Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***, Internationale Unfall- und Schadenversicherung AG, Wien 1., Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr. Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei B***-Versicherung, Versicherungsanstalt der österreichischen Bundesländer, Versicherungs-AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, Landesdirektion Tirol, Innsbruck, Boznerplatz 7, vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 307.523,40 S samt Anhang (Revisionsinteresse 117.064,76 S samt Anhang) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 13. Dezember 1988, GZ 1 R 295/88-16, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Juni 1988, GZ 10 Cg 106/88-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.172,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.028,70 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 25. Oktober 1983 brachte Anton H*** beim Erstgericht zu 6 Cg 562/83 eine Klage auf Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall gegen Gerhard W***, Melitta W*** und die nunmehr klagende Versicherungsgesellschaft ein. In jenem Verfahren waren die beklagten Parteien durch Rechtsanwalt Dr. Hermann P*** vertreten. Das Klagebegehren wurde im Zuge des Prozesses mehrfach geändert; es enthielt unter anderem ein Schadenersatzbegehren aus dem Titel des Verdienstentganges ab 1983 in der Höhe von 8.917,93 S monatlich, bestehend aus einem Kapitalbetrag bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz (17.Dezember 1986) sowie aus einem Rentenbegehren für den Zeitraum vom 1.Jänner 1987 bis zum 30. November 1990.
Mit Urteil vom 20.Dezember 1986 stellte das Erstgericht unter Zugrundelegung einer Verschuldensteilung von 1 : 1 die Klageforderung mit 272.905,62 S sowie die eingewendete Gegenforderung mit 8.539,05 S als zu Recht bestehend fest und verurteilte die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand, Anton H*** den Betrag von 264.366,57 S samt gestaffelten Zinsen sowie vom 1. Jänner 1987 bis zum 30. November 1990 eine monatliche Rente von 4.485,46 S netto zu zahlen; zudem wurde die Haftung der beklagten Parteien für zukünftige Schäden mit 50 % festgestellt. Bei der Berechnung des Verdienstentganges und der Rente unterlief dem Erstgericht insofern ein Fehler, als das Quotenvorrecht der Sozialversicherer - Anton H*** bezog in den Jahren 1983 und 1984 nach dem Unfall Leistungen von der Tiroler Gebietskrankenkasse und in den Jahren 1984 bis 1986 eine Berufsunfähigkeitspension der P***, die er auch bis zur Erreichung seines Pensionsalters weiterbezogen hätte - nicht berücksichtigt wurde. Bei entsprechender Berücksichtigung des Quotenvorrechtes der Sozialversicherer hätte Anton H*** bei einer Verschuldens- und Schadensteilung von 1 : 1 nur für das Jahr 1983 ein Verdienstentgang in der Höhe von 24.585,82 S zugesprochen werden dürfen, für die Folgejahre hingegen nichts. Es hätte daher nicht nur das Rentenbegehren abgewiesen, sondern auch der Zuspruch an Kapital auf 85.909,82 S samt Anhang verringert werden müssen.
Gegen dieses Urteil des Erstgerichtes haben beide Seiten Berufung erhoben; die Berufung der beklagten Parteien bekämpfte aber nur die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung, nicht jedoch die Höhe der zugesprochenen Beträge. Das Berufungsgericht gab keiner der Berufungen Folge. Auch den von beiden Seiten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revisionen gab der Oberste Gerichtshof nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Bei richtiger Berücksichtigung des Quotenvorrechtes der Sozialversicherer hätte die kapitalisierte Klageforderung im Verfahren 6 Cg 562/83 des Erstgerichtes nur 85.909,82 S betragen, während die (in jenem Verfahren) beklagte (und nunmehr klagende) Partei der gerichtlichen Entscheidung entsprechend 272.905,62 S bezahlt hat. Die Differenz beträgt 186.995,80 S. Bei Berücksichtigung des Quotenvorrechts der Sozialversicherer hätte die beklagte Partei auch nicht die monatlichen Rentenzahlungen laut Urteil in der Höhe von 4.485,46 S bezahlen müssen. Bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz in jenem Verfahren hatte sie 76.252,85 S aus diesem Titel bezahlt. Bei richtiger Entscheidung hätte die beklagte Partei eine Zinsenmehrbelastung von mindestens (mehr macht sie im vorliegenden Verfahren