TE OGH 1989/4/12 2Ob35/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.04.1989
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann S***, Baggerfahrer, 8261 Egelsdorf, Neubau, vertreten durch Dr. Gerald Weidacher, Rechtsanwalt in Gleisdorf, wider die beklagten Parteien 1.) Firma B*** & Co, Bauunternehmung, 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 84, 2.) Georg B***, Kraftfahrer,

9942 Untertilliach, Eggen 13, 3.) I*** U***- UND

S***-AG, 8010 Graz, Am Eisernen Tor 3, sämtliche

vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger und Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 450.000,- s.A. und Feststellung, infolge Revision der zweit- und drittbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 28. November 1988, GZ 4a R 212/88-44, womit infolge Berufung der zweit- und drittbeklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 23.August 1988, GZ 14 Cg 51/87-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweit- und drittbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 12.919,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 2.153,25) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 22.2.1986 ereignete sich auf der Baustelle in Strassen/Amlach bei Tassenbach in Osttirol ein Unfall, bei dem der Kläger schwere Verletzungen erlitt. Der Kläger war bei der erstbeklagten Partei als Baggerfahrer, der Zweitbeklagte als Kraftfahrer beschäftigt. Die drittbeklagte Partei ist der Haftpflichtversicherer des am Unfall beteiligten LKWs mit dem behördlichen Kennzeichen G 170.332. Wegen dieses Unfalls wurde der Zweitbeklagte des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt.

Der Kläger begehrte von den Beklagten die Bezahlung eines Schmerzengeldes von S 450.000 und stellte ein Feststellungsbegehren auf Haftung der Beklagten für alle unfallskausalen Spät- und Dauerfolgen. Er sei bei dem Unfall auf dem Laufwerk des von ihm bedienten Baggers gestanden und habe auf dessen Auftanken gewartet. Dabei habe er dem herankommenden, vom Zweitbeklagten gelenkten LKW den Rücken zugewendet. Der Zweitbeklagte sei reversierend gegen den Bagger gestoßen. Dadurch sei der Kläger zwischen der Bordwand des LKWs und dem Bagger eingequetscht und dadurch schwer verletzt worden. Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Bei dem Unfall habe es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. Der Zweitbeklagte sei für die Dauer des Einweisungsvorgangs und im Zusammenhang mit dem Auftanken des Baggers Aufseher im Betrieb gewesen. Im übrigen treffe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden, weil er sich nicht aus dem Gefahrenbereich entfernt habe, obwohl er die Beobachtungsschwierigkeiten des Zweitbeklagten erkennen mußte. Schließlich erachteten die Beklagten das begehrte Schmerzengeld als überhöht und das Feststellungsbegehren als verfehlt.

Das Erstgericht erkannte die zweit- und drittbeklagten Parteien schuldig, dem Kläger S 410.000,-- sA zu bezahlen; außerdem gab es dem Feststellungsbegehren statt. Das Mehrbegehren von S 40.000,-- in Ansehung der zweit- und drittbeklagten Parteien und das Klagebegehren gegenüber der erstbeklagten Partei wies es ab. Es traf - zusammengefaßt dargestellt - nachstehende Feststellungen:

