TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/19 2002/08/0236

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Veröffentlicht am 19.10.2005
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
72/01 Hochschulorganisation;
72/16 Sonstiges Hochschulrecht;

Norm

Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten 1974 §1 Abs2;
Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten 1974 §1 Abs5;
ASVG §35;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
UOG 1993 §30 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 23. August 2002, Zl. 126.336/1-6/2002, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Bund, Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr, nunmehr Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wirtschaftsuniversität Wien in 1090 Wien, Augasse 2-6; 2. Mag. Z in W; 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65;

4. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55-57; 5. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Seit 1988 wurde die Zweitmitbeteiligte immer wieder mit der Abhaltung von Lehrveranstaltungen an der Wirtschaftsuniversität Wien für jeweils ein Semester betraut. Abhängig von der Wochenstundenanzahl des jeweiligen Lehrauftrages und der entsprechenden Abgeltung war die Zweitmitbeteiligte entweder zur Voll- und Arbeitslosenversicherung oder lediglich zur Teilversicherung in der Unfallversicherung gemeldet.

Auch im Wintersemester 1998/1999 (in der Folge: WS 1998/99) erhielt die Zweitmitbeteiligte einen nicht remunerierten Lehrauftrag. Die Zweitmitbeteiligte wurde von der Wirtschaftsuniversität Wien zunächst für den Zeitraum von 1. Oktober 1998 bis 31. März 1999 auf Grund einer Lehrtätigkeit im Ausmaß von vier Wochenstunden zur Voll- und Arbeitslosenversicherung gemeldet.

Mit Schreiben an die Universitätsdirektion der Wirtschaftsuniversität Wien vom 23. November 1999 bat die Zweitmitbeteiligte um rückwirkende Abmeldung bei der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse für das WS 1998/99. Da sie Bezieherin von Notstandshilfe sei, der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung mit einer vollversicherungspflichtigen Tätigkeit jedoch nicht vereinbar sei, habe sie das "Problem" seit mehreren Semestern intern mit dem Institut für Slawische Sprachen so "gelöst", dass sie jeweils eine der vier - die Vollversicherungspflicht auslösenden - Wochenstunden widerrufen habe. Nach dieser internen Vereinbarung sollten lediglich drei Stunden abgegolten und eine Stunde gratis abgehalten werden. Im WS 1998/99 sei ihr mitgeteilt worden, dass dies in Hinkunft nicht mehr möglich sei, und man habe sich von Anfang an auf eine Lehrtätigkeit im Ausmaß von drei Wochenstunden geeinigt. Dennoch seien ihr vier Stunden abgegolten worden. Im Sommersemester 1999 sei sie nicht mehr arbeitslos gewesen und habe daher mehr verdienen dürfen. In diesem Semester sei sie jedoch irrtümlich als geringfügig beschäftigt gemeldet worden.

In einem weiteren Schreiben an die Universitätsdirektion vom 14. Dezember 1999 bat die Zweitmitbeteiligte nochmals um Änderung der Meldung bei der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse und bot gleichzeitig die Rücküberweisung der geleisteten "Überbezahlung" für die vierte Wochenstunde im WS 1998/99 an.

In der Folge ersuchte die Universitätsdirektion die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse um Abänderung der Versicherungsmeldung, dass die Zweitmitbeteiligte im Zeitraum von 1. Oktober 1998 bis 28. Februar 1998 geringfügig und ab dem 1. März 1999 vollversichert beschäftigt gewesen sei.

Die Anfrage der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse, ob die Zweitmitbeteiligte nun tatsächlich einen drei- oder vierstündigen nicht remunerierten Lehrauftrag im WS 1998/99 erhalten habe, beantwortete die Universitätsdirektion der Wirtschaftsuniversität Wien mit Schreiben vom 13. April 2000 dahingehend, dass die Zweitmitbeteiligte mit der Abhaltung von vier Wochenstunden betraut worden sei, einer internen Vereinbarung gemäß jedoch lediglich drei Wochenstunden abgegolten worden seien.

