TE Vwgh Erkenntnis 2005/10/19 2004/09/0086

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Veröffentlicht am 19.10.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
43/01 Wehrrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs3;
HDG 2002 §2 Abs1;
HDG 2002 §2 Abs4;
HDG 2002 §39 Abs1;
HDG 2002 §39 Abs2;
HDG 2002 §39 Abs3;
HDG 2002 §39 Abs5;
HDG 2002 §61 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes bei der Disziplinarkommission (DKS) und Disziplinaroberkommission für Soldaten (DOKS), Disziplinar- und Beschwerdeabteilung im Bundesministerium für Landesverteidigung, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 6. April 2004, Zl. 5- DOKS/03, betreffend Freisprüche in einem Disziplinarverfahren nach dem Heeresdisziplinargesetz 2002 (mitbeteiligte Partei: Dipl.- Ing. K), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Freispruch hinsichtlich der im Spruchpunkt 1a des angefochtenen Bescheides genannten Tatvorwurfs betreffend den 28. August 2001 und den 4. September 2001 richtet, als unbegründet abgewiesen.

Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Kostenantrag des Mitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte steht als Berufsoffizier (Oberstleutnant des militärtechnischen Dienstes) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Amt für Wehrtechnik (jetzt Amt für Rüstung und Wehrtechnik - ARWT).

Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Soldaten vom 1. August 2001 wurde der Beschwerdeführer wegen anderer als der verfahrensgegenständlichen Vorwürfe seines Dienstes enthoben. Der Spruch dieses Bescheides lautet:

"Die Disziplinarkommission für Soldaten.....hat beschlossen:

gemäß § 39 Abs. 3 Heeresdisziplinargesetz 1994 (HDG 1994), BGBl. Nr. 522 ObstltdmtD Dipl. Ing. K vom Dienst zu entheben und gemäß § 40 Abs. 1 Z.1 leg.cit. die Dienstbezüge nicht zu kürzen.

ObstltdmtD Dipl. Ing. K hat sich einmal wöchentlich - jeweils am Dienstag vormittag - bei seinem AbtLtr oder dessen Stellvertreter persönlich zu melden. Es ist ihm dabei - unter Aufsicht - die Möglichkeit einzuräumen sein Zimmer zu betreten und Vorbereitungen und Arbeiten an Unterlagen an seinem dienstlich zugewiesenen Computer zu tätigen."

1. Nach den insoweit unstrittigen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde meldete sich der Mitbeteiligte am 28. August 2001 weisungsgemäß bei seinem Dienstvorgesetzten Bgdr Dr. Dipl.-Ing. L, der ihm unter Hinweis auf den Erlass des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 9. Juni 2000 VBL I Nr. 81/2000 die Weisung zur Abgabe seiner Dienstkarte gab.

In diesem Erlass heißt es unter II.8.:

"Bei einer Suspendierung des Bediensteten sowie in den Fällen einer länger als vier Monate dauernden Abwesenheit vom Dienst .... ist die Dienstkarte des Bediensteten auf die Dauer der Abwesenheit vom Dienst in Verwahrung zu nehmen."

Der Mitbeteiligte verweigerte jedoch die Übergabe der Dienstkarte im Wesentlichen mit der Begründung, dieser Erlass betreffe lediglich Suspendierungen, er jedoch sei nicht suspendiert, sondern lediglich "seines Dienstes enthoben" worden.

Anlässlich der nächsten pflichtgemäßen Meldung am 4. September 2001 erhielt der Mitbeteiligte erneut von seinem Vorgesetzten in Anwesenheit einer Zeugin eine gleichlautende mündliche Weisung, welche er wiederum mit derselben Begründung nicht befolgte.

Im Zuge der folgenden weisungsgemäßen Meldung am 11. September 2001 wurde dem Mitbeteiligten von seinem Dienstvorgesetzten erneut in Anwesenheit eines Mitgliedes des Dienststellenausschusses sowie des diensthabenden Unteroffiziers mündlich die Weisung erteilt, seine Dienstkarte abzugeben. Auch nach Belehrung über die Rechtsfolgen des Verharrens im Ungehorsam wurde dem Mitbeteiligten dieser Befehl noch einmal mündlich, sodann in schriftlicher Form erteilt, wobei der Mitbeteiligte die Übernahmebestätigung der schriftlichen Weisung mit dem Vermerk versah, "rechtliche Bedenken vorgebracht; vermutlich auch verfassungsrechtlich". Die Dienstkarte gab er bei dieser Gelegenheit nicht ab. Dieselben Vorgänge wiederholten sich am 2. und am 9. Oktober 2001, wobei der Mitbeteiligte jeweils mündlich und schriftlich Weisung erhielt, seine Dienstkarte abzugeben, die er jedoch nicht befolgte. Erst am 10. Oktober 2001 übergab der Mitbeteiligte nach einem Gespräch mit dem damaligen Disziplinaranwalt (und nunmehrigen Vorsitzenden der belangten Behörde) diesem seine Dienstkarte.

2. Nach den weiteren unstrittigen Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde erteilte der Dienstvorgesetzte des Mitbeteiligten, Bgdr. Dr. L., diesem am 9. Oktober 2001 in Anwesenheit zweier Zeugen überdies die Weisung, die in seinem Besitz befindlichen Zweitschlüssel sämtlicher Kästen seines Arbeitszimmers zu übergeben. Der Mitbeteiligte wendete dagegen ein, dass er die Schlüssel nicht mitführe und selbst dann nicht herauszugeben beabsichtige, weil "dies seine Privatsphäre" sei. Nach Belehrung über die Rechtsfolgen des Verharrens im Ungehorsam wurde der mündlich erteilte Befehl in schriftlicher Form wiederholt, wobei der Mitbeteiligte auf der Übernahmebestätigung den Vermerk anbrachte, "mit Vorbehalt". Die Schlüssel wurden vom Mitbeteiligten erst am 22. Oktober 2001 ausgehändigt.