nicht geltend) 13.259,98 S nicht zu tragen gehabt. Die Kostenmehrbelastung, die ihr bei richtiger Entscheidung im Revisionsverfahren nicht entstanden wäre, beträgt 24.149,42 S. Das ergibt zusammen 300.658,05 S. Auch bei richtiger Entscheidung wären an Prozeßkosten erster und zweiter Instanz insgesamt 66.528,53 S an Dr. P*** jedenfalls zu zahlen gewesen. Die beklagte Partei hat sich diese Kosten aber erspart, weil sie an Dr. P*** keine Kosten bezahlt hat, womit sich eine Verminderung des tatsächlich der beklagten Partei aufgrund der unrichtigen Entscheidung im Verfahren 6 Cg 562/83 des Erstgerichtes entstandenen Mehraufwandes auf 234.129,52 S ergibt. Mit der am 22.März 1988 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die (nunmehr) klagende (im Vorprozeß beklagte) Partei von der (nunmehr) beklagten Partei als dem Haftpflichtversicherer des Rechtsanwaltes Dr. P*** nach Klageausdehnung
und -einschränkung den Betrag von 172.959,60 S samt Zinsen sowie einen weiteren Betrag von 134.563,80 S in 30 aufeinanderfolgenden Monatsraten zu je 4.485,46 S, beginnend mit Juni 1988. Die klagende Partei brachte vor, daß Dr. P*** im Verfahren 6 Cg 562/83 als ihr Vertreter verpflichtet gewesen wäre, den im Ersturteil hinsichtlich des Quotenvorrechts der Sozialversicherer unterlaufenen Fehler unverzüglich festzustellen und im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens korrigieren zu lassen. Da Dr. P*** dies in der Rechtsrüge seiner Berufung nicht getan habe, sondern nur die Verschuldensteilung des Erstgerichtes bekämpft habe, sei es dem Berufungsgericht verwehrt gewesen, die übrige rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes zu überprüfen. Der Versuch der klagenden Partei, dies noch im Revisionsverfahren zu korrigieren, sei erfolglos gewesen, weil der Oberste Gerichtshof ausgesprochen habe, daß es den Revisionswerbern unter diesen Umständen verwehrt sei, in der Revision noch die Höhe der Klageansprüche in Frage zu stellen. Dadurch habe sie zuviel an Hauptsache bezahlen müssen, müsse sie in Zukunft zu Unrecht die mit Urteil bestimmten Renten zahlen, sei ihr ein Zinsenschaden entstanden, und habe sie zuviel Prozeßkosten zahlen müssen. Insgesamt stünden ihr daher Schadenersatzforderungen gegenüber der beklagten Partei in der Höhe des Klagebetrages zu. Die beklagte Partei hat die materiellrechtliche Frage ihrer direkten passiven Klagelegitimation im bejahenden Sinne außer Streit gestellt, Klageabweisung beantragt und eingewendet, daß zwar eine Mithaftung aus dem Kunstfehler des Dr. P*** bestehe, jedoch ein wesentliches, und zwar gleich hoch zu bewertendes Verschulden am Zustandekommen dieses Schadens die mit der Bearbeitung des bezüglichen Schadensaktes befaßten Mitarbeiter der klagenden Partei treffe. Der gegenständliche Akt sei aufgrund der Größe der Forderung direkt durch die Generaldirektion der klagenden Partei in Wien, und zwar durch den Prokuristen P***, bearbeitet worden. Dieser habe als zuständiger Schadensleiter jahrzehntelange Erfahrung und ein umfassendes Spezialwissen. Er sei in seiner Tätigkeit auch immer wieder mit dem Problem des Quotenvorrechts der Sozialversicherer befaßt gewesen. Außerdem sei er über jeden einzelnen Verfahrensschritt jeweils unterrichtet worden und habe insbesondere auch das erstgerichtliche Urteil zur Kenntnisnahme zugestellt erhalten. Er habe Dr. P*** auch "Ezzes" für die Berufung gegeben und sei ausdrücklich damit einverstanden gewesen, daß die Berufung nur hinsichtlich der Mitverschuldensquote erhoben werde. P*** und die zuständigen Sachbearbeiter in Innsbruck seien daher offenbar über die falsche Deckungsfondsberechnung des Erstgerichtes gestolpert. Ein solcher Berechnungsmangel bei der Ermittlung des Deckungsfonds sei aber ein derart offenkundiger Mangel, daß er sämtlichen bei der klagenden Partei mit diesem Fall befaßten Sachbearbeitern jedenfalls hätte auffallen müssen und können. Als Reaktion darauf hätten sie Dr. P*** ausdrücklich auf diesen Fehler des Erstgerichtes hinweisen müssen. Sachbearbeiter in Schadensabteilungen seien speziell geschult, hätten insbesondere auch die Berechnungsmethoden hinsichtlich des Deckungsfonds erlernt und müßten diese auch immer wieder anwenden. Es seien daher auch Schadensreferenten und Schadensleiter als Sachverständige gemäß § 1299 ABGB zu bezeichnen.
