TE OGH 1989/2/2 7Ob720/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl W***, Drogist, Graz, Kalvarienbergstraße 23, vertreten durch Dr.Otmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dr.Gerhard Rene S***, Rechtsanwalt, Graz, Friedrichgasse 6, vertreten durch Dr.Emil Soucek, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 127.746,22 s.A und Feststellung (Streitwert S 1.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20. Juni 1988, GZ 3 R 96/88-18, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 9.Dezember 1987, GZ 24 Cg 314/87-12, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 77.646,22 samt 4 % Zinsen seit 3.8.1987 zu bezahlen. Das Leistungsmehrbegehren von S 50.100,-- samt 4 % Zinsen seit 3.8.1987 und das Feststellungsbegehren werden abgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 20 % der mit S 45.115,68 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 4.101,43 USt.) d.s. S 9.023,14 binnen 14 Tagen zu bezahlen".

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger beteiligte sich im Herbst 1983 mit Waren aus seinen Drogerien an einer Verkaufsausstellung in Graz. Im November 1983 unterschrieb er einen Antrag an die V***-J*** A***

V***-A*** (im folgenden nur J***-V***) auf Abschluß einer Feuerversicherung für diese Waren. Den Antrag nahm Hermann W***, ein Versicherungsagent der J***-V***, entgegen. Hermann W*** erklärte dem Kläger, daß mit der Unterfertigung des Antrags bereits Versicherungsschutz gegeben sei. Im Dezember 1983 unterschrieb der Kläger einen weiteren Antrag auf Erhöhung der Versicherung. Auch diesmal erklärte ihm Hermann W***, daß mit der Antragstellung bereits Deckung gegeben sei. Zwischen dem 16. und 20.12.1983 brach in dem Ausstellungszelt ein Brand aus, bei dem die Waren des Klägers vernichtet wurden. Der Kläger machte bei der J***-V*** Ansprüche geltend. Die J***-V*** lehnte mit Schreiben vom 22.12.1983 eine Versicherungsleistung mit der Begründung ab, daß mangels Annahme des Antrags des Klägers ein Versicherungsvertrag nicht zustandegekommen sei, und wies auf § 81 Abs 1 VersVG hin, wonach bei der Feuerversicherung ein dem Versicherer gemachter Antrag auf Abschließung des Vertrages erlösche, wenn er nicht binnen 2 Wochen angenommen werde. Auch eine vorläufige Deckungszusage wurde von der J***-V*** in Abrede gestellt. Der Kläger habe überdies durch seine Unterschrift auf dem Antragsformular die Kenntnisnahme der Klausel bestätigt, daß sämtliche Erklärungen des Versicherers ausschließlich schriftlich zu erfolgen hätten.

Am 18.6.1984 brachte der Beklagte, der im Besitz des Ablehnungsschreibens der J***-V*** vom 22.12.1983 war, namens und im Auftrag des Klägers gegen die J***-V*** eine Klage auf Zahlung von S 302.471,48 s.A. ein und stellte das Eventualbegehren auf Feststellung der Deckungspflicht der J***-V***. In der Klage wird der Standpunkt vertreten, daß ein Versicherungsvertrag zustandegekommen sei. Es sei Geschäftspraxis der J***-V***, Anträge, die nicht

angenommen würden, längstens binnen 10 Tagen schriftlich abzulehnen. Eine solche Ablehnung sei nicht erfolgt und Hermann W*** habe dem Kläger auch mitgeteilt, daß der Antrag angenommen worden sei. Die Klausel, daß sämtliche Erklärungen des Versicherers schriftlich zu erfolgen hätten, widerspräche dem Konsumentenschutzgesetz. Nach Vernehmung des Hermann W*** am 29.1.1986 als Zeugen trat Ruhen des Verfahrens ein. Der Beklagte stellte am 18.9.1986 einen Fortsetzungsantrag. Haupt- und Eventualbegehren wurden mit Urteil vom 28.11.1986 abgewiesen und der Kläger zum Ersatz der Prozeßkosten von S 82.155,95 verurteilt. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft (28 Cg 580/84 des Handelsgerichtes Wien).

