TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/19 2004/09/0116

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Veröffentlicht am 19.10.2005
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Index

L26004 Lehrer/innen Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
LKUFG OÖ 1983 §10 Abs1;
LKUFG OÖ 1983 §13 Abs1 Z4;
LKUFG OÖ 1983 §13 Abs6;
LKUFG OÖ 1983 §15 Abs1 Z4;
LKUFG OÖ 1983 §15 Abs2;
LKUFG OÖ 1983 §15 Abs3;
Satzung LKUF OÖ Pkt145;
Satzung LKUF OÖ Pkt148;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der E in L, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Aufsichtsrates der OÖ. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge vom 17. Juni 2004, ohne Geschäftszahl, betreffend Abweisung eines Antrages auf Versehrtenrente nach dem OÖ. Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorgegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Die Oberösterreichische Lehrer- Kranken- und Unfallfürsorge hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Volksschul-Oberlehrerin in Ruhe in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zum Land Oberösterreich.

Ende 1998 erlitt die Beschwerdeführerin eine Mittelohrentzündung, die vollständig ausgeheilt wurde.

Am 21. September 2000 erlitt sie während einer Dienstverrichtung einen Hörsturz im linken Ohr, der durch das Klingeln der Schulglocke unmittelbar neben ihrem linken Ohr verursacht worden war.

Am 31. Januar 2002, am 6. Juni 2002, am 29. Oktober 2002, am 6. Januar 2003 und am 20. März 2003 erlitt die Beschwerdeführerin weitere Hörstürze jeweils im rechten Ohr.

Mit Bescheid des Landesschulrates für Oberösterreich vom 3. September 2002 wurde über Ansuchen der Beschwerdeführerin für die Dauer des Schuljahres 2002/2003 eine Herabsetzung der Lehrpflicht auf 10 Wochenstunden bewilligt.

Mit Eingabe vom 29. Januar 2003 beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung einer Versehrtenrente auf Grund der von ihr erlittenen Hörstürze.

Mit Bescheid des Verwaltungsrates der OÖ Lehrer- Kranken- und Unfallfürsorge vom 26. Mai 2003 wurde dieser Antrag aufgrund der Ergebnisse des eingeholten Sachverständigengutachtens Dris M vom 10. April 2003 unter gleichzeitiger Anerkennung der oben bezeichneten Hörstürze als Dienstunfälle im Sinne des § 10 des OÖ LKUFG im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, es sei durch das Lärmtrauma im September 2000 zu keiner nachhaltigen Beeinträchtigung des Hörvermögens gekommen, passagere Hörstörungen seien Erkrankungen psychogener oder vertebragener Natur; eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Grund der erlittenen Dienstunfälle bestehe nicht.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit Ablauf des 31. August 2003 befindet sich die Beschwerdeführerin im Ruhestand.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin nach Verfahrensergänzung durch Einholung weiterer Gutachten abgewiesen.

Nach Darstellung des bisherigen Verfahrensganges traf die belangte Behörde unter Heranziehung der von ihr eingeholten Sachverständigengutachten die Feststellung, die Beschwerdeführerin habe 1998 an einer Mittelohrentzündung links gelitten. Im September 2000 sei sie unter einer Schulglocke gestanden, die direkt neben dem linken Ohr geläutet habe. Zusätzlich hätten dabeistehende Kinder laut aufgeschrieen. Dabei habe sich das linke Ohr schmerzhaft zusammengezogen und die Beschwerdeführerin habe ein Zischen im linken Ohr gehört. Am nächsten Tag habe sie die HNO-Ambulanz des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Linz aufgesucht und einen Hörtest gemacht. Es seien Infusionen verordnet worden. Das Gehör sei daran anschließend wieder besser geworden, es sei aber ein Tinnitus (Zischen, Klopfen, Klingeln) verblieben. In weiterer Folge seien insgesamt fünfmal Hörstürze aufgetreten, zwei davon am linken Ohr, drei am rechten Ohr, zuletzt im März 2003. Seit dem zweiten Hörsturz bestehe auch ein Ohrensausen rechts. Viermal sei sie in der HNO-Ambulanz der Barmherzigen Brüder behandelt worden, einmal durch den Facharzt Dr. D.

