Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30.März 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch (Berichterstatter) und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Telfers als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred K*** wegen des Vergehens des Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 und 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 21. September 1988, GZ. 11 Vr 2539/87-36, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Allmer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Freispruch A 1 sowie im Ausspruch über die Verweisung der Privatbeteiligten A*** V*** AG "DER A***" gemäß § 366 Abs. 1 StPO auf den Zivilrechtsweg aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Bezirksgericht für Strafsachen Graz verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 23.März 1963 geborene Außendienstmitarbeiter einer Autoersatzteilfirma Manfred K*** wurde unter anderem von der Anklage, das Vergehen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB auch dadurch begangen zu haben, daß er in Graz am 12. Februar 1987 Berechtigte der A*** V*** AG "D*** A***" durch Vorlage einer Schadensmeldung über einen Verkehrsunfall mit Silvester G***, in welcher er auch solche Schäden am eigenen Fahrzeug angab, welche aus anderen Schadensereignissen stammten und bereits von der W*** S*** V*** beglichen worden
waren, zur Auszahlung eines Betrags von 19.024 S verleitete, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Gemäß § 366 Abs. 1 StPO wurde unter anderem die Privatbeteiligte A*** V*** AG "D*** A***" mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Diesbezüglich stellte das Erstgericht fest: Am 15.Dezember 1986 wurde der vom Angeklagten unter Vereinbarung eines Mindestselbstbehalts von 4.410 S bei der A*** V*** AG "D*** A***" kaskoversicherte Personenkraftwagen Marke Nissan Cherry Diesel in Graz, Kreuzung Schönaugasse - Steyrergasse, dadurch beschädigt, daß der von rechts kommende, jedoch wartepflichtige Silvester G*** seinen Volkswagen auf der mit Schneematsch bedeckten Fahrbahn nicht rechtzeitig zum Stillstand zu bringen vermochte. Am Automobil des Angeklagten entstanden Kratzschäden an den rechten Zierleisten und unterhalb davon an der rechten Fahrzeugseite, insbesondere an den beiden rechten Türen, sowie Beschädigungen der Zierkappen des rechten Vorder- und Hinterrads. Für die Reparatur war ein Aufwand von höchstens 6.400 S erforderlich (S. 378).
Weitere, zwischen dem 1. und dem 22.Dezember 1986 an der rechten Seite des Kraftfahrzeugs des Angeklagten oberhalb der Zierleisten ("Gürtellinie") entstandene Schäden, nämlich je eine Eindellung an der rechten vorderen und hinteren Tür im Bereich der Türbeplankung, Einkerbungen an beiden rechten Radeinlaufböden und Beschädigungen des Maskengrills der rechten Fahrzeugseite sowie der Halterung des Standlichts vorn rechts, rühren nicht vom erwähnten Unfall, sondern aus anderen - nicht bekannten - Schadenereignissen her. Der Angeklagte meldete den Unfall vom 15.Dezember 1986 unverzüglich dem Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs seines Unfallgegners Silvester G***, der W*** A*** V*** AG. Bei der in deren Auftrag vorgenommenen Besichtigung seines Personenkraftwagens, die der gerichtlich beeidete Sachverständige Bruno F*** in Abwesenheit des Angeklagten und ohne Kenntnis des Schadensereignisses durchführte, wurden alle obbezeichneten Schäden (also nicht nur die auf den Unfall vom 15.Dezember 1986 zurückzuführenden) in die Bewertung der Reparaturkosten mit einem Betrag von 27.338,40 S einbezogen (S. 379, zweiter Absatz). In dem am 12.Februar 1987 verfaßten Schadensbericht an den Kaskoversicherer seines eigenen Autos, die A***
V*** AG "DER A***", bezeichnete der Angeklagte die Schäden am eigenen Fahrzeug mit: "Kotflügel, Tür vorne, Tür hinten, Hinterkotflügel". Nach einer am selben Tag durch den gerichtlich beeideten Sachverständigen Anton H*** für den Kaskoversicherer durchgeführten Fahrzeugbesichtigung, bei welcher der Angeklagte erneut nicht zugegen war, wurden die Gesamtreparaturkosten mit 19.461 S exklusive Mehrwertsteuer veranschlagt. Die tatsächlichen Kosten der Reparatur des Fahrzeugs bei der Firma K*** GesmbH beliefen sich laut Rechnung vom 19.Februar 1987 auf 23.434 S. Dieser Betrag abzüglich des Selbstbehalts von 4.410 S, sohin eine Summe von 19.024 S, wurde dem Angeklagten am 19.Februar 1987 vom Kaskoversicherer zur Befriedigung aller seiner Ansprüche aus dem Vorfall vom 15.Dezember 1986 ausbezahlt (S. 380).
Einen Nachweis dafür, daß der Angeklagte in seiner Schadensmeldung an den Kaskoversicherer solche Schäden erneut geltend gemacht haben könnte, für die er bereits von der W*** S*** W*** V*** (seinem früheren Kaskoversicherer) auf Grund anderer Versicherungsfälle (Schadensereignisse vor der Besichtigung durch den Sachverständigen H***) Ersatz erhalten hatte, erachtete das Erstgericht als nicht erbracht.
