Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und Helga Kaindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert H***, Baumschularbeiter, Suben 28, vertreten durch Dr. Haratün Johannes Papazian, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Ing. Norbert S***, Baumschulinhaber, Zell an der Pram, Wildhag-Pram 8, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück und Dr. Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 6.385,95 S sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. November 1988, GZ 13 Ra 128/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. September 1988, GZ 5 Cga 88/88-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.977,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon 329,60 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit März 1961 im Baumschulbetrieb des Beklagten als Arbeiter voll beschäftigt. Er unterliegt mit diesem Arbeitsverhältnis der Oberösterreichischen Landarbeitsordnung 1979 (Oö LAO 1979) (§ 5 leg. cit). Daneben ist er ein zweites Dienstverhältnis zur Innviertler Siedlungsgenossenschaft eingegangen. Für diese Dienstgeberin pflegt er Gartenanlagen. Dieser Beschäftigung geht er zur Gänze in seiner Freizeit außerhalb der Arbeitszeit beim Beklagten nach. Die Entlohnung aus diesem zweiten Dienstverhältnis überschreitet die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 ASVG nicht, so daß er nur unfallversichert ist. Der Kläger hat das Dienstverhältnis zur Innviertler Siedlungsgenossenschaft dem Beklagten nicht gemeldet.
Am Samstag, dem 23. April 1988, erlitt der Kläger während der Arbeit für die Innviertler Siedlungsgenossenschaft beim Rasenmähen einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Knochensplitterung am rechten Zeigefinger zuzog. Der Kläger war deswegen vom 23. April bis 12. Juni 1988 im Krankenstand.
Der Kläger begehrt vom Beklagten gemäß § 22 Abs 1 Oö LAO 1979 die Fortzahlung des Entgelts während seines Krankenstandes in der außer Streit stehenden Höhe von 6.385,95 S sA. Er habe den Unglücksfall weder durch Vorsatz noch durch grobe Fahrlässigkeit verschuldet.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß zur Entgeltfortzahlung aus dem erlittenen Arbeitsunfall nur jener Dienstgeber verpflichtet sei, bei dem die Dienstverhinderung eingetreten sei. Der Kläger trage mangels einer Zustimmung des Beklagten zur Aufnahme einer weiteren Beschäftigung das alleinige Risiko dafür, daß er auf Grund eines Arbeitsunfalles bei einem anderen Dienstgeber nur gegen diesen einen allenfalls niedrigeren Entgeltfortzahlungsanspruch habe. Der Entgeltfortzahlungsanspruch aus einem Arbeitsunfall sei, anders als jener auf Grund von Krankheit und Unglücksfall, stets betriebsbezogen zu beurteilen. Den Beklagten treffe wegen dieses Unfalls keine Fürsorgepflicht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung gründe sich auf § 22 Abs 1 Oö LAO 1979, der mit § 2 Abs 1 EFZG nahezu gleichlautend sei. Ein (erweiterter) Anspruch auf Entgeltfortzahlung iS des (im wesentlichen dem § 2 Abs 5 EFZG entsprechenden) § 22 Abs 5 Oö LAO 1979 aus Arbeitsunfall oder Berufskrankheit entstehe nur gegen jenen Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung eingetreten sei; gegen den anderen Dienstgeber entstehe aber ein Anspruch nach § 22 Abs 1 Oö LAO 1979, der nur aufgehoben werde, wenn der Dienstnehmer den Arbeitsunfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe. Dies sei aber nicht der Fall, Rasenmähen sei keine besonders schadensgeneigte Tätigkeit.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG nicht zulässig sei. Wenn ein Dienstnehmer gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern beschäftigt sei und bei einem von ihnen einen Arbeitsunfall erleide, so richte sich der besondere, für ihn günstigere Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen eines Arbeitsunfalles nach § 22 Abs 5 Oö LAO 1979 nur gegen diesen Dienstgeber. Gegen die anderen Dienstgeber bestehe ein Entgeltfortzahlungsanspruch in dem Ausmaß, wie er bei Erkrankung (Unglücksfall) gelte, also nach § 22 Abs 1 Oö LAO 1979. Dies ergebe sich eindeutig aus der Verweisung im § 22 Abs 5 letzter Satz Oö LAO 1979 auf Abs 1 dieser Gesetzestelle, welche die Verhinderung des Dienstnehmers durch Krankheit und Unglücksfall regle. Unfälle, die sich außerhalb des Betriebes des Dienstgebers ereigneten, seien unter den Begriff "Krankheit" bzw. "Unglücksfall" zu subsumieren. Dies gelte auch dann, wenn diese Unfälle im Zuge einer entgeltlichen Beschäftigung passierten. Die Entgeltfortzahlung gebühre nur dann nicht, wenn der Dienstnehmer eine Nebenbeschäftigung angenommen habe, die an sich gefährlich sei und deren Übernahme zB wegen Übermüdung nach der vorausgegangenen Hauptbeschäftigung als grob fahrlässig angesehen werden müsse. Das sei aber beim Kläger nicht der Fall. Rasenmähen sei weder eine gefährliche noch eine besonders schadensgeneigte Tätigkeit. Da auch Sportunfälle einer unverschuldeten Krankheit gleichzuhalten seien, hätte der Kläger selbst dann Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er sich die gegenständliche Verletzung bei einer Sportausübung ohne Wissen des Beklagten zugezogen hätte. Auf die Kenntnis des Beklagten komme es daher nicht an.
