Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Susanna O***, Pensionistin, Grieskirchen, Badstraße 1, vertreten durch Dr. Josef Hippacher, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Stefan O***, Angestellter, Ried im Innkreis, Schillerstraße 23, vertreten durch Dr. Walter Hasibeder, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 3 Cg 25/78 des Kreisgerichtes Wels (Streitwert 1,078.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 2. Dezember 1988, GZ 5 R 42/88-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 25. Jänner 1988, GZ 3 Cg 339/87-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die als Revisionsrekurs zu behandelnde Revision sowie der sie ergänzende Schriftsatz ON 20 werden zurückgewiesen. Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels, die beklagte Partei die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Urteil vom 25. Jänner 1983, 3 Cg 25/78-100, hat das Kreisgericht Wels die Klägerin als damalige Beklagte schuldig erkannt, dem Beklagten (damals Kläger) den Betrag von 1,100.000 S sA zu zahlen. Das Oberlandesgericht Linz verminderte infolge Bejahung einer Gegenforderung der Klägerin in Höhe von 22.000 S mit Urteil vom 22. Mai 1984, 5 R 69/83-118, den Zuspruch auf 1,078.000 S sA. Der dagegen von der Klägerin erhobenen Revision gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 9. Oktober 1984, 4 Ob 517/84-123, nicht Folge.
Der Beklagte hatte in seiner am 14. Dezember 1977 eingebrachten Klage geltend gemacht, daß er an einem im Alleineigentum der Klägerin stehenden Haus Aufwendungen in Höhe von 1,576.118 S gemacht habe, weil er auf Grund entsprechender Zusagen der Klägerin erwartet habe, sie würde ihm die Liegenschaft ganz oder doch teilweise übertragen; nunmehr lehne sie das aber ab.
Während dieses Verfahrens legte die Klägerin mit Eingabe vom 27. Juni 1979 den Durchschlag eines undatierten Schreibens an den Beklagten mit dem dazugehörigen Postaufgabeschein vom 15. April 1975 als Beilage ./18 vor. In diesem Schreiben hieß es unter anderem:
"Für die bisher vorgenommenen Investitionen am Hause hast Du von mir nichts zu fordern, zumal Du bisher auch in diesem mit Deiner Familie unentgeltlich wohnen konntest. .... Wenn Du in Zukunft im Hause etwas planen und machen willst, so muß ich vorher davon verständigt werden und ist dazu die Erlaubnis einzuholen. Auch wenn ich dieselbe dazu erteilte, geschehen diese Investitionen ohne Anspruch auf Ersatz für die von Dir gemachten Aufwendungen. Unter dieser Voraussetzung erkläre ich mich schon jetzt einverstanden, wenn Du die zur Zeit angefangenen Arbeiten zu Ende führst". Auf Vorhalt dieses Briefes gab die Gattin des Beklagten, Elfriede O***, in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 25. September 1979 als Zeugin an: "Ich kann heute nicht mehr sagen, wann der Kläger" (= nunmehriger Beklagter) "dieses Schreiben erhalten hat. Ich glaube eher, daß dies Anfang 1976 als 1975 der Fall war. Als dieses Schreiben bei meinem Mann einlangte, war praktisch der Neubau bereits ausgeführt. Ich glaube, daß dieses Schreiben zu dem Zeitpunkt bei meinem Mann einlangte, als er dabei war, die Sauna im Keller zu installieren.
Ich glaube, daß lediglich Restarbeiten bzw. Verschönerungsarbeiten
noch durchzuführen waren. .... So war immer im Gespräch, dies auch
seitens der beklagten Partei" (= nunmehrige Klägerin), "daß wir
später einmal alles bekommen würden. .... Ursprünglich, d.h. schon
in den Jahren 66 und folgende, wie ich aus eigener Wahrnehmung weiß,
erklärte die beklagte Partei" (= Klägerin), "daß wir so alles einmal
bekommen sollten".
Der Beklagte brachte daraufhin in derselben Tagsatzung vor, daß
das von der Klägerin vorgelegte Schreiben vom 15. April im Jahr 1976
und nicht 1975 abgesandt worden sei. Schon am 28. November 1978
hatte Elfriede O*** als Zeugin bekundet: "Mein Mann hat an
der Liegenschaft deshalb gearbeitet, weil die Beklagte" (= Klägerin)
"immer erklärte, daß dem Kläger" (= Beklagter) "ohnedies die ganze
Liegenschaft einmal zufallen würde".
