Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernhard V***, Hotelkaufmann, Nüziders, Laatz 16, vertreten durch Dr. Andreas Oberbichler, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei A*** R*** W***, Satteins, vertreten durch Dr. Ronald Sutter, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 120.000,-- samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 23. September 1988, GZ 4 R 166/88-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 7. März 1988, GZ 4 Cg 349/87-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Zwischenurteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 26.657,30 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 1.514,30 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Auf Grund übereinstimmender Beschlüsse der Gemeindevertretungen von acht Gemeinden, darunter der Gemeinde Bludesch, aus den Jahren 1973 und 1974 wurde der aus diesen Gemeinden gebildete beklagte Abwasserverband als Wasserverband im Sinn des § 87 WRG gebildet. Die Satzung der beklagten Partei wurde mit Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 2. April 1976, Zl. VI b-475/3-1976, genehmigt. Die beklagte Partei bezweckt die Beseitigung von in ihrem Gebiet anfallenden Abwässern und deren Reinigung in einer gemeinsamen Kläranlage. Zu ihren Aufgaben gehört u. a. die Errichtung der Verbandsanlagen (Sammelkläranlage, Sammelkanäle und Ableitungskanal von der Sammelkläranlage in den Vorfluter), ihre Instandhaltung, ihr ordnungsgemäßer Betrieb sowie die laufende Überwachung des Zustandes und der Wirkung der Verbandsanlagen. Alle Angelegenheiten, die nicht der Beschlußfassung durch die Mitgliederversammlung vorbehalten sind, obliegen dem Vorstand. Darunter fällt u.a. die Überwachung der Verbandsanlagen. Der Vorstand besteht aus dem Obmann, dem Obmannstellvertreter und drei weiteren Mitgliedern. Der Vorstand ist bei Anwesenheit von mindestens drei Mitgliedern beschlußfähig. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit. Der Bürgermeister der Gemeinde Bludesch Erich W*** ist Vorstandsmitglied der beklagten Partei.
Der Gemeinde Bludesch wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 7. März 1984, Zl. II-563/84, die Baubewilligung für den Bau eines Gemeindezentrums (Gemeindeamt, Restaurant und Bar) erteilt. Nach dem Baubewilligungsbescheid war, wenn die Inbetriebnahme der Abwasseranlage der beklagten Partei noch nicht erfolgt sein sollte, eine Dreikammerkläranlage zu errichten. Da die Gemeinde Bludesch die Errichtung der bescheidmäßig vorgesehenen Dreikammerkläranlage wegen der in Kürze bevorstehenden Betriebsaufnahme der Sammelkanäle und der Sammelkläranlage als Verschwendung betrachtete, wurde nach einer anderen kostengünstigen Lösung gesucht. Bei der Sitzung des Bauausschusses der Gemeinde Bludesch vom 29. Mai 1985 wurde der Vorschlag gemacht, den Verbandssammler im Bereich des Gemeindezentrums mit einer Mauer abzusperren und bis zur Inbetriebnahme des Sammelkanals als Absetzraum zu verwenden. Die Ausschußmitglieder fanden Gefallen an dieser billigen Lösung und beschlossen diese trotz des anderslautenden Baubescheides der Bezirkshauptmannschaft Bludenz. Die Gemeinde Bludesch ließ die Mauer von dem das Gemeindezentrum errichtenden Bauunternehmen ausführen, ohne davon die beklagte Partei zu verständigen. Anfang Oktober 1985 wurden das Gemeindeamt und am 25. Oktober 1985 der Gastgewerbebetrieb eröffnet. Die Gastgewerberäumlichkeiten waren im März 1984 an die Brauerei Fohrenburg verpachtet worden, der Kläger ist Subpächter. In der Folge wurden die Abwässer des gesamten Gemeindezentrums in den ohne Genehmigung errichteten Absetzraum im Verbandssammler eingeleitet. Bei der Mitgliederversammlung der beklagten Partei am 24. März 1986 wies der Obmann der beklagten Partei darauf hin, daß der Probebetrieb der Kläranlage voraussichtlich Mitte April 1986 beginnen werde. Bürgermeister Erich W*** war bei dieser Mitgliederversammlung nicht anwesend, ihm wurde aber ein Protokoll übermittelt. Am 5. Mai 1986 fand ebenfalls in Abwesenheit Erich W*** eine Vorstandssitzung der beklagten Partei