Die klagende Partei stellte außer Streit, daß ihr Prokurist Walter P*** mit der Berechnung des Deckungsfonds und der Lehre vom Quotenvorrecht vertraut war, und replizierte zum Mitverschuldenseinwand im übrigen, in der vom Erstgericht in der Fehlentscheidung vorgenommenen Abrechnung sei ein so eklatanter und auffälliger Mangel zu erblicken, daß es völlig absurd erschienen wäre, einen solchen Mangel noch einer besonderen Weisung für eine Bekämpfung in der Berufung zu unterstellen. Wenn daher Prokurist P*** in seinen diversen Mitteilungen an Dr. P*** Wünsche für die Anfechtung der erstgerichtlichen Entscheidung deponiert habe, so seien diese vorwiegend auf jenen Sachverhalt der zu bekämpfenden materiellrechtlichen Mitverschuldensquote gerichtet gewesen, die überhaupt einer Diskussion würdig erschienen. Darüber hinaus sei das Urteil von einem Prozeßvertreter in jenen Punkten zu bekämpfen, die mit absoluter Sicherheit einen Berufungserfolg garantierten. Ein Anwalt habe offenkundige Mängel überhaupt ohne Diskussion zu beachten. Auch ein juristisch versierter Klient wie ein erfahrener Schadensleiter einer Versicherungsanstalt müsse sich darauf verlassen können, daß unbeschadet seiner Überlegungen ein Rechtsanwalt als Prozeßvertreter alle Argumentationen in ein Rechtsmittel aufnehme, die zielführend seien, unbedingt aber jene, die geradezu mit Sicherheit einen Berufungserfolg garantierten. In einem Anwaltsprozeß habe der Anwalt als Vertreter die volle Verantwortung für allfällige Kunstfehler zu tragen (und werde hiefür auch bezahlt), sodaß er auch auf die Umstände hinzuweisen habe, die für die Berufung entscheidend seien und ihren Erfolg garantierten. Dr. P*** aber habe in seinem Bericht an die klagende Partei den eklatanten Fehler des Erstgerichtes nicht einmal erwähnt und könne es nicht einfach juristischen Kenntnissen des Schadensleiters überlassen, ob und inwieweit dieser ihm dann zielführende Aufträge erteile.
Nach Geltendmachung der Schadenersatzforderung der klagenden Partei gegenüber der beklagten Partei hat diese noch vor dem 30.Mai 1988 eine Akontozahlung von 78.209,60 S geleistet, sodaß von dem eingangs angeführten Mehraufwand von 234.129,52 S noch ein Betrag von 155.919,92 S offen ist.
Das Erstgericht hat die beklagte Partei schuldig erkannt, der klagenden Partei den Betrag von 155.919,92 S samt Anhang zu zahlen (Punkt 1). Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei a) binnen 14 Tagen 17.039,68 S samt Anhang und b) 134.563,80 S in 30 aufeinanderfolgenden Monatsraten zu je 4.485,46 S beginnend mit Juni 1988 zu zahlen, wurde hingegen abgewiesen (Punkt 2).
Das Erstgericht hat hiezu noch folgendes festgestellt:
Rechtsanwalt Dr.Hermann P*** war im Verfahren 6 Cg 562/83 des Erstgerichtes mit der Vertretung von Gerhard W***, Melitta W*** und der nunmehr klagenden Partei beauftragt. Während des Verfahrens korrespondierte er mit den Schadensreferenten M*** und Alfred V***, die in der Tiroler Landesdirektion der klagenden Partei beschäftigt sind. Während des Verfahrens informierte Dr. P*** die Schadensreferenten der klagenden Partei von allen wesentlichen Verfahrensschritten und übersandte insbesondere auch die Protokolle der Tagsatzungen sowie die Schriftsätze zur Kenntnisnahme. Weisungen über sein Vorgehen in jenem Verfahren erhielt Dr. P*** von der klagenden Partei nicht. Auf Seiten der klagenden Partei wurde der gegenständliche Schadensakt von der Zentrale in Wien und dort von Prokursit P*** bearbeitet. Die von Dr. P*** an die Landesdirektion Tirol übermittelten Unterlagen wurden jeweils nach Wien gesandt. Prokurist P*** ist nicht Jurist.
