TE OGH 1989/2/23 7Ob502/89

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Veröffentlicht am 23.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann Z***, Kaufmann, St. Michael 248, vertreten durch Dr. Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Peter Z***, Angestellter, Linz, Hessenplatz 8, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 563.652,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29. September 1988, GZ 13 R 40/87-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 2. April 1987, GZ 5 Cg 219/85-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.032,22 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.457,47 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Firma Peter Z*** Glasbau Gesellschaft mbH & Co KG hatte bei der B*** FÜR O*** UND S*** (im folgenden nur Oberbank) einen Kredit von rund S 1,8 Mill., für den der Beklagte, seine Ehefrau Heide Z*** und seine Mutter Getrud Z*** die Bürgschaft übernommen hatten. Gertrud Z*** ist am 23. November 1984 verstorben. Ihr Nachlaß wurde aufgrund des Testamentes vom 28. September 1981 dem Kläger zur Gänze eingeantwortet. Der Kläger behauptet, daß Gertrud Z*** von der Oberbank aufgrund der Bürgschaft in Anspruch genommen wurde und S 1,690.956,-- bezahlt hat. Er begehrt vom Beklagten als Mitbürgen Rückersatz eines Drittels der von seiner Mutter bezahlten Schuld.

Der Beklagte behauptet, daß seine Mutter auf Rückersatz verzichtet habe, und wendet gegen die Klagsforderung aufrechnungsweise eine Gegenforderung von S 168.000,-- ein. Er habe für einen von seiner Mutter bei der V*** L*** aufgenommenen Kredit von S 500.000,-- die Bürgschaft als Bürge und Zahler übernommen und an die Gläubigerin Zahlung in Höhe des Rückersatzbegehrens geleistet.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Klagsforderung zu Recht und die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und gab demgemäß dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen gründete der Beklagte am 1. Juli 1971 die Peter Z*** Glasbau GesmbH & Co KG. An der GesmbH waren seine Ehefrau zu 75 % und er selbst zu 25 % beteiligt. An der Kommanditgesellschaft war die GesmbH mit 10 % und der Beklagte mit 90 % beteiligt. Im September 1982 wurde sowohl über die GesmbH als auch über die KG der Konkurs eröffnet. Der Beklagte hatte ein ähnliches Unternehmen in Gallneukirchen erworben, über das aber gleichfalls der Konkurs eröffnet wurde. Schon vor der Konkurseröffnung mußte der Beklagte namhafte Kredite zur Abdeckung der Firmenschulden aufnehmen und für diese Kredite die Bürgschaft übernehmen. Für einen Teil der Kredite übernahm die Bürgschaft auch seine Mutter und wendete zur Abdeckung solcher Schulden S 8 bis 9 Mill. auf. Im Jahre 1984 nahm Gertrud Z*** für den Beklagten bei der V*** L*** einen Kredit auf, für den der Beklagte die Bürgschaft übernahm. Im Rahmen dieser Bürgschaft mußte der Beklagte S 168.000,-- an die V*** L*** leisten. Durch den Verkauf einer der Gertrud Z*** gehörenden Liegenschaft wurden mehrere Kredite abgedeckt, unter anderem auch am 17. Juli 1979 der Kredit bei der Oberbank, der mit S 1,690.956,-- aushaftete.