statt, in der der Termin für den Probebetrieb auf den 20. Mai 1986 fixiert wurde. Auch darüber erhielt Erich W*** eine Niederschrift. Schließlich wurden die Mitgliedsgemeinden mit Rundschreiben der beklagten Partei vom 9. Mai 1986 von der bevorstehenden Inbetriebnahme der Anlagen und der Möglichkeit des Anschlusses der Ortskanalisation an die Verbandsanlagen ab 20. Mai 1986 in Kenntnis gesetzt. Dem Bürgermeister Erich W*** der Gemeinde Bludesch war somit klar, daß die Mauer im Verbandssammler entfernt werden müsse. Dazu wäre es notwendig gewesen, die aufgestauten Fäkalwässer abzupumpen. Erich W*** verständigte die übrigen Mitglieder des Vorstandes der beklagten Partei nicht, daß der Sammelkanal im Bereich des Gemeindezentrums der Gemeinde Bludesch abgemauert worden war. Versuche Erich W***, anläßlich der bevorstehenden Inbetriebnahme der Sammelkanäle die Fäkalien und die Mauer zu entfernen, schlugen fehl. Obwohl ihm klar sein mußte, daß ohne Entfernung der Mauer die Anlage nicht in Betrieb gehen durfte, tat er nichts, diese Inbetriebnahme zu verhindern. Am 26. Mai 1986 kam es zur Aktivierung der Außenstellen. Im Zuge der Inbetriebnahme wurde ein Regulierungsschieber geöffnet. Darauf entleerte sich das dahinter befindliche Wasser in das Kanalnetz und führte wegen des noch immer abgemauerten Verbandssammlers zur Überflutung des Gemeindezentrums und des Parkplatzes mit den aufgestaut gewesenen Fäkalien; Abwässer drangen auch in das Kellergeschoß und in die dort befindliche Bar. Die Bar wurde derart in Mitleidenschaft gezogen, daß sie vom 26. Mai 1986 bis zum 15. Juli 1986 geschlossen bleiben mußte. Dadurch erlitt der Kläger sowohl Verdienstentgang als auch Mehrauslagen wegen erhöhten Werbeaufwandes.
Der Kläger begehrt als Subpächter den Zuspruch des Betrages von S 120.000,-- samt Anhang an Verdienstentgang für die Zeitdauer der Instandsetzungsarbeiten in der Bar und der wegen der Sperre notwendig gewordenen erhöhten Werbeaufwendungen nach Wiederöffnung der Bar. Er stützte seine Ansprüche auf sämtliche in Betracht kommende gesetzliche Bestimmungen (ua des Nachbarrechtes und nach dem Rohrleitungsgesetz) mit Ausnahme der Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes. Der Bürgermeister Erich W*** der Gemeinde Bludesch sei gleichzeitig Vorstandsmitglied der beklagten Partei gewesen. Die schuldhafte Unterlassung einer Information über die Absperrung im Sammelkanal durch das Organ der beklagten Partei Erich W***, der den maßgeblichen Sitzungen ferngeblieben sei, habe sich die beklagte Partei zurechnen zu lassen. Es liege jedenfalls ein Organisationsmangel der beklagten Partei vor, der sich kausal auf den Schadenseintritt ausgewirkt habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Kläger als Subpächter stünden keine nachbarrechtlichen Ansprüche zu. Der Bürgermeister Erich W*** habe immer nur als Organ der Gemeinde Bludesch, nicht aber als Organ der beklagten Partei gehandelt. Das Rohrleitungsgesetz sei nicht anwendbar.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es mit Zwischenurteil aussprach, die Haftung der beklagten Partei bestehe dem Grunde nach zu Recht. Die Revision erklärte es für zulässig. Eine Haftung der beklagten Partei sei aus den Vorschriften der §§ 364 ff, 1319 ABGB, des § 26 Abs 2 WRG und nach dem Rohrleitungsgesetz nicht abzuleiten. Zu prüfen sei aber, ob die beklagte Partei als juristische Person auf Grund deliktischen Verhaltens ihrer Organe hafte. Dies sei zu bejahen. Eine juristische Person hafte auch für das schuldhafte Verhalten eines einzelnen unredlichen Mitgliedes eines Kollegialorganes. Die juristische Person solle sich nicht hinter jenen Organwaltern verstecken können, die kein Verschulden treffe, weil dies zu Lasten des Geschädigten ginge. Die Einsetzung von Kollegialorganen habe zunächst den Sinn, nicht zuviel Macht in einer Hand zusammenkommen zu lassen und eine Überwachungsmöglichkeit zu schaffen, dann aber auch den der Körperschaft die Fähigkeiten, Erfahrungen und das Wissen mehrere Personen zugutekommen zu lassen. Ziehe die juristische Person aber Nutzen aus den Fähigkeiten, den