Dr. P*** erhielt das Urteil des Erstgerichtes vom 20. Dezember 1986 am 13.Jänner 1987 zugestellt. Er übersandte es noch am selben Tag mit einem Begleitschreiben an die Landesdirektion Tirol der klagenden Partei. In diesem Schreiben führte er an, daß er nicht der Meinung sei, daß die vom Gericht vorgenommene Verschuldensteilung gerechtfertigt sei, und riet deshalb dringend zur Einbringung einer Berufung. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe der festgestellten Klagsforderung ist in diesem Schreiben nichts angeführt. Mit Schreiben vom 23.Jänner 1987 teilte Alfred V*** von der klagenden Partei Dr. P*** mit, daß er, wie von diesem vorgeschlagen, wegen der vom Erstgericht angewandten Verschuldensteilung die Berufung einbringen wolle. Hinsichtlich der Berechnung der Höhe der Klagsforderung im Ersturteil ist in diesem Schreiben nichts angeführt. Über das Problem des Quotenvorrechts der Sozialversicherer wurde von Seiten Dr. P*** mit Vertretern der klagenden Partei während des Verfahrens weder gesprochen noch korrespondiert.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, Dr. P*** habe den der klagenden Partei enstandenen Schaden rechtswidrig und schuldhaft verursacht. Er habe gegen die Verpflichtungen nach § 1009 ABGB und § 9 Abs. 1 RAO dadurch verstoßen, daß ihm die Nichtberücksichtigung des Quotenvorrechtes der Sozialversicherer bei der Berechnung der Höhe der zu Recht bestehenden Forderung des Anton H*** im Verfahren 6 Cg 562/83 des Erstgerichtes nicht aufgefallen sei und er diesen Umstand in seiner Berufung gegen dieses Urteil nicht angeführt habe. Dabei handle es sich, gemessen an dem anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB, um einen schuldhaften Verstoß. Ein Mitverschulden auf Seiten der klagenden Partei (deren Schadensreferenten) liege nicht vor. Die klagende Partei habe sich zur Führung des Prozesses eines Anwalts bedient und diesen beauftragt, alle erforderlichen Prozeßhandlungen durchzuführen. Sie habe sich aufgrund des Bevollmächtigungsvertrages darauf verlassen können, daß der beauftragte Anwalt, als Jurist und mit Streitfällen dieser Art vertraut, alle erforderlichen Prozeßhandlungen durchführe, um die Schadenersatzansprüche abzuzwehren. Eine Verpflichtung zur Kontrolle des beauftragten Rechtsanwaltes und zur Erteilung von Weisungen bestehe jedenfalls nicht, zumindest so lange nicht, als nicht dessen Unerfahrenheit oder Unfähigkeit bekannt sei oder bekannt sein hätte müssen. Der Umstand, daß von Seiten der klagenden Partei, insbesondere von dem mit Fragen des Quotenvorrechts vertrauten Prokuristen P***, dem Anwalt Dr. P*** kein Hinweis auf die Nichtberücksichtigung des Quotenvorrechtes nach Erhalt des Urteils gegeben worden sei, vermöge kein Mitverschulden zu begründen, da es sich bei dieser Nichtberücksichtigung des Quotenvorrechts um einen ganz offensichtlichen Fehler gehandelt habe, sodaß Prokurist P*** davon habe ausgehen dürfen, daß Dr. P*** aufgrund dieses Umstandes jedenfalls die Höhe der festgestellten Klagsforderung bekämpfen werde. Dabei sei es gleichgültig, ob dieser Fehler Prokurist P*** aufgefallen sei oder nicht. Ein Mitverschulden träfe die klagende Partei nur dann, wenn sie bei Vollmachtserteilung von einer allfälligen Unerfahrenheit des Dr. P*** gewußt hätte oder wissen hätte müssen, wozu aber von Seiten der beklagten Partei weder ein Vorbringen erstattet noch ein Beweisanbot gemacht worden sei. Schadensreferenten der klagenden Partei fielen nicht unter die Bestimmung des § 1299 ABGB, da sie sich in der Rechtsbeziehung mit Dr. P*** nicht als Sachverständige bekannt und auch von Dr. P*** keine Aufträge übernommen hätten, vielmehr umgekehrt Dr. P*** der Auftrag zur Vertretung der nunmehr klagenden Partei im Verfahren 6 Cg 562/83 des Erstgerichtes erteilt worden sei. Die klagende Partei bekämpft das Urteil des Erstgerichtes im Umfang der Klagsabweisung zu Punkt 2 b des Spruches des Ersturteils (134.563,80 S). Die Berufung der beklagten Partei bekämpfte das Ersturteil insoweit, als mehr als 38.855,16 S samt Anhang zugesprochen wurden.
