Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Berthold S***, Privater, 1110 Wien, Mitterweg 14/25, vertreten durch Dr. Karl Burka, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Firma K*** & S***, Erzeugung und Vertrieb von Lehrmitteln, D-8831 Markt Berolzheim, Wettalsheimerstraße 18, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Franz Stadler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 14 Cg 136/83 des Handelsgerichtes Wien (Streitwert S 1,750.000,-- sA), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 22. April 1988, GZ 1 R 35/88-13, womit das "Urteil" des Handelsgerichtes Wien vom 25. November 1987, GZ 14 Cg 91/87-8, aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Im Vorverfahren 14 Cg 136/83 des Handelsgerichtes Wien (im folgenden: Vorverfahren) - dessen Wiederaufnahme der in allen drei Instanzen erfolglose nunmehrige Wiederaufnahmskläger (im folgenden: Kläger) gegenüber der Wiederaufnahmsbeklagten (im folgenden: Beklagte) anstrebt - wurde im wesentlichen von folgenden Außerstreitstellungen und Feststellungen ausgegangen:
Die Streitteile schlossen am 25. Jänner 1977 den Alleinvertriebs- und Alleinherstellungsvertrag Beilage ./1, wonach der Beklagten das alleinige Herstellungsrecht für Neuerscheinungen des Klägers (im wesentlichen von ihm entwickelte Lehrbehelfe) eingeräumt war, sie jedoch diese Produkte weder selbst vertreiben noch an Dritte liefern durfte. Ergänzt wurde dieser Vertrag am 1. September 1978 durch den Lizenzvertrag Beilage ./2, wonach die Beklagte als Lizenznehmerin die Produkte des Klägers gegen Bezahlung bestimmter Lizenzgebühren in Europa vertreibt. Davon unberührt blieb das Alleinvertriebsrecht des Klägers für Österreich. Die Verrechnung der Lizenzgebühren hatte jeweils am 31. März, 30. Juni, 30. September und 31. Dezember zu erfolgen. Unter Punkt 6. war vereinbart: "Bei Zuwiderhandeln wird eine Konventionalstrafe von DM 250.000,-- oder S 1,750.000,-- ausgesetzt." Eine am selben Tag getroffene Zusatzvereinbarung Beilage ./3 lautet: "Der Lizenzgebührenbetrag der Firma K*** & S*** wird mit einer Gutschrift der darauffolgenden Lieferungen in Abzug gebracht." Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 30. März 1982 den Vertrag Beilage ./1 wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers (Herstellung von Waren) fristlos und mit Schreiben vom 27. Mai 1982 den Vertrag Beilage ./2 "außerordentlich" wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers. Die Geschäftsbeziehung der Streitteile dauerte bis 1982, wobei in dieser Zeit von einigen Vertragspunkten einvernehmlich abgewichen wurde. So konnte der Kläger seinen Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten nicht nachkommen und akzeptierte deshalb von der Beklagten ausgestellte Wechsel, weiters wurde die Verrechnung der Lizenzgebühren nicht zu den vertraglich vorgesehenen Terminen, sondern gelegentlich eines Aufenthaltes von Heinz K*** in Österreich vorgenommen. 1980 wurde die Abrechnung der Lizenzgebühren bis zur Besserung der finanziellen Lage des Klägers einvernehmlich ausgesetzt, die nächste Abrechnung erfolgte im Februar 1981 pro 1980. Die letzte Abrechnung erfolgte am 30. Juni 1982. Danach verkaufte oder produzierte die Beklagte keine Lizenzartikel mehr. Der Kläger begehrte im Vorverfahren von der Beklagten eine Konventionalstrafe von S 1,750.000,-- sA., weil die Beklagte den Lizenzvertrag verletzt habe; sie habe die Lizenzgebühren weder vereinbarungsgemäß abgerechnet noch bezahlt, obwohl sie weiterhin Produkte des Klägers verkauft habe und nach wie vor die Lehrmittel des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich verkaufe.