Die wegen Ungehorsams vom Disziplinarvorgesetzten erstattete Strafanzeige wurde von der Staatsanwaltschaft Wien am 28. November 2001 zurückgelegt.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Soldaten vom 2. Jänner 2002 wurde wegen dieser Tathandlungen das Disziplinarverfahren gegen den Mitbeteiligten eingeleitet, dessen dagegen erhobene Berufung mit Bescheid der Berufungskommission beim Bundesministerium für öffentliche Leistung und Sport vom 13. Mai 2002 abgewiesen wurde.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 5. Mai 2003 wurde der Verhandlungsbeschluss gefasst.

Mit Erkenntnis der Disziplinarkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 24. September 2003 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe

1. im Zuge seiner ihm gemäß rechtskräftigem Bescheid betreffend Dienstenthebung aufgetragenen Meldungen, trotz Befehl und Abmahnung durch den vormaligen Leiter EFME Brgdr Dr. L., seine Dienstkarte abzugeben, diese trotz Belehrung über den Inhalt des VBl. I Nr. 81/2000, Punkt 8, weder am 28. August 2001, noch nach Befehl und Abmahnung vor Zeugen am 4. September 2001 und auch nach schriftlichem Befehl zur Abgabe der Dienstkarte am 11. September 2001, 2. Oktober 2001 und 9. Oktober 2001 nicht abgegeben, sondern habe dies erst im Zuge eines Gespräches mit dem damaligen Disziplinaranwalt ObstltIntD Mag. iur. K. am 10. Oktober 2001 in dessen Kanzlei getan, und

2. im Zuge seiner ihm gemäß rechtskräftigem Bescheid betreffend Dienstenthebung aufgetragenen Meldungen am 9. Oktober 2001 trotz schriftlichem Befehl und Belehrung über die Folgen einer Befehlsverweigerung durch den vormaligen Leiter EFME Brgdr Dr. L., diesem unverzüglich die Zweitschlüssel sämtlicher Kästen seines Arbeitszimmers zu übergeben, diese nicht übergeben, sondern diese erst am 22. Oktober 2001 übergeben.

Durch sein Verhalten habe der Mitbeteiligte gegen §§ 44 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und vorsätzlich Dienstpflichtverletzungen nach § 2 Abs. 1 Z. 1 HDG 2002 begangen, weshalb über ihn die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 2.000 EUR zu verhängen gewesen sei.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhoben sowohl der Mitbeteiligte als auch der Disziplinaranwalt Berufung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 6. April 2004 wurde der Berufung des Mitbeteiligten Folge gegeben, nicht jedoch der Berufung des Disziplinaranwaltes und das erstinstanzliche Erkenntnis hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass der Mitbeteiligte nicht schuldig sei, dass

"1a) er im Zuge seiner ihm gemäß rechtskräftigem Bescheides der Dienstenthebung aufgetragenen Meldungen, trotz Befehl und Abmahnung durch den vormaligen Leiter EFME, Brgdr Dr. L., seine Dienstkarte abzugeben, diese, trotz Belehrung über den Inhalt des VBl. I Nr. 81/2000, Punkt 8, weder am 28. August 2001, noch nach Befehl und Abmahnung vor Zeugen am 4. September 2001 abgegeben hat.

ObstlhdmtD DI K wird von den tatgegenständlichen Vorwürfen gemäß § 61 Abs. 3 Z. 2 HDG 2002 freigesprochen."

"1b) er trotz Befehl und Abmahnung durch den vormaligen Leiter EFME seine Dienstkarte abzugeben, diese trotz schriftlichem Befehl am 11. September, 2. Oktober und 9. Oktober 2001 nicht ausgefolgt, sondern seine Dienstkarte erst im Zuge eines Gespräches mit dem damaligen Disziplinaranwalt, ObstltIntD Mag. iur. K. am 10. Oktober 2001 um ca. 15.25 Uhr in dessen Kanzlei im AG Vstraße abgegeben hat,

2. er im Zuge seiner ihm gemäß rechtskräftigen Bescheides der Dienstenthebung aufgetragenen Meldungen am 9. Oktober 2001 trotz schriftlichem Befehl und Belehrung über die Folgen einer Befehlsverweigerung durch den vormaligen Leiter EFME diesem unverzüglich die Zweitschlüssel sämtlicher Kästen seines Arbeitszimmers auszuhändigen, diese erst am 22. Oktober 2001 übergeben hat.

ObstlhdmtD DI K wird wegen mangelnder Schuldfähigkeit von den tatgegenständlichen Vorwürfen gemäß § 61 Abs. 3 Z. 1 letzter Satz HDG 2002 freigesprochen."

Nach ausführlicher Darlegung des bisherigen Verfahrensganges, insbesondere wörtlicher Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheides, der dagegen erhobenen Berufungen und der dazu erstatteten Gegenäußerungen sowie eines Antrages des Mitbeteiligten vom 27. Jänner 2004 nahm die belangte Behörde zunächst zu der in der Berufung des Mitbeteiligten behaupteten - im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren aber nicht mehr relevierten - Befangenheit des Vorsitzenden der Disziplinarkommission bzw. der vermuteten Befangenheit des Vorsitzenden der belangten Behörde Stellung.