Die erstbeklagte Partei führte auf der Großbaustelle Strassen/Amlach Brückenbau- und Erdbewegungsarbeiten durch. Dazu setzte sie mehrere Bagger und Raupenfahrzeuge sowie LKW ein. Der Kläger hatte einen Löffelbagger der Type "Liebherr 921 LC" zu bedienen. Auf derselben Baustelle war der Zweitbeklagte als Kraftfahrer vorwiegend mit dem Fahren schwerer Baufahrzeuge beschäftigt. Das Auftanken der Arbeitsmaschinen erfolgte üblicherweise mit Hilfe eines Tank-LKW, der die einzelnen Arbeitsmaschinen im allgemeinen um die Mittagszeit "anfuhr". Als solcher Tank-LKW war der der erstbeklagten Partei gehörige, oben genannte LKW Steyr Fiat eingesetzt. Dieser LKW besitzt einen Allseitskippaufbau und einen sogenannten Ballfingerkran. Zur Unfallszeit war auf der Ladefläche ein Kraftstofftank als Aufsatztank angebracht. Der Tank lagerte derart auf einem an der Ladefläche angebrachten Zwischengestell, daß er mit seiner Überkante auch mit der Bordwandoberkante des LKWs abschloß, sodaß das Rückfenster beim LKW abgedeckt war. Sonst war der Sichtbereich über die am LKW angebrachten beiden Außenrückspiegel ungehindert. Der von der erstbeklagten Partei im Baustellenbereich eingesetzte Polier beauftragte die Lenker der Arbeitsmaschinen, die Lenker der Tankfahrzeuge einzuweisen. Diese Anweisung war dem Kläger nicht bekannt; er wies auch vor dem Unfall die Lenker der Tankfahrzeuge nicht ein. Zum Auftanken der Arbeitsmaschinen fuhren die Tank-LKW im allgemeinen entweder seitlich parallel oder in ungefähr rechtem Winkel an die Fahrzeuge heran. Dabei trachteten die Lenker der Tank-LKW möglichst nahe an das aufzutankende Fahrzeug heranzukommen, um das Auftanken bequem durchführen zu können. Der Tank-LKW ist zwar mit einem rund 10 m langen Tankschlauch ausgestattet; für ein unmittelbares Überreichen des Tankschlauches von der Ladefläche des LKWs zur jeweiligen aufzutankenden Arbeitsmaschine ist ein Heranfahren auf rund 1 m nötig. Das Auftanken erfolgte im allgemeinen über eine vom Lenker des Tank-LKWs zu startende Benzinpumpe, wozu dieser auf die Ladefläche des LKWs steigen mußte. Dem Kläger wurde der Tankschlauch vom jeweiligen Lenker des Tank-LKWs überreicht. Von ihm wurde wegen seiner Behinderung durch eine Beinprothese nie verlangt, selbst den Tankschlauch von der Ladefläche des Tank-LKWs zu nehmen und zu der von ihm bedienten Arbeitsmaschine (Löffelbagger) zu heben. Dies war dem Zweitbeklagten bekannt; es wurde auch von ihm immer so gehandhabt. Beim Auftanken verhielt sich der Kläger immer so, daß er vom Führerhaus aus auf die Raupenkette des Löffelbaggers stieg, von dort den Tankverschluß öffnete und auf das Näherkommen des Tank-LKWs wartete. Ein Stehen in stabiler Lage auf der Raupenkette des Löffelbaggers war nur dann möglich, wenn er mit seinem Körper in Blickrichtung des Geräts stand. Das Begehen der Raupenkette bei einem stehenden Bagger ist technisch nichts außergewöhnliches. Die Raupenkette des stehenden Laufwerkes dient auch dazu, um vom Führerhaus auf dem Fahrzeug nach hinten zu gehen, um dort den Tankverschluß zu öffnen oder im Motorraum allfällige Arbeiten durchzuführen.

