TE OGH 1989/3/30 6Ob555/89 (6Ob556/89)

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Veröffentlicht am 30.03.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Marta M***, geboren am 18.April 1974 in Warschau, wohnhaft im Haushalt der Mutter Irena M***, Wien 21., Berceliusgasse 14/44/1, in der Vertretung der Unterhaltsansprüche vertreten durch das Bezirksjugendamt für den

21. Bezirk, wegen Gewährung vorläufigen Unterhaltes gemäß § 382 a EO durch den Vater Andreas M***, Vermessungsfacharbeiter, Bergkamen, Theodor Heusstraße 5, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Werner Stanek, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses des pflegebefohlenen Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13.Dezember 1988, GZ 44 R 3508,3555/88-36, womit 1. der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 7.April 1988, GZ 3 P 314/87-8 abgeändert, und 2. der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 19.Oktober 1988, 3 P 314/87-27, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Nach der Aktenlage hatten die Eltern des am 18.April 1974 in Warschau geborenen Mädchens am 4.November 1972 in Warschau die Ehe geschlossen. Nach dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Bezirksgerichtes für die Stadt Warschau vom 28.November 1980 wurde diese Ehe der Eltern geschieden. Gleichzeitig wurde die Ausübung der Elternrechte beiden Elternteilen übertragen, wobei sich der Wohnort des Kindes nach dem jeweiligen Wohnort der Mutter zu richten hatte. Weiters sprach das Gericht aus, daß die Unterhaltskosten des Kindes beide Elternteile zu tragen haben. Dabei wurde der vom Vater zu tragende Anteil mit 1.000 Zloty festgelegt und dem Vater aufgetragen, diesen Betrag bis 10. eines jeden Monates zu Handen der Mutter zu zahlen.

Das Kind lebt mit seiner Mutter seit Sommer 1986 ständig in Wien. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15.September 1986 wurde seine Stellung als die eines Flüchtlings im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl Nr.55/1955 festgestellt. Der Vater lebt seit der zweiten Jahreshälfte 1985 in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist arbeitslos und bezieht ein wöchtentliches Arbeitslosengeld von DM 186.

Am 2.Oktober 1987 langte beim Pflegschaftsgericht der durch das Bezirksjugendamt für den Fall seiner nachträglich erfolgten Bestellung zum Einhebungssachwalter gestellte Antrag des Kindes ein, den Vater ab 1.Oktober 1987 zu einer noch zu präzisierenden monatlichen Unterhaltsleistung zu verpflichten. In einer am 23.März 1988 beim Pflegschaftsgericht eingelangten Eingabe bezifferte das Kind sein monatliches Unterhaltsbegehren mit 1.130 S. Zwei Tage später langte beim Pflegschaftsgericht ein Antrag des Kindes um Gewährung eines vorläufigen Unterhaltes in einer monatlichen Höhe von 1.130 S durch den Vater im Sinne des § 382 a EO ein. Zur Rechtfertigung dieses Antrages bezog sich das Kind lediglich auf die Tatsache seines aktenkundigen Unterhaltsantrages. Das Pflegschaftsgericht verpflichtete in Stattgebung dieses Antrages den Vater mit einstweiliger Verfügung gemäß § 382 a EO vom 7. April 1988, dem Kind ab 25.März 1988 als vorläufigen Unterhaltsbetrag monatlich 1.130 S zu bezahlen.

Daraufhin stellte das Kind einen Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz. Eine Ausfertigung der einstweiligen Verfügung wurde dem Vater am 30. Mai 1988 im Rechtshilfewege zugestellt. In einer am 3.Juni 1988 an das Pflegschaftsgericht zur Postaufgabe gebrachten Eingabe machte der Vater geltend, daß er finaziell nicht in der Lage wäre, seinen an sich nicht bestrittenen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Tochter nachzukommen, weil er zur Zeit wöchtenlich nur 186,60 DM beziehe. Durch einen in der Folge bestellten Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe brachte der Vater zur Erfüllung eines Verbesserungsauftrages einen neuen Rekursschriftsatz ein. Den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz lehnte das Pflegschaftsgericht ab. Dagegen erhob das Kind durch seinen Sachwalter Rekurs. Das Rekursgericht wies den anwaltlich verfaßten Rekursschriftsatz wegen Verbrauches des Anfechtungsrechtes durch die vom Rekurswerber selbst verfaßte Eingabe zurück. Es wies aber in Stattgebung dieses Rekurses den Antrag auf Gewährung vorläufigen Unterhaltes mit der Begründung ab, daß der Vater nach den aktenkundigen Verhältnissen ohne Gefährdung seiner eigenen Unterhaltsbedürfnisse zu keinerlei Unterhaltsleistungen an seine Tocher imstande sei (Punkt 1 der Rekursentscheidung). Die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz bestätigte das Rekursgericht (Punkt 2 seiner Entscheidung).