Der Beklagte erhebt gegen das Urteil des Berufungsgerichtes die außerordentliche Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG, weil die Entscheidung von einer erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts abhänge, und beantragt, die Revision zuzulassen und das Urteil des Berufungsgerichtes dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung von der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des § 22 Abs 1 und 5 Oö LAO 1979 über den Entgeltfortzahlungsanspruch bei Bestehen einer Mehrheit von Dienstverhältnissen abhängt, zu dieser Frage aber eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Von erheblicher Bedeutung ist hiebei insbesondere auch die vom Beklagten relevierte Frage, ob die fehlende Zustimmung des Dienstgebers zur Eingehung eines weiteren Dienstverhältnisses die Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Dienstnehmer bei Arbeitsunfällen in dem anderen Dienstverhältnis aufhebt. Die zu lösenden Fragen sind schließlich auch für die Auslegung der nahezu gleichlautenden Bestimmungen des § 2 Abs 1 und 5 EFZG von Bedeutung. Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Wird ein Dienstnehmer durch Krankheit (Unglücksfall) an der
Dienstleistung verhindert, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich
oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er
gemäß § 22 Abs 1 Oö LAO 1979 nach einer
Dauer des Dienst- seinen Anspruch auf
verhältnisses von das Entgelt durch
2 Wochen 4 Wochen
5 Jahren 6 Wochen
15 Jahren 8 Wochen
25 Jahren 10 Wochen.
Wird ein Dienstnehmer durch Arbeitsunfall oder Berufskrankheit im Sinne der Vorschriften über die gesetzliche Unfallversicherung an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne daß er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er gemäß § 22 Abs 5 Satz 1 und 2 OÖ LAO 1979 seinen Anspruch auf das Entgelt ohne Rücksicht auf andere Zeiten einer Dienstverhinderung bis zur Dauer von acht Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn das Dienstverhältnis 15 Jahre ununterbrochen gedauert hat. Der Dienstnehmer erwirbt also bei einem Arbeitsunfall (oder einer Berufskrankheit) schon mit Beginn des Dienstverhältnisses einen - hinsichtlich der Dauer der Entgeltfortzahlung - wesentlich höheren und insoweit günstigeren Entgeltanspruch als bei den anderen Verhinderungsgründen. Ist ein Dienstnehmer gleichzeitig bei mehreren Dienstgebern beschäftigt, so entsteht gemäß § 22 Abs 5 letzter Satz Oö LAO 1979 ein Anspruch nach diesem Absatz nur gegenüber jenem Dienstgeber, bei dem die Dienstverhinderung im Sinne dieses Absatzes eingetreten ist; gegenüber den anderen Dienstgebern entstehen Ansprüche nach Abs 1.
Das Gesetz bringt damit völlig klar zum Ausdruck, daß der höhere Anspruch aus Arbeitsverhinderung durch Arbeitsunfall nur gegen den Dienstgeber zusteht, bei dem sich der Arbeitsunfall ereignet hat, daß aber dem Dienstnehmer gegen die anderen Dienstnehmer Ansprüche "nach Abs 1" entstehen, der Dienstnehmer also gegen diese Dienstgeber dieselben Ansprüche wie bei Verhinderung an der Dienstleistung durch Krankheit "Unglücksfall" hat (Cerny, Entgeltfortzahlungsgesetz2, 59 Erl. 27; ähnlich Adametz in Adametz-Basalka-Krejci-Mayr-Stummvoll Komm z EFZG 47, 64 f, wonach Unfälle außerhalb des Betriebes des Arbeitgebers unter den Begriff "Krankheit" bzw. "Unglücksfall" zu subsumieren sind). Damit hat der Gesetzgeber das Risiko, daß bei einem von mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer eine Dienstverhinderung durch Arbeitsunfall eintritt, in gewissen Grenzen allen beteiligten Dienstgebern (nach Maß der bezahlten Entgelte) auferlegt und dabei auch in Kauf genommen, daß es dadurch bei allen beteiligten Dienstgebern zu gewissen Risikoerhöhungen kommen kann. Bei zwei ähnlichen Halbtagsbeschäftigungen wird zwar, von Wegunfällen abgesehen, das Risiko einer Dienstverhinderung des Dienstnehmers durch Arbeitsunfall insgesamt etwa gleich groß sein wie bei einer entsprechenden Ganztagsbeschäftigung. Bei zusätzlichen Nebenbeschäftigungen über die normale Arbeitszeit hinaus wird aber die Wahrscheinlichkeit einer Dienstverhinderung durch Arbeitsunfälle ansteigen. Der Gesetzgeber beteiligt an diesem Risiko grundsätzlich auch jene Dienstgeber, bei denen sich der Arbeitsunfall nicht ereignet hat, läßt sie aber nur so haften, als ob die Dienstverhinderung der privaten Sphäre des Dienstnehmers zuzuordnen wäre.
