TE OGH 1989/2/23 13Os10/89

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Veröffentlicht am 23.02.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Februar 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer (Berichterstatter), Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Telfser als Schriftführers in der Strafsache gegen Horst H*** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 1.Dezember 1988, GZ. 20 j Vr 2889/88-72, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Wasserbauer, des Angeklagten Horst H*** und des Verteidigers Dr. Josef Wegrostek zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 10.Oktober 1968 geborene Kunststoffverarbeiter Horst H*** wurde des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB. schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 15.März 1988 in Wien Alexej Sascha D*** durch fünfundzwanzig Messerstiche in den Oberkörper, beiderseits der Wirbelsäule und in die Halsregion vorsätzlich getötet hat.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte macht Urteilsnichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z. 6 StPO. geltend, weil keine Fragen nach Notwehr oder Notwehrüberschreitung gestellt worden sind.

Indes bietet die vom Angeklagten in der Hauptverhandlung vorgebrachte (siehe §§ 313, 314 StPO.) Darstellung des Geschehensablaufs, auf die er sich in seinem Rechtsmittel beruft, keinen Anhaltspunkt dafür, daß er nur in Notwehr oder in deren Überschreitung (§ 3 StGB.) gehandelt habe. Der Angeklagte hat die Tötung des D*** durch zahlreiche Messerstiche, die er im Vorverfahren noch mit einer Haßreaktion gegenüber dem wehrlos auf dem Boden liegenden Opfer begründet hatte (S. 212/I ON. 9), in der Hauptverhandlung mit einer Erinnerungslücke (S. 191/II) abgetan und lediglich Fußtritte seines Begleiters gegen den auf dem Boden Liegenden behauptet (S. 188/II). Das in der Hauptverhandlung vom Angeklagten lediglich einbekannte Niederstoßen des D*** erklärte er als Zornreaktion (II. Bd. S. 186, 195) auf ein vorheriges aggressives Verhalten des D***, dem er daraufhin mit Mißhandlungsvorsatz in einen dunklen Park gefolgt sei, wo er ihn zu Boden geworfen habe. Die insgesamt fünfundzwanzig, mit einem Feldmesser geführten wuchtigen Stiche gegen den zugegebenermaßen wehrlos auf dem Boden liegenden und um Hilfe rufenden D*** (S. 188/II) konnte der Angeklagte selbst nicht als Abwehrhandlungen bezeichnen.

Sonach hat der Beschwerdeführer in seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung selbst keine Tatsachen vorgebracht, die Anlaß für Zusatzfragen (§ 313 StPO.) nach Notwehr (Rechtfertigung) oder Notwehrüberschreitung (Schuldausschließung) sowie für eine allenfalls anschließende Eventualfrage (§ 314 StPO.) nach fahrlässiger Notwehrüberschreitung aus einem asthenischen Affekt (§ 80 StGB.) hätten geben können. Derartige Tatsachen (§§ 313, 314 StPO.) sind auch von niemand anderem in der Hauptverhandlung vorgebracht worden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den zur Tatzeit neunzehneinhalb Jahre alten Angeklagten die höchstmögliche Strafe von zwanzig Jahren (§ 36 StGB.). Als erschwerend wurden die einschlägigen Vorstrafen, als mildernd hingegen das Teilgeständnis, das zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, berücksichtigt. Den Zurechnungsunfähigkeit nicht begründenden Rauschzustand des Angeklagten zur Tatzeit wertete das Geschwornengericht ebensowenig als mildernd wie eine etwaige Provokation seitens des Opfers. Die Berufung, welche erneut diese Umstände herausstreicht, ist auf die Begründung des Erstgerichts zu verweisen: Der Rauschzustand wird durch den Vorwurf, den die Alkoholisierung begründet, aufgewogen (§ 35 StGB.), weil der Angeklagte wußte, daß er, alkoholbeeinträchtigt, zu Gewalttaten neigt und solche auch schon in diesem Zustand gesetzt hat (s. Strafvorakten). Angesichts der brutalen Reaktion des Angeklagten gegenüber D*** verliert dessen etwa vorangegangenes herausforderndes Verhalten jegliche Bedeutung. Es zeigt vielmehr die Art, wie der Angeklagte einen fast gleichaltrigen jungen Menschen gleichsam "abgestochen" (so die eigenen Worte des Täters S. 213/I) und hernach noch, um dessen Identifizierung zu erschweren, dessen Gesicht gräßlich entstellt hat, einen emotionslos kalten Mörder. Die Entsetzlichkeit des Geschehens läßt die Dimension des in der Tat aktualisierten Gesinnungsunwerts in bestürzenden Konturen hervortreten (zum Gesinnungsunwert siehe RZ. 1988/6 S. 20, 9 Os 42/71, 11 Os 118/72, 9 Os 129/75, 13 Os 115/80; Gallas, Beiträge zur Verbrechenslehre, Berlin 1968, S. 13 ff., 56, 68 f., 146; Platzgummer in JBl 1971 S. 238). Dieser Unwertdimension muß diejenige der Unrechtsfolge wenigstens einigermaßen entsprechen, soll das namentlich unter präventiven Gesichtspunkten unentbehrliche kriminalpolitische Funktionsmodell der Gerechtigkeit nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Es mußte darum die Verhängung der Höchststrafe (§ 36 StGB.) bestätigt werden.

Anmerkung

E16725

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00010.89.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19890223_OGH0002_0130OS00010_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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