TE OGH 1989/3/7 5Ob515/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.03.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Prof. Dkfm. Christine P***, Oberstudienrat, Schlösselgasse 15, 1080 Wien, vertreten durch Dr. Franz Bixner sen., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Margarete L***, vertreten durch Christa F***, Angestellte, Friedrich Kaiser-Gasse 1/14, 1160 Wien, als Verlassenschaftskurator, diese vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 16. November 1988, GZ 48 R 537/88-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 23. Juni 1988, GZ 5 C 1325/87-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.977,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 329,60 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit der am 19. Juni 1986 beim Erstgericht eingebrachten Aufkündigung kündigte die klagende Partei der Verlassenschaft nach der am 3. März 1986 verstorbenen Mieterin Margarete L*** die in ihrem Haus Wien 17., Kalvarienberggasse 38, gelegene Wohnung top. Nr. 9 auf. Die vermieteten Wohnräume dienten nach dem Tod der bisherigen Hauptmieterin nicht mehr dem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen. Wolfgang L***, der behinderte Sohn der Verstorbenen, sei zwar grundsätzlich als eintrittsberechtigte Person anzusehen, es liege jedoch kein dringendes Wohnbedürfnis vor, weil er in einem Heim untergebracht und nicht in der Lage sei, die Wohnung allein zu bewohnen.

Die beklagte Partei erhob rechtzeitig Einwendungen und beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens. Wolfgang L*** habe ein dringendes Wohnbedürfnis an der aufgekündigten Wohnung, weil es integrierender Bestandteil seiner Therapie sei, daß er neben seinem zeitweisen Aufenthalt in einem Heim auch selbständig in den Räumen der klagsgegenständlichen Wohnung sein Leben führe und er tatsächlich einen bedeutenden Teil seines Lebens in dieser Wohnung verbringe.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Räumungsbegehren statt. Es traf folgende Feststellungen:

Die am 3. März 1986 verstorbene Margarete L*** war Hauptmieterin der nunmehr aufgekündigten Wohnung, die sie gemeinsam mit ihrem Sohn Wolfgang L*** bewohnte. Wolfgang L*** ist mongoloid und auf Grund seiner Behinderung zwar in der Lage, einfache tägliche Verrichtungen - wie etwa sich waschen und anziehen, einfache vorbereitete Speisen wärmen - zu verrichten und stundenweise allein in der Wohnung zu verbringen; insgesamt ist er jedoch betreuungsabhängig. Er wurde von seiner Mutter gut betreut und auf das Leben vorbereitet, sodaß es ihm durchaus möglich wäre, mit einer lockeren Betreuung und zusammen mit einem Zweiten, etwas weniger Behinderten, selbständig zu wohnen. Vor allem trifft dies auf die aufgekündigte Wohnung zu, wo er zu Lebzeiten seiner Mutter von dieser betreut wurde; daneben wurde er bei "Jugend am Werk" in der Speckbachergasse betreut, wo er eine Beschäftigungstherapie besuchte. Mit dem Tod seiner Mutter und damit dem Wegfall seiner bisherigen Betreuungsperson wurde es für Wolfgang L*** im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand notwendig, im Behindertenwohnheim "Jugend am Werk" untergebracht zu werden. Voraussetzung für das Wohnen in diesem Heim ist ein solcher Grad der geistigen Behinderung, daß ein Mensch nicht in jeder Weise für sich sorgen kann und Sorge bestünde, daß etwas passiert; diese Voraussetzungen sind bei Wolfgang L*** gegeben. Im übrigen ist sein Wohnen in diesem Heim dadurch sichergestellt, daß er eine Waisenpension erhält, von der ihm etwa 20 % als Taschengeld verbleiben; die übrigen 80 % werden an den Magistrat der Stadt Wien, MA 12, überwiesen. Wolfgang L*** hat sehr intensiven Kontakt mit seiner Schwester Christa F***; er hält sich während der Woche im Heim auf; fast jedes Wochenende wird er jedoch von seiner Schwester zu sich und ihrer Familie abgeholt, wobei er in der Regel Samstag in der Früh abgeholt und Sonntag abends ins Heim zurückgebracht wird. Ostern, Weihnachten oder verlängerte Wochenenden verbringt er auch meist bei seiner Schwester, sofern er sich nicht bei seinem Bruder Peter L*** aufhält, was in unregelmäßigen Zeitabständen, etwa alle 4 bis 6 Wochen, der Fall ist, oder sich auf einem vom Heim organisierten Urlaub befindet. Sofern er sich nicht bei seiner Schwester, die zusammen mit ihrem Mann und den beiden Kindern eine Zweizimmerwohnung bewohnt, aufhält, nützt er die Zeit hin und wieder dazu, sich in der aufgekündigten Wohnung aufzuhalten, um dort zu lesen, Radio zu hören oder fernzusehen. Zuweilen verbringt er auch die Nacht dort, kommt am nächsten Tag mittags jedoch regelmäßig wieder in die Wohnung seiner Schwester. Die Möglichkeit, sich in dieser, für ihn vertrauten Wohnung selbständig aufzuhalten, hat auf Wolfgang L*** einen durchaus positiven Einfluß; er wirkt ruhiger, ausgeglichener und stellt dies einen Weg aus seiner Ghettosituation dar. Der Gesundheitszustand Wolfgang L***, bei dem sich in letzter Zeit keine gravierenden Änderungen ergeben haben, würde es grundsätzlich erlauben, daß er zusammen mit einem zweiten Behinderten selbständig wohnt. Obzwar er für dieses Projekt vorgesehen ist und im Heim durchaus Freunde hat, hat er sich jedoch bisher mit niemandem so intensiv angefreundet, daß es zu einer Realisierung hätte kommen können. Es ist allerdings nicht absehbar, ob dies jemals der Fall sein wird. Daß Wolfgang L*** an den Wochenenden die Wohnung regelmäßig benützt und dort regelmäßig die Nacht verbringt, konnte vom Erstgericht nicht festgestellt werden. Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, daß Wolfgang L*** mit seiner verstorbenen Mutter im gemeinsamen Haushalt gewohnt habe und grundsätzlich als eintrittsberechtigte Person im Sinne des § 14 Abs 3 MRG anzusehen sei. Dennoch liege der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG vor, weil die aufgekündigte Wohnung nicht dem dringenden Wohnbedürfnis Wolfgang L*** diene. Grundsätzlich sei von den Verhältnissen im Zeitpunkt des Todes der bisherigen Hauptmieterin auszugehen. Zu diesem Zeitpunkt habe zwar Wolfgang L*** in der aufgekündigten Wohnung gewohnt und keine andere Wohnmöglichkeit gehabt. Mit dem Tod seiner Mutter sei es wegen seiner Betreuungsabhängigkeit jedoch notwendig geworden, sich in ein Heim zu begeben, was ihm im Hinblick auf seine Waisenpension auch finanziell möglich sei. Nach ständiger Rechtsprechung seien aber auch durch den Tod des Hauptmieters entstandene Verhältnisse gleichzuhalten; die Tatsache, daß Wolfgang L*** nach dem Tod seiner Mutter nicht selbständig in der Wohnung werde wohnen können, sei zu erwarten gewesen. Durch die Unterkunft im Behindertenwohnheim verfüge Wolfgang L*** über eine eigene Wohnmöglichkeit. Im Hinblick auf diesen Umstand sei wie bei der Prüfung des dringenden Eigenbedarfes des Vermieters bei der Eigenbedarfskündigung vorzugehen; ein dringendes Wohnbedürfnis liege demnach nur bei "Notstand" vor, also beim Vorliegen eines wichtigen persönlichen Bedürfnisses, das nur durch die Benützung der gekündigten Räumlichkeiten befriedigt werden könne. Wenngleich in der erheblichen therapeutischen Bedeutung der "eigenen Wohnung" und der besonderen Vertrautheit Wolfgang L*** in dieser Wohnung ein wichtiges persönliches Bedürfnis nach dieser Wohnung zu erblicken sei, so wiege dieser Umstand im Hinblick darauf, daß die Wohnung eben nur sporadisch benützt werde und damit diesem Kriterium in therapeutischer Hinsicht keine umfassende Bedeutung zukomme, nicht schwer genug, um die Aufhebung der Kündigung zu rechtfertigen. Das Gericht zweiter Instanz erachtete die in Ansehung der Benützungsverhältnisse an der aufgekündigten Wohnung und des zukünftigen Aufenthaltes Wolfgang L*** im Behindertenwohnheim erhobene Verfahrens- und Beweisrüge als rechtlich unerheblich, legte die unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes über die Benützungsverhältnisse der aufgekündigten Wohnung im Zeitpunkt des Todes der letzten Hauptmieterin, den Gesundheitszustand Wolfgang L***, seine Möglichkeiten, für sich selbst zu sorgen, die unmittelbar nach dem Tode seiner Mutter erfolgte Heimunterbringung, die subjektiven und objektiven Voraussetzungen für den Aufenthalt im Behindertenwohnheim und über den positiven Einfluß der Aufenthalte in der aufgekündigten Wohnung auf den psychischen Zustand Wolfgang L*** seiner Entscheidung zugrunde und gab von diesem Sachverhalt ausgehend der Berufung der beklagten Partei dahin Folge, daß es das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens abänderte, wobei es aussprach, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt und die Revision zulässig sei.

