TE OGH 1989/3/16 6Ob539/89

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Veröffentlicht am 16.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Beate B***, Textildesignerin, Wien 2., Große Mohrengasse 3b/2/17, vertreten durch Dr. Roland Hubinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. Stefan S***, und 2.) Ingrid S***, Hauseigentümer, beide wohnhaft in Wien 19., Weimarerstraße 71, beide vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wegen 100.000 S samt Nebenforderungen, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 7.Dezember 1988, GZ 41 R 719/88-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 26.Juli 1988, GZ 6 C 314/88f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit 5.092,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 848,70 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat im Zusammenhang mit dem Abschluß eines dem Mietrechtsgesetz unterliegenden Mietvertrages über eine im Hause der beiden Beklagten gelegene Wohnung am 18.Juli 1983 einen Betrag von 100.000 S gezahlt, der den beiden Hälfteeigentümern am genannten Tag auch zugekommen ist.

Mit der am 27.Januar 1988 angebrachten Klage begehrte die Klägerin die Rückzahlung dieses viereinhalb Jahre zuvor gezahlten Betrages, weil die Beklagten ihr hiefür keine gleichwertige Gegenleistung erbracht hätten. Die Klägerin behauptete ausdrücklich, den Betrag in Rechtsunkenntnis an die Hausverwaltung der Beklagten gezahlt und erst unmittelbar vor ihrer Klagserhebung Kenntnis von der Unzulässigkeit ihrer Ablösezahlung erlangt zu haben. Sie erklärte, ihren Rückforderungsanspruch insbesondere auch auf § 1431 ABGB zu stützen.

Die Beklagten wendeten unter anderem Verjährung ein. Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahme wegen Verjährung ab.

Das Berufungsgericht teilte die erstinstanzliche Beurteilung der Verjährung und bestätigte dieses Urteil. Dazu sprach es aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO wegen unrichtiger Auslegung des § 27 Abs 3 MRG mit einem Abänderungsantrag im Sinne des Klagebegehrens und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an. Die Beklagten streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die Entscheidung des Rechtsstreites hängt von der Auslegung des § 27 Abs 3 MRG in seinem Verhältnis zur allgemeinen Leistungskondiktion nach § 1431 ABGB ab, ob nämlich die mit dem Wortlaut der Vorgängerbestimmung des § 17 Abs 2 MG übereinstimmende Regelung als Sondernorm die Rückabwicklung in Ansehung der speziell mietengesetzlich unzulässigen Leistungen abschließend regelt oder einen Anspruch gewährt, neben dem eine allgemeine Leistungskondiktion nach § 1431 ABGB in Anspruchskonkurrenz möglich bliebe. Zu dieser vor allem wegen der unterschiedlichen Verjährungsfristen erheblichen Auslegungsfrage hat der Oberste Gerichtshof zwar bereits wiederholt unterstellt, daß diesbezüglich eine unterschiedliche Wertung des § 27 Abs 3 MRG einerseits und der Vorgängerbestimmung des § 17 Abs 2 MG, wie diese in langjähriger ständiger Rechtsprechung gesehen worden war, geboten sein könnte, weil sonst die aus § 43 Abs 2 MRG gelöste Frage des intertemporären Rechtes hätte unerörtert bleiben können (4 Ob 505/85, 4 Ob 584/87, 5 Ob 635/88), ausdrücklich fand diese nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierte Frage des materiellen Rechtes in der bisherigen Rechtsprechung des Revisionsgerichtes aber keine Beantwortung. Die Revision, die gerade diese Auslegungsfrage zum Hauptgegenstand ihrer Ausführungen macht, ist daher zulässig.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Vereinbarungen, wonach der neue Mieter ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter etwas zu leisten hat, sind nach § 27 Abs 1 MRG ungültig und verboten. Was entgegen dieser Bestimmung geleistet wird, kann gemäß § 27 Abs 3 MRG samt gesetzlichen Zinsen zurückgefordert werden. Auf diesen Rückforderungsanspruch kann im voraus nicht rechtswirksam verzichtet werden. Der Rückforderungsanspruch verjährt in drei Jahren.

Von der Verlängerung der Verjährungsfrist von einem Jahr auf drei Jahre abgesehen, deckt sich diese Regelung mit jener der Vorgängerbestimmung des § 17 MG. Es läge daher nahe, wie in anderen Fällen wörtlicher oder fast wörtlicher Übernahme von Regelungen aus dem Mietengesetz in das Mietrechtsgesetz zur Auslegung des neuen Gesetzes die zur entsprechenden Regelung des alten Gesetzes ergangene Rechtsprechung zu übernehmen.

