Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otto K***, Zahntechniker, Völkermarkt, Hans-Kudlich-Weg 2, vertreten durch Dr.Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Marietta K***, im Haushalt, Völkermarkt, Kanaltalerstraße 5, vertreten durch Dr.Franz Grauf, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wegen 31.000 S s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 16. Dezember 1988, GZ 1 R 245/88-10, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. Oktober 1988, GZ 22 Cg 273/88-6, unter Rechtskraftvorbehalt zur Verfahrensergänzung aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird stattgegeben und der angefochtene berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluß derart abgeändert, daß das klagsabweisende Urteil erster Instanz wieder hergestellt wird. Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 5.444,85 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 728,85 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind Ehegatten. Ihre eheliche Lebensgemeinschaft ist seit Juli 1986 aufgehoben. Dabei verblieb die Frau - mit den beiden noch unmündigen ehelichen Söhnen - in der bis dahin als Ehewohnung gemeinsam benutzten (Miet-)Wohnung.
Mit der am 24. August 1988 angebrachten Klage, deren Gleichschrift der Frau am 29. August 1988 zugestellt wurde, begehrte der Mann von seiner Frau als Rückersatz der von ihm in der Zeit nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft auf ein während der gemeinsamen Lebensführung aufgenommenes Bankdarlehen geleisteten monatlichen Rückzahlungen einen Betrag von 31.000 S samt 4 % Zinsen ab dem Tag der Klagszustellung.
Dazu brachte er vor:
Die Streitteile hätten ihre Ehe am 30. Dezember 1976 geschlossen (nach seinen Angaben im Vermögensbekenntnis stand der Kläger damals im 20. Lebensjahr, während die Beklagte nach deren Angaben in ihrem Vermögensbekenntnis damals im 23. Lebensjahr gestanden ist), im Mai 1982 gemeinsam bei einer Kreditunternehmung ein Darlehen aufgenommen, mit dem sie einerseits einen Baukostenzuschuß bezahlt und andererseits Aufwendungen für ehelichen Hausrat und die gemeinsame Lebensführung getätigt hätten. Die Rückzahlungsverpflichtungen auf das Darlehen hätten zur Jahresmitte 1984 rund 230.000 S betragen. Zur Abdeckung dieser Verpflichtung hätten die Streitteile bei einem anderen Kreditunternehmen ein zinsengünstigeres Darlehen im Betrag von rund 230.000 S aufgenommen, das in monatlichen Beträgen von 3.658 S rückzahlbar sei. Zur Ergänzung seines Vorbringens aufgefordert, behauptete der Kläger durch seinen Prozeßvertreter in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 17. Oktober 1988 wörtlich:
"Sowohl die Mutter des Klägers als auch die Beklagte hafteten zur ungeteilten Hand für den aufgenommenen Kredit bei der..."
(Bank). "Die Beklagte hafte als Zahler und Bürge und ist daher auch zur Zurückzahlung mitverpflichtet."
Nach einem weiteren Vorbringen des Klägers weigere sich die Beklagte seit der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, den auf sie entfallenden Hälfteanteil der Rückzahlungsverbindlichkeiten zu leisten. Der Kläger habe in den Monaten von August 1986 bis Juni 1988 auf das Bankdarlehen insgesamt 86.400 S zurückgezahlt. Die Beklagte schulde dem Kläger im Innenverhältnis davon die auf sie entfallende Hälfe. Vorerst begehre der Kläger allerdings nur den Teilbetrag von 31.000 S.
Die Beklagte wendete ein, zum überwiegenden Teil sei das Bankdarlehen nicht für gemeinsame, sondern für persönliche Zwecke des Klägers (insbesondere PKW-Käufe) verwendet worden. Die Beklagte wäre wegen ihrer mütterlichen Betreuung der beiden ehelichen Kinder zu eigener Erwerbstätigkeit, die eine Beteiligung an den Zahlungen zur Abdeckung der Bankverbindlichkeiten gestattet hätte, gar nicht in der Lage, sondern vielmehr auf die (unzureichenden) Unterhaltsleistungen des Klägers angewiesen gewesen. Ein Anspruch des Klägers auf Ausgleich bestehe dem Grunde nach schon deshalb nicht zu Recht, weil die (alleinige) Darlehensrückzahlung durch den Kläger (im Verhältnis der Ehegatten untereinander) in seiner Unterhaltspflicht begründet wäre, der Kläger überdies seine tatsächlichen Zahlungen nicht nachgewiesen hätte und die Rückzahlungsbeträge der Beklagten gegenüber nicht fällig gestellt worden seien.
Aufrechnungsweise wendete die Beklagte eine Gegenforderung in der Höhe von 43.200 S ein und führte zur Begründung ihrer Forderung aus, der Kläger habe ihr zwar im Sinne eines gerichtlichen Vergleiches Ehegattenunterhalt im Ausmaß von 3.000 S monatlich bezahlt. Zum Zeitpunkt der vergleichsweisen Betragsfestsetzung hätte sie aber noch monatlich ca. 2.000 S als teilzeitbeschäftigte Verkäuferin verdient. Vor zwei Jahren sei dieses Einkommen weggefallen. Der Kläger hätte der Beklagten bei einem Einkommen von 15.000 S und konkurrierenden Sorgepflichten für zwei eheliche Kinder nicht bloß 3.000 S, sondern 4.500 S monatlich, also um 1.500 S mehr als seine tatsächlichen Zahlungen leisten müssen, der monatliche Unterschiedsbetrag von "1.800 S" (?) habe sich in zwei Jahren auf 43.200 S summiert.
Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Klagebegehren ohne Beweisaufnahmen ab. Es befand das vom Kläger zur Rechtfertigung seines Rückgriffsanspruches erstattete Vorbringen als unschlüssig, weil der Kläger danach auf die Solidarschuld noch nicht mehr als die nach seinem Prozeßstandpunkt auf ihn entfallende Kopfteilsquote geleistet habe.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf.
Das Berufungsgericht teilte die erstinstanzliche Beurteilung deshalb nicht, weil dabei der Umstand unberücksichtigt geblieben sei, daß die von den Streitteilen der Kreditunternehmung gegenüber zur gesamten Hand geschuldete Darlehensrückzahlung in vertraglich festgelegten Abschlagszahlungen zu erfolgen habe und der Kläger nach seinem Vorbringen alle fälligen Teilzahlungen aus seinem Vermögen abgedeckt habe. In einem solchen Falle bestünde ein Ausgleichsanspruch unter den Gesamtschuldnern in Ansehung jeder einzelnen Teilzahlung. § 896 ABGB sei nicht nur in der Rechtsprechung (GlUNF 1910 und ZVR 1963/16), sondern auch in der Lehre (Gschnitzer in Klang2, IV/1, 313 und Mayrhofer in Ehrenzweig, System3, II/1, 108 Anm.10) in diesem Sinne ausgelegt worden. Die Lösung dieser Auslegungsfrage sei nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO qualifiziert, weil sie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in länger zurückliegenden Entscheidungen ausgesprochen worden sei. Nach der vom Berufungsgericht übernommenen Auslegung des § 896 ABGB im Falle einer von den Gesamtschuldnern in Teilbeträgen abzustattenden Schuld seien nach dem Inhalt der Prozeßakten dem Berufungsgericht - in keiner Weise näher bezeichnete - erheblich scheinende Tatsachen betreffend die Begründung des Klagsanspruches und die von der Beklagten erhobenen Einwendungen ergänzungsbedürftig. Die Beklagte ficht den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß aus dem Anfechtungsgrund der qualifiziert unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag an.
Der Kläger strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Klage ist, wenn auch nicht aus dem vom Prozeßgericht erster Instanz dargelegten Grunde, sondern nach einer Beurteilung des Klagevorbringens aus einer anderen, nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO qualifizierten Sicht unschlüssig, die Rechtssache daher spruchreif und die Verfahrensergänzung entbehrlich:
Die Rückgriffsvoraussetzung nach § 896 ABGB bei Teilfälligkeiten der Schuld, für die mehrere Schuldner dem Gläubiger zur ungeteilten Hand haften, hat das Berufungsgericht im Sinne der in ZVR 1963/16 veröffentlichten Entscheidung, der keine neuere Entscheidung, aber auch keine Lehrmeinung widersprochen hat, sondern die vielmehr mit den bereits vom Berufungsgericht zitierten Ansichten von Gschnitzer (Klang2, IV/1, 313) und Mayrhofer (Ehrenzweig, System3, Schuldrecht, Allgmeiner Teil, 108) übereinstimmt, zutreffend schon dann angenommen, wenn der ausgleichfordernde Gesamtschuldner von dem Teil der Schuld, den der Gläubiger bereits zu fordern berechtigt war, mehr als den nach dem internen Verhältnis der Schuldner untereinander auf ihn entfallenden Anteil durch seine Leistungen zur Tilgung gebracht hat.
Die erwähnte Vorentscheidung hat die hier vertretene Auffassung nur mit der "Selbstverständlichkeit" des gefundenen Ergebnisses begründet. Die vom Rekursgegner vermißte Begründung einer Auslegung, die als Voraussetzung des Rückgriffes unter Gesamtschuldnern eine intern überverhältnismäßige Leistung auf die vom Gläubiger bereits klagbaren Teile der Schuld genügen läßt, liegt darin, daß spätere Fälligkeiten einzelner Teile der Gesamtschuld sämtlichen Mitschuldnern in gleicher Weise zustatten kommen sollen und deshalb ein durch die Leistung eines anderen Mitschuldners nach dem interen Verhältnis über Gebühr entlasteter Mitschuldner die Leistung des tilgenden Mitschuldners auch nicht teilweise auf einen vom Gläubiger noch nicht einforderbaren Teil der Schuld anrechnen dürfte. Der im letzten Satz des § 1434 ABGB zum Ausdruck kommende Gedanke einer Vernachlässigung des Zeitfaktors beim Ausgleich zwischen Be- und Entreichertem durch Leistungskondiktion ließe sich auf das Ausgleichsverhältnis unter Gesamtschuldnern nach § 896 ABGB nicht übertragen, weil als Grundlage der durch die erwähnte Ausnahmebestimmung ausgeschlossenen Leistungskondiktion eine freiwillige Leistung eines über die Fälligkeit der zu tilgenden Schuld irrenden Schuldners vorausgesetzt ist, im Falle des Ausgleiches unter Gesamtschuldnern aber der Leistende eine fällige und klagbare Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger erfüllte. Da es sich bei einer in mehreren Teilbeträgen mit unterschiedlichen Fälligkeiten (Raten, Annuitäten etc.) zahlbaren Schuld um eine einheitliche Rechtsbeziehung handelt, wäre es nicht gerechtfertigt, wie die Formulierung bei Gschnitzer und Mayrhofer annehmen lassen könnte, auf jede einzelne Teilzahlung abzustellen und in Ansehung jeder Teilfälligkeit der Gesamtschuld einen selbständigen Ausgleichsanspruch nach § 896 ABGB anzunehmen, vielmehr gebietet die Einheit der Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Gesamtschuldnern einerseits und unter diesen andererseits bei der Beurteilung eines Ausgleichsanspruches nach § 896 ABGB jeweils auf die Gesamtheit der bei der Leistung bereits fällig gewesenen Teilbeträge abzustellen.
Die Anspruchsvoraussetzung nach § 896 ABGB, daß ein Gesamtschuldner "die ganze Schuld aus dem Seinigen abgetragen hat", ist nach dem durch die gesetzliche Regelung verfolgten Ausgleichszweck in dem Sinne zu verstehen, daß es hinreicht, wenn ein Gesamtschuldner
"von dem bereits fälligen Teil der Schuld durch seine Leistungen mehr als den nach dem internen Verhältnis unter den Gesamtschuldnern auf ihn entfallenden Anteil getilgt hat."
Der von jedem einzelnen Gesamtschuldner zu tragende Teil wird durch das "besondere Verhältnis" bestimmt, das unter den mehreren, dem Gläubiger haftenden Personen besteht, mangels eines solchen durch die Kopfteilsregelung des § 896 ABGB.
Wenn auch nach herrschender Auffassung denjenigen, der ein die gesetzliche Hilfsregel verdrängendes besonderes Verhältnis zu seinen Gunsten geltend machen will, die Behauptungs- und Beweislast für das besondere Verhältnis und den sich daraus ergebenden Anteil an der endgültigen Belastung im Innenverhältnis trifft, enthebt eine diesbezügliche konkrete Prozeßbehauptung des Gegners die sonst behauptungs- und beweispflichtige Partei ihrer betreffenden Obliegenheit.
Steht die Begründung einer Solidarschuld von Ehegatten mit deren gemeinsamer Lebensführung in unmittelbarem Zusammenhang, wird die Schuldtragung im Innenverhältnis durch die eheliche Beistandspflicht nach § 94 ABGB bestimmt.
Steht daher die Begründung der Gesamtschuld von Ehegatten im Zusammenhang mit ihrer gemeinsamen Lebensführung und damit auch ein besonderes, den internen Ausgleich unter den Gesamtschuldnern bestimmendes Verhältnis fest, ist damit zunächst die Anwendbarkeit der subsidiären Kopfteilsregel nach § 896 ABGB verdrängt und den Regreß beanspruchenden Ehegatten trifft die volle Behauptungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen zu folgern wäre, daß seine Leistungen zur Schuldtilgung über seine Beitragspflicht nach § 94 ABGB hinausgegangen wären (vgl JBl 1957, 452, wobei die Kritik von Gschnitzer den Fall von Aufwendungen für ehelichen Hausrat und Ehewohnung sowie für gemeinsamen Konsum wohl nicht treffen kann). Nach den Prozeßbehauptungen des Klägers sei das mit dem derzeit laufenden Bankkredit im Wege einer Umschuldung abgedeckte ursprüngliche Darlehen ausschließlich zur Zahlung eines Baukostenzuschusses (für die Ehewohnung), zur Anschaffung von ehelichem Hausrat sowie für laufende Ausgaben (der ehelichen Lebensführung) verwendet worden und er allein habe auf das ursprüngliche Darlehen Rückzahlungen geleistet, weil die Beklagte einkommens- und vermögenslos gewesen sei. Die Beklagte hat eingewendet, daß die alleinige Rückzahlungsverpflichtung durch den Kläger in dessen "Unterhaltsverpflichtungen" begründet sei. Dieser Einwand war nach dem Zusammenhang ungeachtet des unpräzisen Ausdruckes dahin zu verstehen, daß die alleinige Kreditrückzahlung durch den Kläger in dessen ehelicher Beitragsverpflichtung (nach § 94 ABGB) begründet läge. Der Kläger hat trotz dieses Einwandes sein unvollständiges Vorbringen nicht durch die Behauptung von Umständen ergänzt, aus denen abgeleitet werden könnte, daß er mit seinen Kreditrückzahlungen mehr geleistet hätte, als seiner ehelichen Beistandspflicht im Sinne des § 94 ABGB entsprochen hätte. Das Prozeßvorbringen des Klägers blieb daher auch nach Erörterung der Anspruchsgrundlage in wesentlichen Punkten unvollständig.
Haften Ehegatten einem Dritten zur ungeteilten Hand für Verbindlichkeiten, die zur Finanzierung von Gütern und Leistungen im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft eingegangen wurden, trifft den gegenüber dem anderen Ehegatten Rückgriff nehmenden Mitschuldnern die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß seine Leistungen zur Schuldtilgung seine Beitragspflichten nach § 94 ABGB überschritten hätten.
Dem hat der Kläger nicht entsprochen. Aus diesem Grunde ist seine Anspruchsableitung unschlüssig geblieben. Die Abweisung des Klagebegehrens durch das Prozeßgericht erster Instanz erfolgte im Ergebnis zu Recht. Der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung bedarf es nicht.
In Stattgebung des gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhobenen Rekurses war das klagsabweisende Urteil erster Instanz wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E17059European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00532.89.0316.000Dokumentnummer
JJT_19890316_OGH0002_0060OB00532_8900000_000