In der Streitverhandlungstagsatzung vom 26. September 1979 gab der Zeuge Ing. Franz G*** an, die Beklagte (= Klägerin) habe wiederholt erklärt, "daß sie, d.h. die "Jungen", so alles nur für sich machten". Es sei "ganz klar dabei mehrmals hervorgekommen", daß der Kläger (= Beklagter) bzw. seine Frau "alles früher oder später bekommen sollen".
Emma G*** bekundete damals als Zeugin:
"Die beklagte Partei" (= Klägerin) "hat mir gegenüber persönlich
auch erklärt, daß der Kläger" (= Beklagter) "sehr fleißig ist und,
daß so alles für die Jungen ist". "Die Erklärung der beklagten Partei," (= Klägerin) "war dahingehend zu verstehen, daß, die Jungen alles bekommen würden, den sonst hätten sie ja nicht soviel Arbeitsleistung hineingesteckt".
Als Partei unbeeidet vernommen sagte der Beklagte in der Streitverhandlungstagsatzung vom 2. Oktober 1980 aus, daß er auf Grund eines Schreibens im Jahr 1976 die Bauarbeiten eingestellt habe und deshalb der Neubau nicht mehr ganz fertiggestellt worden sei. Am 25. Februar 1981 legte der Beklagte das Original des Schreibens vom 15. April mit dem entsprechenden Briefkuvert vor. In der Folge wurde das Gutachten des Schriftsachverständigen Dr. Konrad S*** zur Klärung des Stempeldatums auf dem Briefkuvert und dem Aufgabeschein eingeholt; es konnte aber keinen Aufschluß darüber geben, ob der Poststempel vom 15. April 1975 oder vom 15. April 1976 stammte. Am 8. Juni 1982 gab schließlich der Postbedienstete Egon M*** an, daß der Aufgabeschein das Namenszeichen der Postbediensteten Theresia S*** aufweise, die am 15. April 1975 Schalterdienst gehabt habe, am 15. April 1976 hingegen auf Urlaub gewesen sei.
Im Ersturteil vom 25. Jänner 1983 traf der Richter u.a. folgende
Feststellungen: "Noch bevor die klagende Partei" (= Beklagter) "die
Holzfachschule in Hallstatt besuchte, erklärte die beklagte Partei"
(= Klägerin) "gegenüber der klagenden Partei" (= Beklagter): "'Führe
du die Sache zu Ende, wir überschreiben dir das'. .... Die beklagte
Partei" (= Klägerin) "erklärte immer wieder, daß der klagenden
Partei" (= Beklagter) "alles einmal zukommen wird. .... Dieser Brief
wurde mit Aufgabedatum 15. April 1975 eingeschrieben an die beklagte Partei" (gemeint: klagende Partei = nunmehriger Beklagter) "abgesandt". Seine Feststellung über die Erklärungen der Klägerin, der Beklagte werde einmal alles bekommen, stützte das Erstgericht auf die Aussagen der Zeugen Elfriede O***, Anton Z***, Walter B***, Adolf R***, Ing. Franz G*** und Emma
G*** sowie des Beklagten. Das Aufgabedatum des Briefes mit 15. April 1975 ergebe sich aus der Aussage des Zeugen Egon M*** im Zusammenhalt mit dem Sachverständigengutachten. In seiner rechtlichen Beurteilung bezeichnete der Richter die Erklärung der Klägerin im Schreiben vom 15. April 1975 als "einen zwischendurch eingenommenen Standpunkt, welcher sich im Laufe mehrerer Jahre mehrmals änderte, wobei verschiedene Motive eine Rolle spielten". Den Anspruch des Beklagten auf Abgeltung seiner Aufwendungen begründete er im wesentlichen damit, daß die Leistungen im Hinblick auf die Zusicherungen der Klägerin erbracht worden seien, der Beklagte werde einmal alles erhalten.
