TE Vfgh Erkenntnis 2001/10/10 B779/01 - B780/01 ua, B959/01

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Veröffentlicht am 10.10.2001
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Quasianlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge "Luft- oder" in §53 Abs3 sowie des §103 Abs3 FremdenG 1997 mit E v 01.10.01, G224/01 ua.

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 29.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde eines Luftfahrtunternehmens wendet sich gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, mit dem der beschwerdeführenden Partei gemäß §103 Abs3 Fremdengesetz 1997 (FrG), BGBl. I 75, ein pauschalierter Kostenersatz in Höhe von S 20.000,-- vorgeschrieben wird, weil sie ihrer Verpflichtung gemäß §53 Abs3 FrG, die Identität eines von ihr nach Wien beförderten Fremden bekanntzugeben, nicht nachgekommen sei und auch dessen Abreise nicht unverzüglich bewirkt habe.

Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Erwerbsfreiheit, auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).

2. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß anderer, aber gleichgelagerter Beschwerden mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2001, G224-264/01, die Worte "Luft- oder" in §53 Abs3 sowie §103 Abs3 FrG als verfassungswidrig aufgehoben.

Der Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren über die §§53 Abs3 und 103 Abs3 FrG war der 29. September 2001. Die vorliegende, beim Verfassungsgerichtshof am 18. Mai 2001 eingelangte Beschwerde war also zu diesem Zeitpunkt bereits anhängig. Die Gesetzesaufhebung wirkt daher auch für sie.

Der angefochtene Bescheid ist in Anwendung der als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen ergangen. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war. Sie wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,-- und eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von S 2.500,-- enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B779.2001

Dokumentnummer

JFT_09988990_01B00779_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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