Diese (eingeschränkte) Entgeltfortzahlungspflicht kann der Dienstgeber nicht mit der Begründung abwehren, daß ihm die risikoerhöhende Nebenbeschäftigung vom Dienstnehmer nicht gemeldet worden sei. Da im allgemeinen - von der allfälligen Verletzung eines Konkurrenzverbotes oder einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung abgesehen - nicht gesetz- oder vertragswidrige Nebenbeschäftigungen ohne Einschränkung zulässig und grundsätzlich auch nicht dem Arbeitgeber zu melden sind (Arb. 10.017) und das Gesetz bei der Normierung der Haftung nach § 22 Abs 5 letzter Satz Oö LAO 1979 diesbezüglich keine Einschränkungen machte, besteht die Entgeltfortzahlungspflicht nach dieser Gesetzesstelle unabhängig davon, ob der Dienstnehmer die Nebenbeschäftigung gemeldet und ob der Dienstgeber dem Dienstnehmer die gemeldete Nebenbeschäftigung gestattet oder untersagt hat.
Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang - über die festgestellte Unterlassung einer Meldung der Nebenbeschäftigung durch den Kläger hinaus - von einer gegen die Treuepflicht verstoßenden Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen ausgeht und auf den Entlassungsgrund "des Betreibens eines der Verwendung beim Gewerbe abträglichen Nebengeschäftes" nach § 82 lit e GewO 1859 hinweist, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil die Beklagte in erster Instanz eine solche Tätigkeit nicht behauptete; aus der bloßen Behauptung in erster Instanz, der Kläger habe seine Nebenbeschäftigung bei der Innviertler Siedlungsgenossenschaft dem Beklagten nicht gemeldet, ergibt sich eine abträgliche Nebenbeschäftigung bei einem Konkurrenzunternehmen nicht. Der Beklagte als Baumschulinhaber hat in erster Instanz nicht dargetan, aus welchen Gründen zwischen ihm und der Innviertler Siedlungsgenossenschaft ein Konkurrenzverhältnis bestehen soll und hat nicht behauptet, auch Gartenpflegearbeiten (also Dienstleistungen für andere) durchzuführen. Im übrigen hat der Beklagte den Kläger nach Kenntnis vom Arbeitsunfall (und der seiner Meinung nach abträglichen Nebenbeschäftigung) auch nicht etwa entlassen. Auf die von der Revision aufgeworfene Frage der grob fahrlässigen Herbeiführung der Dienstverhinderung durch Aufnahme einer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen ist daher nicht einzugehen.
Die Frage des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit des Dienstnehmers spielt für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur insofern eine Rolle, als der Dienstnehmer diesen Anspruch verliert, wenn er die Dienstverhinderung, also die Krankheit, den Unglücksfall oder den Arbeitsunfall, vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Daß das hier nicht zutrifft, hat die Beklagte schon in der Berufung als unbestritten bezeichnet. Das Unterlassen der Meldung des Eingehens eines zweiten Dienstverhältnisses führt aber - abgesehen von der regelmäßig fehlenden
Pflichtwidrigkeit - nicht die Dienstverhinderung schuldhaft herbei. Grobe Fahrlässigkeit in bezug auf die Herbeiführung einer Dienstverhinderung kommt (- im Sinne einer Entlassungsfahrlässigkeit -) allenfalls in Betracht, wenn der Arbeitnehmer eine Nebenbeschäftigung auf sich nimmt, die an sich gefährlich ist und deren Ausführung zB wegen Übermüdung bei der vorausgegangenen Hauptbeschäftigung die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls noch beträchtlich erhöht (Adametz in Adametz-Basalka-Krejci-Mayr-Stummvoll Komm z EFZG 47). Derartiges wurde nicht einmal behauptet. Die Nebenbeschäftigung des Klägers an Samstagen erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17090European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:009OBA00073.89.0315.000Dokumentnummer
JJT_19890315_OGH0002_009OBA00073_8900000_000