Der Kläger behauptet, daß ihn der Beklagte über die Aussichtslosigkeit des Prozesses gegen die J***-V*** nicht belehrt habe und begehrt den Ersatz des ihm dadurch entstandenen Schadens, und zwar S 82.155,95 an Prozeßkosten und S 2.257,27 an Exekutionskosten, abzüglich des Verkaufserlöses der gepfändeten Waren von S 16.767 = S 67.646,22; S 50.000,-- an Verdienstentgang (der aus dem Verkauf der gepfändeten Waren vom Kläger erzielt hätte werden können); vorläufig S 100,-- an weiterem Verdienstentgang (aus dem wirtschaftlichen Ruin des Klägers infolge exekutiven Verkaufs seines Warenlagers) und S 10.000,-- als dem Beklagten bezahlter Kostenvorschuß. Mit dem Leistungsbegehren verband der Kläger das Begehren auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für weitere Schäden aus der rechtsfreundlichen Vertretung gegenüber der J***-V***.

Der Beklagte behauptet, den Kläger eingehend über die Sach- und Rechtslage belehrt und insbesondere darauf hingewiesen zu haben, daß die mündliche Deckungszusage des Hermann W*** rechtlich irrelevant sei. Aufgrund der ihm von Hermann W*** mündlich erteilten Information, daß es Praxis bei der J***-V*** sei, Anträge, die nicht angenommen würden, innerhalb kurzer Frist schriftlich abzulehnen, habe er guten Glaubens der Meinung sein können, daß ein Versicherungsvertrag zustandegekommen sei. Der Kläger habe aufgrund dieser Information ausdrücklich auf der Klagseinbringung bestanden. Nachdem Hermann W*** bei seiner Zeugenaussage die erteilte Information nicht bestätigt habe, sei mit dem Anwalt der J***-V*** Ruhen des Verfahrens vereinbart und von diesem das Anbot gemacht worden, das Verfahren bei gegenseitiger Kostenaufhebung ewig ruhen zu lassen. Trotz des Hinweises des Beklagten, daß der Kläger bei Fortsetzung des Verfahrens ein erhebliches Risiko eingehe, habe der Kläger das Anbot der Gegenseite nicht angenommen und auf der Fortsetzung des Verfahrens bestanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen kam der Kläger im Jänner 1984 mit einer Kopie des Versicherungsantrages und dem Ablehnungsschreiben der J***-V*** in die Kanzlei des Beklagten. Er wollte sich informieren, ob und wie er seine Ansprüche gegen die J***-V*** durchsetzen könne und welche Aussichten für ihn bestünden. Der Beklagte erklärte ihm, daß er seine Ansprüche nur im Klagewege durchsetzen könne. Auf die Frage nach den Prozeßaussichten erklärte der Beklagte, daß sie nicht besonders gut wären. Der Beklagte sagte auch zu, sich mit dieser Materie sowohl in sachlicher als auch in rechtlicher Hinsicht vertraut zu machen. Er setzte sich auch mit Hermann W*** in Verbindung. Es kam zu einem Treffen zwischen diesem und dem Beklagten auf dem Parkplatz vor der Kanzlei des Beklagten. Bei diesem Gespräch bestätigte Hermann W*** sowohl die von ihm abgegebene Deckungszusage als auch die versicherungsinterne Praxis, daß Versicherungsanträge, die nicht binnen einer Frist von ca.10 Tagen abgelehnt würden, als angenommen zu betrachten seien. Hermann W*** war jedoch nicht bereit, seine Angaben schriftlich zu bestätigen. Vor Einbringung der Klage kam es noch zu einigen Kontakten des Beklagten