Das Oberlandesgericht Linz übernahm die Feststellungen des Ersturteiles als unbedenklich und führte aus, daß "dem Brief mit Aufgabedatum 15.4.1975 rechtlich und tatsächlich keine Bedeutung zukommt". Den Rückforderungsanspruch des Beklagten stützte es auf § 1435 ABGB. Die Klägerin habe, indem sie dem Beklagten eine "Überschreibung" der Liegenschaft in Aussicht gestellt habe, den Beklagten zu seinen Arbeitsleistungen und finanziellen Aufwendungen motiviert. Auch der Oberste Gerichtshof bezeichnete in seiner bestätigenden Entscheidung das Inaussichtstellen einer Liegenschaftsübertragung als Grundlage für den Kondiktionsanspruch. Die Klägerin begehrt unter Berufung auf § 530 Abs. 1 Z 2 und 3 ZPO
1. die Wiederaufnahme des Verfahrens zu 3 Cg 25/78 des Kreisgerichtes Wels,
2. die Beseitigung der in diesem Verfahren erflossenen Urteile aller drei Instanzen und
3. die Abweisung des im Vorverfahren erhobenen Klagebegehrens. Der Beklagte habe im Vorverfahren die Prozeßbehauptung aufgestellt, daß das Schreiben Beilage ./18 erst im Jahre 1976 abgesandt worden sei; Elfriede O*** habe das als Zeugin, offenkundig vom Beklagten zu dieser unrichtigen Aussage angestiftet, vollinhaltlich bestätigt. Auch der Beklagte habe im selben Sinne ausgesagt. Die Unrichtigkeit dieser Aussagen sei jedoch erwiesen. Es stehe somit fest, daß das Gericht nur auf Grund der beiden falschen Beweisaussagen zu dem Ergebnis habe gelangen können, der Beklagte habe in der Zeit nach dem 15. April 1975 Aufwendungen für den Neubau in der berechtigten Hoffnung gemacht, hiefür honoriert zu werden. Aber auch die Aussage der Zeugen Elfriede O***, Ing. Franz G*** und Emma G***, wonach die Klägerin versprochen habe, der Beklagte werde einmal alles bekommen, seien wahrheitswidrig. Dies gehe daraus hervor, daß für den Beklagten sonst keine Veranlassung bestanden hätte, unter Einschaltung vier verschiedener Juristen eine "einvernehmliche Lösung zu suchen". Bei keinem der "Vertragsversuche" sei ins Auge gefaßt worden, daß der Beklagte alles bekommen sollte.
Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Wiederaufnahmsklage sei unschlüssig, weil im vorangegangenen Verfahren das Datum der Aufgabe des erwähnten Schreibens ohnehin mit 15. April 1975 festgestellt worden sei; dem Datum sei im übrigen keine rechtliche Bedeutung zugekommen. Die Klägerin beanstande in Wahrheit nur die Beweiswürdigung im Vorprozeß.
Nachdem der Erstrichter die Einleitung des strafgerichtlichen Verfahrens zur Ermittlung und Feststellung der behaupteten strafbaren Handlungen veranlaßt hatte (§ 539 Abs. 1 Satz 1 ZPO), gab die Staatsanwaltschaft Wels am 26. Jänner 1987 beim Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes Wels die Erklärung ab, daß kein Grund zu einer weiteren gerichtlichen Verfolgung der Beschuldigten Elfriede O***, Emma G*** und Ing. Franz G*** gefunden werde, weil im Hinblick auf die Tatzeitpunkte Verjährung eingetreten sei (ON 8).
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Da die Klägerin zwar auch den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs. 1 Z 3 ZPO angeführt, jedoch in keiner Weise dargelegt habe, wer eine der dort aufgezählten Straftaten begangen habe bzw. durch welches Verhalten sie verwirklicht worden sein sollten, erübrigten sich Ausführungen hiezu. Aber auch der Tatbestand des § 530 Abs. 1 Z 2 ZPO sei aus dem Klagevorbringen nicht abzuleiten:
Da der Beklagte im Vorprozeß nur unbeeidet vernommen worden sei, habe er keinesfalls das Vergehen der falschen Beweisaussage (§ 288 Abs. 2 StGB) begangen. Die Klägerin übersehe, daß im Vorprozeß als Absendedatum des erwähnten Schreibens ohnehin der 15. April 1975 festgestellt worden sei; abgesehen davon habe sich dieses Schreiben als rechtlich und faktisch bedeutungslos erwiesen. Eine allenfalls unrichtige Aussage der Zeugin Elfriede O*** hätte somit keinerlei Einfluß auf die Entscheidung gehabt und könnte demnach keine Handhabe für eine Wiederaufnahme bilden.