Bei der Behandlung in der HNO-Ambulanz der Barmherzigen Brüder in Linz vom 25. September 2000 sei eine Hoch- und Tieftonstörung links festgestellt worden, wobei ein stationärer Aufenthalt empfohlen worden sei, der aber von der Beschwerdeführerin abgelehnt worden sei. Ein Audiogramm von diesem Tage zeige eine geringfügige Hochtonstörung rechts, eine Tieftonstörung links auf 55 dB und eine Hochtonstörung links auf 40 bis 65 dB. Am 1. Februar 2002, 7. Juni 2002 und 30. Oktober 2002 seien weitere Behandlungen in der HNO-Ambulanz der Barmherzigen Brüder in Linz erfolgt, wobei jeweils ein Hörsturz rechts diagnostiziert und eine Infusionsbehandlung empfohlen worden sei. Die dazu gehörigen Audiogramme zeigten jeweils asymmetrische Schallempfindungsstörungen mit gegenüber den Vorbefunden unveränderter Hörschwellenkurve links, schlechter liegenden Hörschwellenkurven rechts mit Hörschwellen von 50 dB im unteren, 25 dB im mittleren und 60 dB im oberen Frequenzbereich. Wegen Stimmproblemen seien Untersuchungen bei den Fachärzten Dr. J., Dr. S. und Dr. R erfolgt, weiters eine logopädische Behandlung am 12. Juni 2002, sowie eine Untersuchung im AKH Linz am 19. Juli 2002 wegen zunehmender Heiserkeit. Eine Bestätigung des HNO-Facharztes Dr. D vom 22. Juni 2002 beschreibe ebenfalls eine Stimmstörung sowie Zustand nach Hörsturz, wobei dieser als Zeichen einer chronischen Überlastungsreaktion gedeutet worden sei. In einem Befund des HNO-Facharztes Dr. R. vom 17. Februar 2003 sei ein plötzliches Ohrgeräusch rechts und Hörbeeinträchtigung rechts erwähnt worden. Das Audiogramm zeige eine leichte bis mittelgradige Hochtonläsion beidseits mit Ohrensausen rechts. Im Befund des praktischen Arztes Dr. K. vom 16. Februar 2003 würden die in den letzten Jahren aufgetretenen Hörstürze auf eine Reaktion der Überbelastung zurückgeführt. Zwischen dem 19. November 2001 und dem 20. Jänner 2003 hätten sich weiters neue Befunde der Fachärztin für Psychiatrie Dr. Z. gefunden, in welchen als Diagnose jeweils depressive Störungen angegeben worden seien.

Bei der Untersuchung durch den von der belangten Behörde beigezogenen Sachverständigen Primar Dr. L. sei eine etwas asymmetrische Schallempfindungsstörung mit herabgesetzter Unbehaglichkeitsschwelle und nicht objektivierbarem Ohrensausen festgestellt worden. Das Ohrensausen sei typisch geschildert, passe zum Befund und sei nachvollziehbar. Als Ursache für die derzeit bestehenden Beschwerden und den Befund am linken Ohr komme das am 21. September 2000 erlittene akute Schalltrauma (Schulglocke) nur teilweise in Betracht. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit seien Dienstunfälle als Ursachen für die Beschwerden und den Befund am rechten Ohr auszuschließen.

Die in der gutachterlichen Untersuchung am 6. November 2003 durch den Sachverständigen Primar Dr. L. festgestellte Tieftonstörung links könne deshalb nicht auf das akute Schalltrauma zurückgeführt werden, weil eine solche Störung bei den Untersuchungen am 1. Februar 2003 und 30. Oktober 2002 nicht vorhanden gewesen sei. Bereits bei einer audiologischen Untersuchung am 16. Februar 1999 sei eine Hochtonstörung vorgelegen, weshalb nur die Verschlechterung zwischen dem damaligen Untersuchungsergebnis und der nunmehrigen gutachterlichen Untersuchung als kausal angesehen werden könne. Die Verschlechterung betrage von 5 bis 20 dB in den Frequenzen 1,5 bis 8 kHz.

Auch die bestehende Geräuschempfindlichkeit könne nicht dem Vorfall vom 21. September 2000 zugeordnet werden, da diese Geräuscheempfindlichkeit nach eigenen Angaben erst mit dem dritten oder vierten Hörsturz nach dem gegenständlichen Ereignis aufgetreten sei.