2. Mit Bescheid vom 21. April 2000 sprach die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse aus, dass die Zweitmitbeteiligte auf Grund ihrer Beschäftigung als Lehrbeauftragte auch in der Zeit von 1. Oktober 1998 bis 31. März 1999 der Voll(Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Es sei zu beurteilen, ob die Zweitmitbeteiligte im Streitzeitraum der Voll(Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherung und der Versicherung nach dem AlVG oder nur der Teilversicherung in der Unfallversicherung unterlegen sei. In der Begründung wurde - ergänzend zum eingangs dargestellten, unstrittigen Sachverhalt - ausgeführt, die Zweitmitbeteiligte sei im WS 1998/99 mit der Abhaltung eines nicht remunerierten Lehrauftrages im Ausmaß von vier Wochenstunden betraut worden, den sie auch erfüllt habe. Deshalb gebühre ihr auch eine monatliche Abgeltung in Höhe von S 3.937,--, welche die Geringfügigkeitsgrenze übersteige. Selbst wenn ein Dienstnehmer auf die Auszahlung von Ansprüchen verzichte, vermöge dies nichts an der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung zu ändern, auch dann nicht, wenn negative Auswirkungen für den Pflichtversicherten damit verbunden seien.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Zweitmitbeteiligte Einspruch und führte darin aus, im WS 1998/99 mit einem vierstündigen, nicht remunerierten Lehrauftrag betraut worden zu sein. Da sie zu dieser Zeit arbeitslos gewesen sei, habe sie mit "ihrem unmittelbaren Dienstgeber", dem Institut für Slawische Sprachen, eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit vereinbart, um die Geringfügigkeitsgrenze nicht zu überschreiten. Diese Reduzierung sei der Universitätsdirektion unmittelbar nach der Vereinbarung mitgeteilt, jedoch von dieser nicht erfasst worden. Dadurch sei sie als vollversichert gemeldet worden; die Bezahlung sei jedoch vereinbarungsgemäß für drei Stunden, nämlich in der Höhe von S 2.952,-- erfolgt. Im Sommersemester 1999 hingegen sei der Lehrauftrag der Zweitmitbeteiligten wieder auf vier Stunden erhöht worden, die Zweitmitbeteiligte jedoch irrtümlicherweise dennoch als "geringfügig" beschäftigt gemeldet worden. Die Annahme der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse, wonach die Zweitmitbeteiligte der Universität eine nachträgliche Rückzahlung wegen Überbezahlung angeboten habe, entspreche nicht der Wahrheit. Die Überbezahlung sei ihrem Steuerberater bei der Übersicht ihrer Gehaltszettel sofort aufgefallen, woraufhin dieser sofort bei der Quästur der Universität urgiert habe und die Überbezahlung bereits im SS 1999 von ihrem Gehalt abgezogen worden sei.

Weiters führte die Zweitmitbeteiligte aus, lediglich drei Wochenstunden in vollem Ausmaß abgehalten zu haben. Eventuelle weitere Stunden habe sie im Rahmen ihrer "Gratis-Lehrveranstaltung" abgehalten. Darunter verstehe man solche Stunden, die üblicherweise Lektoren der Universität mit dem Einverständnis der jeweiligen Institute für interessierte Studenten abhalten dürften. Für diese Stunden werde kein Lehrauftrag erteilt.

Da eine Lektorin an der Universität weder über einen Arbeitsvertrag verfüge noch in einem richtigen Dienstverhältnis stehe, sei nicht der bescheidmäßig erteilte Lehrauftrag über eine bestimmte Stundenquote, sondern die Zustimmung zum Lehrauftrag entscheidend. Auch in dem Bescheid über die Erteilung des Lehrauftrages finde sich der Hinweis, dass dieser erst mit der Zustimmung der Beauftragten wirksam werde. Im WS 1998/99 habe sie der Abhaltung von drei Wochenstunden zugestimmt. Diese drei Wochenstunden habe sie in vollem Ausmaß abgehalten und lediglich diese seien auch abgegolten worden.

