Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriel S***, Landwirt, Sierning, Mannesbergstraße 1, vertreten durch Dr. Alfred Thewanger und Dr. Helmut Lenz, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Franz M***, Pensionist, und 2.) Katharina M***, Landwirtin, beide wohnhaft in Sierning, Mannesbergstraße 6, beide vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Wiederherstellung einer Wegtrasse im befahrbaren Zustand (Streitwert 25.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Berufungsgerichtes vom 24. Oktober 1988, GZ R 201/88-20, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 11. Mai 1988, GZ 3 C 3339/87-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der beklagten Parteien an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Westlich eines ungefähr von Nordnordost nach Südsüdwest verlaufenden öffentlichen Weges liegen langgestreckte, landwirtschaftlich genutzte Grundstücke nebeneinander. Unmittelbar an den Weg grenzt das - 4.190 m2 große, rund 15 m
breite - Grundstück 1011. Daneben liegt das - rund 1,2 ha große ca. 32 bis 50 m breite und weiter als das am Weg liegende Grundstück 1011 nach Südsüdwest reichende - Grundstück 1006/2. Neben diesem liegt das - mehr als 1,9 ha große, rund 30 m breite und sich noch weiter als das Nachbargrundstück 1006/2 nach Südsüdwest erstreckende - Grundstück 999. An dieses schließt längsseits das - fast 2,5 ha große - Grundstück 998/1.
Das Grundstück 1011 und 999 gehören zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 145. Diese Liegenschaft steht seit 1965 aufgrund Übergangsvertrages und Ehepakten
im - gütergemeinschaftlichen - Eigentum des Klägers und seiner Ehefrau. Das zwischen den beiden genannten Grundstücken liegende Grundstück 1006/2 gehört zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 78. Diese Liegenschaft steht seit 1955 im gleichteiligen Eigentum der beiden Beklagten. Das Grundstück 998/1 gehört zum Gutsbestand der Liegenschaft EZ 79, die seit 1972 im gütergemeinschaftlichen Eigentum des Klägers und seiner Ehefrau steht.
In Verlängerung eines Grundstreifens an der südsüdwestlichen Schmalseite des mit seiner Längsseite an den öffentlichen Weg angrenzenden Grundstückes 1011 durchquerte bis Herbst 1987 ein etwa 3 m breiter, ehemals beschotterter Wiesenweg das Grundstück 1006/2 im rechten Winkel zu seiner Längsachse bis zum Grundstück 999. Dieses Grundstück grenzt an keiner Stelle an öffentlichen Wegegrund. Mindestens seit dem Jahre 1950 befuhren zunächst die Schwiegereltern des Klägers und seit der Hofübergabe dieser selbst regelmäßig den beschriebenen Weg über das Grundstück 1006/2 zur Bewirtschaftung des Grundstückes 999 mit landwirtschaftlichen Maschinen. Dies taten sie in der Meinung, ihnen stünde (als Eigentümer des Grundstückes 999) ein entsprechendes Fahrtrecht zu. Seit 1972 benützen die Kläger und seine Ehefrau den Weg auch zur Bewirtschaftung des damals hinzu erworbenen Grundstückes 998/1. Dazu hielt das Prozeßgericht erster Instanz ausdrücklich fest, es habe nicht festgestellt werden können, daß die Beklagten oder vor 1954 deren Rechtsvorgänger im Grundeigentum den Eigentümern der Liegenschaft EZ 145 jemals die Benützung des Weges über das Grundstück 1006/2 untersagt hätten.
Im Herbst 1987 ackerten die Beklagten, nachdem sie dies kurz zuvor dem Kläger und dessen Ehefrau angekündigt hatten, den Wiesenweg um, um so eine durchgehende Ackerfläche bestellen zu können.