Erfahrungen und dem Wissen ihrer Organmitglieder, so soll sie auch auf der anderen Seite im Sinne einer gerechten Nutzenverteilung die aus der Mehrzahl von Organwaltern entstehende Vervielfältigung der Schadensmöglichkeiten und Risken selbst tragen und nicht dritten Personen aufbürden können. Es möge zwar sein, daß Erich W*** im Zusammenhang mit der Errichtung der Absperrmauer als Organ der Gemeinde Bludesch tätig gewesen sei. Daß diese Mauer ohne Zustimmung der beklagten Partei und ohne behördliche Genehmigung im Sammelkanal der beklagten Partei errichtet worden sei, habe die Gemeinde Bludesch zu vertreten. Die von Erich W*** als Organ der Gemeinde Bludesch erlangte Kenntnis von der Absperrung des Kanals hätte er aber als Mitglied des Vorstandes der beklagten Partei nicht für sich behalten dürfen. Er hätte dies zumindest den übrigen Vorstandsmitgliedern und insbesondere dem Obmann zur Kenntnis bringen müssen. Dies hätte es den zuständigen Organen der beklagten Partei ermöglicht, sich mit der Frage zu befassen, ob die von der Gemeinde Bludesch eigenmächtig vorgenommene Baumaßnahme überhaupt genehmigt werde; andererseits hätte die beklagte Partei bei Kenntnis von der eigenmächtigen Absperrung des Verbandssammlers vor der Entfernung der Absperrung die Anlage nicht in Betrieb setzen dürfen. Die beklagte Partei müsse sich daher die Kenntnis eines Mitgliedes ihres Vorstandes von der durch die Gemeinde Bludesch vorgenommenen Absperrung und dessen Untätigkeit anläßlich der Inbetriebnahme der Gesamtanlage als Verschulden zurechnen lassen. Einzelne Mitglieder eines Kollegialorgans seien verpflichtet, bei Kenntnis von eigenmächtigen Änderungen an den Verbandsanlagen durch Mitglieder die Angelegenheit im Vorstand zur Sprache zu bringen und die zur Vermeidung von Schäden erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen. Erich W*** sei dieser ihn als Vorstandsmitglied treffenden Verpflichtung nicht nachgekommen. Dies müsse sich die beklagte Partei als haftungsbegründendes Verschulden zurechnen lassen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.
Gemäß § 73 Abs 1 lit d WRG kann ua die Beseitigung und Reinigung von Abwässern sowie die Reinhaltung von Gewässern Zweck einer Wassergenossenschaft sein. Nach § 87 Abs 1 WRG können zu den im § 73 WRG genannten Zwecken, wenn sich die vorgesehenen Maßnahmen über den Bereich mehrerer Gemeinden erstrecken, anstelle von Wassergenossenschaften aus den beteiligten Gebietskörperschaften Wasserverbände als Körperschaften öffentlichen Rechts gebildet werden. Diese Wasserverbände sind Selbstverwaltungskörper (Krzizek, Kommentar zum WRG 344; Rose-Kaan, ÖZW 1983, 107). Ein freiwilliger Wasserverband wird durch die Anerkennung der Vereinigung der daran Beteiligten durch die Behörde gebildet. Die Anerkennung schließt die Genehmigung der Satzung in sich (§ 88 Abs 1 lit a WRG). Dem Wasserverband obliegt die Erfüllung der satzungsmäßigen Aufgaben (§ 89 Abs 1 WRG), der beklagten Partei damit ua der ordnungsgemäße Betrieb der Verbandsanlagen.
Die Beseitigung von Abwässern ist eine typische Leistung der Daseinsvorsorge. Daseinsvorsorge kann von einem Rechtsträger sowohl im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung als auch in Vollziehung der Gesetze erbracht werden (JBl 1983, 158; 1 Ob 45/87; Loebenstein-Kaniak, AHG2 117; Puck in Ermacora-Winkler-Koja-Rill-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht 283). Stehen dem Rechtsträger zur Erfüllung dieser Aufgaben der Daseinsvorsorge die besonderen Handlungsformen (rechtstechnischen Mittel) des öffentlichen Rechtes zur Verfügung, ist auf jeden Fall Hoheitsverwaltung anzunehmen (JBl 1983, 158; SZ 51/184; 1 Ob 45/87). So wurde ausgesprochen, daß Wasserversorgungsanlagen, für die gemäß § 36 Abs 1 WRG Anschlußzwang vorgesehen ist, in Erfüllung von Aufgaben der Hoheitsverwaltung geführt werden und Schäden, die einem an die Wasserleitung angeschlossenen Teilnehmer durch deren Betrieb erwachsen sind, nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes geltend zu machen sind (1 Ob 45/87; vgl. SZ 59/5; Loebenstein-Kaniak aaO).