Auch die jetzt vorhandene Hochtonstörung und Ohrensausen rechts könne nicht als Folge einer Dienstbeschädigung angesehen werden, da eine gehörschädigende Lautstärke einer Schlagbohrmaschine im Nebenraum als unwahrscheinlich angesehen werden müsse. Zudem habe eine geringe Hochtonstörung schon vor dem Ereignis bestanden. Auch die Ereignisse vom 6. Juli 2002, 29. Oktober 2002 und 6. Jänner 2003 könnten mangels dokumentierter Lärmeinwirkung nicht auf Schalltraumata zurückgeführt werden. Die Ereignisse am rechten Ohr als Hörsturz bzw. Rezitiv-Hörsturz müssten daher als ohne erkennbare Ursache angesehen werden, die zufällig am Arbeitsplatz aufgetreten seien. Auf einen Dienstunfall, nämlich das Schalltrauma vom 21. September 2000, könne somit lediglich das Ohrensausen (Tinnitus) links sowie ein Teil der Hochtonstörung links zurückgeführt werden. Die sich aus dieser Hörstörung ergebende Minderung der Erwerbsfähigkeit liege unter 10 %, der kausale Anteil der Hörstörung links betrage maximal 5 %. Mit Rücksicht auf das kausale Ohrensausen links betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit aus HNO-fachärztlicher Sicht 10 %. Aus psychiatrischer Sicht sei festzuhalten, dass eine neurasthenisch-hypochondrische Persönlichkeitsstörung mit Somatisierung und Neigung zu depressiven Reaktionen und - aus nervenärztlicher Sicht - keine Berufskrankheit vorliege.

Nach Darlegung der beweiswürdigenden Überlegungen kam die belangte Behörde auf Grund der getroffenen Feststellungen rechtlich zum Ergebnis, gemäß Punkt 145 der Satzung der OÖ Lehrer- und Kranken- und Unfallfürsorge bestehe Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Lehrers durch die Folgen eines Dienstunfalles länger als drei Monate ab dem Unfallereignis um mindestens 20 % vermindert sei. Nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf Grund des Dienstunfalles vom September 2000 lediglich 10 %, weshalb die im Punkt 145 der Satzung festgelegte Voraussetzung nicht erfüllt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Oberösterreichische Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge - OÖ LKUFG, LGBl. Nr. 66/1983, sind Unfälle Dienstunfälle, die sich in örtlichem, zeitlichem und ursächlichem Zusammenhang mit dem die Unfallfürsorge begründenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis ereignen.

Nach § 13 Abs. 1 Z. 4 LKUFG haben die Mitglieder - mit Ausnahme von Hinterbliebenen im Sinne des Pensionsgesetzes 1965 - im Falle einer durch einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit verursachten körperlichen Schädigung Anspruch auf Versehrtenrente.

Nach Abs. 6 dieser Bestimmung sind die näheren Bestimmungen über die der Art und dem Grad von Schädigungen jeweils entsprechenden Leistungen nach Abs. 1 bis 5 entsprechend den jeweiligen Anforderungen einer ausreichenden Unfallfürsorge durch die Satzung festzulegen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Leistungen der Unfallfürsorge in ihrer Gesamtheit denen, die den Bundesbeamten bzw. ihren Hinterbliebenen aus der Sozialversicherung jeweils zustehen, mindestens gleichwertig sind; dabei können Satzungsänderungen erforderlichenfalls rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Darüber hinaus können Leistungsverbesserungen nur nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten der LKUF getroffen werden.

Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 4 LKUFG entstehen die Ansprüche auf Leistungen nach diesem Gesetz unbeschadet des jeweiligen Erfordernisses der Mitgliedschaft, Angehörigeneigenschaft oder Hinterbliebeneneigenschaft bei Dienstunfällen mit dem Unfallereignis.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung fallen, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, die sich aus den Leistungsansprüchen ergebenden Leistungen mit dem Entstehen des Anspruches an.

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung fällt die Versehrtenrente mit dem Tag nach dem Wegfall der durch den Dienstunfall oder die Berufskrankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit, spätestens nach Ablauf des dritten Monats nach dem im Abs. 1 Z. 4 oder 5 genannten Zeitpunkt an.