mit dem Kläger bzw mit dessen Frau. Es wurden dabei insbesondere die Erfolgsaussichten erörtert. Der Beklagte wies darauf hin, daß einige Risken bestehen, und zwar einerseits deshalb, weil Hermann W*** nicht bereit sei, seine Angaben schriftlich zu bestätigen und ferner in der rechtlichen Seite. Der Beklagte wollte die Klage auf § 10 KSchG stützen, wobei aber die Auslegung dieser Bestimmung in Verbindung mit § 43 VersVG ein zusätzliches Risiko darstelle. Im Zuge des Schriftverkehrs zwischen den Parteien verlangte der Beklagte vom Kläger eine definitive Entscheidung darüber, ob er die Klage trotz der Risken einbringen soll. Der Kläger teilte dem Beklagten mit, daß die Klage eingebracht werden müsse und überwies Anfang Juni 1984 einen Kostenvorschuß in Höhe von S 10.000,--. Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 28.11.1985 vor dem Handelsgericht Wien brachte der Verhandlungsrichter zum Ausdruck, daß er die vom Kläger vertretene Rechtsansicht nicht teile. Hermann W*** bestritt bei seiner Einvernahme als Zeuge die Information, die er dem Beklagten angeblich auf dem Parkplatz vor dessen Kanzlei gegeben habe. Aus diesen Gründen wurde am 29.1.1986 Ruhen des Verfahrens mit der Erwägung vereinbart, das Ruhen in ein ewiges Ruhen bei Kostenaufhebung übergehen zu lassen. Der Kläger war bei beiden Beweistagsatzungen zugegen. Es wurde bei diesen Tagsatzungen die Sach- und Rechtslage genau erörtert und es wurde auch die Eigenschaft des Klägers als Verbraucher besprochen. Es war klar, daß ein entsprechendes Vorbringen seitens des Klägers noch zu erstatten sein werde. Etwa im Feber 1986 war der Kläger mit seiner Frau neuerlich in der Kanzlei des Beklagten und erörterte mit diesem die Prozeßchancen. Der Beklagte wies darauf hin, daß die Aussichten nicht gut stünden, da Hermann W*** alles abgestritten habe und auch der Richter nicht seine Rechtsansicht teile. Der Kläger sagte, er werde noch andere Fachmeinungen einholen, da es für ihn sehr wichtig sei, den begehrten Betrag zu bekommen, weil er sonst in Konkurs gehen müsse. Im Sommer 1986 war der Kläger neuerlich in der Kanzlei des Beklagten. Er fragte, was es kosten würden, den Prozeß weiterzuführen und ihn schlußendlich doch zu verlieren. Der Beklagte nannte ihm einen Kostenbetrag von ca.S 300.000,--. Anfang September 1986 gab der Kläger telefonisch den Auftrag zur Fortsetzung des Verfahrens. Er begründete dies damit, daß er ohne den eingeklagten Betrag ohnedies in Konkurs gehen müsse und der Prozeß seine letzte Chance sei. Der Beklagte wies den Kläger nochmals auf das Prozeßrisiko hin. Nach Einbringung des Fortsetzungsantrages wurde die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den 21.11.1986 anberaumt. In der Zwischenzeit wurden zwischen den Streitteilen mehrere Telefonate geführt. Der Kläger wurde unsicher und wollte, daß ein Versicherungsfachmann sich mit dem Beklagten in Verbindung setze, wozu es aber nicht kam. Der Beklagte wollte eine klare Stellungnahme des Klägers, ob er sich um den beim seinerzeit vereinbarten Ruhen gemachten Vergleichsvorschlag des Vertreters der J***-V*** bemühen oder den Prozeß am 21.11.1986