Die Schlußfolgerung, daß sich die Unrichtigkeit der Zeugenaussagen, wonach die Klägerin dem Beklagten die Überschreibung der Liegenschaft versprochen habe, aus der Einschaltung mehrerer Juristen zum Zweck einer einvernehmlichen Lösung ergebe, sei nicht nachvollziehbar; aus dem Bemühen um die vergleichsweise Beilegung eines Rechtsstreites könne nicht das Eingeständnis der Unrechtmäßigkeit der geltend gemachten Ansprüche abgeleitet werden. Ein solches Bemühen könne vielfältige Gründe - wie das Kostenrisiko, die Zeitdauer eines gerichtlichen Verfahrens, Beweisschwierigkeiten usw. - haben. Der genaue Ablauf der schon im Vorprozeß ausführlich dargelegten Vergleichsverhandlungen sei daher unerheblich. Da sonst keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der angeführten Zeugenaussagen behauptet worden seien, lägen die geltend gemachten Wiederaufnahmsgründe nicht vor.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. In der Wiederaufnahmsklage sei kein einziger Tatumstand vorgebracht worden, der die Annahme rechtfertigen könnte, die Entscheidung sei durch eine der in § 530 Abs. 1 Z 3 ZPO angeführten strafbaren Handlungen der Parteien oder ihrer Vertreter erwirkt worden. Die Berufungsausführungen zu dem angeblich vom Beklagten begangenen Prozeßbetrug müßten als Neuerungen unbeachtet bleiben. Im übrigen ergebe sich aus den Vorakten kein Anhaltspunkt dafür, daß sich der Beklagte zur Unterstützung bewußt unrichtigen Vorbringens zusätzlicher Täuschungsmittel bedient habe. Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs. 1 Z 3 ZPO sei daher hier nicht zu behandeln. Bei allen Wiederaufnahmsgründen - ausgenommen vielleicht § 530 Abs. 1 Z 6 ZPO - bestehe zwischen einem ordentlichen Rechtsmittel, insbesondere der Berufung, und einer Wiederaufnahmsklage deswegen keine Konkurrenz, weil Rechtsmittel durch das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO) beschränkt seien und Wiederaufnahmsklagen nur damit begründet werden könnten, daß - besonders schwerwiegende - im Vorverfahren nicht bekannte Tatsachen die Aufhebung der Vorentscheidung erforderten. Daraus folge zwangsläufig, daß Wiederaufnahmsgründe nur dann schlüssig geltend gemacht würden, wenn Tatsachen vorgebracht würden, die im Vorprozeß nicht hätten Eingang finden können. Jede andere Betrachtungsweise würde dazu führen, daß sowohl mit den ordentlichen Rechtsmitteln als auch mit der Wiederaufnahmsklage ein und dasselbe gegen die angefochtene Entscheidung vorgebracht werden könnte. Werde eine Wiederaufnahmsklage nur auf solche Umstände gestützt, die auch mit einem ordentlichen Rechtsmittel hätten geltend gemacht werden können, so sei diese Klage nicht schlüssig. Gerade diese Unschlüssigkeit sei aber dem vorliegenden Wiederaufnahmebegehren vorzuwerfen:
Die Klägerin begründe die Unrichtigkeit bestimmter Zeugenaussagen mit den Aussagen anderer im Vorprozeß vernommener Zeugen und mit dort vorgelegten Urkunden. Sie behaupte gar nicht, daß über die bereits aus dem Vorprozeß bekannten Beweisergebnisse hinaus nunmehr Umstände vorlägen, die als neue Tatsachen und Beweise geltend gemacht würden. In ihrer Klage wiederhole sie vielmehr - teilweise nahezu wörtlich - ihre Berufungsausführungen im vorangegangenen Verfahren. Sie könne sich nicht auf eine die behauptete vorsätzliche falsche Beweisaussage bestätigende, rechtskräftige Verurteilung durch das Strafgericht berufen (§ 539 Abs. 1 ZPO). Zwar habe dann, wenn das vor oder auf Grund der Wiederaufnahmsklage eingeleitete Strafverfahren mit einem Freispruch geendet habe oder eine Einstellung nicht wegen mangelnden Tatbestandes oder mangels an Beweisen, sondern aus anderen Gründen erfolgt sei, das Wiederaufnahmegericht selbst in mündlicher Verhandlung die angebotenen Beweise aufzunehmen und Feststellungen über das Bestehen des Wiederaufnahmsgrundes zu treffen, jedoch keinesfalls bloß auf der Basis der ohnedies schon im Vorprozeß bekannten Tatsachen.
Da nach 5 Jahren die Strafbarkeit des Vergehens und auch des Verbrechens der falschen Beweisaussage verjähre, hätte es bei anderer Auffassung jeder durch ein Urteil Benachteiligte in der Hand, nach Ablauf dieser Verjährungszeit eine neuerliche Überprüfung der Beweiswürdigung zu erreichen; er müßte nur nach Verstreichen der fünfjährigen Verjährungsfrist und vor dem Ende der absoluten Klagefrist des § 534 Abs. 3 ZPO unter Berufung auf widersprechende, schon im Vorprozeß hervorgekommene Beweisergebnisse behaupten, daß die für die Klage stattgebenden und maßgeblichen Aussagen unrichtig gewesen seien. Wenn das Strafverfahren mit einer Zurücklegung der Verjährung geendet habe, müßte dann das Gericht neuerlich seine Beweiswürdigung überprüfen, obwohl der Wiederaufnahmskläger keine einzige neue Tatsache vorgebracht hätte.