Das Kind ficht sowohl die abändernde Rekursentscheidung in Ansehung der Gewährung vorläufigen Unterhaltes mit einem auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen einstweiligen Verfügung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag, als auch die rekursgerichtliche Bestätigung der Abweisung des Antrages auf Gewährung von Vorschüssen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz mit einem Aufhebungsantrag an. Der Vater strebt in erster Linie die Zurückweisung des Rekurses gegen die im Sicherungsverfahren ergangene Rekursentscheidung, hilfsweise deren Bestätigung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Anfechtung der Rekursentscheidung ist sowohl in Ansehung des Sicherungsbegehrens als auch in Ansehung des Unterhaltsvorschußbegehrens unzulässig.

1. Zum Begehren auf Gewährung vorläufigen Unterhaltes:

Ungeachtet der Gesetzestechnik, den neu geschaffenen Anspruch auf Gewährung vorläufigen Unterhaltes in einer in die Exekutionsordnung eingefügten Verfahrensvorschrift zu formulieren, wohnt dieser Regelung über die verfahrensrechtliche Anspruchsdurchsetzung hinaus der Sache nach ein materiellrechtlicher Gehalt inne, was für die Rechtsanwendung bei Sachverhalten mit Auslandsbeziehung von entscheidender Bedeutung sein kann. Überdies ist der Anspruch unter anderem von der Negativvoraussetzung abhängig gemacht, daß der Anspruchsgegner dem Anspruchswerber "nicht bereits aus einem vollstreckbaren Unterhaltstitel zu Unterhalt verpflichtet ist".

Das Gericht erster Instanz ist ohne jede Auseinandersetzung mit dem im aktenkundigen polnischen Scheidungsurteil enthaltenen Unterhaltsausspruch davon ausgegangen, daß der Unterhaltsschuldner dem Kind "bisher nicht aus einem vollstreckbaren Unterhaltstitel zu Unterhalt verpflichtet" sei. Das Rekursgericht hat dies zwar erkannt, die erwähnte negative Anspruchsvoraussetzung selbst aber auch ungeprüft und der Sache nach dahingestellt gelassen. Für die Anfechtbarkeit der den Sicherungsantrag abweisenden Rekursentscheidung durch das antragstellende Kind ist es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelbeschränkung nach § 502 Abs 2 Z 1 ZPO, §§ 78 und 402 Abs 2 EO entscheidend, daß das Rekursgericht die Frage der Vollstreckbarkeit des polnischen Scheidungsurteiles in seinem Unterhaltsausspruch (unter Bedachtnahme auf Art.29 Abs 2, Art. 50 und 51 des polnisch-österreichischen Rechtshilfevertrages) offen gelassen und sich bei dem offenkundigen Mangel an inländischen Exekutionsobjekten des Unterhaltsschuldners und dessen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland auch einer interpretativen Stellungnahme dazu enthalten hat, ob der Anspruch auf Gewährung vorläufigen Unterhaltes nach § 382 a Abs 1 EO ausschließlich von der Vollstreckbarkeit des polnischen Unterhaltstitels im Inland oder etwa von der Vollstreckbarkeit dieses Unterhaltstitels am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes des Unterhaltsschuldners (in der Bundesrepublik Deutschland) abhängig wäre. Die Lösung dieser Fragen fiele zweifelsfrei außerhalb des Bereiches der Unterhaltsbemessung. Sie waren aber nicht Gegenstand der Rekursentscheidung und sind auch nicht Inhalt des Revisionsrekurses.

Die Ausführungen des Revisionsrekurses beschränken sich vielmehr darauf, die negative Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Vaters nach den aktenkundigen Tatumständen zu widerlegen. Damit blieb aber die Anfechtung innerhalb der Grenzen der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes (Punkt II Z 3 und Punkt V des Jud 60 neu = SZ 27/177). Die Anfechtung der Rekursentscheidung ist danach unzulässig.

2. Zum Unterhaltsvorschußbegehren:

Im Verfahren über die Gewährung von Vorschüssen nach dem Unterhaltsvorschußgesetz ist nach dessen § 15 Abs 3 der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ausgeschlossen.

Der Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E17050

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00555.89.0330.000

Dokumentnummer

JJT_19890330_OGH0002_0060OB00555_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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