Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.März 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Iby als Schriftführer in der Strafsache gegen Hans H*** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10.Juni 1988, GZ 26 Vr 112/86-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 21.Mai 1924 geborene Firmengesellschafter Hans H*** des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 24.Februar 1984 und am 17.April 1984 in Linz ein ihm anvertrautes Gut in einem 25.000 S übersteigenden Wert, nämlich insgesamt 24 Ballen Rohleder im Gesamtwert von 244.230 S Dritten mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er es trotz aufrechtem Eigentumsvorbehalt und trotz ausdrücklichem Veräußerungsverbot beim Zollfreilager Linz auslagerte, veräußerte und den erzielten Erlös nicht an die Lieferfirma E***-L*** W. P. B*** GesmbH abführte. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen bezog der Angeklagte Johann H*** als Geschäftsführer und Mitgesellschafter der Firma Hans H*** LederhandelsGesmbH & Co KG (im folgenden kurz Firma H***) im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung von der in der BRD ansässigen Firma E***-L*** W. P. B*** GesmbH (Firma B***) zur Weiterveräußerung bestimmte Lederkontingente gegen Eigentumsvorbehalt bis zur Erfüllung der Ansprüche des Lieferunternehmens, wobei sich der Angeklagte verpflichtete, im Fall der Weiterveräußerung von Vorbehaltsware seine daraus entstehenden Forderungen sicherungshalber an die Firma B*** abzutreten. Vereinbarungsgemäß war die Firma H*** nur solange zur Weiterveräußerung berechtigt, als sie sich nicht im Zahlungsverzug befand. Im Zusammenhang mit wachsenden Einbringungsschwierigkeiten nahm die Firma B*** die Nichtzahlung eines am 16.Februar 1984 fälligen Wechsels über 100.000 DM zum Anlaß, der Firma H*** am 23.Februar 1984 fernschriftlich mitzuteilen, daß ihr die Verfügung über die noch vorrätige bzw im Zollfreilager gelagerte Vorbehaltsware entzogen werde. In Kenntnis des vom Verkäufer erklärten Verfügungsverbotes ließ der Angeklagte beim Zollamt Linz von der Firma B*** geliefertes und Ende Jänner 1984 in das Zollfreilager eingegangenes Rohleder, nämlich am 24.Februar 1984 15 Ballen mit einem Gesamtgewicht von 817 kg und am 17.April 1984 9 Ballen zu insgesamt 658 kg zum freien Verkehr abfertigen. Die Verantwortung des Angeklagten, von dem am 23.Februar 1984 übermittelten Fernschreiben der Firma B*** infolge des Besuches einer Sportartikelmesse erst am 27.Februar 1984 Kenntnis erhalten zu haben, Verwechslungen der Warenbestände seien im Zuge des Zollverfahrens nicht auszuschließen und überdies seien die Auslagerungen nicht von ihm persönlich, sondern ohne konkreten Auftrag durch einen Firmenangestellten veranlaßt worden, lehnte das Erstgericht als unglaubwürdig ab. Dabei stützte es sich darauf, daß das in Rede stehende Telex der Firma B*** seitens der Firma H*** noch am selben Tag (23.Februar 1984) beantwortet und der Firma K*** am 24. Februar 1984 ein bezügliches Lieferangebot gelegt worden sei, was nach der unternehmensinternen Aufgabenteilung ebenso für einen detaillierten Informationsstand des Angeklagten spreche, wie die (zeitliche Modalitäten des reklamierten Messebesuchs betreffenden) Ungereimtheiten in den vorgelegten Kalenderaufzeichnungen bzw den Angaben des Angeklagten und seiner Familienangehörigen. Daß im Zuge des Zollverfahrens eine Verwechslung von Warenbeständen unterlaufen wäre, schloß das Erstgericht auf Grund der Aussage des verantwortlichen Zollorgans aus. Zu der Behauptung eines eigenständigen Vorgehens des mit der Betreuung des Zollfreilagers befaßt gewesenen Firmenangestellten räumte das Erstgericht zwar ein, daß der Zeuge Gerhard G*** infolge Ausscheidens aus der Firma H*** bereits im Jahr 1983 zu den verfahrensgegenständlichen Transaktionen keine unmittelbaren Wahrnehmungen machen konnte, ging aber davon aus, daß die von dem Zeugen bejahte Abhängigkeit von jeweiligen Anordnungen der Geschäftsführung auf seinen Nachfolger in gleichem Maße zutreffen würde.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf die Z 3, 4, 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu, soweit in der Abweisung des (vom öffentlichen Ankläger unter Anschluß des Angeklagten - S 491) in der letzten Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Vernehmung des Zeugen Erich M*** eine entscheidungswesentliche Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten erblickt wird (Z 4):
