TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/18 2002/03/0318

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Veröffentlicht am 18.10.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E07204010;
E3L E13301800;
E3L E15102050;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/03 Sonstiges Verkehrsrecht;

Norm

31994L0055 Gefahrguttransport-RL AnhA Rn2002 Abs3 idF 31996L0086;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL AnlB Rn10240 Abs1 litb idF 31996L0086;
31994L0055 Gefahrguttransport-RL AnlB Rn10240 Abs3 idF 31996L0086;
31996L0086 Nov-31994L0055;
AVG §1;
EURallg;
GGBG 1998 §13 Abs5 Z1;
GGBG 1998 §27 Abs1 Z1;
GGBG 1998 §27 Abs2 Z13;
GGBG 1998 §7 Abs2 Z7;
VStG §44a Z1;
VStG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des A A in P, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 18. September 2000, Zl Senat-ME-99-067, betreffend Übertretung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Melk vom 2. Juni 1999 ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe am 29. Oktober 1998, um

10.45 Uhr, auf der Westautobahn, Gemeindegebiet Neumarkt an der Ybbs, auf Höhe Strkm 107,000, in Fahrtrichtung Wien,

1.) es als das nach § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ des Zulassungsbesitzers A GmbH & Co KG, in der Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer des persönlich haftenden Gesellschafters A GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft entgegen § 13 Abs 5 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBG), BGBl I Nr 145/1998, insofern nicht für die Einhaltung der dort enthaltenen Bestimmungen gesorgt habe, weil die genannte Gesellschaft ein nach den Kennzeichen bestimmtes Sattel-KFZ zur Beförderung gefährlicher Güter (und zwar 140 Kunststoffkanister a 25 l (3570 kg brutto), UN 3066 "Ätzender Basischer anorganischer flüssiger Stoff, n.a.g., enthält Sodium Hydroaide, der Klasse 8, Z. 47c ADR" und 72 Kunststoffkanister a 10 l UN 3066 (770,4 kg brutto), "Ätzender Basischer anorganischer flüssiger Stoff, n. a.g., enthält Soidum Hydroaide, der Klasse 8 Z. 47c ADR") verwendet habe, obwohl die Ausrüstung nicht den gemäß § 2 GGBG in Betracht kommenden Vorschriften entsprochen habe, da sich das gemäß Rn 10240 Abs 1 lit b und Abs 3 Anhang B der Richtlinie 94/55/EG in der Fassung der Richtlinie 96/86/EG vorgeschriebene Feuerlöschgerät nicht im Sattelzugfahrzeug befunden habe; das mitgeführte 6 kg-Feuerlöschgerät sei nicht überprüft gewesen, die nächste Überprüfung hätte im September 1998 stattfinden sollen;

2.) es als nach § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ des Beförderers A GmbH & Co KG in der Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer des persönlich haftenden Gesellschafters A GmbH an der schon genannten Adresse zu verantworten, dass diese Gesellschaft die unter Punkt 1. genannten gefährlichen Güter entgegen § 7 Abs 2 GGBG befördert habe, da dem Lenker

a) kein vorgeschriebenes Feuerlöschgerät gemäß Rn 10240 Abs 1 lit b und Abs 3 Anhang B der Richtlinie 94/55/EG in der Fassung der Richtlinie 96/86/EG übergeben worden sei; das mitgeführte 6 kg-Feuerlöschgerät sei nicht überprüft gewesen, die nächste Überprüfung hätte im September 1998 stattfinden sollen; und

b) kein den Vorschriften entsprechendes Beförderungspapier gemäß Rn 2002 Abs 3 Anhang A der Richtlinie 94/55/EG in der Fassung der Richtlinie 96/86/EG (in Verbindung mit Rn 10381 Anhang B der Richtlinie 94/55/EG in der Fassung der Richtlinie 96/86/EG) übergeben worden sei; die "UN-Nr." des transportierten Produkts habe gefehlt und die Konformitätserklärung sei nicht in einer der ADR-Sprachen angeführt worden.

Er habe dadurch

zu 1.) eine Übertretung des § 13 Abs 5 Z 1 iVm § 27 Abs 2 Z 13 GGBG,

zu 2.a) eine Übertretung des § 7 Abs 2 Z 7 iVm § 27 Abs 1 Z 1 GGBG iVm Rn 10240 Abs 1 lit b und Abs 3 Anhang B der Richtlinie 94/55/EG in der Fassung der Richtlinie 96/86/EG und

zu 2.b) eine Übertretung des § 7 Abs 2 Z 7 iVm § 27 Abs 1 Z 1 GGBG iVm Rn 2002 Abs 3 Anhang A der Richtlinie 94/55/EG in der Fassung der Richtlinie 96/86/EG begangen.

Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe

zu 1.) von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) und zu 2.a) und zu 2.b) von jeweils S 5.000,--

(Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 2 Tage) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung (Beschluss vom 9. Oktober 2002, B 1656/00-10) ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 144 Abs 3 B-VG zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 11. Dezember 2002, B 1656/00-12). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheids wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Im vorliegenden Fall sind die Bestimmungen des Gefahrengutbeförderungsgesetzes in der Fassung vor der am 24. Mai 2002 kundgemachten Novelle BGBl I Nr 86/2002 anzuwenden, sodass die Bestimmung des § 27 Abs 7 des Gefahrengutbeförderungsgesetzes in der Fassung dieser Novelle, wonach in den Fällen des Abs 1 Z 1 leg cit als Tatort der Ort der Betretung gilt, noch keine Bedeutung hat.

Dem Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid vorgeworfen, bestimmte gesetzlich vorgesehene Maßnahmen nicht getroffen zu haben; die in Rede stehende Verwaltungsübertretungen wurden daher in der Form des Unterlassens begangen.

Bei solchen Unterlassungsdelikten ist als Tatort der Ort anzunehmen, wo der Täter hätte handeln sollen. In seinem Erkenntnis vom 20. September 2000, Zlen 2000/03/0071, 0072, auf das gemäß § 43 Abs 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass dieser Ort dann, wenn solche Unterlassungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Unternehmens erfolgen, in einem Fall wie dem vorliegenden mit dem Sitz des Unternehmens zusammenfällt.

Unbestritten ist, dass der Sitz der Gesellschaft, als zu deren Vertretung nach außen berufenes Organ im Sinn des § 9 Abs 1 VStG der Beschwerdeführer vorliegend bestraft wurde, nicht im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Melk, die das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende erstinstanzliche Straferkenntnis erlassen hat, sondern in dem im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Braunau gelegenen P liegt. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen wurden daher im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Braunau begangen. Im Grunde des § 27 Abs 1 VStG war diese Bezirkshauptmannschaft die örtlich zuständige Behörde.

Indem die belangte Behörde die damit gegebene Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Melk nicht wahrgenommen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen weiter einzugehen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.

Wien, am 18. Oktober 2005

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Unterlassungsdelikt Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Verantwortlichkeit (VStG §9) zur Vertretung berufenes Organ örtliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002030318.X00

Im RIS seit

20.12.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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