Die Beklagte wandte - neben zwei Gegenforderungen - im Vorverfahren im wesentlichen ein, der am 27. Mai 1982 wegen vertragswidrigen Verhaltens und Zahlungsunfähigkeit des Klägers aufgekündigte - Lizenzvertrag sei hinsichtlich der Verrechnung der Lizenzgebühren mit der Zusatzvereinbarung Beilage ./3 dahin abgeändert worden, daß die dem Kläger zustehenden Lizenzgebühren mit Kaufpreisgutschriften der darauffolgenden Lieferung der Beklagten in Abzug gebracht werden. Der Kläger sei mit der Bezahlung der in seinem Auftrag produzierten Lehrmittel immer mehr in Verzug geraten. Bei den Forderungen der Beklagten handle es sich durchwegs um Forderungen aus mangels Zahlung protestierten Wechseln. Ein Vertragsverstoß der Beklagten liege nicht vor; der Rechtsvertreter der Beklagten habe schon mit Schreiben vom 16. März 1982 unter Hinweis auf den Zahlungsrückstand den unter Gutschrift der Lizenzgebühr errechneten Saldo von DM 273.972,65 eingemahnt. Trotz dieser Mahnung habe der Kläger nur eine Teilzahlung geleistet, weshalb die Beklagte beide Verträge aufgekündigt habe. Die Beklagte treffe an der Nicht- oder Schlechterfüllung kein Verschulden. Der Kläger replizierte im Vorverfahren im wesentlichen, daß die Beklagte immer wesentlich mehr Ware geliefert, als er bestellt habe; die letzte Warenlieferung sei 1979 erfolgt, weshalb der Saldo zum 11. Juni 1982 nicht auf DM 224.417,33 habe anwachsen können. Warenlieferungen der Beklagten seien ab 1980 an die "S*** G*** mbH" gegangen; die Lizenzgebühren pro 1980 seien gleich zur Abdeckung der Warenlieferung an den Kläger verwendet worden, seit 1981 habe er nichts mehr bekommen, weder bar noch als Abdeckung der Warenlieferungen. Vor Ende 1978 entstandene Forderungen der Beklagten seien verjährt. Der Kläger habe nur über Ersuchen, aus reiner Gefälligkeit, von Heinz K*** Wechsel akzeptiert, um diesem eine Finanzierung zu ermöglichen. Dies habe mit der Geschäftsbeziehung nichts zu tun gehabt. Allen akzeptierten Wechseln lägen Warenlieferungen zugrunde, es sei aber ausdrücklich ausgeschlossen worden, daß dem Kläger für diese aus Gefälligkeit erfolge Wechselannahme irgendeine Belastung durch Zinsen oder Bankspesen erwachse.
Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Außerstreitstellungen und Feststellungen wurde im Vorverfahren folgende rechtliche Beurteilung vorgenommen: Werde eine Konventionalstrafe nicht ausdrücklich auch für unverschuldete Nicht- oder Schlechterfüllung vereinbart, was vom Kläger nicht behauptet worden sei und wofür sich nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte ergeben, sei sie nur bei Verschulden des Leistungspflichtigen an der Nicht- oder Schlechterfüllung zu zahlen; den Mangel seines Verschuldens habe derjenige zu behaupten und zu beweisen, der nicht oder schlecht erfüllt habe. Der Kläger leite seinen Anspruch auf Bezahlung der Konventionalstrafe aus einer angeblichen Verletzung der sich aus dem Lizenzvertrag ergebenden Verpflichtungen der Beklagten zur Abrechnung der Lizenzgebühren ab. Die Streitteile hätten einvernehmlich Punkt 2. des Lizenzvertrages dahin abgeändert, daß die Abrechnung der Lizenzgebühr nicht zu den ursprünglich vorgesehenen Terminen, sondern in anderer Weise erfolgen und diesen Terminen daher keine Bedeutung mehr zukommen solle. Aus der Nichteinhaltung der ursprünglich vorgesehenen Abrechnungstermine könne der Kläger somit keine Verletzung der Vertragspflichten durch die Beklagte ableiten.