Mit Notariatsakt vom 25. Juni 1981 verzichtete der Beklagte vorbehaltslos und unwiderruflich seiner Mutter gegenüber auf sämtliche Erb- und Pflichtteilsansprüche. Ein Motiv oder eine Gegenleistung scheinen in dem Notariatsakt nicht auf. Dem Beklagten erklärte seine Mutter damals, daß er jetzt ohnehin schon soviel bekommen habe und sein Bruder dadurch später benachteiligt sein könnte. Mit Testament vom 28. September 1981 setzte Gertrud Z*** den Kläger zum Alleinerben ein. Das Testament hat den Beisatz: "Mein Sohn Peter Z*** hat zur Bezahlung seiner Schulden von mir bereits große Beträge erhalten, die weit mehr ausmachen, als ihm rechtmäßig überhaupt hätten zukommen sollen. Er erhält daher nach meinem Ableben von mir nichts und hat im übrigen am 25. 6. 1981 ...... mit mir einen Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen." Der Wunsch der Gertrud Z*** war es, daß sich die beiden Parteien nicht streiten sollten. Das eidesstättige Vermögensbekenntnis des Klägers im Verlassenschaftsverfahren nach seiner Mutter weist Aktiven von S 2,207.666,79 und Passiven von S 1,882.154,--, sohin einen Reinnachlaß von S 325.512,79 aus. Unter den Aktiven befinden sich Regreßforderungen gegen den Beklagten von S 496.022,31, S 250.000,--, S 891.591,-- und S 41.000,--; die klagsgegenständliche Bürgschaft scheint darunter nicht auf. Dem Kläger erzählte seine Mutter nichts von den Bürgschaften für die Kommanditgesellschaft. Auch der Kläger hat von seiner Mutter Geld erhalten, und zwar S 2,6 Mill. als Geschäftseinlage für die von ihm gegründete Firma Hans Z*** Glasbau Gesellschaft mbH und S 560.000,-- anläßlich seiner Ehescheidung.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe ein ausdrücklicher Verzicht der Gertrud Z*** auf ihre Regreßansprüche aus der Bürgschaft nicht festgestellt werden können. Bei einem schlüssigen Verzicht müsse sich der Verzichtende seiner Forderung auch bewußt sein. Ein solches Bewußtsein der Gertrud Z*** sei hier nicht gesichert. Hätte Gertrud Z*** auf ihre Rückgriffsansprüche verzichten wollen, hätte es nahegelegen, diesen Verzicht im Notariatsakt oder sonst festzuhalten.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht übernahm nach einer Beweiswiederholung die Feststellungen des Erstgerichtes und stellte ergänzend fest, daß der Beklagte nach dem Erb- und Pflichtteilsverzicht mit seiner Mutter nicht mehr über deren finanzielle Zuwendungen an seine Firmen gesprochen hat. Die Mutter des Beklagten hat diese Beträge auch nie zurückverlangt, sie wußte aber, daß der Beklagte nichts hätte zahlen können. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes habe Gertrud Z*** schlüssig auf ihre Regreßforderungen verzichtet. Der Beklagte habe aus dem Verhalten seiner Mutter im Anschluß an die Kreditrückzahlungen annehmen dürfen, daß sie Regreßforderungen nicht mehr geltend machen wolle. Hätte Gertrud Z*** die Absicht gehabt, Rückgriffsansprüche aus den Kreditrückzahlungen gegen den Beklagten geltend zu machen, wäre das von ihr sowohl beim Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag als auch im Testament zum Ausdruck gebrachte Motiv in Frage gestellt worden. Ob Gertrud Z*** auch auf ihre Regreßansprüche gegen die Frau des Beklagten verzichtet habe, sei für den vorliegenden Rechtsstreit bedeutungslos. Dem Umstand, daß der Verzicht, weder im Notariatsakt noch sonst ausdrücklich festgehalten worden sei, komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil die Beteiligten in einem nahen Familienverhältnis zueinander gestanden seien, bei dem es nicht üblich sei, alle gegenseitigen Rechte und Pflichten schriftlich festzuhalten. Die Überlegungen des Erstgerichtes, daß die Vermögenslage der Gertrud Z*** zur Zeit des Abschlusses des Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages nicht besser gewesen sei als bei ihrem Tod, seien nicht zielführend, weil über die Vermögenslage der Gertrud Z*** zu diesen Zeitpunkten weder Behauptungen noch Feststellungen vorlägen. Für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes spräche schließlich auch der Umstand, daß Gertrud Z*** Regreßforderungen gegen den Beklagten nie geltend gemacht hat.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Die Gerichtstätigkeit der Sammlung des Prozeßstoffes wird durch das Parteienvorbringen bestimmt (vgl. RZ 1979/16). Dem aus dem Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag und den Erklärungen der Gertrud Z*** vom Beklagten abgeleiteten Regreßverzicht setzte der Kläger zwar die Behauptung entgegen, der Vertrag habe (lediglich) bezweckt, weitere Schäden am Vermögen der Mutter der Streitteile infolge Zahlungsunfähigkeit des Beklagten zu vermeiden (AS 15). Auf den hiefür angebotenen Beweis hat der Kläger in der Folge verzichtet, weitere Tatumstände wurden nicht vorgebracht und - mit Ausnahme der vorgelegten Urkunden - auch keine weiteren Beweise angeboten. Die im Revisionsverfahren vorgetragenen Neuerungen sind unbeachtlich. Es kann daher unerörtert bleiben, ob diese überhaupt eine andere rechtliche Beurteilung zur Folge haben könnten. Soweit der Rechtsmittelwerber Nichtverwertung der vorgelegten und vom Berufungsgericht auch verlesenen Urkunden behauptet, bekämpft er in Wahrheit in unzulässiger Weise nur die Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 510 Abs. 3 ZPO Abstand genommen.

Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß auf ein Recht auch durch konkludentes Verhalten verzichtet werden kann, daß jedoch bei Beurteilung der Frage, ob ein konkludenter Verzicht vorliegt, Zurückhaltung geboten ist. Es müssen Umstände vorliegen, die diesen Schluß rechtfertigen (SZ 51/15 uva). Für die Beurteilung eines konkludenten Verzichtes ist jedoch nicht das Vorhandensein einer entsprechenden Absicht, sondern der Eindruck maßgebend, den der Erklärungsempfänger von den Erklärungen und dem Gesamtverhalten seines Partners gewinnen durfte und gewonnen hat (JBl 1987, 169; ImmZ 1975, 73; 1 Ob 573/79; 7 Ob 672/76; ua.). Dem Berufungsgericht ist auch in der Beurteilung des Verhaltens der Gertrud Z*** als schlüssigem Verzicht auf ihre Regreßansprüche aus der Bürgschaft beizupflichten. Nach den Feststellungen hatte Gertrud Z*** bis zum Jahre 1981 bereits namhafte Beträge aufgrund ihrer Bürgschaft für die Schulden der Unternehmungen des Beklagten bezahlt. Am 25. Juni 1981 wurde dann der Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen, ohne daß der Beklagte eine Abfindung erhalten hätte. Daß er schon vorher eine Abfindung erhalten hätte, wurde nicht einmal behauptet. Mangels einer Abfindung oder einer sonstigen Zuwendung an den Beklagten konnte dieser dann aber die Erklärung seiner Mutter, "er habe jetzt ohnehin schon so viel bekommen", nur so verstehen, daß sie ihm gegenüber auf eine Rückforderung der bis dahin geleisteten Zahlungen von Bürgschaftsschulden verzichtet. Ist aufgrund der Erklärungen der Gertrud Z*** anläßlich des Abschlusses des Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages ein solcher Verzicht anzunehmen, kommt der Frage keine Bedeutung mehr zu, ob aus der Unterlassung der Geltendmachung des Anspruchs durch längere Zeit bereits auf einen Verzicht geschlossen werden dürfe. Aus dem Gesagten folgt bereits, daß die Behauptung des Klägers unrichtig ist, der Beklagte habe keine Umstände erwiesen, durch die ein Verzicht zum Ausdruck gebracht worden wäre. Insoweit die Revision von anderen Gründen für den Erb- und Pflichtteilsverzicht ausgeht, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E16862

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00502.89.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19890223_OGH0002_0070OB00502_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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