TE OGH 1989/3/14 4Ob10/89

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Veröffentlicht am 14.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** Arzneimittel Gesellschaft m.b.H., Wien 18., Kutschkergasse 3, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. A*** Handelsgesellschaft mbH, Graz, Messendorferstraße 158, vertreten durch Dr. Christian Flick, Rechtsanwalt in Graz, 2. C***-W***, Dr. Hans C*** & B*** KG, Fabrik zur Erzeugung diätetischer Nährmittel und Reformbackwaren, 3. R*** Reformwaren Gesellschaft mbH, beide in Graz-Gössendorf, Sandweg 8, beide vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg und Dr. Dieter Natlacen, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 400.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 30. November 1988, GZ 4 a R 215/88-22, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15. September 1988, GZ 7 Cg 307/88-9, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den bestätigenden Ausspruch des Rekursgerichtes wendet, zurückgewiesen. Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, sowohl der Erstbeklagten als auch - gemeinsam - der Zweit- und Drittbeklagten je S 14.221,80 an Kosten des Revisionsrekursverfahrens (je S 2.370,30 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin vertreibt "E***"-Kapseln als Haarwuchsmittel. Die Zweitbeklagte, deren Komplementärin die Drittbeklagte ist, erzeugt und die Erstbeklagte vertreibt das Haarwuchsmittel "I***", und zwar in Apotheken das Arzneimittel Ingrubar-Tabletten und sonst das Verzehrprodukt Ingrubar-Goldhirse-Tabletten. Beide Produkte werden in dunkelroten, graphisch gleich gestalteten Verpackungen vertrieben; beide Verpackungen zeigen auf der Vorder- und auf der Rückseite eine charakeristisch stilisierte Haarwurzel; auf der einen schmalen Seitenfläche ein Wappen und auf der gegenüberliegenden Seitenfläche einen verschlungenen Schriftzug von Initialen. Für beide Produkte werden die gleichen Beipackzettel verwendet. Auf der Verpackung des Arzneimittels steht oberhalb der Bezeichnung "I***-Tabletten":

"KRAFT für Ihr Haar"; darunter ist zu lesen: "biologisches Haarwuchsmittel für gesundes Wachstum des Haares". Als "Anwendungsgebiet" wird auf der Schmalseite oberhalb des Wappens ausgeführt: "Bio-Haarkosmetikum zur Förderung des gesunden Haarwuchses, bei Schuppenbildung und fettigem Haar; zur Verbesserung von Haut und Fingernägeln.

täglich 2 Tabletten mit etwas Flüssigkeit nach dem Essen einnehmen."

Auf der gegenüberliegenden Schmalseite steht unter der Bezeichnung "I***": "biologisches Haarwuchsmittel zum Einnehmen fördert das gesunde Wachstum des Haares.

I*** Tabletten sind eine Wirkstoff-Kombination aus Goldhirse-Extrakt, Weizenkeimöl, Kräutern, Wurzeln, Getreide, Gelatine, Hefe und Mineralstoffen in einer besonderen Kombination."

Unterhalb der verschlungenen Initialen findet sich folgender Text: "Für die Schönheit und Erhaltung des gesunden Haarwuchses ist die Zufuhr wichtiger Mineralstoffe notwendig. Damit in Verbindung stehen auch die Schönheit der Fingernägel und der Haut."

Diese Angaben fehlen auf der Verpackung des Verzehrproduktes. Deren Vorder- und Rückseite zeigen oberhalb der stilisierten Haarwurzel die Aufschrift: "I*** Goldhirse-Tabletten"; auf der einen Schmalseite findet sich oberhalb des Wappens folgender Text:

"Nehmen Sie zwei bis drei mal täglich 2 Tabletten mit reichlich Flüssigkeit";

auf der gegenüberliegenden Schmalseite werden die "Inhaltsstoffe" wie folgt angegeben:

"Goldhirse, Milchbestandteile, Gelatine, Sesampflanzenteile, Hefe, Reis, Hafer, Weizenkeime, Gemüse, Kräuter, Algen und Kieselerde."