In Vorarlberg hat nach dem im maßgeblichen Zeitpunkt in Kraft gestandenen Kanalisationsgesetz, LGBl. 1976/33 (KanalG), die Gemeinde für die Errichtung und den Betrieb einer den hygienischen, technischen und wirtschaftlichen Anforderungen entsprechenden öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage Sorge zu tragen (§ 1 Abs 1). Nach § 3 Abs 3 KanalG sind die Eigentümer von Bauwerken oder befestigten Flächen, die im Einzugsbereich eines Sammelkanales liegen, grundsätzlich verpflichtet und berechtigt, diese an den Sammelkanal anzuschließen sowie die anfallenden Abwässer und Niederschlagswässer in die Abwasserbeseitigungsanlage einzuleiten. Die Behörde (d.i. gemäß § 24 Abs 1 KanalG der Bürgermeister) hat dem Eigentümer des Bauwerkes oder der befestigten Fläche (dem Anschlußpflichtigen) den Anschluß mit Bescheid aufzutragen (§ 5 Abs 1 KanalG). In den Bescheid sind ua die erforderlichen Bestimmungen über den Zeitpunkt des Anschlusses, die Beschaffenheit und den zeitlichen Anfall der Abwässer sowie über die Art und das Ausmaß einer allfälligen Vorbehandlung der Abwässer aufzunehmen. Gemäß § 10 KanalG ist die Behörde berechtigt, die Einleitung der Abwässer und Niederschlagswässer, insbesondere die Errichtung, Erhaltung und Wartung des Anschlußkanales und der Anlagen zur Vorbereitung der Abwässer, zu überwachen und die notwendigen Untersuchungen der Abwässer auf Kosten des Anschlußpflichtigen vorzunehmen. In diesem Zusammenhang ist die Behörde auch ermächtigt, Verordnungen zu erlassen. Die Gemeinden sind berechtigt, Kanalisationsbeiträge und, sofern sie bundesgesetzlich dazu ermächtigt sind, Kanalbenützungsgebühren vorzuschreiben. Wenn Abwässer oder Niederschlagswässer ohne den erforderlichen Anschlußbescheid oder entgegen dem Anschlußbescheid in die Abwasserbeseitigungsanlage eingeleitet werden, ist bei Gefahr im Verzug die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zulässig (§ 26 KanalG). Eine Verwaltungsübertretung begeht ua, wer Abwässer oder Niederschlagswässer ohne den erforderlichen Anschlußbescheid in die Abwasserbeseitigungsanlage einleitet (§ 25 Abs 1 lit c KanalG).