Sodann traf die belangte Behörde die bereits vorstehend wiedergegebenen - unstrittigen - Feststellungen. In diesem Zusammenhang zitiert die belangte Behörde aus dem - im Zuge eines vorangegangenen Disziplinarverfahrens erstellten - psychologischen Gutachten des Amtssachverständigen Dr. B. mit unbekanntem Datum wie folgt:

"Psychopathologischer Status

Der Untersuchte zeigte sich während der gesamten Anamnese in seinem Verhalten freundlich, kontaktbereit, jedoch nervös, unsicher, in Übermaßen redselig; im Bewusstsein klar, im Denken zeitlich und örtlich orientiert, jedoch inhaltlich massiv auf seine Fachbereiche eingeschränkt, wobei psychotische Erlebnisinhalte nicht beurteilt werden konnten. Er zeigte sich weiters in seiner Stimmungslage eher ausgeglichen, affektiv jedoch labil und im Antrieb agitiert. Im Fortlauf des Gesprächs zeigte sich weiters, dass der Untersuchte nicht in der Lage war, den Fragen des Sachverständigen ordnungsgemäß zu folgen, immer wieder versuchte auf seine Fachkompetenz zurückzugreifen, wobei es ihm auch dabei nicht möglich war Einsicht in die vorgehaltene Sachlage zu bekommen. Er zeigte sich weiters in Bezug auf die Sprache und die Sprechweise im Allgemeinen zwar hastig, insgesamt jedoch unauffällig. Zumindest in der Verhaltensbeobachtung zeigten sich von der Persönlichkeitsstruktur keine auffallend psychopathologische Wesenszüge.

Testpsychologische Ergebnisse

Im Testverfahren zur Klärung psychopathologischer Persönlichkeitsstrukturen zeigten sich die Ergebnisse in den Bereichen Hypochondrie, Depression, Psychopathie, Psychasthenie und soziale Introversion im Normbereich. Grenzwertig in der Norm zeigten sich die Ergebnisse der Skalen Hysterie, Schizophrenie und Hypomanie, wobei die Skala Paranoia bei einem Prozentrang = 99 % und einem T = 73 außerhalb des Durchschnittsbereiches liegt. Weiters zeigte der Untersuchte in den Zusatzskalen normabweichende Werte in den Bereichen allgemeine Fehlanpassung, Dissimulation und Einstellung zur Arbeit.

Zusammengefasst zeigt sich der Untersuchte in seiner Persönlichkeit normabweichend sensibel, misstrauisch, überempfindlich und nachträglerisch, übelnehmend und aufmerksam in Bezug auf Reaktionen anderer, dabei neigt dieser in ungerechtfertigter Weise dazu, diese auf sich zu beziehen. Weiters neigt der im Gegenstand Genannte sich in Phantasien und Tagträume zu flüchten, unrealistische Denkweisen zu entwickeln und Aggressionen zu zeigen, wobei auch Wahnvorstellungen nicht auszuschließen sind. Der Untersuchte zeigte sich in der Persönlichkeit weiters als leicht erregbare, reizbare, gespannte und phasenweise unkontrollierte Persönlichkeit.

Er neigt dazu Probleme zu verdrängen und wird unter andauernder Belastung ängstlich, nervös mit der Neigung zu körperlichen Beschwerden. Er zeigt sich insgesamt als originelle kreative, aber auch eigenwillige und distanzierte Persönlichkeit, aber aktiv, enthusiastisch, leicht zu stimulieren, jedoch in Konfliktsituationen unbeherrscht. Der Untersuchte neigt auch dazu Probleme zu verdrängen und sieht vor allem keinen Zusammenhang zwischen Symptomen und psychischen Schwierigkeiten. In den sozialen Fertigkeiten zeigt sich der Bedienstete weiter psychisch eher unauffällig, unsicher und impulsiv, neigt eher zu offenen Feindseligkeiten und zu spontanen und impulsiven Reaktionen, wobei er in seiner Einstellung zur Arbeit normabweichend engagiert und sachlich ist.

Im Verfahren zur Erfassung von Verhaltens- und Erlebensweisen gegenüber Arbeit und Beruf (AVEM) zeigte sich abgesehen von einer normabweichenden Distanzierungsfähigkeit gegenüber beruflichen Anforderungen in den entsprechenden Skalen im Normbereich.

Zusammengefasst zeigt sich dabei im Profil des Betreffenden mit einer Wahrscheinlichkeit von 7 % ein Risikotyp A. Damit neigt der im Gegenstand Genannte zu einem überhöhten Engagement und zu einer geringen Distanzierung in Bezug auf Arbeitsprobleme, mit einer verminderten psychischen Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen und einem eingeschränkten Lebensgefühl."