Das Berufungsgericht gab beiden Berufungen nicht Folge. Zur Berufung der beklagten Partei führte das Berufungsgericht aus:
Die beklagte Partei verfechte in ihrer Rechtsrüge weiterhin die Auffassung, es liege ein 50 %iges Mitverschulden der klagenden Partei an der Entstehung des Schadens vor. Dem sei nachstehendes entgegenzuhalten:
1.) Richtig sei, daß sich nach § 1299 Satz 2 ABGB grundsätzlich ein Mitverschulden anrechnen lassen müsse, wer einem mangelhaft Qualifizierten ein Geschäft übertrage, obwohl er diesen Mangel zumindest kennen müsse (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 11 zu § 1299; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 4 zu § 1299).
2.) § 1299 Satz 2 ABGB gehe davon aus, daß ein Nichtfachmann dem Fachmann (Geschäftsübernehmer) gegenüberstehe, und setze daher beim Sorgfaltsmaßstab des § 1297 ABGB an. Für einen Fachmann, der einem anderen Tätigkeiten übertrage, müsse jedoch der Maßstab des § 1299 ABGB gelten (Reischauer aaO).
3.) Daß ein solcher Sorgfaltsmaßstab bei der Frage eines allfälligen Mitverschuldens des Auftraggebers gegenüber dem Verschulden eines Sachverständigen im Sinne des § 1299 ABGB anzulegen und demnach für die Bewertung des Mitverschuldens von Bedeutung sei, sei auch in der Rechtsprechung anerkannt.
3.) 1.) Dies sei insbesondere beim Werkvertrag der Fall, wo unter Bedachtnahme auf vertragliche Nebenpflichten des sachkundigen Bestellers (nämlich zur Aufklärung und Mitwirkung) ein Mitverschulden beim Verstoß gegen dieselben angenommen werde (JBl. 1984, 556; SZ 58/7), allerdings unbeschadet der Warnpflicht des Unternehmers (Entscheidung Nr. 3 zu § 1168 a ABGB in MGA32).
3.) 2.) Dies gelte aber auch - zumindest im Grundsätzlichen - dann, wenn ein Realitätenmakler bei Beurteilung der Sicherheit einer hypothekarisch zu besichernden Forderung einem Gutachten eines gerichtlich beeideten Schätzmeisters gegenüberstehe (EvBl. 1975/4).
4.) Daß bei Schadenszufügung durch einen Kunstfehler eines Rechtsanwaltes ein Mitverschulden des Mandanten vorliegen und zu einer Minderung der Ersatzpflicht führen könne, sei nicht zu bezweifeln. Auch hiebei spiele die eigene - juristische - Sachkunde des Mandanten eine Rolle (Fenzl, ÖJZ 1951, 398 f).
4.) 1.) Diese eigene Sachkunde des Mandanten könne unter Umständen die sich aus § 1009 ABGB, § 9 RAO ergebende umfassende Belehrungspflicht des Rechtsanwaltes reduzieren bzw. auch ganz aufheben (Reischauer aaO Rz 16 zu § 1299; NZ 1987, 148; Fenzl, ÖJZ 1970, 341).
4.) 2.) Wie beim Werkvertrag verpflichte diese eigene Sachkunde den Mandanten auch dem Rechtsanwalt gegenüber, diesem alle für die Ausübung des Mandats erforderlichen Informationen richtig und vollständig zu geben, mit der Wirkung, daß der Rechtsanwalt hierauf vertrauen dürfe (Fenzl, ÖJZ 1967, 61; derselbe ÖJZ 1983, 261 unter Hinweis auf 2 Ob 539/77).