In rechtlicher Hinsicht folgerte der Schöffensenat, daß selbst die teilweise Unrichtigkeit der Schadensmeldung vom 12.Feber 1987, in welcher nicht aus dem Unfall vom 15.Dezember 1986 herrührende Schäden an beiden rechten Kotflügeln behauptet wurden, dem Angeklagten "nicht zum Nachteil gereichen" könne, weil der Kaskoversicherer diese und die weiteren von den Sachverständigen F*** und H*** festgestellten, gleichfalls aus nicht bekannter Ursache zwischen dem 1. und dem 22.Dezember 1986 entstandenen Schäden jedenfalls zu ersetzen verpflichtet gewesen sei. Abgesehen davon, daß den Angeklagten an der Einbeziehung dieser weiteren Schäden (vor allem) durch den Sachverständigen H*** kein Verschulden treffe, sei der Tatbestand des Betrugs schon mangels eines Schadenseintritts beim Kaskoversicherer nicht erfüllt. Diesen Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. Zutreffend bestreitet die Beschwerdeführerin die Urteilsannahme, der Betrugstatbestand sei wegen Fehlens eines Schadenseintritts beim Kaskoversicherer nicht erfüllt, weil für den Fall, daß der Schadensliquidierung getrennte Schadensereignisse vorausgegangen seien, sich der Angeklagte jedesmal mit dem Abzug des Selbstbehalts von 4.410 S hätte abfinden müssen. In diesem Fall hätte die tatsachenwidrige Aufzählung der Beschädigungen der beiden rechten Kotflügel des Automobils Nissan Cherry unter den Unfallsfolgen vom 15. Dezember 1986 in der Schadensmeldung vom 12.Feber 1987 seitens des Angeklagten zu dessen unrechtmäßiger Bereicherung auf Kosten des Kaskoversicherers geführt. In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es das Erstgericht, Feststellungen zu treffen, daß der Kaskoversicherer auf Grund des abgeschlossenen Versicherungsvertrags zum Abzug des Selbstbehalts berechtigt war und in welchem Ausmaß eine derartige Vermögensverschiebung vom Vorsatz des Angeklagten umfaßt war.
Rechtliche Beurteilung
Sonach erweisen sich die Aufhebung des freisprechenden Urteils im Umfang der Anfechtung aus dem Grund der Z. 9 lit. a und die Anordnung eines neuen Rechtsgangs als erforderlich. Die Kassierung des Freispruchs A 1 hat die Behebung des damit zusammenhängenden (Teils des) abweislichen Adhäsionserkenntnisses zur Folge (Foregger-Serini MKK.3 § 366 StPO Anm. VI m.w.N.). Die Verweisung der Sache an das Bezirksgericht fußt auf § 288 Abs. 2 Z. 3 Ende StPO (siehe Art. XX Abs. 4 StRÄG 1987).
Das überdies in der Beschwerde gerügte Fehlen von Feststellungen, inwieweit auch die W*** A*** als Haftpflichtversicherer des Silvester G*** durch einen überhöhten Rückgriff seitens der Kaskoversicherung sowie durch Geltendmachung des Selbstbehalts und der Wertminderung seitens des Angeklagten betrügerisch geschädigt werden sollte, bedingt allerdings keine materielle Nichtigkeit.
Sollte das auf den überhöhten Rückgriff des Kaskoversicherers bezügliche Beschwerdevorbringen bloß als Hinweis auf die Möglichkeit einer Überwälzung des zunächst bei diesem Versicherer eingetretenen Betrugsschadens auf den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners des Angeklagten zu verstehen sein, ist hierauf zu erwidern, daß es nicht darauf ankommt, welche Versicherung der Betrugsschaden letztlich trifft. Die Beschwerdeführerin vermißt Feststellungen, daß der Angeklagte eine Schädigung der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners durch Rückgriff des Kaskoversicherers hinsichtlich zwar dem Angeklagten zu Recht (auf Grund des Kaskoversicherungsverhältnisses) ersetzter, jedoch nicht vom Unfallsgegner Silvester G*** verursachter Schäden wenigstens als möglich bedacht und sich damit abgefunden habe. Dabei übersieht sie, daß Anhaltspunkte für einen solchen Vorsatz des Angeklagten in Richtung eines "fremdnützigen Betrugs" (Kienapfel BT II2 § 146 StGB RN. 235) sich im bisherigen Verfahren keineswegs ergeben haben. Der weiters von der Beschwerdeführerin vermißten Feststellung eines allfälligen Vorhabens des Angeklagten, die Haftpflichtversicherung seines Unfallgegners durch Geltendmachung auch des Selbstbehalts und der Wertminderung gesondert betrügerisch zu schädigen, bedurfte es deswegen nicht, weil nur die (betrügerisch unternommene) Täuschung der Kaskoversicherung "D*** A***", nicht aber die Stellung von Ansprüchen an den Haftpflichtversicherer des Silverster G*** (S. 201 ff.) Anklagegenstand ist (siehe Spruch und Begründung der Anklage ON. 3). Hieran kann die Bezugnahme der Schadensmeldungen an die verschiedenen Versicherungen auf das nämliche - der inkriminierten Täuschung keineswegs gleichzusetzende - Unfallgeschehen nichts ändern. Entscheidend ist vielmehr, daß die betrügerische Herauslockung einer überhöhten Ersatzleistung der Kaskoversicherung und ein Versuch desselben Täters, daneben durch andere Täuschungshandlungen eine ihm nicht zustehende zusätzliche Vergütung aus der Haftpflichtversicherung des Unfallsgegners zu erlangen, ohne Verletzung des Grundsatzes der materiellen Rechtskraft (res iudicata, ne bis in idem) als Gegenstand zweier getrennter Schuldsprüche denkbar sind (Mayerhofer-Rieder2, § 262 StPO, ENr. 76).
Anmerkung
E17155European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0130OS00003.89.0330.000Dokumentnummer
JJT_19890330_OGH0002_0130OS00003_8900000_000