Rechtlich führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der von ihr angewendeten gesetzlichen Bestimmungen aus, zu Punkt 1a) des Spruches habe der Mitbeteiligte am 28. August und 4. September 2001 von seinem zuständigen Vorgesetzten die rechtmäßige Weisung erhalten, seine Dienstkarte abzugeben. Er habe dagegen Einwände erhoben. Obwohl bei objektiver Betrachtung beider Begriffe (Anm.: "Suspendierung" bzw. "Dienstenthebung") inhaltlich kein Unterschied bestehe, sei wohl dem Rechtsschutzgedanken folgend dieses Vorbringen als Remonstration zu werten. Unter Weisung sei eine generelle oder individuelle, abstrakte oder konkrete Norm zu verstehen, die an einen oder an eine Gruppe von dem Weisungsgeber untergeordneten Organwaltern ergehe. Sie sei ein interner Akt im Rahmen der Verwaltungsorganisation. Aus der Ablehnungsregel nach § 44 Abs. 2 BDG 1979, die inhaltlich Art. 20 Abs. 1 letzter Satz B-VG wiederhole, sei abzuleiten, dass in allen sonstigen Fällen eine Weisung - und daher auch eine aus anderen als den in dieser Bestimmung genannten Gründen gesetzwidrige - grundsätzlich zu befolgen sei. Für den in Paranthese genannten Fall der sonstigen Rechtswidrigkeit einer Weisung enthalte § 44 Abs. 3 BDG 1979 Einschränkungen. Der Regelungszweck des Remonstrationsrechtes sei in erster Linie in der Verwirklichung des auch für die Weisungen geltenden Rechtsstaatsprinzipes zu sehen. Die Ausübung des Remonstrationsrechtes müsse erkennen lassen, welche rechtlichen Bedenken der Beamte gegen die erteilte Weisung habe und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaube. Das Vorbringen, die Weisung sei insofern nicht rechtsrichtig, als "auf Soldaten das HDG anzuwenden sei", stelle dem Grunde nach entsprechende rechtliche Bedenken im Sinne des § 44 Abs. 3 BDG 1979 dar. Ob die geäußerten Bedenken rechtlich zuträfen oder nicht, sei für den Eintritt der Rechtsfolge (keine Befolgungspflicht bis zur schriftlichen Bestätigung) ohne Bedeutung. Die Remonstration selbst sei grundsätzlich an keine Form gebunden. Im Hinblick auf die vielfachen Formen, in der Kritik vorgetragen werden könne, und auch die damit unterschiedlich verbundenen Zielsetzungen, müsse aber gefordert werden, dass unter Einbeziehung der jeweiligen Gesamtsituation und damit auch der Form der vorgebrachten Einwendungen bei objektiver Betrachtung diese für den Vorgesetzten als Remonstration erkennbar seien. Die Ausübung des Remonstrationsrechts müsse auch erkennen lassen, welche rechtlichen Bedenken der Beamte gegen die ihm erteilte Weisung habe und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaube. Angesichts der rechtmäßigen Remonstration gemäß § 44 Abs. 3 BDG 1979 vermöge die Unterlassung des für die Aufrechterhaltung der Weisung notwendigen Formgebotes der schriftlichen Erteilung der Weisung durch den Vorgesetzten weder eine Befolgungspflicht des Beamten auszulösen noch die nach dieser Gesetzesstelle eingetretene Fiktion der Zurückziehung der Weisung zu beseitigen. Das Remonstrationsrecht werde durch die Mitteilung zumindest denkmöglicher, auf vertretbarer Rechtsansicht beruhender Bedenken wirksam ausgeübt. Nur eine ganz und gar unvertretbare Rechtsansicht indiziere ein mutwilliges, geradezu missbräuchliches Vorbringen und vermöge derart den Eintritt der im § 44 Abs. 3 BDG 1979 vorgesehenen Rechtsfolgen nicht zu rechtfertigen. Werde eine der Klarstellung bedürfende Weisung auf Grund einer rechtzeitigen Anbringung des Beamten, das entweder ausdrücklich auf die Klarstellung abziele oder doch eindeutig die Klarstellungsbedürftigkeit für den Beamten erkennen lasse, erst nach dem Wirksamkeitsbeginn der Weisung klargestellt, so könne dies nicht zu Lasten des Beamten gehen. Es bleibe vielmehr bei der Verpflichtung des Vorgesetzten, nach § 44 Abs. 3 letzter Satz BDG 1979 vorzugehen, widrigenfalls die Weisung als zurückgezogen gelte.

Im Ergebnis habe der Mitbeteiligte anlässlich der ersten beiden Weisungen keine Pflichtverletzung begangen, weil der Vorgesetzte es verabsäumt habe, die grundsätzlich rechtmäßige Weisung nach erfolgter Remonstration nochmals schriftlich zu erteilen. Da dieser Sachverhalt keine Pflichtverletzung darstelle, sei der Mitbeteiligte gemäß § 61 Abs. 3 Z. 2 HDG 2002 freizusprechen gewesen.

Zu Punkt 1b des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses führte die belangte Behörde aus, der zur Weisungserteilung und Abnahme der Dienstkarte zuständige Vorgesetzte habe mündlich unmissverständlich seinem Willen Ausdruck verliehen. Trotz weiterer Remonstration am 11. September 2001 habe die nachfolgend schriftliche erteilte Weisung die Befolgungspflicht ausgelöst. Die am 2. und 9. Oktober 2001 jeweils nochmals mündlich, nach Remonstrationen schriftlich erteilten Weisungen hätten für sich genommen keinen Gehalt weiterer Pflichtverletzungen, da die am 11. September 2001 rechtmäßig erteilte Weisung nicht zurückgezogen gewesen sei und erst am 10. Oktober 2001 durch Übergabe der Dienstkarte an den Disziplinaranwalt erfüllt worden sei. Dies stelle die Nichtbefolgung einer Weisung im Zeitraum vom 11. September bis zum 10. Oktober 2001 dar.