Der Kläger begehrte nunmehr die Wiederaufnahme des Vorverfahrens mit folgendem Vorbringen:
Die Klagsabweisung im Vorverfahren sei deshalb erfolgt, weil das Erstgericht den Angaben der Beklagten gefolgt sei, wonach sie keine Produkte des Klägers weiterhin verkauft, also den Verkauf der Produkte des Klägers eingestellt habe. In der Begründung der Berufungsentscheidung sei diese Feststellung übernommen und davon ausgegangen worden, daß ein vertragswidriger Verkauf von Lizenzprodukten durch die Beklagte nicht vorliege. Der Kläger habe nunmehr im Juli 1987, als er während der Schulferien Innsbrucker Schulen aufgesucht habe, feststellen können, daß die Gegenstand des Lizenzvertrages bildenden Lehrmittel, und zwar mit der Bezeichnung "Zahlensatz", "Maßbezeichnungen", "Grundzahlen und Rechenzeichen", "Notensymbol" und "Rechengeld" in diesen Schulen vorhanden gewesen seien, wobei der äußere Eindruck eher darauf hingewiesen habe, daß diese Lehrmittel nicht aus einer Zeit stammten, in der diese vom Kläger in Österreich vertrieben worden seien. Der Kläger habe erstmals am 31. Juli 1987 feststellen müssen, daß die erwähnten Lehrmittel von der Beklagten im Wege einer Firma W*** innerhalb der letzten fünf Jahre an das Schulamt Innsbruck verkauft worden seien und laufend solche Lehrmittel an diese Schulen verkauft werden. Die Lehrmittel weisen den Aufkleber "K*** & S***" auf. Daraus ergebe sich eindeutig, daß die Beklagte weiterhin die Gegenstand des Lizenzvertrages bildenden, oben erwähnten Lehrmittel herstelle und in Österreich über die Firma W*** an das Schulamt Innsbruck verkaufe. Die Angaben der Beklagten und die Feststellung im Vorverfahren, wonach ein Weiterverkauf nicht mehr erfolge und daher keine Vertragsverletzung vorliege, seien daher unrichtig. Die Beklagte wendet ein, sie habe niemals Waren aus dem Sortiment des Klägers verkauft, es sei denn, der Kläger habe selbst entsprechende Waren an Einzelhändler weiterverkauft. Diese Waren seien dann zum Verkauf gelangt. Richtig sei, daß die Beklagte "Rechengeld" an die Firma W*** verkauft habe, es handle sich jedoch nicht um "Rechengeld" aus dem Sortiment des Klägers. Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:
Zwischen den Streitteilen bestand ein Alleinvertriebs- und -herstellungsvertrag, der vorsah, daß der Beklagten das alleinige Herstellungsrecht für Neuerscheinungen des Klägers zusteht, die Beklagte jedoch diese Produkte weder selbst vertreibt noch an Dritte verliefert. Dieser Vertrag wurde ergänzt durch einen Lizenzvertrag, wonach die Beklagte die Produkte des Klägers gegen Bezahlung bestimmter Lizenzgebühren in Europa vertreibt. Davon unberührt blieb das Alleinvertriebsrecht des Klägers für Österreich. Weiters wurde im Lizenzvertrag eine Konventionalstrafe vereinbart. Mit Schreiben vom 30. März 1982 hat die Beklagte den Alleinvertriebs- und -herstellungsvertrag, mit Schreiben vom 27. Mai 1982 auch den Lizenzvertrag wirksam aufgekündigt.