fortsetzen soll. Er wies darauf hin, daß es seiner Ansicht nach zweckmäßig sei, das Anbot der Gegenseite auf ewiges Ruhen bei gegenseitiger Kostenaufhebung zu aktzeptieren. Am 19.11.1986 rief die Frau des Klägers in der Kanzlei des Beklagten an und teilte mit, daß die Tagsatzung nicht besucht werden soll. Der Beklagte konnte den Anwalt der J***-V*** jedoch nicht mehr erreichen, da dieser ortsabwesend war. Dessen Kontaktierung wäre aber erforderlich gewesen, um neuerlich Ruhen des Verfahrens auszuhandeln und um über den seinerzeit in Aussicht genommenen Vergleich zu sprechen, da das seinerzeitige Anbot der Gegenseite infolge des Fortsetzungsantrages nicht mehr aktuell war. Als die Frau des Klägers sich erkundigte, teilte ihr der Konzipient des Beklagten mit, daß die gewünschte Verständigung mit dem Vertreter der Gegenseite nicht möglich gewesen sei. Die Frau des Klägers verlangte, daß die Tagsatzung vom Beklagten nicht besucht werde. Diese Anweisung bestätigte der Beklagte mit Schreiben vom 20.11.1986 in dem er auch nochmals darauf hinwies, daß die Fortsetzung des Verfahrens ein zu hohes Risiko für den Kläger sei. Das Urteil des Handelsgerichtes Wien wurde dem Beklagten im Dezember 1986 zugestellt. Der Beklagte setzte den Kläger hievon mit Schreiben vom 18.12.1986 in Kenntnis und teilte auch mit, daß eine Berufung zumindest zu erörtern sei, um das Verfahren offen zu halten. Der Beklagte hielt auch Rücksprache mit dem Vertreter der Gegenseite, doch war die J***-V*** nicht mehr bereit, dem Kläger hinsichtlich der Kosten entgegenzukommen.

Das Erstgericht verneinte eine Haftung des Beklagten, weil er den Kläger über die mit einen Prozeß verbundenen Risken ausreichend informiert und belehrt habe.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes zusammen mit dem in Geld bestehenden Teil S 300.000,-- nicht übersteigt. Nach der Ansicht des Berufungsgerichtes hafte ein Rechtsanwalt seinem Klienten für alle nachteiligen Folgen eines bei Anwendung des zu erwartenden Fachwissens erkennbar aussichtslosen Prozesses, wenn er den Klienten nicht über die Aussichtslosigkeit der Prozeßführung belehre. Im vorliegenden Fall sei ein Prozeß gegen die J***-V*** aussichtslos gewesen und der Beklagte hätte dies auch erkennen müssen. Schon aus § 10 Abs 1 KSchG, wonach besondere gesetzliche Regeln über den Umfang der Vollmacht unberührt bleiben, hätte der Beklagte erkennen können, daß davon auch § 43 VersVG betroffen ist. Dies hätte der Beklagte auch an Hand der Rechtsprechung und Lehre feststellen können. Der Versuch, die Rechtswirksamkeit der mündlich vom Versicherungsvertreter gegebenen Deckungszusage aus § 10 KSchG abzuleiten, sei daher von vornherein schon zum Scheitern verurteilt gewesen. Der Beklagte habe auch diesbezüglich und auch hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft des Klägers und der Zugehörigkeit des Geschäftes zum Unternehmen des Klägers im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien nichts vorgebracht. Es sei zwar richtig, daß die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwaltes nicht überspannt werden dürften, doch hätte der Beklagte sich nicht darauf beschränken dürfen, bloß auf die bestehenden Risken der Prozeßführung hinzuweisen, sondern er hätte den Kläger ausdrücklich darüber belehren müssen, daß die Prozeßführung aussichtslos sei. Nur wenn der Kläger trotz einer solchen Belehrung auf der Prozeßführung bestanden hätte, könnte dem Beklagten kein Vorwurf gemacht werden. Ein Beharren des Klägers auf der Prozeßführung trotz Belehrung über die Aussichtslosigkeit habe der Beklagte aber nicht einmal behauptet. Mangels Feststellungen über die vom Kläger geltend gemachten Schäden sei aber das Verfahren in erster Instanz ergänzungsbedürftig. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen könne auch nicht beurteilt werden, ob dem Kläger ein Feststellungsinteresse zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs des Beklagten ist nur im Ergebnis zum Teil berechtigt. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Rechtsanwalt gemäß § 1299 ABGB den Mangel des notwendigen Fleißes und der erforderlichen, nicht gewöhnlichen Kenntnis seines Berufes zu vertreten hat und seiner Partei für die Unkenntnis der Gesetze sowie der einhelligen Lehre und Rechtsprechung haftet, nicht jedoch auch dafür, daß ein von ihm eingenommener, an sich vertretbarer Rechtsstandpunkt in der Folge von der Rechtsprechung nicht geteilt wird. Der Rechtsanwalt muß seine Partei über eine nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes oder nach der einhelligen, herrschenden Rechtsübung aussichtslose Rechtsverfolgung aufklären (SZ 58/165; MietSlg.32.228). Unterläßt ein Rechtsanwalt diese Aufklärung, so haftet er seiner Partei für die ihr erwachsenen tatsächlichen finanziellen Nachteile und ist auch nicht berechtigt, für seine Tätigkeit ein Honorar zu fordern (EvBl.1972/124; SZ 15/121). Gegen diese Rechtsansicht wendet sich der Rechtsmittelwerber auch nicht. Entgegen seiner Meinung ist dem Berufungsgericht aber auch darin beizupflichten, daß eine Prozeßführung gegen die

