Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** B*** Aktiengesellschaft,
Stadlauerstraße 54, 1220 Wien, vertreten durch Dr.Johannes Schriefl und Dr.Peter Paul Wolf, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei VIP Verkaufs-, Industrieberatungs- und Planungsgesellschaft für Energierückgewinnung Gesellschaft mbH, Ketzergasse 29, 1230 Wien, vertreten durch Dr.Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,303.171,81 s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 4.August 1988, GZ 2 R 119,121/88-42, womit die Rekurse gegen die Beschlüsse des Handelsgerichtes Wien vom 18.Februar 1988, GZ 16 Cg 1/87-29, und vom 23.März 1988, GZ 16 Cg 1/87-31, zurückgewiesen wurden, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 18.Februar 1988 (ON 29) den Ablehnungsantrag der beklagten Partei gegen den Sachverständigen Dipl.Ing.Dr.Günter M***, der sein Gutachten bereits erstattet hatte, ab. Das Rekursgericht wies den dagegen erhobenen Rekurs zurück, weil der Beschluß des Erstgerichtes gemäß § 366 Abs 1 ZPO nicht abgesondert anfechtbar sei und die im Rekurs angestrebte Enthebung des Sachverständigen wegen mangelnder Qualifikation nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses gewesen sei. Mit Beschluß vom 23.März 1988 (ON 31) bestellte das Erstgericht Dipl.Ing.Helmut G*** zum weiteren Sachverständigen zum gleichen Beweisthema, insbesondere darüber, ob das Gutachten des Dipl.Ing.Dr.Günter M*** richtig sei.
Die beklagte Partei bekämpfte diesen Beschluß mit Rekurs und verband damit einen neuerlichen Rekurs gegen den Beschluß ON 29, mit welchem die Ablehnung des Sachverständigen Dipl.Ing.Dr.Günter M*** abgewiesen worden war.
Das Rekursgericht wies beide Rekurse zurück. Zum Rekurs gegen den Beschluß ON 29 führte es aus, das Rechtsmittel sei jedenfalls insoweit unzulässig, als die Enthebung des Sachverständigen Dipl.Ing.Dr.Günter M*** wegen mangelnder Qualifikation angestrebt werde, weil diese Frage nicht den Gegenstand des angefochtenen Beschlusses gebildet habe. Soweit die Entscheidung des Erstgerichtes über die Befangenheit des Sachverständigen den Gegenstand des Rechtsmittels bilde, sei dagegen kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig, eine Bekämpfung wäre nur im Rahmen des gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittels zulässig. Insoweit hänge die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels von jener des damit verbundenen Rechtsmittels gegen den Beschluß ON 31 ab. Die im Rekurs für die Frage seiner Zulässigkeit angeführte Bestimmung des § 332 Abs. 2 letzter Satz ZPO betreffe die Bestellung eines Sachverständigen und die Anfechtbarkeit einer diesbezüglichen Verfügung überhaupt nicht, sie ermögliche nur die Anfechtung des Auftrages zum Erlag eines Kostenvorschusses hinsichtlich seiner Höhe, wenn der Gesamtbetrag der einer Partei aufgetragenen Vorschüsse S 30.000 übersteige. Gemäß § 277 Abs. 1 ZPO werde die Beweisaufnahme, somit auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens, durch Beschluß (Beweisbeschluß) angeordnet. Gegen den Beweisbeschluß sei gemäß den §§ 277 Abs. 4, 291 Abs. 1 ZPO ein angesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Dasselbe gelte nach ständiger Rechtsprechung (RZ 1982/5; SZ 44/51; JBl 1971; 629; EvBl 1971/298; EvBl 1970/283; 4 Ob 80/83; 4 Ob 561/87
ua) für die im Rahmen der Beweisaufnahme zu treffenden gerichtlichen Anordnungen wie die Auswahl des Sachverständigen und den Auftrag, der diesem erteilt werde. Demnach werde § 366 Abs. 1 ZPO in der Rechtsprechung entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht so ausgelegt, daß gegen die Auswahl eines bestimmten Sachverständigen durch den Erstrichter ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig sei (RZ 1982/5 mwN).
Rechtliche Beurteilung
Der von der beklagten Partei gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist nicht berechtigt. Die Bestellung des Sachverständigen erfolgt mit Beweisbeschluß (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 1009), gegen welchen gemäß § 277 Abs. 4 ZPO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig ist. Dagegen, daß das Erstgericht einen weiteren Sachverständigen bestellt, ist daher nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig. Nach nunmehr einhelliger, nach Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 aufrecht erhaltener Rechtsprechung (SZ 44/51, RZ 1982/5, 4 Ob 561/87 uva) handelt es sich auch bei der Auswahl des Sachverständigen um eine vom Gericht im Rahmen der Beweisaufnahme zu treffende Anordnung, die keiner gesonderten Anfechtung unterliegt (so nunmehr auch Fasching, Zivilprozeßrecht, Rdz 1012).
Die Vorschrift des § 332 Abs. 2 letzter Satz ZPO betrifft nur den Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses und ermöglicht lediglich die Anfechtung hinsichtlich der Höhe des Kostenvorschusses. Da im vorliegenden Fall kein Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses erteilt wurde, ist der Hinweis der Rekurswerberin auf die genannte Vorschrift nicht zielführend, weshalb es auch nicht erforderlich ist, zu der von Fasching (Zivilprozeßrecht, Rdz 1009) vertretenen Meinung Stellung zu nehmen, bei einem Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses sei auch anfechtbar und überprüfbar, ob überhaupt ein Sachverständiger zu bestellen sei.
Mangels Zulässigkeit eines abgesonderten Rechtsmittels hat das Rekursgericht somit beide Rekurse mit Recht zurückgewiesen, weshalb dem dagegen gerichteten Rekurs ein Erfolg zu versagen war. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
Anmerkung
E17052European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00547.89.0330.000Dokumentnummer
JJT_19890330_OGH0002_0060OB00547_8900000_000