4.) 3.) Ein Mitverschulden des - sachkundigen - Klienten werde aber auch dort anzunehmen sein, wo der Klient
4.) 3.) 1.) einen für ihn erkennbar schlechten Rat des Rechtsanwaltes befolgt (Fenzl, ÖJZ 1951, 398; JBl. 1962, 152) oder
4.) 3.) 2.) eine ihm zumutbare Kontrolle des Rechtsanwaltes unterlassen habe (Fenzl, ÖJZ 1951, 398; AnwZ 1931, 113). Daß, wie das Erstgericht meine, ein solches Mitverschulden nur anzunehmen wäre, wenn von dem Klienten schon bei Erteilung des Mandats die Unerfahrenheit des Rechtsanwaltes hätte erkannt werden müssen, könne demnach nicht gesagt werden.
5.) Im gegenständlichen Fall könnte ein allfälliges Mitverschulden der klagenden Partei nur in die unter 4.) 3.) beschriebenen beiden Richtungen gehen. Es könnte also das Schreiben des Dr. P*** vom 13.Jänner 1987 an die klagende Partei, in dem er eine Berufung wegen der Bewertung des Mitverschuldens im Urteil empfahl, als ein der klagenden Partei erteilter und für diese erkennbar schlechter (weil unvollständiger) Rat angesehen werden; es könnte dieses Schreiben auch als Anlaß für eine der klagenden Partei zumutbare Kontrolle der Tätigkeit des Dr. P*** im Rahmen seines Mandats angesehen werden, die zu einem Hinweis auf die Nichtbeachtung des Quotenvorrechts durch das Erstgericht hätte führen müssen. Daß mit dem Antwortschreiben der klagenden Partei vom 23. Jänner 1987 Dr. P*** überhaupt nur zur Einbringung einer Berufung wegen unrichtig gewerteten Mitverschuldens beauftragt und die Geltendmachung anderer Fehler im Ersturteil damit untersagt worden wäre, behauptet die beklagte Partei selbst gar nicht. Es würde auch Dr. P*** ein solcher Auftrag im übrigen nicht von seiner Belehrungspflicht gegenüber der klagenden Partei entbunden haben; er hätte, selbst wenn er einen derart eingeschränkten Berufungsauftrag bekommen hätte, die klagende Partei zumindest auf die Nichtbeachtung des Quotenvorrechtes der Sozialversicherer im Ersturteil hinweisen müssen, weil dies ein offenkundiger Fehler des Ersturteils gewesen sei und ein Berufungsauftrag, der die Geltendmachung dieses Fehlers untersage, den Schluß nahelegen müsse, daß der Schadensreferent (Schadensleiter) der klagenden Partei den Fehler des Erstgerichtes übersehen habe. Damit wäre also trotzdem Dr. P*** nicht exculpiert, allerdings ein Mitverschulden der klagenden Partei jedenfalls anzunehmen gewesen (Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht 306 im Zusammenhang mit der Warnpflicht im allgemeinen).
6.) Bei der Frage, ob das zu 5.) als möglich bezeichnete Mitverschulden der klagenden Partei anzunehmen sei, müsse aber berücksichtigt werden, daß ein Rechtsanwalt grundsätzlich insoweit selbständig zu handeln habe, als es zur Ausführung seines Auftrages notwendig sei (Fenzl, ÖJZ 1967, 58). Demnach könne auch sein Mandant darauf vertrauen, daß der Rechtsanwalt in besonderem Maße darauf bedacht sein werde, ihn vor Nachteilen zu schützen und für seine rechtliche und tatsächliche Sicherheit zu sorgen (NZ 1987, 148, insbesondere 150 mwN).
Eine generelle Verpflichtung zur umfassenden Kontrolle eines von einem Haftpflichtversicherer im Schadenersatzprozeß beauftragten Rechtsanwaltes durch die Schadensreferenten (Schadensleiter) des Haftpflichtversicherers bestehe daher nicht; eine solche Verpflichtung könnte wohl nur dann angenommen werden, wenn der Rechtsanwalt
6.)
1.) von sich aus eine Frage zur Diskussion stelle oder
6.)
2.) wenn sich aus seinen während des Prozesses dem Haftpflichtversicherer übermittelten Informationen über das Prozeßgeschehen auffallend (also schon bei flüchtiger Durchsicht) ergebe, daß er Fehler mache.