Zum Spruchpunkt 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe am 9. Oktober 2001 die nach der Äußerung von rechtlichen Bedenken schriftlich erteilte Weisung seines zuständigen Vorgesetzten, unverzüglich den Zweitschlüssel sämtlicher Kästen seines Arbeitszimmers abzugeben, bis zum 22. Oktober 2001 nicht befolgt. Der Mitbeteiligte habe seine "zugegebermaßen abstruse" Ansicht überaus glaubwürdig vorgetragen, dass er den Leiter EFME für die Erteilung von Weisungen im Hinblick auf die Abgabe der Dienstkarte und des Zweitschlüssels für unzuständig erachtet habe. Diese Anschauung habe er einerseits mit der schriftlichen Leiterweisung AWT Nr. 48/01 vom 18. Juli 2001, mit der Brigadier H. ihn persönlich angewiesen habe, sich im Rahmen der vorläufigen Dienstenthebung wöchentlich Dienstag Vormittag bei seinem Abteilungsleiter oder dessen Stellvertreter persönlich zu melden, und andererseits mit dem ihn begünstigenden Inhalt des Dienstenthebungsbescheides der Disziplinarkommission begründet. In Kenntnis der Persönlichkeit des Mitbeteiligten und der von ihm ins Treffen geführten irreführenden Schriftstücke, welche die eigenwillige Beurteilung unterstützten, sei er nach Ansicht der belangten Behörde zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Lage gewesen, den Abteilungsleiter als zuständigen Vorgesetzten zu erkennen. Gestützt wird dies durch die Wahrnehmungen während der mündlichen Verhandlung. Auch sei der Mitbeteiligte in Kenntnis des Sachverhaltsvorwurfes, nämlich dass er Weisungen des Brigadier Dr. L. nicht befolgt habe, gewesen, es habe ihm jedoch jedes Unrechtsbewusstsein und die Einsicht gefehlt, dass weder die Disziplinarkommission, noch der Leiter der AWT seine zuständigen Vorgesetzten seien. Es habe sich aber die Frage ergeben, ob er dies hätte erkennen müssen. Das psychische Faktum, dass der Mitbeteiligte im Zeitpunkt der Tathandlung alle tatbildrelevanten Sachverhaltsbezüge, das heißt die Tatsachen in ihrem spezifischen Bedeutungsgehalt, tatsächlich und aktuell gekannt habe, sei Grundvoraussetzung für jede Verantwortlichkeit wegen einer mit Vorsatz begangenen Pflichtverletzung. Jeder Irrtum über die tatbilderheblichen Tatsachen schließe Vorsatz und damit Vorsatzhaftung aus. Dass der Mitbeteiligte die Tatsachen hätte kennen müssen, genüge für den Vorsatzvorwurf keinesfalls, sondern begründe lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf. Aber auch "diese Tatsachenkenntnis" genüge nicht zur Strafbarkeit. Vielmehr könne eine falsche Willensbildung dem Beschuldigten nur dann persönlich zum Vorwurf gemacht werden, wenn dieser gewusst habe oder hätte wissen können, wie er seinen Willen nach den Normen der Rechtsordnung richtig hätte bestimmen sollen. Schuld setze voraus, dass der Beschuldigte auch die Verbotsnorm kenne oder ihm die Unkenntnis der Verbotsnorm zumindest zum Vorwurf gemacht werden könne. Fehle ihm das aktuelle Unrechtsbewusstsein bei vorhandenem aktuellen Tatbewusstsein, unterliege er also einem Verbotsirrtum, so schließe diese psychische Tatsache für sich allein die Vorsatzhaftung noch nicht aus. Es reiche zur Vorsatzschuld vielmehr hin, dass er die Möglichkeit gehabt habe, zur Unrechtseinsicht zu gelangen, auch wenn er tatsächlich nicht zur Unrechtseinsicht gelangt sei. Habe er aber nicht einmal diese Möglichkeit, dann sei ein Verbotsirrtum nicht vorwerfbar, der Beschuldigte vielmehr entschuldigt und damit straffrei. Die Folge sei also entweder Vorsatzhaftung oder Straflosigkeit; eine Fahrlässigkeitshaftung komme bei vorsätzlicher Begehung nicht in Betracht. § 9 StGB regle den Verbotsirrtum. Dieser liege vor, wenn dem Beschuldigten das aktuelle Unrechtsbewusstsein im beschriebenen Sinne fehle, nämlich indem er sein Verhalten für rechtmäßig erachte, obwohl er alle Sachverhaltsbezüge kenne, aus denen sich bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Rechtswidrigkeit ergebe (es folgen Ausführungen zum Unterschied zwischen direktem und indirektem Verbotsirrtum sowie zu den Voraussetzungen seiner Strafbarkeit). Im konkreten Fall sei der Mitbeteiligte als Offizier auf Grund seiner umfassenden Grundausbildung und den dort vermittelten Inhalten durchaus in der Lage gewesen, sich mit den tatsächlich zutreffenden Rechtsnormen des § 44 BDG 1979 auseinander zu setzen, und in der Folge gegebenenfalls nach Einholung von Informationen seitens der Dienstbehörde eine rechtsrichtige Beurteilung des Vorgesetztenbegriffs zu erhalten. Tatsächlich habe sich der Mitbeteiligte erst am 10. Oktober 2001 beim Disziplinaranwalt die notwendige Rechtskenntnis verschafft. Vorerst sei der Verbotsirrtum daher vorwerfbar. Bestehe ein Entschuldigungsgrund, sei der Irrtum nicht vorwerfbar. Damit entfalle auch jegliche Schuld. Zu den auch im Disziplinarrecht angewendeten Entschuldigungsgründen gehörten auch Umstände, in denen der Täter trotz Schuldfähigkeit und Unrechtsbewusstsein aus dem Unrecht kein Vorwurf gemacht werden könne, weil er bei der Begehung der Tat unter so starkem psychischen Druck gestanden sei, dass ein rechtmäßiges Handeln von ihm nicht mehr erwartet werden könne (Unzumutbarkeit). Im Rahmen der Milderungsgründe sehe das Strafgesetz vor, dass Schuld um so geringer wiege, je mehr die Tat "auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte". Sie entfalle im Extremfall ganz, wenn die Tat auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen sei, die auch einen rechtstreuen Menschen zu ihrer Begehung bestimmen könnten. Der Amtssachverständige habe an Hand der testpsychologischen Ergebnisse zur Klärung der psychopathologischen Persönlichkeitsstruktur des Mitbeteiligten festgestellt, dass dieser grenzwertige Normen in den Skalen Hysterie, Schizophrenie und Hypomanie erreiche und seine Paranoia "bei einem Prozentrang von 99 % und einem T = 73 außerhalb des Durchschnittsbereiches" liege. Weiters zeige der Mitbeteiligte in den Zusatzskalen normabweichende Werte in den Bereichen "Allgemeine Fehlanpassung, Dissimulation und Einstellung zur Arbeit" auf. Zusammengefasst habe sich der Mitbeteiligte in seiner Persönlichkeit nach den Ausführungen des Sachverständigen als "normabweichend, sensibel, misstrauisch, überempfindlich, nachträglerisch, übelnehmend und aufmerksam in Bezug auf Reaktionen anderer, gezeigt und dabei die Neigung gezeigt, in ungerechtfertigter Weise diese auf sich zu beziehen. Zusätzlich neige der Mitbeteiligte zur Flucht in Phantasien und Tagträume, zur Entwicklung unrealistischer Denkweisen und Aggressionen, wobei auch Wahnvorstellungen nicht auszuschließen seien. Er zeige sich in der Persönlichkeit als leicht erregbare, reizbare, gespannte und phasenweise unkontrollierte Persönlichkeit. Darüber hinaus zeige er sich auch im Verfahren zur Erfassung von Verhaltens- und Erlebensweisen gegenüber Arbeit und Beruf normabweichend in der Distanzierungsfähigkeit gegenüber beruflichen Anforderungen. Auf Grund seiner Disponiertheit entwickelten sich Abwehrreaktionen gegen den Abteilungsleiter, sowie ein innerer Druck, der seine Handlungsweisen nachhaltig beeinflusst habe. Für die belangte Behörde sei erkennbar gewesen, dass diese Verhaltensweisen speziell im Umgang mit seinem Vorgesetzten Brgdr Dr. L. konzentriert und vehement zutage getreten seien. Der sonst umgängliche Mitbeteiligte habe spontan seine Gefühlslage gewechselt, wenn dieser ihm gegenüber von seiner Weisungskompetenz Gebrauch gemacht habe. In Anbetracht der vom Gutachter festgestellten akzentuierten Persönlichkeit, der damit einhergehenden Symptome (akute Belastungsreaktion mit Angstzuständen und Somatisierungsstörung) in Bezug auf die auslösende Druck- und Vorgesetztensituation, die vorgeworfenen Pflichtverletzungen sowie am Verhalten eines mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Offiziers gemessen, ergebe sich aus der daraus abgeleiteten Differenzierung ein Verbotsirrtum, der nicht vorwerfbar gewesen sei. Im Ergebnis sei bedingt durch die zu den Tatzeitpunkten evidentermaßen vorliegende psychische Labilität und Störung gemäß § 61 Abs. 3 Z. 1 HDG 2002 ein Freispruch wegen mangelnder Schuldfähigkeit zu fällen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Disziplinaranwaltes.

