TE OGH 1989/2/21 11Os2/89

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Veröffentlicht am 21.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Februar 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Tegischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann Erich L*** wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.September 1988, GZ 9 d Vr 2.575/88-78, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, und der Verteidigerin Dr. Strnad, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Punkt I/ des Schuldspruchs sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Johann Erich L*** ist schuldig, am 3.März 1988 in Wien dem Hermann P*** durch Versetzen von Schlägen und durch die Drohung, ihn zu schlagen, mithin mit Gewalt gegen seine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben einen Bargeldbetrag von 850 S mit dem Vorsatz abgenötigt zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde.

Er hat hiedurch das Verbrechen des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 und Abs. 2 StGB begangen und wird hiefür, sowie für die ihm nach dem aufrecht bleibenden Teil des Schuldspruchs weiterhin zur Last gelegten Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Punkt II/) und der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB (Punkt III/) nach dem Abs. 2 des § 142 StGB und unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Jahren verurteilt.

Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens werden aus dem Ersturteil übernommen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann Erich L*** des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB sowie der Vergehen der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB schuldig erkannt. Laut Punkt I/ des Schuldspruchs nötigte der Angeklagte am 3. März 1988 in Wien Hermann P*** durch Versetzen von Schlägen und durch die Drohung, ihn zu schlagen, mithin mit Gewalt gegen seine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, einen Bargeld von 850 S mit dem Vorsatz ab, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Diesen Teil des Schuldspruches bekämpft Johann Erich L*** mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Unter dem Gesichtspunkt eines formellen Begründungsmangels rügt der Beschwerdeführer, daß der Ausspruch des Schöffengerichtes, wonach ihm Hermann P***, durch Schläge und Drohungen in Angst versetzt, aus Furcht vor weiteren Aggressionshandlungen das Geld (zunächst 800 S und kurz darauf weitere 50 S) ausgefolgt habe, mit den Zeugenaussagen des Hermann P*** und des Ernst K*** in Widerspruch stünde.

Rechtliche Beurteilung

Ob sich das Tatopfer vor dem Angeklagten tatsächlich fürchtete, ist nicht entscheidungswesentlich. Es genügt, daß zwischen dem Einsatz des Raubmittels und der Erzielung der Sachbemächtigung Konnexität im Sinn eines zeitlichen und ursächlich-finalen Zusammenhangs besteht; nur wenn die Gewaltanwendung oder Drohung keine Kausalität mehr für das Verhalten des Opfers hat, scheidet (vollendeter) Raub aus (vgl. Kienapfel, BT II2, RN 56, 57 zu § 142 StGB; Zipf im WK, Rz 17 zu § 142 StGB). Die Urteilsannahme, der Angeklagte habe Hermann P*** durch Schläge und (allenfalls auch) Drohungen mit Verletzungen zur sofortigen Herausgabe der geforderten Bargeldbeträge veranlaßt, ist - den Beschwerdeausführungen zuwider - in den als Feststellungsgrundlage herangezogenen Zeugenaussagen gedeckt. So brachte Hermann P*** in der Hauptverhandlung, konform mit seinen Angaben im Vorverfahren, zureichend deutlich zum Ausdruck, daß er aufgrund der Schläge, die ihm der Angeklagte versetzte, sich zur Geldübergabe entschlossen habe, um "Ruhe zu haben", dh weitere Attacken des Angeklagten zu vermeiden, und ohne dessen Gewaltakte, vor denen er Angst gehabt habe, sich nicht dazu verstanden hätte, das Geld herauszugeben (vgl. S 274, 275 dA). In diesem Zusammenhang wurde vom Erstgericht festgestellt, die Zwangslage des Tatopfers sei noch dadurch verstärkt worden, daß die Gäste des Lokals nicht gegen den Täter einschritten, sodaß der Eindruck entstand, die Leute hätten sich gegen den Angegriffenen gestellt (vgl. S 310 dA). Nichts anderes kann der einen subjektiven Eindruck wiedergebenden Darstellung des Ernst K*** entnommen werden, derzufolge sich Hermann P*** "schon gefürchtet" habe, "schon deshalb, weil es so viele waren" (vgl. S 279 dA). In der unvollständigen Wiedergabe dieser Zeugenaussage in den Urteilsgründen ist daher ein Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht erkennbar, zumal daraus keinesfalls gefolgert werden konnte, daß der Angeklagte gegen Hermann P*** Gewalt nicht als Mittel, ihm Geld abzunötigen, einsetzte und Hermann P*** das Geld nicht zufolge der gegen ihn ausgeübten Gewalt, sondern ausschließlich aus vom Angeklagten nicht zu vertretenden Motiven herausgab.

Begründet ist die Beschwerde des Angeklagten hingegen insoweit, als darin aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO die Beurteilung der Tathandlung bloß als minderschwerer Raub gemäß dem Abs. 2 des § 142 StGB reklamiert wird.