7.) Das Schreiben des Dr. P*** an die klagende Partei vom 13. Jänner 1987 enthalte einen Rat zur Einbringung der Berufung nur in bezug auf die Wertung des Mitverschuldens im Urteil des Erstgerichtes, werfe also ausdrücklich nur diese Frage auf. Im Sinne des oben zu 6.) 1.) Ausgeführten könne daher davon ausgegangen werden, daß die klagende Partei auf dieses Schreiben hin auch nur Anlaß hatte, die dort zur Diskussion gestellte Frage der Bewertung des Mitverschuldens zu prüfen, sodaß sich ihr Antwortschreiben vom 23. Jänner 1987 auch nur als die Antwort auf die von Dr. P*** zur Diskussion gestellte Frage (des Mitverschuldens) darstelle.
8.) Es bleibe daher im Sinne des oben zu 6.) 2.) Ausgeführten die Frage, ob der klagenden Partei aus dem Umstand, daß Dr. P*** in seinem Schreiben vom 13. Jänner 1987 auf den Fehler des Erstgerichtes im Zusammenhang mit dem Quotenvorrecht der Sozialversicherer überhaupt nicht hingewiesen habe, auch schon bei flüchtiger Prüfung der ihr zugemittelten Informationen auffallen habe müssen, daß Dr. P*** diesen Fehler des Erstgerichtes nicht bemerkt habe.
Das Berufungsgericht sei nicht dieser Ansicht. Dadurch, daß Dr. P*** im Zusammenhang mit der Berufung nur auf die seiner Meinung nach unrichtige Verschuldensteilung durch das Erstgericht hingewiesen habe, habe der Schadensleiter der klagenden Partei, weil ja, wie oben zu 6.) ausgeführt, eine generelle Verpflichtung zur umfassenden Kontrolle des beauftragten Rechtsanwaltes nicht bestanden habe, sich auch nur mit dieser Frage auseinanderzusetzen gehabt. Zu diesem Zwecke habe er nicht etwa das ganze ihm zugemittelte Ersturteil durchlesen und überprüfen müssen; er habe sich vielmehr auf eine Lektüre der Feststellungen zum Unfallshergang (sowie der Beweiswürdigung hiezu) und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes in bezug auf die Mitverschuldensquote beschränken können. Dabei habe der dem Erstgericht bezüglich der Schadenersatzforderung aus dem Verdienstentgang unterlaufene Berechnungsfehler nicht bemerkt werden müssen. Daß Prokurist P*** diesen Fehler bemerkt habe, habe das Erstgericht nicht festgestellt; eine diesbezügliche Behauptung habe die beklagte Partei in erster Instanz auch nicht aufgestellt; sie habe vielmehr ausgeführt, daß der Berechnungsfehler bei Ermittlung des Deckungsfonds den mit diesem Fall befaßten Sachbearbeitern auf jeden Fall hätte auffallen müssen und können bzw. daß ein Mangel in der Berechnungsmethode des Schadensbetrages enthalten gewesen sei, den beide Herren aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Fachwissens sofort hätten erkennen müssen. Daß P***, obwohl Dr. P*** lediglich die Problematik der Mitverschuldensquote erwähnt habe, das gesamte ihm zugesandte Urteil des Erstgerichtes zumindest flüchtig hätte überprüfen müssen, könne deshalb nicht gesagt werden, weil ja auch ein juristisch kundiger Mandant, wie ausgeführt, darauf vertrauen könne, daß der Rechtsanwalt in besonderem Maße darauf bedacht sein werde, ihn vor Nachteilen zu schützen und für seine rechtliche und tatsächliche Sicherheit zu sorgen. Zu einer solchen Überprüfung wäre P*** daher nur dann verpflichtet gewesen, wenn Dr. P*** in seinem Begleitschreiben keine Einschränkung des seiner Meinung nach gegebenen Problemkreises für die Berufung gemacht hätte. Es liege daher nach Ansicht des Berufungsgerichtes kein Mitverschulden P*** und damit der klagenden Partei vor. Selbst wenn ein solches angenommen würde, wäre es gegenüber dem gravierenden Verschulden des Rechtsanwaltes Dr. P*** als so geringfügig anzusehen, daß es vernachlässigbar wäre. Die Revision sei nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zuzulassen gewesen, weil insbesondere zur Frage eines Mitverschuldens eines Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers bei einem Kunstfehler des von ihm beauftragten Rechtsanwaltes, soweit überblickbar, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Gegen das Berufungsurteil richtet sich die auf den Revisionsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit Abs. 2 ZPO gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der klagenden Partei lediglich ein Betrag von 38.855,16 S samt Anhang zugesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus den Erwägungen des Berufungsgerichtes gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.
