TE OGH 1989/4/6 7Ob548/89

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Veröffentlicht am 06.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Oswald David J***, Pensionist, Avalon Road 63, Early Reading, Großbritannien, vertreten durch Dr.Franz Christian Sladek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M*** Ungarische Schiffahrts-Aktiengesellschaft, Apaczai Csere Janos u 11, Budapest 5, vertreten durch Dr.Josef Lenz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 200.000,-- sA, Pfund Sterling 55.539,72 sA, Zahlung einer Rente und Feststellung (Gesamtstreitwert S 1,812.994,75) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 9.November 1988, GZ 42 R 436/88-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7.Dezember 1987, GZ 30 C 200/86-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es als Teilzwischenurteil zu lauten hat:

"Der Anspruch der klagenden Partei auf Zahlung eines Schmerzengeldes besteht dem Grunde nach zu Recht."

Hinsichtlich der übrigen Teilansprüche werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Unstrittig ist, daß der Kläger am 5.September 1983 bei einem von einem Kapitän der beklagten Partei verschuldeten Schiffszusammenstoß auf der Donau bei Fischamend verletzt wurde und daß für die mit der Verletzung des Klägers verbundenen Schmerzen ein Schmerzengeld von mindestens S 1.000,-- angemessen ist.

Mit der am 20.Jänner 1986 eingebrachten Klage begehrt der Kläger ein Schmerzengeld von S 200.000,--, den Ersatz von Überführungs- und Beisetzungskosten (betreffend seine bei dem Unfall tödlich verunglückte Ehefrau), den Ersatz von Barauslagen, Pflege- und Betreuungskosten, einen Verdienstentgang, den Ersatz von Beratungs- und Heilungskosten sowie eine monatliche Rente. Mit seinem Leistungsbegehren verband er das Begehren auf Feststellung der Ersatzpflicht der beklagten Partei für künftige Schäden. Den Schmerzengeldanspruch des Klägers bestritt die beklagte Partei nur der Höhe nach, wendete jedoch hinsichtlich aller Ansprüche Verjährung ein.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil zu Recht, daß "der Anspruch der klagenden Partei ... mit einem Betrag von mindestens S 1.000,-- dem Grunde nach zu Recht besteht." Nach den Feststellungen des Erstgerichtes trat der Klagevertreter mit Schreiben vom 7.November 1983 mit der österreichischen Zweigniederlassung der beklagten Partei wegen der Schadenersatzansprüche des Klägers in Kontakt. Er wurde an den Beklagtenvertreter verwiesen. Dieser erklärte mit Schreiben vom 17. November 1983 namens der beklagten Partei, daß Interesse an einer außergerichtlichen Bereinigung bestehe, und forderte den Klagevertreter am 21.Mai 1984 auf, die Ansprüche des Klägers zu spezifizieren. Mit Schreiben vom 23.Mai und 13.August 1984 stellte der Klagevertreter die Übersendung einer detaillierten Aufschlüsselung in Aussicht und teilte mit, daß der Kläger wegen Dauerfolgen seine Beamtentätigkeit nicht mehr aufnehmen könne. Am 1. Oktober 1985 übermittelte der Klagevertreter eine detaillierte Aufschlüsselung der Schadenersatzansprüche des Klägers. Mit Antwortschreiben vom 9.Dezember 1985 teilte der Beklagtenvertreter mit, daß nach dem Standpunkt der beklagten Partei die Ansprüche des Klägers zwar verjährt seien, dennoch - jedoch ohne Verzicht auf die Einrede der Verjährung - eine "amikable" Lösung angestrebt und eine Pauschalabfindung angeboten werde.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei österreichisches Sachrecht anzuwenden, weil sich der Unfall in Österreich ereignet habe und außervertragliche Schadenersatzansprüche nach dem Recht des Staates zu beurteilen seien, in dem das den Schaden verursachende Ereignis gesetzt worden sei. Das von Österreich ratifizierte Übereinkommen zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen BGBl. 1966/204 normiere eine Schadenersatzpflicht des schuldtragenden Schiffes für Schäden, die den an Bord befindlichen Personen zugefügt würden. Für Ansprüche aufgrund dieses Übereinkommens gelte zwar eine verkürzte Verjährungsfrist von 2 Jahren, die Ansprüche des Klägers seien dennoch nicht verjährt. Zwischen den Parteien hätten Vergleichsverhandlungen stattgefunden. Durch Vergleichsverhandlungen werde die Verjährung gehemmt, wenn nur nach deren Scheitern der Geschädigte innerhalb angemessener Frist Klage erhebe. Letzteres sei hier der Fall gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil aus dessen Gründen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist nur im Ergebnis zum Teil berechtigt. Zur kollisionsrechtlichen Frage kann auf die Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden, zumal keinerlei Anhaltspunkte für eine akzessorische Anknüpfung nach § 48 Abs. 1 zweiter Satz IPRG vorliegen.