Die Bestimmungen des Vorarlberger Kanalisationsgesetzes zeigen, daß für die Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Abwasserbeseitigung dem Rechtsträger die besonderen rechtstechnischen Mittel der Handlungsformen des öffentlichen Rechts zur Verfügung stehen. Wenn aber eine einheitliche Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, gehören auch alle damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Ereignisse wie Schädigung durch den Betrieb der Anlage zur Hoheitsverwaltung (Loebenstein-Kaniak aaO 117; vgl. JBl 1983, 178). Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang zwischen hoheitlicher Aufgabe und Schädigung aus Anlaß der Aufnahme des Betriebes des Sammelkanales ist daher zu bejahen. Es nahm allerdings nicht die Gemeinde Bludesch die ihr vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben selbst wahr, sie bildete vielmehr gemeinsam mit anderen Gemeinden zum Zwecke der Errichtung, Instandhaltung und des ordnungsgemäßen Betriebes der Sammelkanäle einen Wasserverband, die beklagte Partei. Diesem Wasserverband stehen als öffentlich-rechtliche Körperschaft und als Selbstverwaltungskörper eigene hoheitliche Rechte, etwa die Fällung von Schlichtsprüchen nach § 97 Abs 2 WRG und die Erlassung der Satzung sowie allenfalls eines Sanierungsplanes nach den §§ 77 und 92 WRG, zu. Die im Wasserverband zusammengeschlossenen Gemeinden haben diesem aber nicht nur Aufgaben privatwirtschaftlicher Art wie die Errichtung der Verbandsanlagen (vgl. SZ 51/184; Loebenstein-Kaniak aaO), sondern auch unmittelbar im Zusammenhang mit ihrer hoheitlichen Tätigkeit stehende Aufgaben wie die Inbetriebnahme und den ordnungsgemäßen Betrieb der Sammelkanäle übertragen. Die Übertragung unmittelbar mit hoheitlichem Handeln im Zusammenhang stehender Aufgaben an Dritte (Ausgliederung) macht die öffentliche Aufgabe noch zu keiner privatwirtschaftlichen Tätigkeit (Öhlinger in Aicher, Die Haftung für staatliche Fehlleistungen im Wirtschaftsleben 145 f). Haben Gemeinden zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben einen Wasserverband gebildet, liegt demnach dennoch Vollziehung der Gesetze vor. Diese Vollziehung erfolgt immer noch durch den Rechtsträger Gemeinde. Das ergibt sich für Vorarlberg deutlich aus § 2 Abs 2 KanalG, wonach die öffentliche Wasserbeseitigungsanlage die Gesamtheit aller Einrichtungen der Gemeinde ist, durch welche in der Gemeinde anfallende Abwässer oder Niederschlagswässer abgeleitet und gereinigt werden; diesem Zweck dienende Einrichtungen eines Wasserverbandes (§ 87 Abs 2 WRG), an denen die Gemeinde beteiligt ist, sind wie Teile der Abwasserbeseitigungsanlage, für deren Errichtung und Betrieb die Gemeinde Sorge zu tragen hat (§ 1 Abs 1 KanalG), zu behandeln; die Übertragung von Aufgaben auf einen Wasserverband ändert also nichts daran, daß es sich um Erfüllung von Aufgaben der Gemeinde handelt; als Organ der Gemeinde im Sinne des § 1 Abs 2 AHG ist dann zwar nicht die beklagte Körperschaft, aber die jeweils für die Körperschaft handelnde (oder eine erforderliche Handlung unterlassende) physische Person anzusehen (vgl. SZ 59/199; Rose-Kaan aaO 111; Loebenstein-Kaniak aaO 35). Durch § 1 Abs 2 AHG wird klargestellt, daß jedes hoheitliche Handeln dazu bestellter Personen, von wem immer es gesetzt worden sein mag, Amtshaftungsansprüche begründen kann (1 Ob 5/88, 1 Ob 35/87; Loebenstein-Kaniak aaO 29). Die im § 1 Abs 2 AHG erwähnten Typen von Verleihungsakten der Organeigenschaft sind nur Aufzählungen demonstrativer Natur (Loebenstein-Kaniak aaO 22).
Liegt aber ein auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes zu stützender Schadenersatzanspruch vor, können die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht dadurch umgangen werden, daß derselbe Anspruch auf die allgemeinen Bestimmungen der §§ 1295 ff ABGB gestützt wird (SZ 50/159; JBl 1973, 155). Möglich wäre es allerdings, den behaupteten Anspruch auf Normen des Nachbarrechtes zu stützen (SZ 59/5; SZ 51/184 ua; Loebenstein-Kaniak aaO 18 f). Solche Ansprüche bestehen aber, wie das Berufungsgericht zutreffend beurteilte, nicht zu Recht. Nachbarrechtliche Ansprüche stehen nur dem Eigentümer und anderen dinglich Berechtigten, nicht aber bloß obligatorisch Berechtigten wie einem Bestandnehmer zu (JBl 1986, 782; SZ 47/140, Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 364 mwN). In der Revisionsbeantwortung beruft sich der Kläger nur noch darauf, daß die Anspruchsvoraussetzungen einer Haftung nach dem Rohrleitungsgesetz gegeben wären. Unter § 1 RohrleitungsG, BGBl. 1975/411, fällt aber nicht die Beförderung von Wässern und damit auch nicht die Beförderung von Abwässern. Reine Vermögensschäden, wie sie der Kläger geltend macht, sind gemäß § 10 Abs 1 RohrleitungsG auch nicht ersetzungsfähig (Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II 428 f).
Der Revision ist Folge zu geben, das angefochtene Urteil ist im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17684European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0010OB00003.89.0315.000Dokumentnummer
JJT_19890315_OGH0002_0010OB00003_8900000_000