Der mit diesem Beweisantrag (ua) angestrebten Klärung der Frage, ob der Zeuge am 24.Februar und am 17.April 1984 die inkriminierten Warenauslagerungen aus der Zollfreizone über (ausdrücklichen) Auftrag des Angeklagten veranlaßte, kommt nämlich für die Beurteilung der Schuld (des Angeklagten) wesentliche Bedeutung zu, weil im Fall eines entsprechenden Ermächtigungsrahmens allfällige punktuelle Eigeninitiativen von Firmenangestellten und damit ein (mit der Annahme dolosen Vorgehens unvereinbares) partielles Informationsdefizit der Geschäftsführung nicht vorweg ausgeschlossen werden können. Wenn das Erstgericht in diesem Zusammenhang in der Urteilsbegründung die beantragte Beweisaufnahme aus der Erwägung für entbehrlich hielt, nach der Aussage des Zeugen G*** könne "daher angenommen werden, daß auch sein Nachfolger Erich M***, der offenbar erst im Jahr 1984 in die Firma des Angeklagten eintrat, auch immer nur auf Grund konkreter Anweisungen des Angeklagten tätig wurde" (S 510), so unterlief ihm - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - tatsächlich eine wesentliche Verteidigungsinteressen hintansetzende, unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung. Stellt doch ein (noch dazu für den Angeklagten nachteiliger) Wahrscheinlichkeitsschluß keinen Ersatz für die verweigerte Beweisaufnahme dar, deren Durchführung nach Lage des Falles vorweg eine Verbreiterung der bezüglichen Entscheidungsgrundlagen erwarten ließ.
Da sich sohin zeigt, daß schon auf Grund der Verfahrensrüge die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war über die Beschwerde gemäß dem § 285 e StPO in nichtöffentlicher Sitzung spruchgemäß zu erkennen, wobei auf das weitere Beschwerdevorbringen nur insoweit einzugehen ist, als es (auch für den zweiten Rechtsgang erhebliche) materiellrechtliche Gesichtspunkte berührt:
Jene Rechtsausführungen (Z 9 lit a), welche (mit Bezugnahme auf einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofes) den Nachweis des Nichtzustandekommens einer rechtswirksamen Vereinbarung von Vorbehaltseigentum bzw einen entsprechenden (in bezug auf die Tathandlung vom 17.April 1984 erheblichen) schlüssigen Verzicht durch Exekutionsführung auf die Vorbehaltsware anstreben, lassen unberücksichtigt, daß die in Rede stehende (gegenseitige) Vertragsbeziehung zwischen der Firma B*** (mit dem Sitz in Pirmasens, Bundesrepublik Deutschland) als Verkäuferin und der Firma H*** (Sitz: Linz) als zahlungspflichtiger Käuferin (unabhängig von der Frage einer wirksamen Rechtswahl durch die Vertragspartner - vgl § 10 Z 1 der Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Firma B***, S 48) jedenfalls gemäß dem § 36 IPRG nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland zu beurteilen ist (§ 455 BGB). Dabei wird allerdings im Zuge der Verfahrenserneuerung (zur Tathandlung vom 17.April 1984) insbesondere (schon aus subjektiver Sicht) zu beachten sein, daß in dem von der Firma B*** gegen die Firma H*** angestrengten Exekutionsverfahren zur Sicherstellung ihrer Wechselforderung von 100.000 DM (AZ 12 E 2809/84 des Bezirksgerichtes Linz) der Vollzug für den 30.März 1984 anberaumt wurde und die verpflichtete Partei bei dieser Gelegenheit den Betrag von 746.281,17 S an den Vertreter der betreibenden Partei bezahlte, worauf die bewilligte Pfändung nicht durchgeführt wurde (Seiten 5 und 13 des bezeichneten Exekutionsaktes).
Auf die für den zweiten Rechtsgang maßgebliche Änderung in der sachlichen Zuständigkeit (Artikel XX Abs. 4, letzter Satz StRÄG 1987 wird hingewiesen).
Anmerkung
E16965European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0110OS00171.88.0321.000Dokumentnummer
JJT_19890321_OGH0002_0110OS00171_8800000_000