Sowohl die belangte Behörde, die auch die Akten des Verwaltungsverfahrens vorlegte, als auch der Mitbeteiligte erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 des Beamtendienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr.  333/1979, in der Fassung BGBl. I Nr. 10/1999, hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit dem der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung kann der Beamte die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

Nach Abs. 3 dieser Bestimmung hat der Beamte, wenn er eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig hält, und es sich nicht wegen Gefahr in Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt.

Nach § 2 Abs. 1 des Heeresdisziplinargesetzes, BGBl. I Nr. 167/2002 (HDG 2002) sind Soldaten disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen

1. Verletzung der ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten, oder

2. gröbliche Verletzung der ihnen im Miliz- oder Reservestand auferlegten Pflichten, oder

3. eine im Miliz- oder Reservestand begangenen Handlung oder Unterlassung, die es nicht zulässt, sie ohne Nachteil für den Dienst und damit für das Ansehen des Bundesheeres in ihrem Dienstgrad zu belasten.

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung ist disziplinär nur strafbar, wer schuldhaft handelt. Die §§ 5 und 6 sowie §§ 8 bis 11 des StGB über Vorsatz und Fahrlässigkeit sowie über Irrtum, Notstand und Zurechnungsunfähigkeit sind anzuwenden.

Gemäß § 39 Abs. 1 HDG 2002 hat der Disziplinarvorgesetzte die vorläufige Dienstenthebung eines Soldaten, der dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehört, zu verfügen, sofern

1. über diesen Soldaten die Untersuchungshaft verhängt wurde, oder

2. das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes, insbesondere die Aufrechterhaltung der disziplinären Ordnung, wegen der Art einer diesen Soldaten zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung durch seine Belassung im Dienst gefährdet würden.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung ist eine vorläufige Dienstenthebung an Stelle des Disziplinarvorgesetzten zu verfügen von:

1.a) den Vorgesetzten des Disziplinarvorgesetzten oder

b) den mit der Vornahme einer Inspizierung betrauten Offizieren, sofern der Disziplinarvorgesetzte an der Verfügung verhindert ist, oder

2. dem zum Zeitpunkt des Eintrittes der Voraussetzungen nach Abs. 1 dem Soldaten vorgesetzten Kommandanten nach § 13 Abs. 1 Z. 1 und 2, sofern der Soldat zu diesem Zeitpunkt der Befehlsgewalt seines Disziplinarvorgesetzten nicht unterstellt ist.

Nach Abs. 3 dieser Gesetzesbestimmung ist jede vorläufige Dienstenthebung von dem Organ, das diese Maßnahme verfügt hat, unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen. Fallen die für die vorläufige Dienstenthebung maßgebenden Umstände vor dieser Mitteilung weg, so hat dieses Organ die vorläufige Dienstenthebung unverzüglich aufzuheben. Die Kommission hat mit Beschluss die Dienstenthebung zu verfügen oder nicht zu verfügen. Die vorläufige Dienstenthebung endet jedenfalls mit dem Tag, an dem dieser Beschluss dem Betroffenen zugestellt wird.