Auf den Verpackungen beider Produkte wird der Inhalt mit 96 Tabletten zu je 400 mg angegeben.

Die Beipackzettel führen alle für die I***-Haarpflege vorhandenen Produkte - nämlich Ingrubar-Haarverdichter, Ingrubar-Haarpflegeshampoo, Ingrubar-Tabletten, Ingrubar-Goldhirse-Tabletten und Ingrubar-Kieselerde-Tabletten - an. Sie enthalten durchwegs den Hinweis, daß "über mögliche unerwünschte Wirkungen Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker informieren". Rein äußerlich unterscheiden sich die Tabletten der beiden Packungen weder in der Farbe noch in der Form.

Mit Erklärung vom 7. April 1986 hat das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz die "Ingrubar-Tabletten" als Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 AMG sowie als eine der Zulassungspflicht nach § 11 AMG unterliegende Arzneispezialität nach § 1 Abs 5 AMG beurteilt, die, weil schon bei Inkrafttreten des AMG (1. April 1984) im Verkehr befindlich, als zugelassen gelte und dem Apothekenvorbehalt unterliege.

Am 20. Februar 1987 hat das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz die Anmeldung des Produktes "Ingrubar-Goldhirsetabletten" als Verzehrprodukt im Sinne des Lebensmittelgesetzes bestätigt und nach Prüfung der Ware mitgeteilt, daß kein Grund für die Untersagung des Inverkehrbringens gemäß § 18 Abs 2 LMG gefunden worden sei.

Die Beklagten betreiben für ihr gesamtes "Ingrubar"-Angebot eine Gemeinschaftswerbung, ohne dabei auf die Verschiedenheit der Produkte hinzuweisen. So heißt es auf den Beipackzetteln u.a.:

"Mit diesen bewährten Produkten - Ingrubar Haarverdichter, Ingrubar Haarpflegeshampoo und Ingrubar Tabletten haben Sie drei erfolgreiche Mittel, um Ihrem Haarausfall wirksam begegnen und Ihre Haare erhalten zu können. Die Ingrubar Produkte sind naturrein und biologisch aktiv".

Auch in ihrer Inseratenwerbung teilen die Beklagten mit, daß über mögliche unerwünschte Wirkungen Gebrauchsanweisung, Arzt oder Apotheker informierten.

Mit der Behauptung, daß die gleichartige Aufmachung beider Verpackungen zur Irreführung der Verbraucher geeignet, den Mitbewerbern gegenüber aber deshalb sittenwidrig sei, weil die Gemeinschaftswerbung für die Ingrubar-Produkte auch dem nach §§ 50 ff AMG erheblichen Werbebeschränkungen unterliegenden Arzneimittel zugute komme, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung ab sofort im geschäftlichen Verkehr mit Haarwuchsmitteln das Inverkehrbringen von Ingrubar-Tabletten und Ingrubar-Goldhirse-Tabletten "in verwechselbar ähnlicher Aufmachung, insbesondere unter demselben Markennamen und/oder Packungen derselben Farbstellung, mit den gleichen blickfangartigen Motiven, vor allem der gleichen graphischen Darstellung einer Haarwurzel auf der Vorder- und Rückseite, der gleichen Darstellung von Initialen auf der linken und eines Wappens auf der rechten Packungsseite, sowie umlaufender Kopf- und Fußleisten und eines unterhalb der Mitte umlaufenden weiß-goldenen Streifens sowie mit gleichen Beipackzetteln", zu untersagen.

Die Beklagten sprachen sich gegen den Sicherungsantrag aus. Sie hätten weder gegen die guten Sitten verstoßen noch das Publikum getäuscht und damit die Marktanteile "verzerrt". Auch nach Meinung der Klägerin gebe es an den beiden Produkten an sich nichts auszusetzen; damit könne aber auch keine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung vorliegen. Den Herstellern und Vertreibern müsse es - insbesondere bei Markenartikeln - freistehen, die ihnen richtig erscheinende Gestaltung zu wählen.