Die zweitmitbeteiligte Partei legte ihrem Einspruch u.a. das Schreiben des Instituts für Slawische Sprachen vom 11. April 2000 an den Universitätsdirektor (das Institut für Slawische Sprachen bestätigt, dass im WS 1998/99 die vierte Stunde Lehrauftrag (der Zweitmitbeteiligten) infolge eines Missverständnisses nicht schriftlich widerrufen wurde) und das Schreiben des Universitätsdirektors der Wirtschaftsuniversität Wien vom 13. April 2000 an die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse (... Es ist richtig, dass (die Zweitmitbeteiligte) im WS 1998/99 mit der Abhaltung eines vierstündigen nicht remunerierten Lehrauftrages betraut wurde. Allerdings erhielt sie tatsächlich nur drei nicht remunerierte Stunden abgegolten. Dies resultierte aus einer internen Vereinbarung, welche vom Institut für Slawische Sprachen mit (der Zweitmitbeteiligten) abgeschlossen wurde. Die Universitätsdirektion hat die Berichtigung der Anmeldung zur Gebietskrankenkasse entsprechend des vorliegenden Sachverhaltes vorgenommen ...) bei.

In Beantwortung eines Vorhaltes der Einspruchsbehörde teilte das Institut für Slawische Sprachen mit Schreiben vom 4. Juli 2000 mit, dass die Zweitmitbeteiligte im WS 1998/99 am Institut vier Wochenstunden, drei davon nicht remuneriert und eine unentgeltlich, abgehalten habe.

4. Mit Bescheid vom 17. August 2000 gab der Landeshauptmann von Wien dem Einspruch der Zweitmitbeteiligten keine Folge und bestätigte den Bescheid der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse. In der Begründung wurde nach Schilderung des Sachverhaltes ausgeführt, ausschließlich strittig sei, ob die Zweitmitbeteiligte im WS 1998/99 mit der Abhaltung eines vier- oder dreistündigen, nicht remunerierten Lehrauftrages betraut gewesen sei und ob sie tatsächlich lediglich drei Stunden abgehalten bzw. abgegolten erhalten habe. Aus der Bestätigung der Universitätsdirektion vom 13. April 2000 gehe hervor, dass der erteilte, nicht remunerierte Lehrauftrag im WS 1998/99 vierstündig gewesen sei, der Zweitmitbeteiligten jedoch nur drei Wochenstunden abgegolten worden seien. Eine weitere Anfrage an die Universitätsdirektion habe ergeben, dass die Zweitmitbeteiligte einen vierstündigen Lehrauftrag erhalten und diesen zur Gänze erfüllt habe. Ungeachtet dessen, dass sie allenfalls tatsächlich nur drei Stunden abgegolten erhalten habe, sei ihr im WS 1998/99 eine monatliche Abgeltung in der Höhe von S 3.937,30 zugestanden. Da mit diesem Betrag die in den Jahren 1998 und 1999 geltende Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden sei, sei die Zweitmitbeteiligte im WS 1998/99 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen.

5. In ihrer Berufung gegen diesen Bescheid führte die Zweitmitbeteiligte aus, ihr ursprünglicher Lehrauftrag sei von vier nicht remunerierten Stunden auf drei Stunden reduziert worden. Da das Institut für Slawische Sprachen über diese Reduzierung nur die Lohnverrechnung (Quästur), nicht aber die Verwaltung (Universitätsdirektion) schriftlich informiert habe, sei eine Fehlanmeldung bei der Gebietskrankenkasse als "vollbeschäftigt" erfolgt. Nach Rücksprache mit dem Institut habe die Universitätsdirektion die Richtigstellung vorgenommen. Es habe für die "Gratis-Stunde" keinen Lehrauftrag gegeben. Dabei habe es sich um soziales Engagement ihrerseits gehandelt. Viele Lektoren seien bereit, im Interesse der Studierenden ihre Freizeit zu opfern, um interessierte Studenten in ihrem Studium zu begleiten. Für die weitere, vierte Wochenstunde sei ihr lediglich ein Raum von der Universität zur Verfügung gestellt und die "Erlaubnis" erteilt worden, eine Art "Nachhilfe-Veranstaltung" abzuhalten. Weiters führte die Zweitmitbeteiligte aus, die "Gratis-Stunde" habe des Öfteren gar nicht stattgefunden. Da ihre vertraglich geregelte Lehrverpflichtung lediglich drei Stunden betragen habe, sei sie nicht verpflichtet gewesen, diese Tatsache der Universität zu melden. Vollständig habe sie somit lediglich ihren dreistündigen Lehrauftrag erfüllt.

