Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Rudolf Oezelt (Arbeitgeber) und Mag.Michael Zawodsky (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Kristina N***, Seefeld 55, 4853 Steinbach, vertreten durch Dr.August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei P***
DER A*** (Landesstelle Linz), Roßauer Lände 3, 1092 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten wegen Invaliditätspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeitsund Sozialrechtssachen vom 6.Dezember 1988, GZ 12 Rs 173/88, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 11.August 1988, GZ 24 Cgs 80/87-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 18.Jänner 1948 in Jugoslawien geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Seit ihrer Übersiedlung nach Österreich im Jahr 1970 war sie vorerst als Abwäscherin in einem Hotelbetrieb und in der Folge als Hilfsarbeiterin in einer Möbelfabrik tätig. Bei einem Autounfall am 30.Juni 1985 zog sie sich schwere Verletzungen zu. Unter Berücksichtigung des Gesamtzustandes kann die Klägerin leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen sowohl im Freien als in geschlossenen Räumen ohne zeitliche Einschränkung bei Einhaltung der üblichen Arbeitspausen verrichten. Die Möglichkeit zur Einnahme von Medikamenten während der Arbeit muß gegeben sein. Arbeiten, bei denen sie häufig den Kopf maximal nach oben heben muß oder rasche Blickbewegungen nach rechts oder links durchführen müßte, sollten vermieden werden. Am Arbeitsplatz sollten vermehrte Staub-, Rauch- oder Gasentwicklung, Inhalation von Reizstoffen sowie Nässe und Kälte ausgeschlossen sein. Arbeiten mit häufigem Bücken bis zum Boden und mit Tragen von Gegenständen über 10 kg sollten ebenfalls vermieden werden. Außerdem sind Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an schnell laufenden Maschinen, welche bei der Handhabung ein gutes räumliches Sehvermögen erfordern oder Arbeiten am Fließband und mit Treppensteigen nicht zumutbar. Ausgeschlossen sind auch Arbeiten, die ein räumliches Sehvermögen erfordern und welche mit Schreiben und Lesen verbunden sind. Einschränkungen hinsichtlich der ortsüblichen Anmarschwege zur Arbeitsstätte bei günstigen ländlichen und städtischen Verhältnissen bestehen nicht. Ein öffentliches Verkehrsmittel kann benutzt werden. Die Klägerin ist weder umschulbar noch anlernbar, sondern nur unterweisbar. Arbeiten mit besonderen Anforderungen an manuelle Geschicklichkeit oder an das Arbeitstempo können nicht geleistet werden. Die Arbeiten können nur ganz einfacher Art sein, dürfen keine Eigeninitiative oder Verantwortung verlangen. Es können einfache Arbeiten mit sehr geringen intellektuellen und manuellen Anforderungen geleistet werden. Die Klägerin ist in der Lage, die beruflichen Tätigkeiten einer Abwäscherin oder Geschirrspülerin bzw einer Serviererin oder Tischabräumerin in Gemeinschaftsküchen und Selbstbedienungsrestaurants auszuüben.
Das Erstgericht wies das auf Gewährung einer Invaliditätspension ab 1.Juli 1986 gerichtete Begehren der Klägerin ab. Die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für die begehrte Leistung erfüllt seien, habe ausgehend von § 255 Abs 3 ASVG zu erfolgen. Da die Klägerin in der Lage sei, zumutbare Verweisungsberufe auszuüben, bestehe das erhobene Begehren nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln. Bedenklich seien die Feststellungen des Ersturteils nur insoweit, als davon ausgegangen werde, daß die Klägerin auch in der Lage sei, zeitweise mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Tatsächlich sei die Klägerin nur imstande, leichte Arbeiten mit den weiteren Einschränkungen auszuüben. Dem komme aber letztlich entscheidende Bedeutung nicht zu, da die herangezogenen Verweisungsberufe nur mit leichten körperlichen Belastungen verbunden seien, sodaß die Klägerin auch bei Zugrundelegung eines in diesem Sinn weiter eingeschränkten Leistungskalküls imstande sei, diese Tätigkeiten auszuüben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit die Klägerin in der Revision bemängelt, daß ihre Vernehmung als Partei und die Einholung weiterer ärztlicher Gutachten unterblieben sei, macht sie einen schon in der Berufung gerügten Mangel des Verfahrens erster Instanz geltend. Mit diesen Fragen hat sich bereits das Berufungsgericht auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, daß die Unterlassung dieser Beweisaufnahmen keinen Verfahrensmangel bildet. Wie der erkennende Senat in seiner grundsätzlichen Entscheidung SSV-NF 1/32 ausführlich dargelegt hat, hält er auch im Verfahren in Sozialrechtssachen an der seit der Entscheidung SZ 22/106 ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fest, daß Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, nicht mit Revision geltend gemacht werden können.
Der angefochtenen Entscheidung liegt ein zusammenfassendes Leistungskalkül zugrunde, von dem im Revisionsverfahren auszugehen ist. Wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangte, daß die vorhandenen Beweismittel zur Feststellung des zusammenfassenden Leistungskalküls ausreichend und geeignet seien und es eines zusammenfassenden ärztlichen Gutachtens als Grundlage hiefür nicht bedürfe, so unterliegt dies nicht der Überprüfung im Revisionsverfahren. In der Berufung wurde die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes in keinem Punkt ausgehend von den Feststellungen des erstgerichtlichen Urteils angefochten. Die Rechtsrüge der Berufung war damit nicht gesetzmäßig ausgeführt. Hat die unterlegene Partei jedoch ihre Berufung nicht auch auf den Berufungsgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützt und ihn gesetzmäßig ausgeführt, so kann die von ihr versäumte Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachgetragen werden (SZ 50/152; EvBl 1951/268; SSV-NF 1/28). Ein Eingehen auf die nunmehr in der Revision zur rechtlichen Beurteilung erstatteten Ausführungen ist dem Revisionsgericht daher verwehrt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E17112European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:010OBS00092.89.0321.000Dokumentnummer
JJT_19890321_OGH0002_010OBS00092_8900000_000