In Erledigung der in der Berufung erhobenen Rechtsrüge führte das Gericht zweiter Instanz im wesentlichen folgendes aus:

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG sei im Zusammenhalt mit § 14 MRG dahin auszulegen, daß Wohnraummietverhältnisse durch den Tod kündbar würden, sofern sie nicht durch eine sondergesetzlich eintrittsberechtigte Person fortgesetzt werden. Richtig habe das Erstgericht ausgeführt, daß bei der Prüfung der Voraussetzungen für das Vorliegen des dringenden Wohnbedürfnisses auf den Zeitpunkt des Todes des bisherigen Mieters abzustellen sei, somit darauf, ob der Eintrittswerber zu diesem Zeitpunkt über eine andere Wohnmöglichkeit verfügt habe (vgl. MietSlg 34.459 ua) und diese als gleichwertig und ausreichend gegenüber der aufgekündigten Wohnung anzusehen sei. Wolfgang L*** habe im Zeitpunkt des Todes seiner Mutter mit dieser im gemeinsamen Haushalt gelebt und habe es sich damals um seine einzige Wohnmöglichkeit gehandelt, sodaß das Erstgericht zu Recht vom rechtswirksam erfolgten Eintritt in die Mietrechte seiner Mutter ausgegangen sei. Der Grundsatz, wonach für die Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Mieters maßgebend seien, werde von der ständigen Rechtsprechung sehr streng ausgelegt, sodaß nachträgliche Veränderungen - so auch der gänzliche Auszug aus der aufgekündigten Wohnung - für die Beurteilung des Eintrittsrechtes und damit des Kündigungsgrundes nicht von Bedeutung seien (vgl. MietSlg 37.294, 34.459). Ebenso unbeachtlich sei dabei auch das Alter des Eintrittsberechtigten und der Umstand, daß er nicht allein, sondern nur unter ständiger Aufsicht in der aufgekündigten Wohnung leben könne (vgl. MietSlg 37.294, 34.451). Dies bedeute im konkreten Fall, daß zum Zeitpunkt des Todes der Mutter des Eintrittsberechtigten noch nicht absehbar gewesen sei, ob er alleine oder allenfalls mit Hilfe einer Betreuungsperson die Wohnung werde regelmäßig benützen können. Richtig habe das Erstgericht auch erkannt, daß auf nach dem Tod des Mieters eingetretene Änderungen des Sachverhalts nur insoweit einzugehen sei, als diese Änderungen schon zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Mieters für die nächste Zeit zu erwarten gewesen seien (vgl. MietSlg 33.375, 38.317 ua). Die dieser Rechtsprechung zugrundeliegenden Sachverhalte würden zu Gunsten der Eintrittswerber dahingehend ausgelegt, daß ein durch den Tod des Hauptmieters entstandenes dringendes Wohnbedürfnis an der aufgekündigten Wohnung als im Zeitpunkt des Todes bestehend angesehen worden sei. Diese von der ständigen Rechtsprechung zum Schutze der Interessen der Eintrittswerber entwickelten Grundsätze ließen jedoch keinesfalls den Umkehrschluß zu, daß das dringende Wohnbedürfnis schon im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters als nicht gegeben anzusehen ist, wenn - retrospektiv gesehen - dessen Wegfall bereits aller Voraussicht nach zu erwarten gewesen sei. Dies widerspäche dem Grundgedanken des § 30 Abs 2 Z 5 MRG, der im Zusammenhang mit § 14 Abs 3 MRG gelesen den Eintritt als eine mit dem Tod ex lege eintretende Rechtsfolge ansehe und somit - abgesehen von den von der Rechtsprechung bisher entwickelten Ausnahmen - als Fehlen eintrittsberechtigter Personen im Zeitpunkt des Todes zu verstehen sei (vgl. Würth-Zingher, MRG2 Anm. 8 zu § 30). Soweit die Berufungswerberin ausführe, daß die konkreten Umstände, die zum Zeitpunkt des Todes der Hauptmieterin bestanden hätten, ungenügend ausgeleuchtet worden seien und bei genauer Prüfung sich ergeben hätte, daß die Versetzung des ständigen Betreuers des Wolfgang L*** in das Behindertenheim in Wien 23 der Grund für die Unterbringung Wolfgang L*** in diesem Heim gewesen sei, so handle es sich dabei um eine unzulässige Neuerung. Diese Behauptung sei im Verfahren erster Instanz nie aufgestellt worden und stehe im eklatanten Widerspruch zu den diesbezüglich unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes. Im Hinblick auf die bisherigen Ausführungen, wonach die Umstände im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters zu beachten seien, erweise sich der als sekundärer Verfahrensmangel geltend gemachte Einwand überdies als unerheblich. Ausgehend von diesen Rechtsausführungen erübrige sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob durch die Unterbringung in einem Behindertenheim der Wohnbedarf in einer rechtlich gleichwertigen Weise befriedigt werde und ob die vom Erstgericht bejahte therapeutische Bedeutung der aufgekündigten Wohnung für Wolfgang L*** ein Wohnbedürfnis begründen könne. Die Berufung erweise sich somit als berechtigt.