Die Zweitmitbeteiligte legte der Berufung das Schreiben des Institutes für Slawische Sprachen vom 14. September 2000 mit folgendem Wortlaut bei:

"Im Wintersemester 1998/99 wurde das für Frau (Zweitmitbeteiligte) ursprünglich beantragte Kolleggeld (dh 2 nichtremunerierte Lehraufträge im Ausmaß von insgesamt 4 SWS) auf eine dreistündige Lehrverpflichtung (dh 2 nichtremunerierte Lehraufträge im Ausmaß von insgesamt 3 SWS) reduziert. Frau (Zweitmitbeteiligte) hat in diesem Semester somit einen einstündigen nichtremunerierten und einen zweistündigen nichtremunerierten Lehrauftrag erfüllt. Die von ihr zusätzlich abgehaltene Gratis-Lehrveranstaltung im Ausmaß von 1 SWS erfolgte nicht im Rahmen dieser Lehraufträge."

6. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Zweitmitbeteiligten gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge und sprach in Abänderung des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien aus, dass die Zweitmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit als Lehrbeauftragte (Lektorin) beim Dienstgeber Republik Österreich, Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr (jetzt Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur), in der Zeit vom 1. Oktober 1998 bis 31. März 1999 der Teilversicherungspflicht in der Unfallversicherung, nicht jedoch der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen sei.

In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, es seien mehrere Bestätigungen vorgelegt worden. Mit Schreiben vom 11. April 2000 habe das Institut für Slawische Sprachen dem Universitätsdirektor gegenüber bestätigt, dass im WS 1998/99 die vierte Stunde in Folge eines Missverständnisses nicht widerrufen worden sei. Das Büro des Universitätsdirektors habe mit Schreiben vom 12. Mai 2000 bestätigt, dass das Entgelt der Zweitmitbeteiligten im WS 1998/99 für einen Lehrauftrag im Ausmaß von drei nicht remunerierten Wochenstunden monatlich S 2.952,-- betragen habe. Im Schreiben vom 7. Juli 2000 habe das Institut ausgeführt, dass die Zweitmitbeteiligte im WS 1998/99 vier Stunden - drei davon nicht remuneriert, eine "gratis" - abgehalten habe. Mit Schreiben vom 14. September 2000 habe das Institut wiederum bestätigt, dass die ursprünglich vereinbarte Lehrverpflichtung auf eine dreistündige Lehrverpflichtung (zwei nicht remunerierte Lehraufträge im Ausmaß von insgesamt drei Semesterwochenstunden) reduziert worden sei. Die Zweitmitbeteiligte habe demnach in diesem Semester einen einstündigen nicht remunerierten und einen zweistündigen nicht remunerierten Lehrauftrag erfüllt. Die von ihr zusätzlich abgehaltene "Gratis Lehrveranstaltung" sei nicht im Rahmen dieser Lehraufträge erfüllt worden.

Die vorgelegten Bestätigungen brächten klar zum Ausdruck, dass die Zweitmitbeteiligte nicht mit einem vierstündigen Lehrauftrag betraut worden sei, sondern einen einstündigen nicht remunerierten und einen zweistündigen nicht remunerierten Lehrauftrag erfüllt habe. Die zusätzliche, "gratis" abgehaltene Lehrveranstaltung im Ausmaß von einer Wochenstunde sei nicht im Rahmen dieser Lehraufträge abgehalten worden. Aus diesem Grund habe der Zweitmitbeteiligten im WS 1998/99 nicht eine monatliche Abgeltung in Höhe von S 3.937,30 sondern eine Abgeltung in Höhe von S 2.953,-- gebührt. Die in den Jahren 1998 und 1999 in Betracht kommende Geringfügigkeitsgrenze sei daher nicht überschritten worden.

7. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde der Gebietskrankenkasse mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die erstmitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt und - ebenso wie die übrigen Mitbeteiligten -

von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

8. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Feststellung der Vollversicherung (d.h. Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung) und der Feststellung einer Teilversicherung (im Beschwerdefall der Unfallversicherung) um zwei verschiedene Gegenstände des Verfahrens. Die (hier in Rede stehende) Unfallversicherung ist nämlich im Verhältnis zur Vollversicherung kein modifiziertes, sondern ein anderes Rechtsinstitut (vgl. etwa das Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, 99/08/0007, m.w.N.).

Die erstmitbeteiligte Partei beantragte die Feststellung, dass die Tätigkeit der Zweitmitbeteiligten nicht wie gemeldet der Voll(Kranken-, Unfall-, Pensions-)versicherungspflicht nach dem ASVG, sondern nur der Teilversicherung in der Unfallversicherung unterliege.

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hat mit ihrem Bescheid die Vollversicherungspflicht der Zweitmitbeteiligten nach dem ASVG und die Versicherungspflicht nach dem AlVG auf Grund ihrer Beschäftigung als Lehrbeauftragte festgestellt und die beantragte Richtigstellung der Anmeldung von Voll- auf Teilversicherung abgelehnt. Diese Formulierung des Spruches im Zusammenhang mit der Begründung des Bescheides zeigt, dass der Antrag der erstmitbeteiligten Partei abgewiesen wurde und die Kasse gleichzeitig von Amts wegen über die Versicherungspflicht der Zweitmitbeteiligten gemäß § 410 Abs. 1 Z. 1 ASVG entschieden hat. Die belangte Behörde hat daher mit ihrem Abspruch die "Sache" des Verfahrens nicht überschritten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründet ein remunerierter Lehrauftrag ein sozialversicherungsrechtliches Dienstverhältnis (vgl. das Erkenntnis vom 28. November 1995, 94/08/0243, m.w.N.). Dieses die Vollversicherungspflicht nach ASVG begründende Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG besteht - auch nach dem im Beschwerdefall maßgebenden UOG 1993 - zum Bund als Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG. Zwischen den Parteien des Verfahrens steht nicht in Streit, dass dasselbe auch für das durch einen nicht remunerierten Lehrauftrag begründete Beschäftigungsverhältnis (bei dem an die Stelle der Remuneration die (Kollegiengeld-)Abgeltung tritt) gilt. Feststellungen dazu hat die belangte Behörde allerdings nicht getroffen, sodass der Sachverhalt insoweit ergänzungsbedürftig geblieben ist. Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird.

Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse macht sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, der Zweitmitbeteiligten sei ein Lehrauftrag im Ausmaß von vier Wochenstunden mit einem Bescheid erteilt worden. Eine Änderung dieser Erteilung, die ebenfalls mittels eines Bescheides zu verfügen gewesen wäre, habe nicht stattgefunden. Die Zweitmitbeteiligte habe diesen Lehrauftrag auch tatsächlich im vollem Umfang erfüllt. Die Abgeltung dieser Lehrtätigkeit werde durch das Bundesgesetz über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Universitäten geregelt. Die dort genannten Beträge seien daher der "Anspruchsverdienst" im Sinne der Bestimmungen des ASVG. Das der Zweitmitbeteiligten gebührende Entgelt auf Grund dieses Gesetzes übersteige zweifelsfrei im Streitzeitraum die jeweils geltende monatliche Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG.

