TE OGH 1989/3/9 7Ob2/89

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Veröffentlicht am 09.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z*** R*** Gesellschaft mbh & Co KG, Linz, Landgutstraße 20, vertreten durch Dr.Walter Haslinger, Dr.Norbert Nagele, Dr.Klaus Haslinger und Dr.Christoph Szepp, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei W*** A*** Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 13., Hietzinger Kai 101-105, vertreten durch Dr.Heinz Oppitz und Dr.Heinrich Neumayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Streitwert S 321.824,47) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 13. Oktober 1988, GZ 13 R 47/88-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 23. Februar 1988, GZ 7 Cg 95/86-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei hat für ihr Ziegelwerk in Pregarten mit der beklagten Partei eine Feuerversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB 1980) zugrundeliegen. Nach dessen Art. 1 Abs. 1 gewährt der Versicherer Versicherungsschutz unter anderem gegen Schäden durch Blitzschlag. Als Blitzschlagschäden gelten nach Art. 1 Abs. 3 AFB nur solche Schäden, die (lit. a) an den versicherten Gebäuden oder an im Freien befindlichen versicherten beweglichen Sachen durch die Kraft- oder Wärmewirkung des in sie einschlagenden Blitzes entstehen bzw. (lit. b) an den in einem Gebäude befindlichen versicherten Sachen durch die Wirkung des Blitzschlages hervorgerufen werden, sofern am Gebäude die unter lit. a genannten schädigenden Wirkungen des Blitzes entstanden sind. Bei versicherten elektrischen Maschinen, Apparaten und Einrichtungen haftet der Versicherer aber keinesfalls für Schäden, die durch Überspannungen bzw. durch Induktion entstanden sind. Der Versicherer haftet jedoch, wenn andere versicherte Sachen durch einen aus vorstehenden Ursachen entstehenden Brand beschädigt oder zerstört werden. Nach Art. 1 Abs. 5 AFB ersetzt der Versicherer den Wert bzw. die Wertminderung der zerstörten oder beschädigten versicherten Sachen, wenn diese Zerstörung oder Beschädigung auf der unmittelbaren Einwirkung der in Abs. 1 genannten Schadenereignisse beruht (lit. a), oder die unvermeidliche Folge eines solchen Ereignisses ist (lit. b). Bei Gebäuden erstreckt sich gemäß Art. 2 Abs. 3 AFG die Versicherung, soweit nicht anderes vereinbart ist, auf den Bauwert. Zum Bauwert

eines Gebäudes gehört der Wert aller Baubestandteile ..... Als

Baubestandteile gelten auch ..... Blitzschutzanlagen.

Die klagende Partei behauptet, am 16. Juli 1985 habe ein Blitz in den Gebäudekörper ihres Werkes in Pregarten eingeschlagen, wodurch die Trockenkammer ausgefallen und die dort befindlichen Ziegel infolge Unterbrechung des Trockenprozesses unbrauchbar geworden seien. Sie begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der beklagten Partei.