Der Erstrichter verbot den Beklagten das Inverkehrbringen der in Rede stehenden Produkte in verwechselbar ähnlicher Aufmachung, insbesondere derselben Farbstellung und der Packungen; das Mehrbegehren, den Beklagten auch zu untersagen, denselben Markennamen, die im einzelnen beschriebene Aufmachung und die gleichen Beipackzettel zu verwenden, wies er ab. Die von den Beklagten für das gesamte Ingrubar-Haarpflegeangebot betriebene Gemeinschaftswerbung sei unzulässig, weil dabei die Werbebeschränkungen des Arzneimittelgesetzes, insbesondere die in § 8 AMG vorgesehenen Informationen, unterblieben. Ein flüchtiger Betrachter werde daher beim Erwerb über den Charakter der beiden Produkte - Arzneimittel oder Verzehrprodukt - in Irrtum geführt; das verschaffe den Beklagten einen nicht zu billigenden Wettbewerbsvorteil. Sie verstießen daher gegen § 1 UWG. Da jedoch die Verwechslungsgefahr nur durch die Farbe und die Form der Packungen, nicht aber auch durch die übrigen im Unterlassungsbegehren angeführten Merkmale herbeigeführt werde, sei die einstweilige Verfügung nur in eingeschränktem Umfang zu erlassen gewesen.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Arzneispezialitäten, die - wie die Ingrubar-Tabletten - nach der Übergangsbestimmung des § 89 AMG als zugelassen gelten, unterlägen gemäß § 90 Abs 2 AMG nicht den Bestimmungen der §§ 7 bis 10 AMG; sie dürften mit der bisherigen Kennzeichnung und Gebrauchsinformation in Verkehr gebracht werden. Die Verwendung eines Beipackzettels, der möglicherweise nicht alle nach § 8 AMG vorgeschriebenen Informationen enthalte, für die Ingrubar-Tabletten verstoße daher nicht gegen die Wettbewerbsbeschränkungen des Arzneimittelgesetzes. Im Inverkehrbringen einer Reihe von Haarpflegeprodukten unter einem einheitlichen Markennamen und mit einer zum Verwechseln ähnlichen äußeren Aufmachung sei keine wahrheitswidrige Anpreisung zu sehen, die einen auch nur flüchtigen Betrachter in Irrtum führen könnte. Ingrubar-Tabletten würden nur in Apotheken verkauft; der Beipackzettel weise auf die Information über mögliche unerwünschte Wirkungen hin. Der Apotheker werde dann, wenn beide hier in Rede stehenden Produkte nebeneinander in einer Apotheke angeboten würden, auf den Unterschied zwischen den beiden hinweisen. Die Beklagten hätten somit weder gegen § 1 noch gegen § 2 UWG verstoßen. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung "aufzuheben" und den Beschluß des Erstrichters wiederherzustellen. Die Beklagten beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist teils unzulässig, im übrigen aber nicht berechtigt.

Nach § 528 Abs 1 ZPO idF der ZVN 1983 sind Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz unzulässig, soweit dadurch der angefochtene erstrichterliche Beschluß bestätigt worden ist (§ 502 Abs 3 ZPO). Durch das Klammerzitat wurde die in § 502 Abs 3 ZPO enthaltene Definition des Begriffes der bestätigenden Entscheidung übernommen, also klargestellt, daß auch im Rekursverfahren vom Grundsatz des JB 56 neu abgegangen wurde (SZ 56/165; ÖBl. 1985, 41 uva). Der den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses bestätigende Ausspruch des Rekursgerichtes ist demnach der Anfechtung entzogen. Die von der Klägerin beantragte Aufhebung des bestätigenden Teiles des angefochtenen Beschlusses kommt daher nicht in Frage; vielmehr war der Revisionsrekurs in diesem Umfang zurückzuweisen (§§ 78, 402 Abs 2 EO; § 523 ZPO).