Die Zweitmitbeteiligte hat im Verwaltungsverfahren zunächst vorgebracht, dass ihr ein vierstündiger Lehrauftrag erteilt worden und der Widerruf der vierten Stunde irrtümlich nicht erfolgt sei. In der Folge hat sie im Berufungsverfahren ausgeführt, dass der Lehrauftrag nur drei Stunden umfasst habe, die vierte von ihr abgehaltene Stunde sei nicht vom Lehrauftrag erfasst gewesen. Im Übrigen habe diese vierte Stunde "wegen Mangel an Teilnehmer sowieso viel zu oft nicht stattgefunden".

Für die belangte Behörde war ausschlaggebend, dass das Institut für Slawische Sprachen der Wirtschaftsuniversität Wien mit Schreiben vom 14. September 2000 bestätigt hat, dass das im Wintersemester 1998/99 für die Zweitmitbeteiligte ursprünglich beantragte Kolleggeld, d.h. für zwei nicht remunerierte Lehraufträge im Ausmaß von insgesamt vier Wochenstunden, auf eine dreistündige Lehrverpflichtung reduziert worden sei. Die Zweitmitbeteiligte habe in diesem Semester einen einstündigen und einen zweistündigen jeweils nicht remunerierten Lehrauftrag erfüllt. Die von ihr zusätzlich abgehaltene Lehrveranstaltung im Ausmaß von einer Wochenstunde sei nicht im Rahmen dieser Lehraufträge erfolgt. Das Entgelt für die vom Lehrauftrag erfassten drei Wochenstunden läge unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG.

Die Bestimmungen der §§ 30 und 43 des für den Streitzeitraum maßgebenden UOG 1993 lauten auszugsweise:

"§ 30. (1) Die Lehrbeauftragten sind Personen, denen eine auf bestimmte Lehrveranstaltungen bezogene Lehrbefugnis zeitlich befristet erteilt wurde.

...

(3) Die Aufgaben der Lehrbeauftragten umfassen:

1.

Durchführung von Lehrveranstaltungen;

2.

Abhaltung von Prüfungen im Rahmen der durchgeführten Lehrveranstaltungen;

3.

Mitwirkung bei Evaluierungsmaßnahmen.

4.

(4) Die Betrauung einer Person mit einem Lehrauftrag erfolgt durch den Studiendekan auf Vorschlag oder nach Anhörung der Studienkommission.

...

(6) Durch die Erteilung eines Lehrauftrages wird kein Dienstverhältnis begründet. Die Abgeltung richtet sich nach besonderen gesetzlichen Bestimmungen.

..."

"§ 43. ...

(2) Dem Studiendekan obliegt die Entscheidung in allen Angelegenheiten, die zur Organisation und Evaluierung des Studien- und Prüfungsbetriebes erforderlich sind, soweit sie nicht in die Zuständigkeit von Prüfern und Prüfungssenaten fallen und soweit nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht ausdrücklich ein anderes Universitätsorgan zuständig ist. Er hat insbesondere folgende Aufgaben:

...

(3) Erteilung von Lehraufträgen auf Vorschlag oder nach Anhörung der Studienkommission unter Berücksichtigung von Evaluierungsergebnissen;

..."

Das Bundesgesetz vom 11. Juli 1974 über die Abgeltung von

Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen (ALP-Gesetz) lautet

für den Streitzeitraum auszugsweise wie folgt:

"Lehrveranstaltungs-Abgeltung

§ 1. ...

(2) Lehrbeauftragten gebührt für jedes Semester, in dem sie Lehrveranstaltungen abgehalten haben, eine Abgeltung, wenn

1. für diese Lehrveranstaltungen kein remunerierter Lehrauftrag erteilt worden ist,

2. während der Gesamtdauer dieser Lehrveranstaltungen, sofern es sich nicht um künstlerischen Einzelunterricht handelt, folgende Mindestteilnehmeranzahl erreicht worden ist:

a)

in Pflichtlehrveranstaltungen drei Studierende,

b)

in anderen Lehrveranstaltungen zehn Studierende.

c)

(3) Für die Abhaltung der in Abs. 1 und 2 genannten Lehrveranstaltungen gebührt je Semesterstunde (§ 7 Abs. 3 des Universitäts-Studiengesetzes, BGBl. I Nr. 48/1997 - UniStG) eine Lehrveranstaltungs-Abgeltung von S 5.790,--. Die Abgeltung für die Lehrtätigkeit gemäß Abs. 1 und 2 darf für eine Person im Semester insgesamt S 23.160,-- nicht übersteigen.