Die beklagte Partei bestreitet einen Blitzeinschlag in den Gebäudekörper des Werkes. Nach ihren Behauptungen liege kein Blitzschlagschaden im Sinne des Art. 1 Abs. 3 AFB vor (AS 68). Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen sind am 16. Juli 1985 im Areal des Ziegelwerkes der klagenden Partei durch einen Blitzschlag 3 Spannungswandler zu Schaden gekommen. Im Niederspannungsverteiler, der zur Anspeisung der Trocknerei des Ziegelwerkes dient, wurde ein NH-Trenner der Baugröße OO durch Lichtbogeneinwirkung zerstört. Dieser NH-Trenner war auf einer Schalttafel aus Blech in einem Blechschaltschrank an der Rückwand der alten Kammertrocknerei montiert. Der Niederspannungsverteiler wird von der etwa 80 m entfernt gelegenen Hauptschaltanlage durch Kabel angespeist. Ferner wurde ein Zentralrelais im Verteiler der Trocknerei defekt, und es sind 3 Klemmen im Verteiler verbrannt. In der Hauptschaltanlage sind keine Fehler aufgetreten. Der Schaden an den Spannungs- und Stromwandlern ist auf Blitzschlag zurückzuführen, wobei die Primärseite eines Spannungswandlers gegen Erde überschlug und in der Folge durch Ionisierung des Luftraumes ein dreipoliger Kurzschluß entstand. Ein Blitz, der in die Blitzschutzanlage des Werkes geriet, hob das Erdersystem entsprechend an. Da dieser Blitz nahe den Hochspannungsleitungen niederging, hat er zusätzlich zum Blitzschlag in die Blitzschutzanlage des Werkes der klagenden Partei einen spannungsmäßigen Induktionsstoß in die Hochspannungsleitung erzeugt. Ein direkter Einschlag in diese 25 KV-Leitung ist jedoch ausgeschlossen. Wird das Erdpotential durch einen Blitzschlag entsprechend angehoben, bewirkt dies eine Anhebung der Phasenspannung gegen Erde und es treten Überschläge, wie hier im NH-Trenner und in den Klemmen auf. Beide Phänomene, nämlich einerseits die Potenitalanhebung des Erdnetzes gegenüber der weiteren Umgebung und andererseits die induktive Überspannungseinkoppelung haben sich im vorliegenden Fall addiert. Die Überspannung war die Hauptursache für den Überschlag im Niederspannungsverteiler, der zur Anspeisung der Trocknerei des Ziegelwerkes diente und damit auch für die Zerstörung des NH-Trenners in diesem Verteiler und den Ausfall der Trockenkammer. Ursache der Schäden war jedenfalls ein Blitzschlag oder zumindest - falls ein verästelter Blitz vorlag - eine Teilentladung des Blitzes in die Blitzschutzanlage des Ziegelwerkes der klagenden Partei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß die Blitzschutzanlage, in die die Entladung der Hauptenergie erfolgt sei, gemäß Art. 2 Abs. 3 AFB zum versicherten Bauwerk gehöre. Es liege somit ein direkter Blitzeinschlag vor. Bei direktem Blitzeinschlag sei Versicherungsschutz auch dann zu gewähren, wenn sich die Kraftwirkung des Blitzes nicht mechanisch durch Sachzerstörung manifestiere, sondern wenn der Schaden durch die galvanische Wirkung des Blitzes entstehe.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Art. 1 Abs. 3 AFB enthalte für Schäden an elektrischen Maschinen und Einrichtungen durch Überspannungen bzw. Induktion einen Ausschluß, bezüglich dessen lediglich fraglich sei, ob er nur den an den elektrischen Maschinen und Einrichtungen entstandenen Schaden oder auch die Folgeschäden umfasse. Durch die in der genannten Bestimmung angeführte Ausnahme, der Versicherer hafte jedoch, wenn andere versicherte Sachen durch einen aus vorstehenden Ursachen entstehenden Brand beschädigt oder zerstört werden, sei jedoch klargestellt, daß sonstige Folgeschäden aus dem Ausfall elektrischer Maschinen und Einrichtungen infolge Überspannung bzw. Induktion vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien. Im vorliegenden Fall habe eine Überspannung aus einem Spannungsabfall am Erdübergangswiderstand zum Überschlag im Niederspannungsverteiler in der Trockenkammer und zur Zerstörung des NH-Trenners, somit zu einem Schaden an elektrischen Einrichtungen geführt. Für den in weiterer Folge am Trocknungsgut entstandenen Schaden wäre Versicherungsschutz nur gegeben, wenn es durch einen aus der genannten Ursache entstandenen Brand zerstört oder beschädigt worden wäre. Das sei aber nicht der Fall gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist im Sinne des Eventualantrages berechtigt. Da die versicherten Sachen, für deren Beschädigung die klagende Partei Versicherungsschutz begehrt, sich in dem versicherten Gebäude befanden, ist von Art. 1 Abs. 3 lit. b AFB auszugehen, wonach an den in einem Gebäude befindlichen versicherten Sachen durch die Wirkung des Blitzschlages hervorgerufene Schäden nur dann als Blitzschlagschäden gelten, wenn an dem Gebäude selbst eine schädigende Wirkung des Blitzes (ein Blitzschlagschaden) entstanden ist. Durch diese Bindung des Versicherungsschutzes für den Gebäudeinhalt an den Blitzschlagschaden am Gebäude selbst soll der Beweisnotstand des Versicherers bei bloßen Induktionsschäden, die von der Versicherung nicht gedeckt sind, beseitigt werden (Lorenz-Liburnau, VersRdSch 1955, 196). Liegt aber ein Blitzeinschlag in das Gebäude mit den bezeichneten Wirkungen vor, erstreckt sich die Versicherung, wie sich aus Art. 1 Abs. 5 lit. b AFB (unvermeidliche Folge) ergibt, auf jede Form des Sachschadens, wenn ein adäquater Ursachenzusammenhang zum Blitzeinschlag besteht (vgl. VersR 1977, 709; Martin SVR2 C II Anm. 1). Der Blitz braucht demnach nicht notwendig gerade in die versicherten Sachen einzuschlagen, für die Versicherungsschutz begehrt wird. Ein solcher adäquater Ursachenzusammenhang besteht auch dann, wenn infolge einer durch einen Blitzeinschlag in das Gebäude bewirkten Anhebung der Phasenspannung Überschläge im Niederspannungsverteiler auftreten, die Spannungswandler dadurch beschädigt werden und infolge Stromausfalls für eine Trocknungsanlage das Trocknungsgut Schaden erleidet. Nach der primären Risikoumschreibung kann es demnach nicht