Gemäß Punkt 145 der Satzung der OÖ Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge besteht Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die Erwerbsfähigkeit des Lehrers durch die Folgen eines Dienstunfalles länger als drei Monate ab dem Unfallereignis um mindestens 20. v. H. vermindert ist.

Gemäß Punkt 148 der Satzung der OÖ Lehrer-Kranken- und Unfallfürsorge ist die Versehrtenrente nach dem Grad der durch den Dienstunfall oder durch die Berufskrankheit herbeigeführten Minderung der Erwerbsfähigkeit zu bemessen. Der Grad einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird auf der Grundlage des von der LKUF eingeholten ärztlichen Gutachtens ermittelt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde sei offensichtlich davon ausgegangen, dass die Hörstürze vom 31. Jänner, 6. Juni und 29. Oktober 2002 sowie vom 6. Jänner und 20. März 2003 nicht als Dienstunfälle zu qualifizieren seien, was mit dem erstinstanzlichen Bescheid insoweit unvereinbar sei, weil mit diesem ausdrücklich die genannten Hörstürze als Dienstunfälle anerkannt worden seien, was von der Beschwerdeführerin naturgemäß nicht bekämpft worden sei. Dadurch greife der angefochtene Bescheid in die Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides ein. Die Anerkennung eines Ereignisses als Dienstunfall einerseits und das Bestehen oder Nichtbestehen eines Versehrtenrenten-Anspruches andererseits seien eindeutig unterschiedliche Verfahrensgegenstände, die spruchmäßige Trennbarkeit daher gegeben. Die belangte Behörde habe sich daher zu Unrecht über die rechtlich verbindlich festgelegten Grundlagen für den Versehrtenanspruch hinweggesetzt.

Im Übrigen sei von der belangten Behörde auch außer Acht gelassen worden, dass ihrem Vorbringen nach die Beschwerdeführerin seit dem Vorfall vom 21. September 2000 an Tinnitus leide und dieser für sie weitreichende Folgen gehabt habe, insbesondere Einschlaf- und Durchschlafstörungen, weshalb sie den Belastungen in der Schule nicht mehr gewachsen gewesen sei. Durch den damit verbundenen Verlust der Regenerationsfähigkeit habe diese Erschöpfungssymptomatik ihren Ausdruck in immer wieder kehrenden Hörstürzen gefunden. Als Folge dieser rezidivierenden Hörstürze sei es allmählich zu einer Beeinträchtigung des gesamten Hörvermögens gekommen sowie zu einer Zunahme der Tinnitus-Lautstärke und der Entwicklung einer Geräuschempfindlichkeit. Dies gehe aus dem von ihr beigelegten Privatgutachten des Sachverständigen Dr. Despineux hervor. Daraus sei abzuleiten, dass der Dienstunfall vom 21. September 2000 zumindest mittelbare Ursache der Beeinträchtigung des Gehörsystems (Tinnitus und Minderung der Hörfähigkeit) gewesen sei. In diesem Sinne hätten die anderen Sachverständigen zu Stellungnahmen zu dieser Beurteilung der Kausalitätsdarlegungen durch den Privatsachverständigen aufgefordert werden müssen.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin geltend, - wie bereits zur Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ausgeführt - die belangte Behörde habe die Verbindlichkeit der erstinstanzlichen Feststellung der erlittenen Hörstürze als Dienstunfälle nicht erkannt.

Im Übrigen sei die Kausalitätsfrage unrichtig gelöst worden. Hätte nämlich die Beschwerdeführerin den Hörsturz vom 21. September 2000 nicht erlitten, so wären weder die nachfolgenden Erschöpfungszustände noch die weiteren Hörstürze eingetreten. Die gesamte Beeinträchtigung in Bezug auf ihr Gehörsystem sei daher unfallskausal. Unter Zugrundelegung der damit kausalen Gehörbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin werde auch die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mehr als 20 v.H. anzusetzen sein.