Rechtlich zog das Erstgericht daraus den Schluß, der Kläger könne nunmehr für behauptete Vertragsverletzungen der Beklagte im Zeitraum des aufrechten Lizenzvertrages keine neuen Tatsachen oder Beweismittel anbieten. Aus der Parteieinvernahme des Klägers ergebe sich klar, daß die nunmehr zu beweisenden Tatsachen jedenfalls nach 1982 stattgefunden hätten. Ein wie immer geartetes Verhalten der Beklagten nach 1982 habe jedoch keinesfalls die bedungene Konventionalstrafe aus dem Lizenzvertrag auslösen können. Der Zeuge R***, der sich auf seine Amtsverschwiegenheit berufen habe, habe für das Vorbringen des Klägers keinen Beweis liefern können. Aus Anlaß der Berufung des Klägers hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes auf und wies die Klage zurück. Richtig sei, daß das Erstgericht im Vorverfahren die vom Berufungsgericht übernommene Feststellung getroffen habe, die Beklagte habe nach der letzten Abrechnung im Juni 1982 keine Lizenzartikel mehr verkauft. Der Standpunkt des Erstrichters lasse sich dahin zusammenfassen, daß die Beklagte bereits 1982 beide Verträge aufgekündigt habe und für behauptete Vertragsverletzungen der Beklagten bei aufrechtem Lizenzvertrag keine neuen Tatsachen und Beweismittel angeboten worden seien. Das Rechtsmittel gehe selbst nicht davon aus, daß während aufrechten Lizenzvertrags die Beklagte vereinbarungswidrig Waren in Österreich, somit in einem dem Kläger vorbehaltenen Vertriebsland, über die Firma W*** verkauft habe, sondern meine im wesentlichen, daß bei ergänzender Vertragsauslegung auch für eine Vertragsverletzung nach Auflösung des Lizenzvertrages die bedungene Konventionalstrafe zu bezahlen sei. Ob der Lizenzgeber, dessen Lizenzvertrag von seinem Geschäftspartner zu Unrecht aufgekündigt wurde, dann weitere Ansprüche gegen seinen vormaligen Vertragspartner habe, wenn dieser sich vertragswidrig verhalte, sei hier nicht zu untersuchen. Maßgeblich sei nur, ob in einem solchen Fall die vereinbarte Konventionalstrafe weiterhin in Geltung bleiben solle. Der Rechtsmittelhinweis, daß für den Fall der Vertragsaufkündigung zur Frage der Konventionalstrafe ausdrücklich nichts bedungen war, sei zutreffend. Auch ergänzende Vertragsauslegung, auf die sich der Kläger in erster Instanz nicht berufen habe, führe zu keinem Weiterwirken der im Rahmen einer Gesamtregelung stipulierten Konventionalstrafe. Nach Aufkündigung der gegenständlichen Verträge durch die Beklagte - wegen Zahlungsunfähigkeit des Klägers - hätte nicht eine einzelne Vertragsbestimmung weiter in Wirksamkeit bleiben können. Ob der Kläger aber sonst Ansprüche gegen die Beklagte habe, sei weder im Vorverfahren noch jetzt zu untersuchen gewesen, weil er im Vorverfahren sein Begehren nur auf den Verfall einer bedungenen Konventionalstrafe gestützt habe. Aus diesen Erwägungen sei die Auffassung des Erstrichters zutreffend, daß, der Kläger im Wiederaufnahmeverfahren keinen, den rechtserheblichen Zeitraum vor Vertragskündigung betreffenden Umstand anzuführen vermocht habe. Ausgehend von diesen rechtlichen Überlegungen könne die Frage unerörtert bleiben, ob die Zeugnisverweigerung des Zeugen Oberamtsrat Johann R***, der von der Magistratsdirektion der Stadt Innsbruck von seiner Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit nicht entbunden wurde, zu Recht erfolgt sei oder nicht. Ergebe sich erst bei der mündlichen Verhandlung, daß die Wiederaufnahmsklage auf einen gesetzlich unzulässigen Anfechtungsgrund gestützt werde, so sei die Klage durch Beschluß zurückzuweisen (§ 543 ZPO). Das Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung für die Wiederaufnahmsklage sei somit in jeder Lage des Verfahrens, nicht nur im Vorprüfungsverfahren nach § 538 ZPO, von Amts wegen wahrzunehmen. § 543 ZPO schaffe dafür die gesetzliche Grundlage und gelte auch für das Rechtsmittelverfahren. Im vorliegenden