zweifelhaft sein, daß der Versicherungsschutz auch Folgeschäden des

direkten Blitzeinschlages in das Gebäude umfaßt, die, wie im

vorliegenden Fall, durch Ausfall einer Trocknungsanlage als Folge des Blitzeinschlages an den zu trocknenden Ziegeln entstehen. Der Art. 1 Abs. 3 AFB enthält jedoch für elektrische Maschinen, Apparate und Einrichtungen den Risikoausschluß, daß der Versicherer keinesfalls für Schäden haftet, die durch Überspannungen bzw. durch Induktion entstanden sind. Er ordnet aber Schäden, die an anderen versicherten Sachen durch einen aus den bezeichneten Umständen entstehenden Brand bewirkt werden, wieder der Risikotragung des Versicherers zu. Entscheidende Bedeutung kommt daher der Tragweite dieses Riskoausschlusses und der Bedeutung der im Anschluß daran bestimmten Risikoerweiterung zu. Nach dem Wortlaut und der Stellung des Ausschlusses erfaßt diese nur Schäden an den elektrischen Einrichtungen als Folge der bezeichneten Ereignisse. Diese sollen (arg. "keinesfalls") selbst dann nicht gedeckt sein, wenn die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 3 lit. b AFB (direkter Blitzeinschlag in das Gebäude mit schädigender Wirkung am Gebäude) vorliegen. Für elektrische Einrichtungen ist der Versicherungsschutz demnach beschränkt auf Schäden durch unmittelbaren Übergang des Blitzes (direkter Blitzeinschlag) auf diese versicherten Sachen (vgl. Martin aaO Anm. 5; Eichler VersR2 351). Betrifft der Ausschluß aber nur Schäden an den genannten versicherten Sachen, bedurfte es der nachfolgenden Risikoerweiterung nicht, weil solche Folgeschäden nach dem Gesagten aufgrund der primären Risikoumschreibung erfaßt werden. Bei der genannten Risikoerweiterung handelt es sich demnach nicht um einen sekundären Risikoeinschluß, sondern lediglich um eine Klarstellung. Aus ihr kann daher, entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes, nicht der Schluß gezogen werden, daß alle sonstigen Folgeschäden aus dem Ausfall elektrischer Maschinen, Apparate und Einrichtungen infolge Überspannung bzw. Induktion von der Deckungspflicht des Versicherers ausgenommen sind. Für einen Sachschaden, wie ihn die klagende Partei unbestrittenermaßen am Trocknungsgut erlitten hat, ist daher - direkter Blitzeinschlag in das Gebäude mit schädigender Wirkung am Gebäude

vorausgesetzt - Versicherungsschutz zu gewähren. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat ein Blitz direkt in die Blitzschutzanlage des Ziegelwerkes der klagenden Partei eingeschlagen. Die Blitzschutzanlage ist Bestandteil des versicherten Gebäudes. Ein Blitzeinschlag in sie ist daher als ein direkter Einschlag in das versicherte Gebäude anzusehen. Diese Feststellung wurde von der beklagten Partei bekämpft. Das Berufungsgericht hat sich jedoch nur mit der Rechtsrüge befaßt und ist, ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht, auf die übrigen Anfechtungsgründe der Berufung nicht eingegangen. Dies wird daher im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein. Beizupflichten ist dem Berufungsgericht aber darin, daß der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt allenfalls insoweit ergänzungsbedürftig ist, als eine Feststellung über die von der klagenden Partei behauptete schädigende Wirkung des Blitzes am Gebäude (AS 88) fehlt. Ob das Berufungsgericht in dieser Richtung selbst eine Verfahrensergänzung vornimmt, bleibt, da auch ein Verfahrensmangel in der Berufung geltend gemacht wurde, dem Ermessen des Berufungsgerichtes überlassen.

Der Umstand, daß auch eine induktive Überspannungseinkoppelung Mitursache war, stünde einer Stattgebung der Klage nicht entgegen, weil mitwirkende Ursachen den erforderlichen Kausalzusammenhang nicht ausschließen (Martin aaO Anm. 2). Im Falle einer Stattgebung des Klagebegehrens wird aber jedenfalls zu beachten sein, daß das Begehren auf Feststellung der Deckungspflicht der klagenden Partei für ein bestimmtes Schadensereignis aufgrund der abgeschlossenen Feuerversicherung (als Sachversicherung) gerichtet ist. Der vorformulierte Urteilsantrag (AS 88) entspricht dem nicht und geht darüber hinaus. Er ist daher allenfalls dem erhobenen Begehren anzupassen (MGA ZPO13 § 405/2).

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Anmerkung

E17072

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00002.89.0309.000

Dokumentnummer

JJT_19890309_OGH0002_0070OB00002_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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