Dieser mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedrohte Fall des Raubes setzt voraus, daß die Tat ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wird, nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich nicht um einen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt. Nach den Urteilsfeststellungen bestanden die Gewaltakte des Angeklagten zunächst in (zwei) Schlägen mit der flachen Hand ins Gesicht des Tatopfers und in weiterer Folge in einem - nach der Aktenlage offenbar nicht besonders heftigen - Faustschlag gegen das Gesicht, der aber Hermann P***, da er sich duckte, nur noch abgeschwächt traf. Hiebei kam der Angegriffene weder zu Sturz, noch wurde er verletzt. Auch bei Anlegen eines strengen Maßstabes und bei Berücksichtigung der Tatsache, daß durch das Verhalten des Tatopfers die Auswirkungen des Faustschlages möglicherweise vermindert wurden, kann nach Lage des Falles nicht davon gesprochen werden, daß der Täter beachtliche physische Kraft in vehementer Weise einsetzte, wie dies für die Annahme erheblicher Gewalt erforderlich wäre (vgl. EvBl. 1976/116 ua). "Folgen" (insbesondere) für die körperliche und psychische Integrität des Beraubten waren mit der Tat nicht verbunden (vgl. Kienapfel, BT II2, RN 115 zu § 142 StGB; Zipf im WK, Rz 49 zu § 142 StGB), und es lag auch kein Fall des § 143 StGB vor. Zu prüfen war, ob mit dem geraubten Betrag von 850 S die Geringwertigkeitsschwelle überschritten wurde. Die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. SSt. 46/71) ging davon aus, daß eine Sache im Wert von über 500 S nicht mehr als geringwertig anzusehen ist und daß unterhalb dieser Grenze die Beurteilung der Geringwertigkeit sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Empfindlichkeit des Schadens für den Betroffenen zu orientieren hat. Im Hinblick auf die Anhebung der Wertgrenzen durch das StRÄG 1987 von 5.000 S auf 25.000 S bzw. von 100.000 S auf 500.000 S kann diese Ansicht nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden. Entgegen der von Foregger-Serini (StGB4, Erl. III zu § 141 StGB) und Hoinkes-Wilflingseder (AnwBl. 1988, 77 ff) vertretenen Meinung rechtfertigt es die Verfünffachung der maßgeblichen Wertgrenzen allerdings nicht, den Maßstab der Geringwertigkeit bei 2.500 S, dh unverändert bei einem Zehntel der ersten Wertgrenze anzusetzen. Denn wie sich aus dem Bericht des Justizausschusses (S 13 f) ergibt, wäre aufgrund der Veränderungen des Index der Verbraucherpreise seit dem Inkrafttreten des StGB nur eine Verdopplung der Wertgrenzen sachlich begründet gewesen. Durch die Anhebung der Wertbeträge im Besonderen Teil des StGB auf das Fünffache wurde einerseits dem Umstand Rechnung getragen, daß die Strafsätze für bloß durch Überschreitung von Wertgrenzen qualifizierte Vermögensdelikte vielfach, insbesondere im Vergleich zu den Strafsätzen für Delikte gegen die körperliche Integrität als überhöht empfunden wurden und andererseits eine in dem zu erweiternden Umfang erwünschte Verschiebung der Zuständigkeit von den Gerichtshöfen zu den Bezirksgerichten und vom Schöffengericht zum Einzelrichter erreicht werden sollte. Aus diesem Grund ist aus der Erhöhung der Wertgrenzen ein Schluß auf die Geringwertigkeitsgrenze nur insofern zu ziehen, als damit einer inzwischen eingetretenen Geldwertverdünnung Rechnung getragen wurde. Denn für die Frage, ob das Tatobjekt eine Sache geringen Wertes ist, erscheint neben der Relation zur unteren Wertgrenze insbesondere wesentlich, ob und inwieweit das Tatopfer in der Regel den Verlust der Sache ohne spürbare Einschränkung seiner Lebensgewohnheiten verschmerzen kann (vgl. Bertel im WK, Rz 20 zu § 141 StGB). Es liegt auf der Hand, daß dieser Aspekt es nicht rechtfertigen würde, die Geringwertigkeitsschwelle im selben Ausmaß wie die Wertgrenzen zu valorisieren. Geht man daher von dem der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SSt. 46/71 zugrundegelegten objektiv-subjektiven Maßstab aus, so ergibt sich aus der durch das StRÄG 1987 geschaffenen Rechtslage eine Grenze von ca. 1.000 S, oberhalb der eine Sache nicht mehr als geringwertig angesehen werden kann (so schon 12 Os 105/88).

Bei Anwendung dieses Richtwertes ergibt sich aber für den vorliegenden Fall, daß der Angeklagte den Raub zum Nachteil des Hermann P*** an einer Sache geringen Wertes beging. Tatumstände, nach denen das Raubopfer durch die Tat überdurchschnittlich schwer getroffen worden sein könnte, wurden nicht festgestellt und sind im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Hat doch der Beraubte, der den Beruf eines Maurers ausübt, nach seinen eigenen Angaben vor der Tat mehrere im Lokal befindliche Zechgenossen ausgehalten und im Laufe dieser Zechtour für mehrere Runden Cola mit Weinbrand ("Rüscherl") rund 650 S ausgegeben (vgl. S 57 f dA). Auch bei Berücksichtigung opferbezogener Komponenten kommt sohin hier die Privilegierung des § 142 Abs. 2 StGB zum Tragen.

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Punkt I/ des Schuldspruchs, sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst spruchgemäß zu erkennen.

Bei der durch die Anwendung eines milderen Strafgesetzes auf die Raubtat notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe nach dem § 142 Abs. 2 StGB erachtete der Oberste Gerichtshof - im wesentlichen unter Übernahme der vom Schöffengericht herangezogenen Strafzumessungsgründe - eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren als dem Unrechtsgehalt der zahlreichen von Johann Erich L*** begangenen Delikte sowie seiner durch einschlägige Vorstrafen belasteten Täterpersönlichkeit entsprechend.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E16694

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00002.89.0221.000

Dokumentnummer

JJT_19890221_OGH0002_0110OS00002_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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