Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Petrag, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Mj. Carina S***, geboren am 9. Juni 1979, infolge Revisionsrekurses des Vaters Gerhard F***, derzeit beschäftigungslos, Schopperplatz 18, 4082 Aschach an der Donau, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr als Rekursgerichtes vom 22. Juli 1988, GZ R 208/88-54, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Enns vom 24. Mai 1988, GZ P 46/85-49, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht ordnete für die am 9. Juni 1979 geborene Carina S*** - und für ihren am 20. Mai 1983 geborenen Halbbruder Rudolf S*** -, die zuletzt bei ihrer Mutter Renate S*** gelebt hatten, dort aber in einen ihre Entwicklung und ihr Wohl gefährdenden Erziehungsnotstand geraten waren, gerichtliche Erziehungshilfe an und genehmigte die am 11. April 1988 erfolgte Unterbringung der beiden Minderjährigen im Kinderheim St. Josef in Linz. Zugleich wies es den Antrag des Vaters der Minderjährigen Carina, Gerhard F***, ihm die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der Minderjährigen Carina zu übertragen, durch Verweisung auf diese Entscheidung ab. Die bereits dreimal geschiedene Mutter Renate S*** habe zuletzt die Erziehung und Betreuung der beiden Kinder vernachlässigt, weil sie ohne Rücksichtnahme auf diese Sexualkontakte mit verschiedenen Männern unterhalten, übermäßig Alkohol genossen und in Phasen von Stimmungsschwankungen die Kinder und insbesondere die mit der zusätzlichen Betreuung des kleinen Halbbruders Rudolf belastete Carina unter Druck gesetzt und verunsichert habe. Aber auch durch die Übertragung der elterlichen Rechte und Pflichten an den Vater der minderjährigen Carina könnten die aufgetretenen Erziehungsprobleme nicht gelöst werden, weil dieser als Vater von insgesamt fünf Kindern, nämlich der außerehelichen Tochter Astrid S*** (geboren am 19. Dezember 1973), den zwei aus seiner ersten Ehe stammenden Söhnen Markus (geboren am 10. August 1975) und Reinhard (geboren am 27. Februar 1977), der aus seiner zweiten Ehe mit Renate S*** stammenden Carina und des aus seiner derzeitigen Lebensgemeinschaft stammenden außerehelichen Sohnes Rene L*** (geboren am 28. Jänner 1987) - von welchen neben der von der Lebensgefährtin eingebrachten siebenjährigen Evelyn nur die Söhne in seinem Haushalt lebten - auf Grund verschiedener, von der Jugendwohlfahrtsbehörde erhobener und dem Gericht mitgeteilter Umstände (Bericht der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Jugendwohlfahrt-Außenstelle Enns vom 2. Mai 1988 - ON 47) nicht imstande sei, dem Kind die erforderliche Hilfe zu gewähren; es sei auch die Lebensgefährtin des Vaters infolge schwacher Schulleistungen ihrer eigenen Tochter Evelyn in ihrer Erziehungsabreit mit diesem Kind allein schon völlig ausgelastet, so daß auch von ihr keine geeignete Hilfe zu erwarten sei. Im übrigen sollte Carina nicht von ihrem Bruder Rudolf getrennt werden. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diese Entscheidung des Erstgerichtes. Die Unterbringung der Minderjährigen Carina im Kinderheim St. Josef sei der vom Vater beantragten Einweisung in seine Pflege und Erziehung vor allem deshalb vorzuziehen, weil nach den unbedenklichen und auf umfangreichen Erhebungen beruhenden Feststellungen des Erstgerichtes nur dadurch eine Besserung des Erziehungsnotstandes bewirkt werden könne; durch die vom Vater begehrte Unterbringung der Minderjährigen Carina in seinem Familienverband sei nicht nur keine Besserung zu erwarten, sondern eher noch eine weitere Schädigung zu befürchten.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Vater gegen die bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes betreffend die Minderjährige Carina erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig, da keiner der zulässigen Anfechtungsgründe des § 16 Abs 1 AußStrG (offenbare Gesetz-, Aktenwidrigkeit, Nichtigkeit) vorliegt.
Die gerügte Unterlassung der gerichtlichen Anhörung der Lebensgefährtin des Rechtsmittelwerbers bewirkt schon deshalb keine als Nichtigkeit zu wertende Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil diese im vorliegenden Verfahren nach den §§ 26 JWG und 144 ABGB keine Parteistellung hat (2 Ob 286/65). Eine u.U. aus dieser Rüge ableitbare einfache Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens kann aber gemäß § 16 AußStrG nicht geltend gemacht werden. Die übrigen, auf die (angeblich verletzte) Verfassungsbestimmung des Art. 7 Abs 1 B-VG (Gleichheitsgrundsatz) bezogenen Rechtsmittelausführungen wenden sich teils gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungsgrundlagen und teils gegen deren rechtliche Beurteilung der Sache durch das Rekursgericht. Die Bekämpfung der Beweiswürdigung und der Tatsachenfeststellungen ist unzulässig, da der Oberste Gerichtshof auch im außerstreitigen Verfahren nur Rechtsprüfungsinstanz ist. Zur Überprüfung der rechtlichen Beurteilung des Falles im zulässigen Anfechtungsbereich ist die festgestellte Tatsachengrundlage ausreichend. Ein Vergleich mit anderen Lebenssachverhalten (anderen Familien- und Pflegeverhältnissen anderer Kinder), die nicht auf gleiche oder ähnliche Weise wie im vorliegenden Fall gerichtlich geregelt würden, kann noch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darstellen, weil Unterschiede im Tatsächlichen nicht nur unterschiedliche Regelungen, sondern auch unterschiedliche Beurteilungen erfordern, die sodann keinen Verfassungsverstoß darstellen können (vgl. JBl 1988, 50).
Insgesamt kann dem Rechtsmittel des Vaters keine stichhältige Gesetzwidrigkeitsrüge entnommen werden. In der angefochtenen Entscheidung hat das Rekursgericht - wie schon das Erstgericht - das Wohl der Minderjährigen in den Mittelpunkt seiner rechtlichen Betrachtungen gestellt und nach der ganzen Sach- und Rechtslage auch nicht verletzt. Welche tatsächlichen Umstände im konkreten Einzelfall die Anordnung einer Maßnahme der gerichtlichen Erziehungshilfe gemäß § 26 JWG rechtfertigen, wird im Gesetz nicht näher bestimmt. Macht daher das Gericht bei der Entscheidung von seinem pflichtgemäßen Ermessen Gebrauch, dann kann darin keine offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt werden (für viele EFSlg 52.789 bis 52.792).
Der Revisionsrekurs des Vaters ist daher zurückzuweisen.
Anmerkung
E16879European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0080OB00704.88.0302.000Dokumentnummer
JJT_19890302_OGH0002_0080OB00704_8800000_000