Gemäß Abs. 5 dieser Gesetzesbestimmung sind vom Dienst, wenn auch nur vorläufig, enthobene Soldaten verpflichtet, sich auf Anordnung des Disziplinarvorgesetzten zu bestimmten Zeiten bei der von diesem Organ bezeichneten militärischen Dienststelle zu melden.

Gemäß § 61 Abs. 3 HDG 2002 ist das Verfahren in erster Instanz formlos, in zweiter Instanz im Wege der Berufungsentscheidung einzustellen, wenn

1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt oder

3.

Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder

4.

die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken. Wurde einem Beschuldigten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bereits mitgeteilt, so ist ihm auch die formlose Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf den Einstellungsgrund nach Z 1 bis 4 mitzuteilen.

In Ausführung der Beschwerde macht der beschwerdeführende Disziplinaranwalt im Wesentlichen geltend, der Ansicht der belangten Behörde, dass durch das erstmalige Anbringen des behaupteten Unterschiedes zwischen "Dienstenthebung" und "Suspendierung" gegen die mündlich erteilte Weisung zur Abgabe der Dienstkarte die Wirkung der Remonstration im Sinne des § 44 Abs. 3 BDG 1979 eingetreten sei, sei eingeschränkt zuzustimmen, weil es im Zeitpunkt der Remonstration auf den Wahrheitsgehalt der rechtlichen Bedenken nicht ankomme und die Begründung nur denkmöglich sein müsse. Demnach habe der Mitbeteiligte am 28. August 2001 rechtswirksam remonstriert. Bei der Nichtbefolgung der Weisung am 4. September 2001 könne diese den Mitbeteiligten begünstigende Rechtsansicht aber nicht mehr in Anspruch genommen werden, weil sich zu diesem Zeitpunkt, eine Woche später, der Vorgesetzte von der Unhaltbarkeit des Einwandes überzeugt habe und der Mitbeteiligte nach Erhalt einer Rechtsbelehrung durch Brigadier W. und der Möglichkeit der eigenen Information, über den Nichtunterschied dieser Begriffe hätte Bescheid wissen müssen. Die stereotype Wiederholung des vorwöchigen Einwandes sei daher missbräuchlich gewesen und habe nicht mehr die (gemeint: begünstigenden) Folgen des § 44 Abs. 3 BDG 1979 zur Folge gehabt. Zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Frage vertrete der Disziplinaranwalt die Ansicht, dass es sich bei diesem Argument um eine Schutzbehauptung und ein vorgeschobenes Argument des Betroffenen gehandelt habe, zumal auch nach dem Sprachgebrauch und auch dem österreichischen Wörterbuch "suspendieren" gleich bedeutend sei mit "jemanden (zeitweilig) vom Dienst zu entheben". Er habe sich auch unmittelbar durch telefonische Rückfrage beim Vorsitzenden der Disziplinarkommission nicht belehren lassen. Er habe auch die Möglichkeit, eigene Rechtsauskünfte einzuholen, nicht genutzt.

Zu den Freisprüchen betreffend die Punkte 1b und 2 des angefochtenen Bescheides werde der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde zur Frage der Schuldfähigkeit mit dem Bemerken entgegen getreten, aus dem von der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigengutachten habe sich - von der belangten Behörde nicht zitiert - eindeutig ergeben, dass beim Mitbeteiligten in den gegenständlichen Zeitpunkten keine Geisteskrankheit, keine tief greifende Bewusstseinsstörung oder eine andere gleichwertige seelische Störung habe erkannt werden können. Der Mitbeteiligte sei vielmehr im Zeitraum Mai bis Juli 2001 durchaus in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Damit habe auch der Sachverständige bestätigt, dass keine Unzurechnungsfähigkeit vorgelegen sei. Die vom Sachverständigen bestätigten Angstzustände und Somatisierungsstörungen rechtfertigten aber auch keine Schuldunfähigkeit, sondern wären allenfalls als Milderungsgründe zu werten gewesen. Im Übrigen sei eine Belastung infolge der Suspendierung des Mitbeteiligten gar nicht mehr gegeben gewesen. Auch die Stimmung bei den jeweiligen Meldeterminen sei emotional nicht aufgeladen gewesen, sondern seien diese Meldungen routinemäßig abgeführt worden. Insoweit dem Mitbeteiligten zugute gehalten worden sei, die Vorgesetzteneigenschaft seines Dienstvorgesetzten sei für ihn nicht zu erkennen gewesen, sei darauf zu verweisen, dass die als Remonstration qualifizierten Einwendungen gegen die Weisungsbefolgung mit anderen Argumenten, nicht jedoch mit der Unzuständigkeit des die Weisung erteilenden Organs begründet worden sei. Im Übrigen sei im Bescheid über die Dienstenthebung eindeutig klargestellt worden, wer Vorgesetzter im Sinne des § 44 Abs. 1 letzter Satz BDG 1979 sei. Damit sei die unveränderte Zuständigkeit des Brgdr Dr. Dipl.-Ing. L. bzw. dessen Stellvertreter klargelegt worden.