Den Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes gründete das Berufungsgericht auf § 500 Abs 2 Z 1 und 3 ZPO, jenen über die Zulässigkeit der Revision auf § 500 Abs 3 ZPO; die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO erblickte das Berufungsgericht darin, daß - soweit überblickbar - bisher keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage bestehe, ob und inwieweit zum Nachteil des Eintrittswerbers eintretende Änderungen, sofern sie schon bzw noch nicht im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters zu erwarten gewesen seien, für die Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses Beachtung finden könnten.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf den Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

In ihrer Rechtsrüge bekämpft die Revisionswerberin die Ansicht des Berufungsgerichtes, der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, wonach auf eine Änderung des Sachverhaltes nach dem Tode des letzten Mieters dann einzugehen sei, wenn diese bereits für die nächste Zeit zu erwarten gewesen sei, sei bei Beurteilung des dringenden Wohnbedürfnisses des Eintrittsberechtigten nur zu dessen Gunsten, nicht aber retrospektiv zur Verneinung des dringenden, zur Zeit des Todes an sich gegeben gewesenen Wohnbedürfnisses zu berücksichtigen. Zu dieser Rechtsmeinung ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Auszugehen ist davon, daß der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 5 MRG - gleich jenem des § 19 Abs 2 Z 11 MG - abgesehen von den vom Vermieter nachzuweisenden Voraussetzungen (Tod des Mieters, Vorliegen einer Wohnung) das Fehlen von Eintrittsberechtigten zur Voraussetzung hat, wobei die gekündigte Partei die Behauptungs- und Beweislast für alle Erfordernisse des Eintrittes und damit auch des dringenden Wohnbedürfnisses trifft (Würth in Rummel, ABGB, Rz 29 zu § 30 MRG). Ein dringendes Wohnbedürfnis einer Person ist dann gegeben, wenn ihr Wohnbedürfnis nicht anderweitig angemessen befriedigt wird. Im Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 13 MG (nunmehr § 30 Abs 2 Z 6 MRG) wurde von der Rechtsprechung ein dringendes Wohnbedürfnis trotz Unterbleibens einer regelmäßigen Verwendung der (aufgekündigten) Wohnung dann angenommen, wenn in naher Zukunft (absehbarer Zeit) mit Sicherheit zu erwarten war, daß der Mieter (oder eine eintrittsberechtigte Person) in die Wohnung zurückkehren und diese dann zur Wohnbedürfnisbefriedigung benötigen werde. Dieser auch zum Kündigungsgrund des § 19 Abs 2 Z 10 erster Fall MG (nun § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG) entwickelten Rechtsprechung lag der Umstand zugrunde, daß der Mieter den aufgekündigten Bestandgegenstand selbst nicht benützt hatte. Wie die Vorinstanzen übereinstimmend ausführten, entspricht es der Lehre und Rechtsprechung, daß für die Prüfung der Voraussetzungen des Vorliegens des dringenden Wohnbedürfnisses bei einer Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG (§ 19 Abs 2 Z 11 MG) die Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes des letzten Hauptmieters maßgeblich sind. Wurde die Wohnung des verstorbenen Hauptmieters zur Zeit dessen Todes tatsächlich von einer dem Kreis des § 14 Abs 3 MRG (früher § 19 Abs 2 Z 11 MG) angehörigen Person zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses verwendet, so ist der Tatbestand des § 14 Abs 2 MRG insoweit erfüllt und es kommt für die Beurteilung des Vorliegens des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 5 MRG nicht mehr darauf an, ob sich die Verhältnisse nach dem Tod des letzten Mieters derart verändert haben, daß der Eintrittsberechtigte auch in Zukunft noch ein dringendes Wohnbedürfnis an der von ihm bis zum Tod des Hauptmieters (mit)benützten Wohnung hat oder haben wird. Denn hatte der nahe Angehörige im Zeitpunkt des Todes des Hauptmieters an dessen Wohnung ein dringendes Wohnbedürfnis, so ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 14 MRG die Sonderrechtsnachfolge ex lege eingetreten.

