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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §25 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des A (auch: T) in B, geboren 1987 (nach anderen Angaben: 1985), vertreten durch Dr. Michael Jägerndorfer, Rechtsanwalt in 2560 Berndorf, Hernsteinerstraße 17, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 7. März 2005, Zl. 254.557/0-VIII/22/04, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 12. Mai 2003 über den Flughafen Wien-Schwechat in das Bundesgebiet ein und beantragte in der Folge unter dem Namen A. T. die Gewährung von Asyl. Er gab an, 1985 geboren zu sein und begründete den Asylantrag im Wesentlichen damit, dass er als Kurde Diskriminierungen (Beschimpfungen) ausgesetzt gewesen sei. Mit Bescheid vom 6. Juni 2003 wies die belangte Behörde den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer, der laut Aktenvermerk vom 18. Juni 2003 zuletzt im "Notquartier des BAT" wohnhaft gewesen war, der Aktenlage zufolge nach einer ergebnislos gebliebenen Anfrage beim Zentralen Melderegister gemäß § 8 Abs. 2 iVm § 23 Abs. 1 ZustG durch Hinterlegung zum Akt per 20. Juni 2003 zugestellt. Eine Berufung wurde nicht erhoben.
Am 27. Jänner 2004 stellte der Beschwerdeführer, nunmehr als A. S., nach seiner im Hinblick auf das "Dubliner Übereinkommen" erfolgten Rücküberstellung aus England neuerlich einen Asylantrag. Als Geburtsdatum gab er den 1. Jänner 1987 an, weshalb seiner Einvernahme vom 7. Oktober 2004 ein Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft B als Vertreter beigezogen wurde.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag vom 27. Jänner 2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Das Bundesasylamt ging davon aus, dass der Beschwerdeführer durch die "Jugendwohlfahrt der Bezirkshauptmannschaft B" vertreten werde und veranlasste demgemäß die Zustellung seines Bescheides an einen "Vertreter der Jugendwohlfahrt B". Die Bezirkshauptmannschaft B, Fachgebiet Jugendwohlfahrt, erhob namens des Beschwerdeführers Berufung. Diese Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. März 2005 gemäß § 68 Abs. 1 AVG ab. Im Rahmen ihrer Überlegungen, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem zweiten Asylantrag "kein glaubhafter Kern" zukomme, führte die belangte Behörde ua. aus, dass der Beschwerdeführer auch "als Person" nicht glaubwürdig sei; er habe nämlich sein Vorbringen gegenüber dem ersten Asylantrag komplett ausgetauscht und auch sonst andere Lebensumstände angegeben; das wichtigste in diesem Zusammenhang sei jedoch die Angabe eines völlig anderen Namens und Geburtsdatums, wobei sich der Beschwerdeführer, was sehr selten vorkomme, beim ersten Asylantrag "älter gemacht" habe, als er tatsächlich sei.
Bezugnehmend auf den schon im Verwaltungsverfahren erhobenen Einwand, der den ersten Asylantrag des Beschwerdeführers abweisende Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Juni 2003 sei nicht rechtswirksam zugestellt worden, argumentierte die belangte Behörde wie folgt:
"Zu der Behauptung von Zustellmängeln ist zunächst auszuführen, dass der (Beschwerdeführer) ursprünglich selbst angegeben hat, volljährig zu sein (was äußerst selten vorkommt, im Gegenteil, es ist viel häufiger, dass Asylwerber versuchen, sich als minderjährig auszugeben, obwohl sie längst volljährig sind, weil sie glauben, dass sie dadurch bessere Chancen für Asylverfahren haben bzw. weniger leicht abgeschoben werden). Weiters ist jedenfalls davon auszugehen, dass die erstinstanzliche Entscheidung dem Jugendwohlfahrtsträger, der am Verfahren zu dem zweiten Asylantrag von Anfang an beteiligt war, zumindest vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zum zweiten Asylantrag bekannt geworden ist und daher ein allfälliger Zustellmangel geheilt ist."
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ist - wie das Bundesasylamt bei Behandlung des zweiten Asylantrages des Beschwerdeführers - erkennbar davon ausgegangen, dass die zuletzt erstatteten Angaben des Beschwerdeführers über sein Geburtsdatum (1987) zutreffen. Davon ausgehend war der Beschwerdeführer während des ersten Asylverfahrens minderjährig, weshalb der seinen Asylantrag abweisende Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. Juni 2003 seinem gesetzlichen Vertreter (vgl. dazu § 25 Abs. 2 AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003) zuzustellen gewesen wäre. Die demgegenüber - in Unkenntnis der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers - veranlasste "Zustellung" des genannten Bescheides an diesen persönlich vermochte demgegenüber keine Rechtswirkungen zu entfalten, und zwar - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer selbst angegeben hatte, volljährig zu sein. Auch an eine Heilung des Zustellmangels ist nicht zu denken; selbst wenn der Bescheid vom 6. Juni 2003 dem gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers "bekannt geworden" sein sollte, vermochte dies, anders als die belangte Behörde meint, keinesfalls eine derartige Heilung zu bewirken (vgl. dazu etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) unter E 31. ff zu § 7 ZustG zitierte hg. Judikatur).
War der Bescheid vom 6. Juni 2003 nach dem Gesagten nicht rechtswirksam zugestellt worden, so bedeutet das, dass das ursprüngliche Asylverfahren noch in erster Instanz anhängig und nicht rechtskräftig entschieden ist. Eine Zurückweisung, des gegenständlichen zweiten Asylantrages wegen entschiedener Sache kommt davon ausgehend von vornherein nicht in Betracht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2004/01/0491). Im Hinblick darauf ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 18. Oktober 2005
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005010215.X00Im RIS seit
18.11.2005Zuletzt aktualisiert am
19.11.2009