Zu prüfen bleibt also nur die Frage, ob die Beklagten durch das vom Erstrichter verbotene Verhalten wettbewerbswidrig gehandelt haben; ob die im abweisenden Teil der Entscheidung aufgezählten besonderen Merkmale, insbesondere die Verwendung des gleichen Beipackzettels, irreführend oder sittenwidrig sind, ist hingegen bei Erledigung des Rechtsmittels der Klägerin nicht zu untersuchen. Auch die Frage, ob die Beklagten durch die "Gemeinschaftswerbung" für ihre Haarwuchsmittel gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen haben, kann offen bleiben, weil das Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht auf das Verbot dieser Werbung abzielt. Daß die Beklagten ihre Produkte in einer besonderen Verpackung herausbringen (vgl. § 9 Abs 3 UWG), widerspricht nicht den guten Sitten (§ 1 UWG); sofern aber die ähnliche Ausstattung der Produkte zu Zwecken des Wettbewerbes in sittenwidriger Weise mißbraucht werden sollte, kann auf Unterlassung dieses Mißbrauches, nicht aber der Verwendung dieser - zulässigen - besonderen Aufmachung geklagt werden.

In der gleichartigen Ausstattung der Ingrubar-Tabletten und der Ingrubar-Goldhirsetabletten liegt aber auch keine zur Irreführung geeignete Angabe der Beklagten im Sinne des § 2 UWG: Der durch die Ankündigung hervorgerufene unrichtige Eindruck muß nach ständiger Rechtsprechung geeignet sein, den Entschluß des angesprochenen Interessenten, sich mit dem Angebot näher zu befassen, irgendwie zugunsten dieses Angebotes zu beeinflussen, mit anderen Worten:

zwischen dem Umstand, daß die durch die Wettbewerbshandlung bei ihm hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot zu befassen, muß ein Zusammenhang bestehen (SZ 54/97; ÖBl. 1987, 18 mwN; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1107 f Rz 88 zu § 3 dUWG). Diese Voraussetzung fehlt aber hier. Wird jemand, durch die Ähnlichkeit der Verpackungen getäuscht, dazu veranlaßt, statt des Arzneimittels Ingrubar-Tabletten das Verzehrprodukt Ingrubar-Goldhirsetabletten zu kaufen, dann ist er durch diesen Irrtum nicht dazu gebracht worden, seine Kaufentscheidung zugunsten der Beklagten zu treffen, sondern nur dazu, statt des einen Produktes ein anderes Produkt desselben Unternehmens zu erwerben; eine zu Lasten von Mitbewerbern, insbesondere der Klägerin, gehende Verwechslung mit deren Produkten kann durch die beanstandete Art der Ausstattung nicht hervorgerufen werden. Wer hingegen die Ingrubar-Goldhirsetabletten in der unrichtigen Meinung, damit das Arzneimittel Ingrubar-Tabletten zu erwerben, kauft, der hätte ohne diese Verwechslung eben die Ingrubar-Tabletten (in der Apotheke), nicht aber ein entsprechendes Arzneimittel eines Mitbewerbers gekauft. Wer darauf Wert legt, zur Förderung seines Haarwuchses ein Arzneimittel zu verwenden, der wird - entgegen den Rechtsmittelausführungen der Klägerin - auch nicht darauf verfallen, in einer Drogerie statt der - allenfalls fälschlich für ein Arzneimittel

gehaltenen - Ingrubar-Goldhirsetabletten ein Verzehrprodukt eines Mitbewerbers zu erwerben.

Da somit in der beanstandeten Art der Aufmachung der Produkte der Beklagten kein Verstoß gegen §§ 1 und 2 UWG erblickt werden kann, mußte dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf die §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO.

Anmerkung

E16805

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0040OB00010.89.0314.000

Dokumentnummer

JJT_19890314_OGH0002_0040OB00010_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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