J***-V*** von vornherein aussichtslos und die Rechtsmeinung des Beklagten über das Zustandekommen eines Versicherungsvertrages und die Wirksamkeit der vom Versicherungsagenten erklärten Deckungszusage unvertretbar war. Die Annahme eines Antrages auf Abschluß eines Versicherungsvertrages kann zwar auch konkludent erfolgen, so z.B. durch Absendung des Versicherungsscheines mit Prämienvorschreibung (VersR 1967, 148; EvBl.1966/28; Prölss-Martin VVG24 55). Für eine konkludente Annahme eines Antrages gilt jedoch auch das Zugangserfordernis (Rummel in Rummel ABGB Rz 13 zu § 863; MietSlg.24.119, 24.080). Eine bloß interne Praxis eines Versicherers über die Ablehnung von Anträgen kann daher ohne Vorliegen besonderer, dem Zugangserfordernis entsprechenden Umstände nicht als konkludente Annahme gewertet werden. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist der Versicherungsagent nicht zur Abgabe einer Deckungszusage bevollmächtigt und der Versicherungsnehmer kann sich auf eine vorläufige Deckungszusage des Versicherungsagenten insbesondere dann nicht berufen, wenn im Antragsformular ausdrücklich festgehalten ist, daß alle Erklärungen des Versicherers schriftlich erfolgen müssen (VersR 1966, 1018; VersSlg.Nr.65; vgl auch VersR 1969, 436). Bei Beurteilung der Rechtsmeinung des Beklagten über die Wirksamkeit formloser Deckungszusagen des Versicherungsagenten nach § 10 KSchG kann die Frage der Unternehmereigenschaft des Klägers im Sinne des § 1 KSchG auf sich beruhen. Die beiden grundlegenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes hiezu (SZ 55/51 und 157) waren soweit ersichtlich, im Zeitpunkt der Klagseinbringung noch nicht veröffentlicht. Richtig hat aber das Berufungsgericht erkannt, daß derjenige, der den Schutz des Konsumentenschutzgesetzes für sich in Anspruch nehmen will, behaupten und beweisen muß, daß die Voraussetzungen für diesen Schutz gegeben sind und daß der Beklagte in dem Verfahren gegen die J***-V*** in dieser Richtung nicht einmal Behauptungen aufgestellt hat. Der § 10 Abs 1 KSchG enthält den Vorbehalt, daß besondere gesetzliche Regeln über den Umfang der Vollmacht unberührt bleiben. Nach einhelliger Meinung im Schrifttum ist aufgrund dieses Vorbehaltes für den Bereich des Privatversicherungsrechtes klar, daß für den Umfang der Vollmacht des Versicherungsagenten nach wie vor § 43 VersVG gilt und der Versicherer demnach an eine vom Vermittlungsagenten gemachte vorläufige Deckungszusage auf keinen Fall gebunden ist (Schilcher und Fenyves in Krejci, Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz 438, 443 und 576 f). Die in beiden Fragen von der Rechtsprechung und vom Schrifttum abweichende Meinung des Beklagten kann umso weniger als vertretbar bezeichnet werden, als sie völlig unfundiert blieb und der Beklagte sich auch nicht auf eine gegenteilige Entscheidung oder Lehrmeinung stützen konnte. Daraus folgt, daß eine Prozeßführung gegen die J***-V*** aussichtslos erscheinen mußte und der Beklagte demnach den Kläger darüber auch aufklären hätte müssen. Der Meinung des Beklagten, daß er seiner Aufklärungspflicht nachgekommen sei, kann nicht gefolgt werden. Nach den Feststellungen hat der Beklagte den Kläger vor Einbringung der Klage lediglich darauf hingewiesen, daß einige Risken bestehen, und zwar einerseits in bezug auf die Aussage des Hermann W*** und andererseits in rechtlicher Hinsicht. Auch nach Vernehmung des Hermann W*** als Zeugen und Erörterung der Rechtsfrage durch den Prozeßrichter erklärte der Beklagte dem Kläger bei einer neuerlichen Erörterung der Prozeßchancen lediglich, daß die Aussichten nicht gut stehen. Wenn sich auch ein Rechtsanwalt bei der Aufklärung seines Klienten über die Aussichtslosigkeit eines Prozesses nicht ausdrücklich des Wortes aussichtslos bedienen muß, so hat die Aufklärung doch in solcher Weise zu erfolgten, daß die Chancenlosigkeit der Prozeßführung von der Partei klar erkannt werden kann. Letzteres trifft aber auf die Erklärungen des Beklagten keineswegs zu. Den ihm obliegenden Beweis, daß der Kläger den Prozeß auch bei gehöriger Aufklärung geführt hätte, hat der Beklagte nicht einmal angetreten. Zutreffend hat daher das Berufungsgericht eine Haftung des Beklagten für den dem Kläger durch den aussichtslosen Prozeß gegen die J***-V*** verursachten Schaden bejaht.

Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist jedoch nur für jene verursachten Schäden zu haften, die vom Schutzzweck der Verbotsnorm erfaßt werden, da sie gerade diese Schäden verhindern wollte (Koziol, Haftpflichtrecht2 I 151; SZ 49/96 ua). Für das Vertragsrecht führt dies hiezu, daß der Schuldner nicht für alle Folgen einer Vertragsverletzung einzustehen hat, sondern nur für die Schädigung des Gläubigers und nur jener Interessen, deren Schutz der Vertrag gerade bezweckt, wobei es darauf ankommt, ob diese Interessen sachlich in der Richtung und im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen (Koziol aaO 162). Die Pflicht des Rechtsanwaltes, seine Partei über die Aussichtslosigkeit eines Prozesses aufzuklären, bezweckt nur den Schutz der Partei vor einer Belastung mit sinnlosen Prozeßkosten. Mit der Beratung oder Vertretung einer Partei wird der Rechtsanwalt nicht schon zum Vormund oder Kurator der Partei. Der Rechtsanwalt, der eine Partei über die Aussichtslosigkeit eines Prozesses nicht aufklärt, haftet daher nur für die durch die Prozeßführung entstandenen Kosten, nicht aber auch für jenen Nachteil, der der Partei in der Folge dadurch entsteht, daß ihr Sachen infolge Zwangsversteigerung zur Hereinbringung der Prozeßkosten einer weiteren Verwertungsmöglichkeit entzogen sind. Der Kläger kann daher vom Beklagten nicht den Ersatz jenes Nachteiles begehren, der ihm dadurch entstanden ist, daß er die exekutiv gepfändeten Waren nicht mehr in seinem Unternehmen gewinnbringend verwerten konnte. Die Höhe der der

J***-V*** zuerkannten Prozeßkosten ist ebensowenig

strittig wie die Höhe des vom Kläger dem Beklagten bezahlten Prozeßkostenvorschusses. Sein Feststellungsbegehren leitet der Kläger lediglich aus den obgenannten, nicht ersatzfähigen Nachteilen, deren Höhe noch nicht überschaubar sei, ab. Der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung bedarf es daher nicht. Die Sache ist vielmehr zur Entscheidung reif, und zwar hinsichtlich der Begehren auf Ersatz von Prozeßkosten und Rückzahlung des Kostenvorschusses im Sinne einer Stattgebung, hinsichtlich der übrigen Teilansprüche und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens jedoch im Sinne einer Abweisung der Klage. Demgemäß ist dem Rekurs teilweise Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16864

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00720.88.0202.000

Dokumentnummer

JJT_19890202_OGH0002_0070OB00720_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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