Der Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage zum Mietrechtsgesetz, 880 BlgNR XV.GP, 5 hält aber zu § 27 folgende Vorstellung fest:

"Der Abs 3 räumt einen ausschließlich nach diesem Recht zu beurteilenden Rückforderungsanspruch ein. Durch die Verlängerung der Fristen des bisherigen § 17 Abs 2 MietG auf einheitlich drei Jahre werden andere, bisher nach Rechtsprechung und Lehre offenstehende Bereicherungsansprüche (insbesondere nach § 1431 ABGB) ausgeschlossen."

Diese Ansicht fand in den Kommentarmeinungen zum Mietrechtsgesetz ungeteilte Aufnahme (Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG, 345; Würth in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 27 MRG; Würth-Zingher MRG2 § 27 Anm.7; Derbolav MRG § 27 Anm.6; Popper-Teufelhart, Handbuch zum Immobilienrecht, Komm. zu § 27 Abs 3;

Gschnitzer/Faistenberger-Barta-Eccher, Schuldrecht, besonderer Teil, 165 f; offenkundig ohne Bezug auf das in Rede stehende Problem undifferenziert zur neuen Rechtslage: Schwimann/Honsell, ABGB, § 1431 Rz 7; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 12 zu § 1431 in erklärter Übereinstimmung mit Würth in Rummel aaO und unter ausdrücklichem Widerruf der zu § 877 in Rz 6 geäußerten Ansicht).

Die Revisionswerberin sieht die im Bericht des Justizausschusses festgehaltene Ansicht über die Tragweite der Regelung des § 27 Abs 3 MRG als unzutreffend und eine gesetzgeberische Absicht im Sinne der niedergelegten Vorstellungen wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes als verfassungswidrig an. Sie erachtet wegen der wörtlichen Übereinstimmung des § 27 Abs 3 MRG mit der Regelung im § 17 Abs 2 MG die zu dieser Bestimmung ergangene Judikatur auch weiterhin als anwendbar.

Das neue Mietrechtsgesetz ist offenkundig bestrebt, wenn auch auf das Vorverständnis der bürgerlich-rechtlichen Institutionen und Mechanismen nicht verzichtet werden kann und soll, für die im Bestandnehmerinteresse schützenswert erachteten Mietverhältnisse ein tunlichst in sich geschlossenes Sonderrecht zu schaffen. Das Gesetz neigt deshalb dazu, Regelungen aus dem allgemeinen bürgerlichen Recht ausdrücklich zu rezipieren, um so eine möglichste Geschlossenheit des Systems vorzugeben (vgl zB § 29 Abs 1 Z 4 und 5 MRG). Dies rechtfertigt nach dem promulgierten Gesetzeswortlaut im Sinne der erkennbaren systematischen Absicht des Gesetzgebers eine Neubewertung mietenrechtlicher Sonderregelungen im Verhältnis zu allgemein bürgerlich-rechtlichen Kategorien verwandten Inhaltes und widerlegt das Argument der Revisionswerberin zur Übernahme der Rechtsprechung zu § 17 Abs 2 MG.

Der Wortsinn des § 27 Abs 3 MRG deckt - wie schon der des § 17 Abs 2 MG - die Auslegung, daß alle Ansprüche auf Rückforderung einer Leistung, die zur Erfüllung einer nach den mietrechtsgesetzlichen Sonderregelungen als unwirksam und verboten erklärten Abrede bewirkt wurde, ausnahmslos dem besonderen mietrechtsgesetzlich geregelten Rückforderungsanspruch unterliegen sollen. Der Rückgriff auf die diesbezügliche, im Ausschußbericht niedergelegte Auffassung im Zuge des Gesetzwerdungsverfahrens ist ein anerkanntes Auslegungsmittel. Das Mietrechtsgesetz als Schutzgesetz mit dem erwähnten systematischen Anliegen möglichster Geschlossenheit seiner Regelungen unterwirft eine Reihe von Vereinbarungen, die dem angestrebten Mieterschutz zuwiderlaufen, einer Unwirksamkeitssanktion. Die Besonderheiten des Schutzzweckes und der typischen wirtschaftlichen und Lebensverhältnisse, in die die Regelungen eingreifen, rechtfertigen nicht nur die Sanktionen als solche, sondern auch eine angemessene besondere Folgeregelung der erst aus der Unwirksamkeitserklärung (im Sinne der allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Institutionen) erwachsenden Rückforderungsansprüche und deren Verjährung. Der von der Revisionswerberin aufgezeigte Verdacht einer Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann nicht geteilt werden.

Die mit der Lehre übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen ist entgegen den Ausführungen in der Revision frei von Rechtsirrtum:

Der Rückforderungsanspruch nach § 27 Abs 3 MRG schließt in seinem Anwendungsbereich eine Leistungskondiktion nach § 1431 ABGB aus.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E16833

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00539.89.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19890316_OGH0002_0060OB00539_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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