Die beklagte Partei führt zusammengefaßt aus: Wenn der Mandant eines Rechtsanwaltes darauf bestehe, von jedem Verfahrensschritt und jedem Schriftsatz durch Übermittlung der entsprechenden Unterlagen verständigt zu werden, treffe ihn die Verpflichtung, diese Unterlagen auch zu lesen. Er habe den Rechtsanwalt dann nicht nur auf solche Fehler hinzuweisen, die bei bloß flüchtiger Durchsicht auffallen, sondern auch auf solche, die bei sorgfältigem Durchlesen - zumindest des Urteils - ins Auge stechen müßten. Die klagende Partei habe sich daher als gleichteiliges Mitverschulden anrechnen zu lassen, daß sie Rechtsanwalt Dr. P***, obgleich für ihren einschlägig versierten Prokuristen P*** das Übersehen des Quotenvorrechts der Sozialversicherer im Ersturteil des Vorprozesses offenkundig und das Nichterkennen dieses Fehlers durch ihn erkennbar gewesen seien, nicht davon verständigt habe. Die Schlußfolgerung des Berufungsgerichtes, Prokurist P*** wäre zu einer Überprüfung des gesamten Ersturteils im Vorprozeß nur dann verpflichtet gewesen, wenn Rechtsanwalt Dr. P*** in seinem Schreiben vom 13. Jänner 1987 den seiner Meinung nach gegebenen Problemkreis für die Berufung nicht eingeschränkt hätte, sei falsch; gerade das Gegenteil sei der Fall.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Wer einen Rechtsanwalt betraut, darf darauf vertrauen, daß dieser in besonderem Maße geeignet ist, ihn vor Nachteilen zu schützen, und daher alle nach der Rechtsordnung erforderlichen Schritte zur Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszweckes unternehmen wird (siehe außer den bereits vom Berufungsgericht zitierten Belegstellen etwa noch NZ 1988, 200 mwN). Dies gilt grundsätzlich auch für einen sach- und rechtskundigen Mandanten (vgl. Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars2, 64). Das Berufungsgericht hat demnach richtig erkannt, daß eine generelle Verpflichtung zur umfassenden Kontrolle eines von einem Haftpflichtversicherer im Schadenersatzprozeß beauftragten Rechtsanwaltes durch die Schadensreferenten (den Schadensleiter) des Haftpflichtversicherers nicht besteht, sondern etwa nur dann angenommen werden könnte, wenn der Rechtsanwalt von sich aus eine Frage zur Diskussion stellt oder wenn sich aus seinen während des Prozesses dem Haftpflichtversicherer übermittelten Informationen über das Prozeßgeschehen schon bei flüchtiger Durchsicht ergibt, daß er Fehler macht. Eine sorgfältige Durchsicht sämtlicher übermittelter Unterlagen in vollem Umfang würde auch den Rahmen der einem sach- und rechtskundigen Mandanten zumutbaren und daher von ihm zu verlangenden Kontrolle des Rechtsanwaltes überschreiten. Der Oberste Gerichtshof ist mithin aufgrund des von den Vorinstanzen erhobenen Sachverhaltsbildes gleich dem Berufungsgericht der Ansicht, daß es der klagenden Partei nicht als Mitverschulden angelastet werden kann, daß die Schadensreferenten bzw. der Schadensleiter der klagenden Partei das Ersturteil im Vorprozeß nicht sorgfältig zur Gänze durchgelesen und auf das Vorhandensein allfälliger weiterer, von Rechtsanwalt Dr. P*** nicht aufgezeigter Rechtsfehler überprüft und diesen vom Ergebnis der Überprüfung verständigt haben. Die klagende Partei durfte sich vielmehr im vorliegenden Fall - wie sie in der Revisionsbeantwortung zutreffend hervorhebt - darauf verlassen, daß Rechtsanwalt Dr. P*** das Ersturteil im Vorprozeß einer eingehenden Prüfung unterzogen hat, nach deren Ergebnis diesem außer einer vermutlich unrichtigen Verschuldensteilung kein weiterer Fehler anhaftet.
Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E17309European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1989:0050OB00530.89.0411.000Dokumentnummer
JJT_19890411_OGH0002_0050OB00530_8900000_000