Fall habe nun bereits der Erstrichter das Fehlen eines zulässigen Wiederaufnahmsgrundes, nämlich einen rechtlich beachtlichen Zusammenhang zwischen dem Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage und dem aufzunehmenden Vorverfahren angenommen, weil auf einen Verstoß der Beklagten gegen den Lizenzvertrag nach Vertragsauflösung das Begehren auf Leistung der Konvetionalstrafe nicht gestützt werden könne. Das heiße, daß die geltend gemachten Umstände ersichtlich von vornherein keinen Einfluß auf die Entscheidung in der Hauptsache haben könnten. Eine solche Schlüssigkeitsprüfung sei deshalb zulässig und geboten, weil "gesetzlicher Anfechtungsgrund" iS des § 538 ZPO zufolge § 530 Abs 1 Z 7 ZPO Tatsachen und Beweismittel sind, deren Vorbringen ... im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Fehle es a priori an dieser Eignung zur günstigeren Entscheidung, weil diese Tatsachen und Beweismittel den rechtserheblichen Tatbestand gar nicht berühren oder selbst bei ihrer Annahme nicht ändern könnten, dann seien diese Tatsachen keine gesetzlichen Anfechtungsgründe. Dennoch habe das Erstgericht die Klagsabweisung in Urteilsform gewählt, obwohl die Klage durch Beschluß zurückzuweisen gewesen wäre. Dieses "Urteil" sei nur nach den für Beschlüsse geltenden Regeln anzufechten, also durch Rekurs. Eine trotzdem ergriffene Berufung sei von der zweiten Instanz nach § 84 Abs 2 ZPO als Rekurs zu behandeln. Für eine Berufungsverhandlung bleibe somit kein Raum. Komme das Berufungsgericht aber zum Ergebnis, daß die Wiederaufnahmsklage, über die das Erstgericht mit Urteil entschieden hat, auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt sei, so habe es aus Anlaß der Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage mit Beschluß zurückzuweisen. Eine Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung und des vorangegangenen Verfahrens habe nicht zu erfolgen.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.
Die Beklagte hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig. Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, das Erstgericht habe seine Aussage als Partei zu unrecht dahin gewürdigt, daß die Beklagte erst nach dem Jahre 1982 Lehrmittel, die Gegenstand des Lizenzvertrages waren, an das Schulamt Innsbruck verkauft habe und noch weiter verkaufe. Der Kläger habe mit den "letzten fünf Jahren" die letzten fünf Kalenderjahre, also die Jahre 1982 bis 1986 gemeint; damit sei aber auch ein Zeitraum vor der Vertragsauflösung im Jahre 1982 gemeint gewesen. Überdies hätte auch der Zeuge R*** ungeachtet seiner Aussageverweigerung unter Hinweis darauf, daß er von seiner Amtsverschwiegenheit nicht entbunden worden sei, vernommen werden müssen, weil es sich beim Aussagethema um eine Angelegenheit der Privatwirtschaftsverwaltung gehandelt habe. Auch nach Auflösung des Lizenzvertrages bleibe der Lizenznehmer nach den Regeln des redlichen Verkehrs verpflichtet, den Verkauf der Lizenzgegenstände zu unterlassen, und werde bei Zuwiderhandeln schadenersatzpflichtig. Wenn der Lizenznehmer nach Beendigung des Vertrages Produkte in den Handel bringe, so stehe dem Lizenzgeber nach der zu unterstellenden Absicht der Parteien sehr wohl das Recht zu, auch die ihm im aufgelösten Vertrag zugesicherten Lizenzgebühren weiterhin zu verlangen, bzw. sei der Lizenznehmer verpflichtet, die vereinbarten Lizenzgebühren auch weiterhin zu bezahlen. Auch nach Auflösung des Lizenzvertrages ergebe sich im Sinne einer Vertragsergänzung und auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, daß der Lizenznehmer hinsichtlich der nach Auflösung verkauften Gegenstände weiterhin abrechnungspflichtig sei. Da die Parteien zur Besicherung der Erfüllung der Verrechnung der Lizenzgebühren vertraglich eine Konventionalstrafe vereinbarten, könne nach den Regeln des redlichen Verkehrs wohl unterstellt werden, daß der Beklagte, wenn er auch die Auflösung des Vertrages erklärte, als vertragstreuer Partner entweder sofort sämtliche Verkäufe und Produktionen einstelle, jedoch hinsichtlich der bereits produzierten Gegenstände, die in weiterer Folge verkauft werden, Abrechnung lege. In der Unterlassung einer solchen Abrechnung und Verweigerung derselben mit der falschen Parteienaussage, es wäre nach Auflösung des Vertrages nichts mehr verkauft worden, sei wohl ein unredliches Verhalten des Beklagten zu erblicken.