...

(5) Durch eine Lehrtätigkeit gemäß Abs. 1 und 2 wird kein Dienstverhältnis begründet.

...

(7) Steht der Lehrbeauftragte gleichzeitig in einem aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, gilt diese Lehrtätigkeit als Nebentätigkeit gemäß § 37 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, und die Abgeltung als Nebentätigkeitsvergütung gemäß § 25 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54.

...

§ 2. (1) Für Lehrveranstaltungen, die an einer Universität, an der Akademie der bildenden Künste in Wien oder an einer Kunsthochschule auf Grund eines remunerierten Lehrauftrages (§ 38 Abs. 5 und § 43 UOG, § 30 UOG 1993, § 22 Abs. 2 AOG 1988, § 9 Abs. 1 Z. 4 KH-OG) abgehalten werden, besteht Anspruch auf eine Remuneration. ...

Gemeinsame Bestimmungen

§ 7. (1) Anspruch auf die in diesem Bundesgesetz genannten finanziellen Leistungen besteht nur für nachweislich erbrachte Lehr- und Prüfungstätigkeiten. Die §§ 13a und 13b des Gehaltsgesetzes 1956 sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Abgeltungen gemäß § 1 und die Remuneration gemäß § 2 sind in jeweils sechs Monatsraten pro Semester auszuzahlen. Wird die Lehrveranstaltung nicht vollständig abgehalten, ist die Abgeltung bzw. die Remuneration entsprechend zu aliquotieren.

..."

Mit der Erteilung eines Lehrauftrages wird - unbeschadet des Umstandes, dass dadurch kein Dienstverhältnis (§ 1 Abs. 5 ALP-Gesetz, § 30 Abs. 6 UOG 1993) zu Stande kommt - ein Rechtsverhältnis, das verschiedene Rechte und Pflichten des Lehrbeauftragten umfasst, begründet. Dazu gehört u.a. auch der Anspruch auf Abgeltung gemäß § 1 Abs. 2 ALP-Gesetz. Der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse ist zuzustimmen, dass die förmliche Erteilung eines Lehrauftrages jedenfalls auch Voraussetzung für den Entgeltanspruch ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann aber auch der Widerruf eines Lehrauftrages lege non distinguente (als actus contrarius) in Bescheidform vorzunehmen (vgl. das Erkenntnis vom 29. März 2000, 94/12/0021).

Es ist im Verfahren nicht bestritten worden, dass die Zweitmitbeteiligte als Lehrbeauftragte in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt war. Strittig ist nur, ob und in welchen Monaten auf Grund des Entgeltanspruches die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wurde.

Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG in der zeitraumbezogen maßgebenden Fassung ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt nach § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6. Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG (eine Anwendung der Abs. 3, 4 und 6 steht im Beschwerdefall nicht in Rede) sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält. Für die Bemessung der Beiträge ist demnach nicht lediglich das tatsächlich gezahlte Entgelt (Geld- und Sachbezüge) maßgeblich, sondern, wenn es das tatsächlich bezahlte Entgelt übersteigt, jenes Entgelt, auf dessen Bezahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestand.

Auf den Anspruch auf Entgelt für nur drei Wochenstunden kommt es nur insoweit an, als die Zweitmitbeteiligte nicht tatsächlich auch für die vierte Semesterwochenstunde ein Entgelt erhalten hat und dieses nicht als ungebührlich zurückgefordert wurde. Diesfalls wäre auch dieses in die Beitragsgrundlage einzubeziehen. Dazu fehlen aber Feststellungen.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Oktober 2005

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Lehrtätigkeit Vortragstätigkeit Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002080236.X00

Im RIS seit

01.12.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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