Mit der im November 1987 angebrachten Klage begehrte der Kläger von den Beklagten die Wiederherstellung der das Grundstück 1006/2 querenden Wegtrasse in einen befahrbaren Zustand. Der Kläger behauptete dabei eine seit mindestens 60 Jahren bestehende Dienstbarkeit, die Notwendigkeit des Überfahrens des Grundes der Beklagten zur Bewirtschaftung des Grundstücks 999 und die tatsächlich regelmäßige Ausübung des behaupteten Fahrtrechtes. Die Beklagten bestritten das behauptete Befahren ihres Grundes durch den Kläger und seine Rechtsvorgänger vor dem Jahre 1960, behaupteten wiederholte Hinweise gegenüber dem Kläger und seinen Rechtsvorgängern darauf, daß diesen kein Fahrtrecht zustünde, und bestritten ausdrücklich den vom Kläger behaupteten Bestand einer Dienstbarkeit. Vor allem wendeten die Beklagten aber ein, daß dem Kläger als einem bloßen Miteigentümer des nach seinen Behauptungen herrschenden Grundes für das von ihm gestellte Wiederherstellungsbegehren die sogenannte Klagslegitimation fehle, weil als Vorfrage der strittige Bestand der vom Kläger behaupteten und von den Beklagten bestrittenen Dienstbarkeit zu lösen wäre, in einem Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Grunddienstbarkeit im Falle einer Eigentumsgemeinschaft am herrschenden oder dienenden Grund die betroffenen Miteigentümer aber jeweils eine notwendige Streitpartei bildeten.
Zum Einwand des Mangels der Anspruchsberechtigung entgegnete der Kläger, daß ihn seine Ehefrau zur Klagsführung ermächtigt hätte. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinne ab. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.
In rechtlicher Beurteilung hatte das Erstgericht gefolgert:
Der Kläger und seine Rechtsvorgänger (im Eigentum der Liegenschaft EZ 145) hätten in der Vorstellung, ein Recht auszuüben, und ohne Widerspruch der Beklagten den über deren Grund führenden Wiesenweg in den Jahren 1950 bis 1987 in regelmäßigen Abständen zur Bewirtschaftung des Grundstückes 999 benützt. Damit hätten die Eigentümer der Liegenschaft EZ 145 ein Fahrtrecht über das Grundstück 1006/2 ersessen. Durch das im Herbst 1987 erfolgte Umackern des Wegstreifens hätten die Beklagten ein Befahren des Weges unmöglich gemacht und damit in ein bestehendes Recht des Klägers eingegriffen. Die Beklagten seien deshalb zur Wiederherstellung des Weges in einen befahrbaren Zustand verpflichtet. Zur Verfolgung dieses Wiederherstellungsbegehrens sei der Kläger auch als bloßer Anteilseigentümer des herrschenden Grundes allein berechtigt, weil sein Begehren nur auf Abwehr eines unzulässigen Eingriffes und nicht auf Feststellung und Verbücherung einer Grunddienstbarkeit gerichtet sei. Der Bestand der Dienstbarkeit sei lediglich als Vorfrage zu prüfen. Das Berufungsgericht verneinte dagegen die Anspruchsberechtigung des Klägers. Es vertrat dazu die Auffassung, es würde zu unlösbaren Verwicklungen führen, wenn jedem Miteigentümer des herrschenden Grundes ein selbständig ausübbares Klagerecht zur Abwehr von Behinderungen der Dienstbarkeitsausübung zugestanden und die Vorfrage nach Bestand und Umfang der Dienstbarkeit in den einzelnen, von den mehreren Miteigentümern getrennt geführten Rechtsstreiten unterschiedlich gelöst würde. Dem Kläger wäre daher nur gemeinsam mit seiner Ehefrau als der weiteren Miteigentümerin des nach den Klagsbehauptungen herrschenden Grundes die klageweise Geltendmachung von Rechten aus der behaupteten Dienstbarkeit zugestanden. Der Kläger ficht das abändernde Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO wegen unrichtiger Lösung der nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierten Frage nach dem selbständig ausübbaren Klagerecht eines Miteigentümers des herrschenden Grundes zur Abwehr von Behinderungen der Ausübung einer Grunddienstbarkeit mit einem auf Wiederherstellung des klagsstattgebenden Urteiles erster Instanz zielenden Abänderungsantrag an.