Schon nach dem Vorbringen der Klägerin, die weder eine strafgerichtliche Verurteilung auch nur eines der genannten Zeugen nach § 288 StGB behauptet noch auch wahrscheinlich gemacht habe, daß eine solche Verurteilung bei Nichteintritt der Verjährung erfolgt wäre, sei das Wiederaufnahmebegehren unschlüssig; es sei daher ohne jede weitere Beweisaufnahme abzuweisen gewesen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Noch innerhalb der Revisionsfrist brachte die Klägerin eine Ergänzung ihrer Rechtsmittelschrift ein.
Rechtliche Beurteilung
Die - als Revisionsrekurs zu behandelnde - Revision (und ihre Ergänzung) ist unzulässig.
Die Vorinstanzen haben übereinstimmend die Meinung vertreten, daß die Klägerin keinen Wiederaufnahmsgrund schlüssig behauptet habe; aus ihrem Vorbringen ergebe sich weder ein Wiederaufnahmstatbestand nach § 530 Abs. 1 Z 3 ZPO noch ein solcher nach § 530 Abs. 1 Z 2 ZPO. Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht haben demnach die - von Amts wegen zu prüfende - Frage, ob die Klage auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt ist, verneint. Wird aber ein Wiederaufnahmsgrund nicht schlüssig dargelegt, dann ist die Klage schon im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO zurückzuweisen (EvBl. 1957/224; EvBl. 1972/78; RZ 1978/52; 6 Ob 596/88 ua; Fasching IV540 f; derselbe, LB Rz 2084). Daß der Erstrichter zunächst eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, ändert nichts an der gebotenen Erledigungsform, weil nach § 543 ZPO auch in einem solchen Fall die Wiederaufnahmsklage mit Beschluß zurückzuweisen ist (Fasching IV 558; SZ 18/56 uva). Wenn der Erstrichter die Klage dennoch mit Urteil abgewiesen - statt mit Beschluß zurückgewiesen - hat, so hat er sich dabei nur in der Entscheidungsform vergriffen. Damit hat sich aber am Charakter und an der Anfechtbarkeit seiner Entscheidung nichts geändert. Sie konnte der Klägerin kein Berufungsrecht verschaffen; ihre Berufung wäre vielmehr vom Gericht zweiter Instanz als Rekurs zu behandeln gewesen. Auf Grund seiner Rechtsansicht hätte es dem als Rekurs zu behandelnden Rechtsmittel der Klägerin - in Beschlußform - den Erfolg versagen und die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigen müssen. Daß auch das Gericht zweiter Instanz die unzutreffende Entscheidungsform gewählt hat, konnte gleichfalls weder den Charakter seiner Entscheidung als Beschluß noch dessen Anfechtbarkeit ändern (SZ 23/100; ZBl 1934 Nr. 323; 4 Ob 519/88, 6 Ob 596/88 uva; Fasching IV 21 f und 559, sowie LB Rz 1686); nach § 84 ZPO ist vielmehr von der richtigen Form auszugehen. Die Revision des Klägers ist daher als Revisionsrekurs zu behandeln;
dieser ist aber gemäß § 528 Abs. 1 Z 1 ZPO gegen die bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz nicht zulässig (SZ 18/56;
6 Ob 119/66; 4 Ob 519/88 uva).
Aus diesen Erwägungen war das Rechtsmittel der Klägerin
zurückzuweisen; darauf, ob der Ergänzungsschriftsatz ON 20 auch bei
Zulässigkeit der Revision nach dem Grundsatz der Einmaligkeit des
Rechtsmittels zurückzuweisen gewesen wäre, muß daher hier nicht
eingegangen werden.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet
sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die Klägerin kann für ihr unzulässiges Rechtsmittel keine Kosten begehren; auch ein Kostenzuspruch an den Beklagten kommt nicht in Betracht, weil er auf die Unzulässigkeit des von der Klägerin erhobenen Rechtsmittels in der Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen hat.
Anmerkung
E16585European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00507.89.0221.000Dokumentnummer
JJT_19890221_OGH0002_0040OB00507_8900000_000