Nach ständiger Rechtsprechung, die auch im Schrifttum gebilligt wird, verstößt die Erhebung der Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben, wenn die Fristversäumnis auf ein Verhalten des Gegners zurückgeht (ZVR 1979/44; SZ 47/101; EvBl. 1971/20; SZ 28/149 ua; vgl. auch Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1501). Die Replik des Verstoßes gegen Treu und Glauben muß auch nicht ausdrücklich erhoben werden, es genügt, wenn sich ein entsprechender Sachverhalt im Prozeß ergibt (Schubert aaO; 5 Ob 11, 12/73). Ein solcher Verstoß liegt insbesondere dann vor, wenn Vergleichsverhandlungen über den Ablauf der Frist hinaus andauern und der Kläger dadurch veranlaßt wurde, seine Forderung nicht innerhalb der Frist geltend zu machen. Scheitern allerdings derartige Vergleichsverhandlungen, ist die Berufung auf Treu und Glauben nur dann gerechtfertigt, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen in angemessener Frist die Klage eingebracht wurde (SZ 58/58 mwN). Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei mit Schreiben ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 17.November 1983 ihr Interesse an einer außergerichtlichen Einigung klar zum Ausdruck gebracht und mit Folgeschreiben um Spezifizierung der Ansprüche des Klägers ersucht. Diese Einladung wurde vom Klagevertreter ausdrücklich angenommen. Die Einigung der Streitteile, nach Vorliegen der Spezifizierung der Ansprüche eine außergerichtliche Einigung zu suchen, kann nur dahin verstanden werden, daß sich die Streitteile in Vergleichsverhandlungen stehend betrachteten. Der Standpunkt der beklagten Partei, daß sich der Kläger auf Treu und Glauben deshalb nicht berufen könne, weil er für die Spezifizierung seiner Ansprüche mehr als ein Jahr in Anspruch genommen habe, kann nicht geteilt werden. Der beklagten Partei mußte klar sein, daß für die von ihr geforderte Spezifizierung mit Rücksicht auf den behaupteten Verdienstentgang des Klägers und die Dauerfolgen seiner Verletzungen (Schreiben des Klagevertreters Beilagen D und E) noch die Einholung weiterer Informationen durch den Klagevertreter notwendig ist, die wegen des Wohnsitzes des Klägers und der Zwischenschaltung eines englischen Anwaltes eine gewisse Zeit erfordert. Ein Zeitraum von etwas über einem Jahr kann hiefür aufgrund der genannten Umstände nicht als unangemessen lang bezeichnet werden. Die beklagte Partei hat für die Vorlage der Spezifizierung keine Frist gesetzt und die Vorlage auch nicht urgiert. Die Dauer der Informationsbeschaffung allein rechtfertigt hier nicht den Schluß, daß die Vergleichsverhandlungen schon vor dem Schreiben der beklagten Partei vom 9.Dezember 1985 als gescheitert anzusehen sind. Vom Erhalt dieses Schreibens an gerechnet hat aber der Kläger ohnehin die Klage in angemessener Frist eingebracht. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen eine Verjährung der Ansprüche des Klägers verneint.

Werden in einer Klage mehrere Ansprüche gehäuft, wie es in Schadenersatzprozessen üblich und auch hier der Fall ist, kann ein bejahendes Zwischenurteil über das ganze Klagebegehren nur dann ergehen, wenn hinsichtlich eines jeden Teilanspruches ein wenigstens teilweiser Erfolg der Klage gewährleistet ist (Fasching LB Rz 1429;

ZVR 1987/14; SZ 41/5; 7 Ob 577/88). Über ein Feststellungsbegehren ist ein Zwischenurteil schon begrifflich ausgeschlossen (SZ 57/207;

VersR 1977, 169). Die Voraussetzungen für ein Zwischenurteil liegen hier nach den bisherigen Feststellungen bzw. Außerstreitstellungen nur hinsichtlich des Schmerzengeldanspruches vor. Der prozessuale Verstoß hinsichtlich der übrigen Teilansprüche war auch ohne Rüge wahrzunehmen, weil insoweit ein im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu beachtender Feststellungsmangel vorliegt (SZ 52/73; 6 Ob 211/74).

Demgemäß ist der Revision teilweise Folge zu geben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs. 4 und auf § 52 Abs. 2 ZPO.

Anmerkung

E17375

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0070OB00548.89.0406.000

Dokumentnummer

JJT_19890406_OGH0002_0070OB00548_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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