Ebenfalls werde geltend gemacht, dass das genaue Ausmaß aller Beeinträchtigungen (gemeint: in ihrer Gesamtheit) nicht ermittelt und festgestellt worden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Zutreffend verweist sie nämlich darauf, dass im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides sämtliche im einzelnen aufgelisteten Hörstürze als Dienstunfälle anerkannt wurden und die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin lediglich aus dem Grunde erfolgt war, weil die Behörde erster Instanz - im Einklang mit dem von ihr beigezogenen Sachverständigen - davon ausgegangen war, dass trotz der anerkannten Dienstunfälle eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof ist wiederholt davon ausgegangen, dass der Ausspruch über die Anerkennung als Dienstunfall (Dienstbeschädigung) einerseits und der Ausspruch über die beantragte Versorgungsleistung andererseits voneinander trennbare Absprüche sind, die auch ein gesondertes prozessuales Schicksal haben können (vgl. zur Trennbarkeit der Aussprüche über Anerkennung und Leistungsanspruch betreffend einen Anspruch nach dem KOVG das hg. Erkenntnis vom 28. März 1984, Zl. 83/09/0108, sowie betreffend einen Anspruch nach dem HVG das hg. Erkenntnis vom 19. September 2001, Zl. 99/09/0204).

Obwohl sich die Berufung der - unvertretenen - Beschwerdeführerin ihrer Anfechtungserklärung nach gegen den gesamten "ablehnenden Bescheid" richtete, enthielt sie ausschließlich Ausführungen dazu, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund der gesamten Belastungssituation der Beschwerdeführerin einschließlich des durch den Tinnitus verursachten Erschöpfungszustandes zu ermitteln und der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen gewesen wäre. Erkennbar richtete sich die Berufung daher nicht gegen die erfolgte Anerkennung der im einzelnen bezeichneten Hörstürze, sondern nur gegen die Nichtzuerkennung der beantragten Leistung. Damit war der vom Ausspruch über die Zuerkennung der beantragten Versehrtenrente trennbare Abspruch über die Anerkennung der erlittenen Gesundheitsschädigungen als Dienstunfälle in Rechtskraft erwachsen und auch für die belangte Behörde bindend. Insoweit sie dennoch aufgrund des von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens zum Ergebnis gelangte, die nach dem Vorfall am 21. September 2000 liegenden, datumsmäßig spezifizierten Hörstürze und die sich daraus ergebende Hörbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin seien mangels Kausalität nicht als Dienstunfälle zu qualifizieren, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt - im Anwendungsbereich des KOVG - darauf hingewiesen, dass für eine Anerkennung als Dienstbeschädigung auch bloß mittelbare Folgen einer Dienstbeschädigung in Betracht kommen, wobei eine mittelbare Dienstbeschädigung nicht nur dann vorliegt, wenn die als Dienstbeschädigung anerkannte Gesundheitsschädigung die unmittelbare Ursache einer anderen Gesundheitsschädigung bildet, sondern auch dann, wenn infolge der Dienstbeschädigung eine Verschlimmerung eines schon vor der Dienstbeschädigung bestehenden Leidens eintritt oder wenn eine Dienstbeschädigung ein erst danach entstandenes altersbedingtes oder schicksalsbedingtes akausales Leiden verschlechtert. Als Dienstbeschädigung sind weiters auch solche Gesundheitsschädigungen anzuerkennen, die ihre Ursache in einer bereits anerkannten Gesundheitsschädigung haben. Als Ursache gilt auch im Falle einer mittelbaren Dienstbeschädigung nur eine wesentliche Bedingung. Wirken mehrere Bedingungen für einen Erfolg zusammen, so kann nur jene Bedingung als wesentlich gewertet werden, die in der Wirkung neben anderen Bedingungen nach Bedeutung und Tragweite annähernd gleichwertig ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, Zl. 2000/09/0069).

Ausgehend von der irrigen Rechtsansicht, die weiteren Hörstürze seien bei der Beurteilung des Anspruchs auf Versehrtenrente außer Betracht zu lassen, verabsäumte die belangte Behörde daher, Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit der diagnostizierte Gesamtzustand der Beschwerdeführerin einschließlich der - nur das rechte Ohr betreffenden - Hörstürze Folge der durch den Tinnitus hervorgerufenen Schlafstörungen und der daraus resultierenden Erschöpfungszustände gewesen sein könnte, so dass sie in Verkennung der Rechtslage ihren Bescheid mit sekundären Verfahrensmängeln belastete.

Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Oktober 2005

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen EntscheidungBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004090116.X00

Im RIS seit

16.11.2005

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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