Die für den Fall des Fehlens eines zum Eintritt einer Rechtsfolge erforderlichen Tatbestandsmerkmals bei Bestehen der Aussicht auf eine in absehbarer Zeit mit Sicherheit zu erwartende Änderung der Sachlage im Sinne des Eintrittes des vorerst fehlenden Tatbestandselementes entwickelte Rechtsprechung ist daher auf den vorliegenden Fall, in dem das geforderte Tatbestandsmerkmal (hier das dringende Wohnbedürfnis des nahen Angehörigen) im maßgeblichen Zeitpunkt (des Todes der letzten Hauptmieterin) gegeben war und damit alle Voraussetzungen für den Eintritt der Rechtsfolge (nämlich der Sonderrechtsnachfolge) vorlagen, nicht anwendbar. Eine nach Wirksamwerden der Sonderrechtsnachfolge eintretende Nichtbenützung der Wohnung und damit ein Wegfall des dringenden Wohnbedürfnisses des in das Mietverhältnis bereits eingetretenen Angehörigen könnte dann nur mehr zu einer gegen den Angehörigen selbst als Hauptmieter gerichteten, auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG gestützten Aufkündigung führen; Gegenstand dieses Kündigungsverfahrens wäre es dann, zu klären, ob trotz Unterbleibens einer regelmäßigen Verwendung der Wohnung in absehbarer Zeit mit Sicherheit ein dringendes Wohnbedürfnis des (eingetretenen) Hauptmieters gegeben sein werde. Der Oberste Gerichtshof billigt daher die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, daß es für die Erfüllung des Kündigungstatbestandes des § 30 Abs 2 Z 5 MRG auf die nachträgliche Entwicklung der für das Vorliegen des dringenden Wohnbedürfnisses maßgeblichen Verhältnisse, hier somit auf die Frage, ob der Sohn der letzten Hauptmieterin, der wegen seiner Behinderung die Wohnung in der Folge nicht mehr allein benützen konnte, in diese werde zurückkehren können, rechtlich nicht ankommt.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen lebte Wolfgang L*** mit seiner Mutter bis zu deren Tod in der aufgekündigten Wohnung; eine andere Wohnung stand ihm nicht zur Verfügung. Es besteht daher kein Zweifel, daß Wolfgang L*** zur Zeit des Todes seiner Mutter ein dringendes Wohnbedürfnis an der nunmehr aufgekündigten Wohnung hatte. Da somit zur Zeit des Todes der letzten Hauptmieterin alle Erfordernisse des Eintrittsrechtes Wolfang L*** in das Mietverhältis mit seiner Mutter gegeben waren, erweist sich der allein geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG nicht erfüllt. In der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht im Sinne der Aufhebung der Aufkündigung kann somit kein Rechtsirrtum erblickt werden.

Die Revision erweist sich daher als unberechtigt, weshalb ihr ein Erfolg versagt werden mußte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16819

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00515.89.0307.000

Dokumentnummer

JJT_19890307_OGH0002_0050OB00515_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten