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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit der finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung zur Ausschreibung von Gebühren durch die Gemeinde bis zum doppelten Jahreserfordernis; Äquivalenzprinzip verfassungsrechtlich nicht geboten; keine Gesetzwidrigkeit der Festlegung von auf den Einheitssatz gestützten Kanalbenützungsgebühren in der Kanalabgabenordnung einer Gemeinde; keine willkürliche Vorschreibung dieser GebührenSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist Eigentümer einer Liegenschaft in der Marktgemeinde Perchtoldsdorf (Niederösterreich) und wird als solcher für eine Kanalbenützungsgebühr in Anspruch genommen.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2000 schrieb der Bürgermeister dieser Gemeinde dem Beschwerdeführer eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Schmutzwasserentsorgung von S 10.848,64 (zuzüglich 10 % USt.) vor; dabei legte er eine Berechnungsfläche von 368 m2 und einen Einheitssatz von S 29,48 zugrunde. Eine Berufung gegen diesen Bescheid wies der Gemeindevorstand mit Bescheid vom 13. September 2000 ab.
Mit Bescheid vom 8. Jänner 2001 wies die Niederösterreichische Landesregierung eine Vorstellung gegen diesen Berufungsbescheid ab.
2.1. Gegen diesen Vorstellungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der zT ausdrücklich, zT der Sache nach die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und der Sache nach auch die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des §15 Abs3 Z5 Finanzausgleichsgesetz (FAG) 1997, Art65 BG BGBl. 201/1996, und wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich der Kanalabgabenordnung der Marktgemeinde Perchtoldsdorf (in der Folge: KanalabgabenO) behauptet wird. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des FAG 1997 verweist die Beschwerde auf ein beigelegtes, veröffentlichtes Rechtsgutachten Prof. Heinz Mayers ("Rechtsgutachten über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Gebührenfestsetzung bis zum Doppelten der erforderlichen Kostendeckung", veröffentlicht von der Wirtschaftskammer Steiermark, oJ). Die Beschwerde beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof.
2.2. Die Niederösterreichische Landesregierung hat die Akten des Verwaltungsverfahrens sowie Akten, die sich auf die KanalabgabenO beziehen, vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie für die Abweisung der Beschwerde eintritt. Auch die mitbeteiligte Marktgemeinde Perchtoldsdorf tritt in ihrer Äußerung für die Abweisung der Beschwerde ein.
3. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften lauten:
3.1. §7 Abs5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 BGBl. 45 (F-VG) lautet:
"Die Bundesgesetzgebung kann Gemeinden ermächtigen, bestimmte Abgaben auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung auszuschreiben."
3.2. §15 Abs3 FAG 1997 lautet auszugsweise:
"Die Gemeinden werden ferner ermächtigt, durch Beschluß der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:
1. - 4. ...
5. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt."
3.3. Das Niederösterreichische Kanalgesetz 1977 LGBl. 8230-5 (in der Folge: KanalG) lautet auszugsweise:
"I. Abschnitt
Kanalgebühren
§1
Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren
(1) Die Gemeinden werden gemäß §8 Abs5 Finanzverfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, Kanalerrichtungsabgaben (Kanaleinmündungs-, Kanalergänzungs-, Kanalsonderabgabe) und Kanalbenützungsgebühren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben.
(2) Für die Erhebung der Kanalbenützungsgebühren aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung (Finanzausgleichsgesetz) gelten die Bestimmungen des NÖ Kanalgesetzes 1977.
(3) Die Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren sind in einer Kanalabgabenordnung (§6) näher auszuführen.
(4) ...
(5) Die Kanalerrichtungsabgaben und die Kanalbenützungsgebühren sind zweckgebundene Einnahmen, die ausschließlich für die Errichtung, für die Erhaltung und den Betrieb der Kanalanlage verwendet werden dürfen. Dies gilt nicht für die den einfachen Jahresaufwand übersteigenden Einnahmen aus den Kanalbenützungsgebühren.
§1a
Begriffe
Im Sinne dieses Gesetzes gelten als
1. - 7. ...
8. Jahresaufwand:
jährliches Erfordernis für
a)
den Betrieb und die Instandhaltung der Kanalanlage,
b)
die Zinsen für Darlehen, die für die Errichtung oder Änderung der Kanalanlage aufgenommen worden sind,
c)
die Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Kanalanlage entsprechenden Lebensdauer und
d)
die Bildung einer Erneuerungsrücklage von höchstens 3 v.H. der Errichtungskosten;
9. - 11. ...
§3
(1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs2) mit dem Einheitssatz (Abs3).
(2) ...
(3) Der Einheitssatz (Abs1) ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§6) festzusetzen ... . Die vom Gemeinderat der Ermittlung des Einheitssatzes zugrunde gelegten Baukosten sowie die Gesamtlänge des Kanalnetzes sind in die Kanalabgabenordnung aufzunehmen.
(4) - (6) ...
§5
Kanalbenützungsgebühr
(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.
(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles. Dieser wird nur dann berücksichtigt, wenn die eingebrachte Schmutzfracht den Grenzwert von 100 Berechnungs-EGW überschreitet. Werden von einer Liegenschaft in das Kanalsystem Schmutzwässer und Niederschlagswässer eingeleitet, so gelangt in diesem Fall ein um 10 % erhöhter Einheitssatz zur Anwendung.
(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. ...
(4) ...
(5) Dürfen in das Kanalsystem ausschließlich Niederschlagswässer eingeleitet werden, ergibt sich die Berechnungsfläche aus der Summe der bebauten Flächen aller Gebäude von denen Niederschlagswässer in das Kanalsystem eingeleitet werden, vermehrt um 15 % der unbebauten Fläche.
(6) Wenn der Beginn der Abgabepflicht während des Jahres eintritt, ist die Gebühr für dieses Jahr nur in dem verhältnismäßigen Anteil der Jahresgebühr zu entrichten. Dasselbe gilt sinngemäß im Falle einer Veränderung der bisherigen Gebühr.
§5a
Berechnung des Einheitssatzes
(1) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung festzusetzen.
(2) Der Einheitssatz darf den auf einen Quadratmeter der Berechnungsfläche aller angeschlossenen Geschoßflächen entfallenden doppelten Jahresaufwand von dem der voraussichtliche Ertrag des schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles abzuziehen ist, nicht übersteigen.
(3) Der Einheitssatz für ein Kanalsystem in das ausschließlich Niederschlagswässer eingeleitet werden dürfen, darf den auf einen Quadratmeter der Berechnungsfläche aller an dieses Kanalsystem angeschlossene Liegenschaften entfallenden doppelten Jahresaufwand nicht übersteigen.
§6
Kanalabgabenordnung
(1) In jeder Gemeinde, in der eine öffentliche Kanalanlage vorhanden ist, ist gleichzeitig mit dem Beschluß über die Einhebung von Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren eine Kanalabgabenordnung zu beschließen.
(2) Die Kanalabgabenordnung hat nach Maßgabe des Einhebungsbeschlusses (§1) zu enthalten:
a) die Höhe des Einheitssatzes für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe und der Ergänzungsabgabe und die der Berechnung des Einheitssatzes zugrunde gelegten Baukosten sowie die Gesamtlänge des Kanalnetzes, erforderlichenfalls getrennt für Schmutz-(Misch-)wasserkanäle und Regenwasserkanäle (§3 Abs3);
b) die Höhe der Einheitssätze für die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr;
c) - d) ...
§13
Veränderungsanzeige
(1) Treten nach Zustellung des Abgabenbescheides (§14) derartige Veränderungen ein, daß die der seinerzeitigen Festsetzung der Kanalerrichtungsabgabe und Kanalbenützungsgebühr oder der Fäkalienabfuhrgebühr zugrunde gelegten Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, so hat der Abgabepflichtige diese Veränderungen binnen zwei Wochen nach dem Eintritt der Veränderung bzw. nach dem Bekanntwerden derselben dem Bürgermeister (Magistrat) schriftlich anzuzeigen (Veränderungsanzeige).
(2) Eine auf Grund einer im Abs1 genannten Veränderung festgestellte niedrigere oder höhere Gebühr (§14 Abs1 litc) ist, soferne sich nicht aus §12 etwas anderes ergibt, ab dem Monatsersten des dem Tage des Eintrittes der Veränderung zunächst folgenden Monates zu entrichten."
3.4. Die KanalabgabenO, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 9. Juni bis zum 28. Juni 2000, lautet auszugsweise:
"§4
Kanalbenützungsgebühren
für den Schmutz- und Regenwasserkanal
1. Die Kanalbenützungsgebühren sind nach den Bestimmungen des §5 Abs2 NÖ Kanalgesetz 1977, in der Fassung der Novelle 1996, LGBl. 8230-5, zu berechnen.
2. Der Einheitssatz für die Berechnung der laufenden Gebühren für die Benützung der öffentlichen Kanäle (Kanalbenützungsgebühr) wird
für die Regenwasserkanalisation mit ATS 8,64
für die Schmutzwasserkanalisation mit
(ohne RW-Anschluß) mit ATS 26,80
festgesetzt.
Hinweis: Für die Einleitung von Schmutzwasser und Niederschlagswässer wird ein um 10 % erhöhter Einheitssatz verrechnet. (ATS 29,48)
§7
Umsatzsteuer
Zusätzlich zu sämtlichen Abgaben und Gebühren nach dieser Kanalabgabenordnung gelangt die gesetzliche Umsatzsteuer, aufgrund des Umsatzsteuergesetzes 1994, i.d.g.F., zur Verrechnung.
§8
Schlußbestimmungen
1. Diese Kanalabgabenordnung wird mit 1.7.2000 rechtswirksam und tritt mit 1.7.2000 in Kraft.
2. ..."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer behauptet die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, nämlich der KanalabgabenO. Zusammengefaßt wirft er ihr vor, es habe kein Ermittlungsverfahren zur Feststellung der tatsächlichen Erfordernisse und Kosten von Kanalerrichtung und Kanalbenützung gegeben und die Verordnung sehe Benützungsgebühren in einer Höhe vor, daß die Einnahmen den tatsächlichen Aufwand für die Anlage bei weitem überschritten; dies verstoße gegen §1 Abs5 KanalG.
1.1.1. In den Verordnungsakten, die dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt worden sind, findet sich eine Unterlage, die dem Gemeinderat bei der Beschlußfassung über die KanalabgabenO vorlag und aus der sich in nachvollziehbarer und schlüssiger Weise ergibt, daß der Einheitssatz für die Kanalbenützungsgebühr (§5 Abs2, §5a KanalG) S 22,81 je m2 (für eine Schmutzwasserkanalisation ohne Regenwasseranschluß) betragen würde, wenn man den einfachen Jahresaufwand zugrundelegte. Der Verfassungsgerichtshof kann daher nicht finden, daß der Erlassung der KanalabgabenO kein Ermittlungsverfahren vorangegangen wäre. Der Beschwerdeführer hat gegen diese Berechnung auch keine substantiierten Einwände erhoben. Daß die Berechnungsgrundlagen für die Höhe dieses Einheitssatzes in der KanalabgabenO angeführt werden, verlangt das Gesetz (§6 Abs2 litb KanalG) nicht, im Gegensatz zum Einheitssatz für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe (§3 Abs3, §6 Abs2 lita KanalG).
Auf das Vorbringen, es fehle auch an Feststellungen über die Kosten der Kanalerrichtung, war nicht weiter einzugehen, weil diese Kosten bei der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr gemäß §5 KanalG keine Rolle spielen (anders als bei der Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe gemäß §3 KanalG).
1.1.2. Der Hauptvorwurf der Beschwerde, soweit sie sich gegen die KanalabgabenO wendet, geht jedoch dahin, daß höhere Gebühren vorgesehen seien, als zur Deckung des einfachen Jahreserfordernisses notwendig wären.
Da es im Verwaltungsverfahren um eine Abgabenvorschreibung für Zeiträume ab Juli 2000 geht, ist für den Beschwerdefall das FAG 1997 relevant. Nach §15 Abs3 Z5 dieses Gesetzes dürfen Benützungsgebühren bis zu einem Ausmaß ausgeschrieben werden, "bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt".
Nach §5 Abs2 KanalG errechnet sich die Kanalbenützungsgebühr aus dem Produkt der Berechnungsfläche und des Einheitssatzes. Der Einheitssatz darf nach §5a Abs2 KanalG den auf einen Quadratmeter der Berechnungsfläche aller angeschlossenen Geschoßflächen entfallenden doppelten Jahresaufwand nicht übersteigen. Damit entspricht §5a Abs2 KanalG dem §15 Abs3 Z5 FAG 1997. Multipliziert man nämlich den - §5a Abs2 KanalG entsprechenden - Einheitssatz mit der - in Quadratmetern ausgedrückten - gesamten Berechnungsfläche, so ergeben sich Einnahmen, die das doppelte Jahreserfordernis, wie es §15 Abs3 Z5 FAG 1997 umschreibt, nicht übersteigen. Der in §5a Abs2 KanalG angesprochene Jahresaufwand, der in §1a Z8 KanalG definiert wird, entspricht dem Jahreserfordernis des §15 Abs3 Z5 FAG 1997.
§4 KanalabgabenO sieht für die Schmutzwasserkanalisation (ohne Regenwasseranschluß) einen Einheitssatz von S 26,80 vor, mithin weniger als das Doppelte jenes Einheitssatzes, der sich aufgrund bloß des einfachen Jahreserfordernisses ergäbe, denn das wären S 22,81 gewesen (vgl. Pkt. 1.1.1.). (Für die Einleitung von Schmutz- und Niederschlagswasser ist - entsprechend §5 Abs2 letzter Satz KanalG - ein um 10 % höherer Einheitssatz vorgesehen (§4 letzter Satz KanalabgabenO).) Der Verfassungsgerichtshof gelangt daher zu dem vorläufigen Ergebnis, daß §4 KanalabgabenO weder gegen §15 Abs3 Z5 FAG 1997 noch gegen §5a Abs2 KanalG verstößt. Daß §4 KanalabgabenO einen höheren Einheitssatz vorsieht, als er sich ergäbe, wenn man bloß das einfache Jahreserfordernis zugrundelegte, kann daher nur dann rechtswidrig sein, wenn eine der Rechtsgrundlagen dieser Verordnung verfassungswidrig wäre oder ihre Interpretation ergäbe, daß sie einen derart hohen Einheitssatz nicht zuließe. Genau diese Verfassungswidrigkeit behauptet der Beschwerdeführer, untermauert mit dem erwähnten Rechtsgutachten. Es ist daher nunmehr darauf einzugehen, ob §15 Abs3 Z5 FAG 1997 verfassungswidrig ist.
1.2.1.1. Zu den Abgaben, die durch das Finanzausgleichsrecht in das sogenannte freie Beschlußrecht der Gemeinden übertragen sind, zählen seit jeher die "Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten".
Diese Gebühren waren in allen Finanzausgleichsgesetzen der Zweiten Republik vorgesehen, und zwar bis einschließlich des FAG 1989 ohne ausdrückliche Beschränkung ihrer Höhe. Dazu judizierte der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, daß der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigen dürfe (VfSlg. 10947/1986, S 835, weiters VfSlg. 11294/1987 und zuvor schon ähnlich VfSlg. 3550/1959, 10738/1985 ua.). Er sprach in diesem Zusammenhang von der Geltung des Äquivalenzprinzips (VfSlg. 7583/1975, 8847/1980, 8943/1980 ua.). Diese Geltung wurde teils mit systematischen Argumenten begründet (Umkehrschluß aus §10 Abs3 litc FAG 1959; VfSlg. 3853/1960), teils mit historischen Argumenten ("Versteinerung" des Gebührenbegriffes; VfSlg. 5156/1965), zum Teil wurde das Äquivalenzprinzip aus dem "Wesen" der Gebühr abgeleitet (VfSlg. 3550/1959 ua.). In keiner der einschlägigen Entscheidungen wird jedoch die Auffassung vertreten, das Äquivalenzprinzip sei von Verfassungs wegen dem Gebührenbegriff immanent, sodaß er insoweit nicht zur Disposition des Finanzausgleichsgesetzgebers stünde. Vielmehr wird beispielsweise in VfSlg. 10947/1986 (S 835 f.) zum Ausdruck gebracht, daß der Landesgesetzgeber die Gemeinden auch zur Ausschreibung höherer Gebühren ermächtigen könne (was mit einer verfassungsrechtlichen Qualität des Äquivalenzprinzips offenbar unvereinbar wäre).
Daß von einem verfassungsrechtlich gebotenen Äquivalenzprinzip nicht auszugehen ist, belegt aber vor allem die historische Entwicklung des Finanzausgleichsrechtes. Das Finanzausgleichsrecht der Ersten Republik unterschied nämlich ab der Dritten Finanz-Verfassungsnovelle, BGBl. 270/1925, zwischen Benützungsgebühren, bei denen - auf das Wesentliche zusammengefaßt - das Äquivalenzprinzip eingehalten wurde, und solchen, bei denen über das jährliche Deckungserfordernis hinausgegangen werden durfte. Soferne der Landesgesetzgeber zur Erhebung von Benützungsgebühren, die das jährliche Deckungserfordernis überstiegen, ermächtigte, unterlag dieses Landesgesetz dem Vetorecht der Bundesregierung (vgl. auch die Wiedergabe der Rechtsentwicklung in VfSlg. 10947/1986, S 829). - Bei der Neuregelung des Finanzausgleichs im Jahr 1931 sollte das freie Beschlußrecht der Gemeinden auf jene Benützungsgebühren eingeschränkt werden, die das jährliche Deckungserfordernis nicht überstiegen, darüber hinausgehende Gebühren sollten nur aufgrund einer landesgesetzlichen Regelung erhoben werden dürfen (5 BlgNR 4. GP, 15). Dieses Vorhaben der Regierungsvorlage wurde später in §10 Abgabenteilungsgesetz 1934 BGBl. 306 verwirklicht (vgl. dazu wiederum VfSlg. 10947/1986, S 830).
Von einer Geltung des Äquivalenzprinzips im Bereich der Benützungsgebühren aufgrund Verfassungsrechts war daher in dieser Periode offensichtlich nicht auszugehen. Gebühren, für die dieses Prinzip nicht zu beachten war, waren vielmehr einfachgesetzlich vorgesehen (wenn auch nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig). Wenn daher im Finanzausgleichsrecht der Zweiten Republik (dh. konkret ab dem FAG 1948 BGBl. 46) eine Aussage über das Ausmaß der Gebührenhöhe entfallen ist, dann kann dies, was immer auch der Grund dafür gewesen sein mag, keinesfalls die Schlußfolgerung rechtfertigen, daß damit das Äquivalenzprinzip stillschweigend zum Inhalt des finanzverfassungsrechtlichen Gebührenbegriffes gemacht wurde oder werden sollte.
1.2.1.2. §15 Abs3 Z5 des im Beschwerdefall maßgebenden FAG 1997 enthält die oben (Pkt. I.3.2.) wiedergegebene Ermächtigung an die Gemeinden, Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen auszuschreiben, und zwar - verkürzend formuliert - bis zum Doppelten des Jahreserfordernisses.
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des FAG 1993 (867 BlgNR 18. GP) - §15 Abs3 Z5 dieses Gesetzes lautete wörtlich gleich wie §15 Abs3 Z5 FAG 1997 - sprechen davon, bei den Gebühren für die Gemeindeeinrichtungen und -anlagen werde "vom Äquivalenzprinzip abgegangen" (17), und führen weiters aus (20):
"Gegenüber der bisherigen Rechtslage neu ist die Bestimmung in §15 Abs3 Z5, daß die Benützungsgebühren für Gemeindeeinrichtungen und -anlagen bis zu einem Ausmaß des doppelten Jahreserfordernisses ausgeschrieben werden dürfen. Damit wird auch auf bundesgesetzlicher Ebene vom Äquivalenzprinzip abgegangen, das aus dem Begriff 'Gebühren' in den Finanzausgleichsgesetzen abgeleitet wurde. Zwar ist auch derzeit eine zusätzliche Ermächtigung des Landesgesetzgebers an die Gemeinden für die Ausschreibung höherer Gebühren zulässig (VfGH-Erkenntnis Slg 10947/1986), doch wurde davon kaum Gebrauch gemacht.
Die von den Gemeinden ausgeschriebenen Gebühren insbesondere für die Wasser- und Abwasserversorgungsanlagen und für die Müllabfuhr hängen stark von den regionalen Gegebenheiten ab: Während in ländlichen und zersiedelten Gebieten den Benützern oft keine kostendeckenden Gebühren zugemutet werden können, wird es in städtischen Bereichen erforderlich werden, Gebühren zu verlangen, die über die bloße Kostendeckung hinaus gehen, um im Sinne einer ökologischen Lenkungsmaßnahme Anreize für eine sparsame Benützung zu geben."
Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsentwicklung bedeutet diese Änderung der finanzausgleichsrechtlichen Ermächtigung, daß das freie Beschlußrecht der Gemeinden im Bereich der Benützungsgebühren, das im Finanzausgleichsrecht der Ersten Republik sukzessive eingeschränkt worden war, wieder ausgedehnt wurde:
Benützungsgebühren dürfen nunmehr nicht nur bis zum einfachen Jahreserfordernis, sondern - ohne landesgesetzliche Ermächtigung - bis zum doppelten Jahreserfordernis durch selbständige Verordnungen der Gemeinden ausgeschrieben werden.
1.2.2.1. Hinsichtlich der konkreten Inanspruchnahme der damit erteilten Ermächtigung ist freilich zu berücksichtigen, daß sie weiterhin (nur) "Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen" betrifft. Der Verfassungsgerichtshof versteht dies so, daß den Gemeinden keineswegs die Ermächtigung erteilt wird, den Benützern von Gemeindeeinrichtungen nunmehr neben der Anlastung der vollen Kosten der Gemeindeeinrichtung im Sinne des Äquivalenzprinzips zusätzlich noch eine Steuer (im finanzwissenschaftlichen Verständnis) in (maximal) gleicher Höhe aufzuerlegen. Eine solche Interpretation müßte schon deswegen auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen, weil kein sachlicher Grund ersichtlich ist, der es rechtfertigen könnte, gerade den Benützern einer bestimmten Gemeindeeinrichtung oder -anlage eine die allgemeinen Gemeindeerfordernisse deckende Steuer aufzuerlegen. Um dieses verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnis zu vermeiden, muß die Ermächtigung so verstanden werden, daß ihre Ausschöpfung nur aus Gründen in Betracht kommt, die mit der betreffenden Einrichtung in einem inneren Zusammenhang stehen, sei es, daß - wie im Beschwerdefall - Folgekosten der Einrichtung finanziert werden, sei es, daß mit einer solchen Gebühr Lenkungsziele (zB ökologischer Art) verfolgt oder Rücklagen für eine Ausweitung der Einrichtung oder Anlage gebildet werden sollen, sei es auch nur, um Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Anrechenbarkeit bestimmter Kostenpositionen oder um Rechtsstreitigkeiten in Jahren mit unerwartet günstiger Einnahmenentwicklung zu vermeiden.
1.2.2.2. Der Verfassungsgerichtshof ist auch nicht der Meinung, daß sich durch die (mit dem FAG 1993 vorgenommene) Ausdehnung des freien Beschlußrechtes der Gemeinden im Bereich der Benützungsgebühren und die damit eröffnete Möglichkeit, durch selbständige Verordnung der Gemeinde über das Jahreserfordernis hinauszugehen, etwas an den Grundsätzen geändert hätte, nach denen der Gebührengesamtbetrag auf die einzelnen Benützer aufzuteilen ist. Zu dieser Frage hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, wenn auch mit unterschiedlichen Formulierungen, die Auffassung vertreten, daß die gesamtzulässigen Gebühren auf die einzelnen Benützer oder Benützungskategorien nach sachlichen Kriterien zu verteilen seien (VfSlg. 7583/1975, ähnlich VfSlg. 11172/1986 uva.). Er hat hiebei auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung abgestellt (VfSlg. 3550/1959 ua.) und dabei sowohl die verursachten Kosten als auch den erzielten Nutzen beachtet. Diese - letztlich aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten - Grundsätze haben durch die Erweiterung des freien Beschlußrechtes der Gemeinden keine Änderung erfahren. Auch wenn die Ausschreibungsbefugnis der Gemeinde nunmehr ihre Grenze nicht mehr im einfachen Jahreserfordernis findet, geht es doch weiterhin um Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen. Bei einer solchen Abgabenkategorie kommt aber nur eine Aufteilung auf die Benützer nach Maßstäben in Frage, die im Zusammenhang mit der Benützung der Einrichtung oder Anlage stehen. Als solche sind weiterhin in der Regel die von den einzelnen Benützern verursachten Kosten (im weitesten Sinn) oder der ihnen zugute kommende Nutzen in Betracht zu ziehen, ohne daß andere - sachliche - Gesichtspunkte, wie etwa die Einbeziehung ökologischer Überlegungen, ausgeschlossen wären.
1.2.3. Aus all diesen Gründen hat der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §15 Abs3 Z5 FAG 1997.
1.3. Daß die KanalabgabenO keine Gebühren vorsieht, die das doppelte Jahreserfordernis übersteigen, wurde bereits dargetan (Pkt. 1.1.2.). Der Verfassungsgerichtshof kann aber auch nicht finden, daß sie den dargelegten, dem §15 Abs3 Z5 FAG 1997 immanenten Beschränkungen zuwiderliefen. Nach dem - unwidersprochen gebliebenen - Vorbringen der Marktgemeinde Perchtoldsdorf wird das Jahreserfordernis bei diesen Gebühren (lediglich) um 17,5 % überschritten, wobei der überwiegende Teil des Zuschlages für den Straßenbau zweckgewidmet ist, um Folgekosten des Kanalbaus abzudecken. Die Überschreitung des Jahreserfordernisses ist damit durch Kosten begründet, die mit der Einrichtung in einem inneren Zusammenhang stehen. Daß die Verteilung des Gesamtbetrages auf die Benützer der Anlage nach unsachlichen Gesichtspunkten erfolgen würde, wird in der Beschwerde nicht geltend gemacht und ist auch im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht hervorgekommen.
2.1.1. Schließlich behauptet die Beschwerde die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.
Eine Verletzung dieses Rechtes kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewandten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
2.1.2. Der Beschwerdeführer sieht eine in die Verfassungssphäre reichende Rechtswidrigkeit des Bescheides offenbar darin, daß im Verfahren zur Bescheiderlassung - wie er meint - keine nachvollziehbaren Feststellungen über die Kosten von Kanalerrichtung und Kanalbenützung oder über die Ermittlung der Berechnungsfläche getroffen worden seien.
Nach §5 Abs2 KanalG errechnet sich die Kanalbenützungsgebühr aus dem Produkt von Berechnungsfläche und Einheitssatz. Im Verfahren zur Erlassung des Abgabenbescheides waren daher die tatsächlichen Kosten der Kanalbenützung nicht mehr zu errechnen, sondern nur der Einheitssatz heranzuziehen, wie er in der KanalabgabenO festgesetzt ist (§5a Abs1, §6 Abs2 litb KanalG). Nur bei der Festsetzung des Einheitssatzes in dieser Verordnung selbst spielen die Kosten der Benützung eine Rolle; daß die Verordnung insoweit mängelfrei ist, wurde bereits dargetan, ebenso, daß die Kosten der Kanalerrichtung im Beschwerdefall nicht von Bedeutung sind (vgl. oben Pkt. 1.1.1.).
Die mitbeteiligte Marktgemeinde Perchtoldsdorf verweist auf ein "Erhebungsblatt zur Ermittlung der Berechnungsfläche für die Kanalbenützungsgebühr", das mit 25. März 1997 datiert und vom Beschwerdeführer unterschrieben ist und aus dem sich eine "gebührenpflichtige Berechnungsfläche" von 368 m2 ergibt. Sie bringt in ihrer Äußerung vor, die Abgabenbehörden könnten gemäß §13 KanalG so lange von dieser Berechnungsfläche ausgehen, als der Abgabepflichtige keine Veränderungsanzeige erstatte. Diese Auslegung des §13 KanalG, von der auch die belangte Behörde ausgegangen ist, ist jedenfalls nicht willkürlich, zumal da der Beschwerdeführer weder in der Berufung noch in der Vorstellung oder in der Beschwerde eine andere Berechnungsfläche behauptet hat und auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens erst in der Beschwerdeschrift rügt.
2.2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
3.1. Die Beschwerde war daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
Die von der mitbeteiligten Partei verzeichneten Kosten waren nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz für die Erstattung einer derartigen Äußerung im VerfGG nicht vorgesehen ist. Die mitbeteiligte Partei hat sich auch keines Rechtsanwaltes bedient, wozu im übrigen auch keine Veranlassung bestand.
3.2. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Auslegung historische, Finanzausgleich, Abgabenbegriff, Gebühr, Finanzverfassung, Abgabenwesen, Abgaben Gemeinde-, Beschlußrecht, Kanalisation, ÄquivalenzprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:B260.2001Dokumentnummer
JFT_09988990_01B00260_00