Einkünfte als solche iSd § 37 EStG 1988 im Feststellungsbescheid abzusprechen, die Möglichkeit wurde von den Abgabenbehörden aber nicht genutzt. Hinsichtlich dieser Frage kann sohin im Beschwerdefall - mangels einer bescheidmäßigen Feststellung - keine Bindung an den nach § 187 BAO ergangenen Feststellungsbescheid bestehen.
In Verkennung der Rechtslage hat es die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unterlassen, sich mit dem (in eventu vorgebrachten) Berufungsbegehren auf ermäßigte Besteuerung nach § 37 EStG 1988 auseinander zu setzen.
Der angefochtene Bescheid ist sohin mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs 1 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 2003/333.
Wien, am 18. Oktober 2005
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004140154.X00Im RIS seit
15.11.2005Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013