Die Beklagten erachten die Revisionszulässigkeit nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht als gegeben und streben hilfsweise die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Steht das Eigentum oder ein anderes dingliches Recht einer Personenmehrheit gemeinschaftlich zu, ist grundsätzlich jeder einzelne Mitberechtigte befugt, Eingriffe in das ihm gemeinschaftlich mit anderen zustehende Recht abzuwehren. Das wurde in der Lehre (Ehrenzweig, System2, I/2, 302; Klang in Klang2, III, 1093 f und II, 602) und - mit hier nicht erheblichen Einschränkungen auch in der Rechtsprechung (SZ 1/72, SZ 15/48; EvBl 1974/275 u.a.) nicht nur für die Eigentumsfreiheitsklage, sondern insbesondere auch für die Geltendmachung von Rechten aus Grunddienstbarkeiten gefolgert (Ehrenzweig, System2, I/2, 313; Klang in Klang2 II, 601;
Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 523;
Faistenberger/Barta/Call/Eccher in Sachenrecht, 77; EvBl 1974/275, SZ 53/149; aA Schwimann/Pimmer, ABGB, II, § 523 Rz 8). Ein aus einer Grunddienstbarkeit abgeleiteter
Unterlassungs- oder Wiederherstellungsanspruch ist unteilbar. Solche Ansprüche stehen den Miteigentümern des herrschenden Grundes, wenn nicht zur gesamten Hand, so jedenfalls gemeinschaftlich zu. Aus den Regelungen über die Gläubigermehrheit bei gesetzlich oder vertraglich unteilbaren Ansprüchen auf Sachleistung nach den Grundsätzen der gemeinschaftlichen Berechtigung oder Korrealität (§§ 888 ff ABGB) ist das grundsätzliche Forderungsrecht jedes einzelnen Mitberechtigten abzuleiten. Das muß auch für Unterlassungs- und Wiederherstellungsansprüche anerkannt werden. Das Gesetz räumt dem leistungswilligen Schuldner im Falle der schlichten Rechtsgemeinschaft auf Gläubigerseite das Recht auf Sicherung im Sinne des § 890 ABGB ein. In den Fällen, in denen wie bei Unterlassungen oder Wiederherstellung des früheren Zustandes die Erfüllungshandlung zwangsläufig allen Mitgläubigern in gleicher Weise zustatten kommt, bedarf es keiner materiellrechtlichen Sicherungen des Schuldners nach Art des § 890 ABGB. Ein schutzwürdiges Interesse des Schuldners ist lediglich in der Richtung anzuerkennen, daß er aus ein und derselben Rechtsbeziehung bei einer Vielzahl von Gläubigern nicht auch einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt werde. Abhilfe dagegen muß mit den Mitteln des Prozeßrechtes gefunden werden. Wenn auch der Teilhaber das Recht der Gläubigergesamtheit geltend macht, bleibt doch nur er allein Prozeßpartei und die Wirkungen eines klagsabweisenden Urteiles binden nur ihn. Für eine Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf seine am Rechtsstreit nicht beteiligten übrigen Teilhaber fehlt jede Grundlage. Sie wäre auch mit der materiellrechtlichen Lage schwer vereinbar, nach der dem einzelnen Teilhaber die Verfügungsberechtigung zur Beschränkung des Gesamtrechtes fehlt. Der Umstand, daß der Anteilsgläubiger das Gesamtrecht geltend macht, rechtfertigte etwa ein Feststellungsbegehren des Beklagten zur Klärung der Rechtslage gegenüber sämtlichen Teilhabern. Das Berufungsgericht hat die Anspruchsberechtigung des Klägers als eines bloßen Anteilseigentümers des nach seinem Prozeßstandpunkt herrschenden Grundes zu Unrecht verneint. Die Klagsführung stellt keine Ausübung eines nur allen Teilhabern gemeinsam zustehenden Gestaltungsrechtes dar, sie ist nicht auf den Erwerb eines neuen Rechtes, sondern auf die Wiederherstellung eines die Ausübung der behaupteten Dienstbarkeit ermöglichenden Zustandes gerichtet. Das Berufungsgericht wird sich daher unter Bindung an die dargelegte Rechtsansicht über die Anspruchsberechtigung des Klägers einer Entscheidung über die Beweis- und Tatsachenrüge sowie über die Rechtsausführungen in der Berufung zur Frage der Ersitzung der strittigen Dienstbarkeit zu unterziehen haben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E16629European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00524.89.0223.000Dokumentnummer
JJT_19890223_OGH0002_0060OB00524_8900000_000