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden kann, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung der Hauptsache herbeigeführt haben würde. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen die Auffassung vertreten, der Kläger habe für behauptete Vertragsverletzungen der Beklagten im Zeitraum des aufrechten Lizenzvertrages keine neuen Tatsachen oder Beweismittel anzubieten vermocht. Aus der Parteieneinvernahme des Klägers ergebe sich klar, daß die nunmehr zu beweisenden Tatsachen jedenfalls nach dem Jahre 1982 stattgefunden hätten. Ein wie immer geartetes Verhalten der Beklagten nach 1982 habe somit keinesfalls die bedungene Konventionalstrafe aus dem Lizenzvertrag auslösen können. Der Zeuge R***, der sich auf seine Amtsverschwiegenheit berief, habe für das Vorbringen des Klägers keinen Beweis liefern können. Damit hat aber der Erstrichter, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, die Auffassung vertreten, es mangle an einem rechtlich beachtlichen Zusammenhang zwischen dem Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage und dem aufzunehmenden Vorverfahren, weil der Anspruch auf Bezahlung der Konventionalstrafe nicht auf einen Verstoß des Beklagten gegen die Bestimmungen des Lizenzvertrages nach dessen Auflösung gestützt werden könnte. Die vom Kläger im Wiederaufnahmeverfahren vorgebrachten Tatsachen und angeführten Beweismittel hätten den im Vorverfahren rechtserheblichen Tatbestand nicht berühren bzw. selbst bei ihrer Annahme nicht ändern und damit im Vorverfahren keine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeiführen können. Da das Erstgericht somit das Vorliegen eines "gesetzlichen Anfechtungsgrundes" im Sinne der §§ 538 Abs 1, 530 Abs 1 Z 7 ZPO verneinte, hätte es die Klage nicht abzuweisen, sondern gemäß § 538 Abs 1 ZPO mit Beschluß zurückzuweisen gehabt, und zwar gemäß § 543 ZPO ungeachtet der Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Das Rekursgericht billigte die Auffassung des Erstgerichtes hinsichtlich der Verneinung des Vorliegens eines "gesetzlichen Anfechtungsgrundes" im Sinn des § 538 Abs 1 ZPO und hob daher zutreffend aus Anlaß der Berufung das "Urteil" des Erstgerichtes, bei dessen Erlassung sich der Erstrichter lediglich in der Entscheidungsform vergriffen hatte, auf und wies die Klage zurück. Damit hat das Rekursgericht in Wahrheit die Entscheidung der ersten Instanz, die nur formell unrichtig gefaßt war, bestätig. Es liegt zwar formell ein Urteil des Erstrichters und ein Beschluß des Rechtsmittelgerichtes vor, materiell ist aber auch die Entscheidung des Erstrichters ein die Wiederaufnahmsklage zurückweisender, die Sachentscheidung ablehnender Beschluß. Der Beschluß des Rechtsmittelgerichtes hat diese erstgerichtliche Entscheidung dem Inhalte nach bestätigt. Materiell sind beide Entscheidungen die Klage zurückweisende Beschlüsse. Ein weiterer Rekurs ist daher gemäß § 528 Abs 1 ZPO ausgeschlossen (vgl EvBl 1958/64, SZ 18/56 ua, Fasching IV, 558 f, Anm. 2 zu § 543 ZPO).
Der Revisionsrekurs war somit zurückzuweisen, ohne daß auf das Rechtsmittelvorbringen sachlich einzugehen gewesen wäre. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E16777European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00565.88.0207.000Dokumentnummer
JJT_19890207_OGH0002_0020OB00565_8800000_000