I. Zum abgewiesenen Teil der Beschwerde:

              1.              Der beschwerdeführende Disziplinaranwalt gesteht in seiner Beschwerde in Übereinstimmung mit der Aktenlage zu, dass die vom Mitbeteiligten anlässlich der ersten ihm mündlich erteilten Weisung zur Ausfolgung seiner Dienstkarte am 28. August 2001 erhobenen Einwendungen als Remonstration zu werten waren. Im Hinblick darauf hätte es also, um eine Befolgungspflicht des Mitbeteiligten auszulösen, der schriftlichen Wiederholung der Weisung bedurft. Da sich die Beschwerde dennoch dem Antrag nach auf das gesamte angefochtene Disziplinarerkenntnis bezieht, war der auf § 61 Abs. 3 Z. 2 HDG gestützte Freispruch in Bezug auf diesen Tag zu bestätigen und die Beschwerde insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

              2.              Was den Tatvorwurf betreffend den 4. September 2001 anbelangt, ist nach der Aktenlage davon auszugehen, dass eine schriftliche Wiederholung der an diesem Tage erteilten mündlichen Weisung, deren Befolgung der Mitbeteiligte ablehnte, nicht erfolgt ist. Welche Umstände den Vorgesetzten gehindert hätten, die mündlich erteilte Weisung an diesem Tage schriftlich zu wiederholen, ist nicht ersichtlich.

Für eine missbräuchliche Anwendung seines Remonstrationsrechtes im Sinne des § 44 Abs. 3 BDG 1979 durch den Mitbeteiligten bieten sich - entgegen den diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen - keine Anhaltspunkte. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, wenn vorsätzliches Verhalten vorliegt. Dass der Mitbeteiligte vorsätzlich gehandelt hat, ist nach der Aktenlage nicht als erwiesen anzunehmen. Der Freispruch nach § 61 Abs. 3 Z. 2 HDG erfolgte sohin rechtens. Auch in diesem Punkt erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

II. Zur (Teil-)Aufhebung des angefochtenen Bescheides:

Hinsichtlich der weiteren dem Mitbeteiligten vorgeworfenen - zutreffend von der belangten Behörde als Einheit qualifizierten - Tathandlungen wurde der (Teil-) Freispruch auf § 61 Abs. 3 Z. 1 dritter Fall HDG 2002 ("....Umstände, die die Strafbarkeit ausschließen...") gestützt, weil die belangte Behörde die Ansicht vertrat, dem Mitbeteiligten mangle es an entsprechender Schuldfähigkeit. Dieser Ansicht kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen.

Der Mitbeteiligte hatte den ihm erteilten mündlichen und schriftlichen Weisungen entgegengehalten, auf ihn als Soldat wäre nicht das BDG 1979, sondern lediglich das HDG 2002 anwendbar, die im Erlass vom 9. Juni 2000 (II Pkt. 8) angesprochene "Suspendierung" beziehe sich nur auf die in § 112 Abs. 4 BDG 1979 normierte Maßnahme, nicht aber auf die in § 39 Abs. 2 HDG 2002 vorgesehene Dienstenthebung, sein Dienstvorgesetzter könne ihm keine derartigen Befehle erteilen. Damit machte er rechtliche Bedenken im Sinne des § 44 Abs. 3 BDG 1979 ("..aus anderem Grunde rechtswidrig...") geltend. Die belangte Behörde gestand dem Mitbeteiligten auf der Grundlage eines von ihr - auszugsweise - zitierten Sachverständigengutachtens mangelnde Schuldfähigkeit zu.

Der Beschwerde ist darin beizupflichten, dass sich aus diesem in einem anderen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten kein Anhaltspunkt dafür finden lässt, dass der Mitbeteiligte außer Stande gesetzt worden wäre, sich über die Rechtslage zu informieren. In diesem - im Übrigen nicht in diesem Verfahren eingeholten und nicht auf die hier in Rede stehenden Zeiten bezughabenden - Sachverständigengutachten, ist - wie in der Beschwerde auch entsprechend dargestellt wird - ausdrücklich darauf verwiesen worden, dass keine Unzurechnungsfähigkeit im Sinne des § 11 StGB, keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder eine andere gleichwertige seelische Störung vorlag; der Sachverständige kam lediglich zu dem Schluss, es hätten sich bei dem Mitbeteiligten aufgrund seiner "akzentuierten Persönlichkeit Symptome einer akuten Belastungsreaktion mit Angstzuständen und eine Somatisierungsstörung gebildet", die es ihm "offensichtlich" nicht mehr ermöglicht hätten, die dienstlichen Anforderungen zu erkennen und danach zu handeln, weshalb aus klinisch psychologischer Sicht davon auszugehen gewesen sei, dass der Mitbeteiligte "in der gegenständlichern Sache" (Anm.: welche eine andere als sie vorliegend behandelten Dienstpflichtverletzungen betraf) nicht schuldhaft gehandelt habe. Dass es dem Mitbeteiligten aber auch nach erfolgter Suspendierung (Dienstenthebung) und in Bezug auf andere Personen als seinen unmittelbaren Vorgesetzten, zu welchem er eine offensichtlich psychotische Beziehung hatte, unzumutbar oder im Sinne eines Schuldausschließungsgrundes unmöglich war, die ihm erteilten Weisungen zu befolgen, ergibt sich aus diesem Gutachten nicht. Die belangte Behörde hätte daher im vorliegenden Verfahren ein Sachverständigengutachten einholen und Feststellungen darüber treffen müssen, ob bzw. aus welchen konkreten Gründen der Mitbeteiligte außer Stande gesetzt war, weisungsgemäß zu handeln.

Da - ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - die belangte Behörde ergänzende Erhebungen in obigem Sinne nicht gepflogen hat, leidet der angefochtene Bescheid an sekundären Verfahrensmängeln, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff , insbesondere § 48 Abs. 3  in Verbindung mit § 49 Abs. 1 zweiter Satz VwGG.

Wien, am 19. Oktober 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004090086.X00

Im RIS seit

14.11.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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