Am 22.2.1986 war der Boden auf der Baustelle gefroren, etwas mit Schnee bedeckt und im wesentlichen eben. Der Kläger brachte den von ihm bedienten Bagger in Stillstand und befand sich zunächst im Führerhaus, von wo er das Heranfahren des vom Zweitbeklagten gelenkten LKWs beobachtete. Der Zweitbeklagte fuhr vorerst in jene Fahrtrichtung, in welcher die vom Kläger betreute Arbeitsmaschine abgestellt war, beschrieb aber dann eine Linkskurve, die zu einer Richtungsänderung von etw 90 Grad führte, sodaß die Längsachsen der beiden Fahrzeuge zueinander etwas mehr als 90 Grad geneigt waren. Das Heck des Tank-LKWs wies dabei in Richtung der linken Fahrzeugflanke des Baggers. Die Bordwand des LKWs war von der linken Flanke der Arbeitsmaschine vorerst rund 6 m entfernt, als der Zweitbeklagte den LKW zum Stillstand brachte und sich anschickte, mit dem LKW in Richtung des stehenden Baggers zurückzustoßen. Dem Kläger war klar, daß der LKW zurückgestoßen werde, um den von ihm bedienten Bagger auftanken zu können. Aus Erfahrung war dem Kläger die Annäherung des Tank-LKWs auf eine Distanz von 2 bis 3 m, mitunter auf 1 m bekannt. In der Folge stieg der Kläger vom Führerhaus des Baggers auf dessen Raupenkette und ging dort einige Schritte zum Heck des Baggers, weil sich dort unmittelbar hinter dem Führerhaus der Tankdeckel befand. Dabei wendete er dem LKW den Rücken zu. Der letzte Blickkontakt zum LKW war, als er seinen Fuß erstmals auf die Raupenkette des Baggers setzte. Wink- oder Einweisezeichen gab er dem Zweitbeklagten keine. Der Zweitbeklagte hatte mit dem Kläger nicht vereinbart, daß er ihn einweisen solle. Bevor der Zweitbeklagte mit seinem Rückfahrmanöver begann, sah er im rechten Außenspiegel den Kläger, wie dieser gerade von seinem Führerhaus aus auf die Raupenkette des Baggers stieg. Der Zweitbeklagte hatte nur die Möglichkeit, über den rechten Außenrückspiegel entlang der rechten Bordwand den quer stehenden Bagger etwa auf Höhe der Führerkabine zu beobachten und so den Tiefenabstand abzuschätzen. Für ihn war im Rückspiegel jedoch nur die vordere Hälfte des Baggers erkennbar. Solange der Kläger auf der Raupenkette im Bereich der Führerkabine war, konnte ihn der Zweitbeklagte sehen, bei einem Standort im hinteren Bereich des Baggers (im Bereich des Tankverschlusses) war er nicht mehr beobachtbar. Der Zweitbeklagte setzte ungeachtet dessen, daß sich der Kläger zwischenzeitig im nicht mehr einsichtbaren Raum bewegte, das Rückfahrmanöver fort. Als der Kläger den Tankdeckel am Bagger öffnete und dem LKW dabei nach wie vor den Rücken zuwandte, stieß der Zweitbeklagte mit der Bordwand des LKWs gegen den Aufbau am Bagger und drückte gleichzeitig mit der rechten hinteren Bordwandseite bzw. Bordwandmitte den Kläger gegen den Bagger. Erst auf den massiven Widerstand und auf Zurufe von anderen im Baustellenbereich tätigen Personen hin hielt der Zweitbeklagte den LKW an.

Die vom Zewitbeklagten gewählte Auftank-Methode war nach den örtlichen Verhältnissen die technisch schlechteste. Die örtlichen Gegebenheiten hätten ein fahrbahnparalleles Heranfahren gestattet. Der Kläger erlitt einen Schock, einen Sitz-Schambeinbruch links mit Ansprengung des rechten Sitzbeins und Lockerung des linken Kreuzbein-Darmbeingelenks, eine Bauch- und Beckenquetschung mit ausgeprägtem Bluterguß hinter der Blase, einen teilweisen Blasenbandriß, eine Irritation des Oberschenkelnervs links, eine teilweise Lähmung des Wadennervs links und eine Prellung der Lendenwirbelsäule.

Der Kläger wurde nach dem Unfall mit der Rettung in das Krankenhaus Lienz transportiert und dort bis 8.3.1986 stationär behandelt. Am 23.2.1986 erfolgte die operative Revision mit Hämatomausräumung (ca. 1 Liter Blut) im Bereich zwischen Blase und Rectum. Es bestand zu diesem Zeitpunkt, wie auch bei der Einlieferung, eine Mikrohaematurie. Eine traumatische Harnröhrenruptur wurde bei der Erstversorgung nicht gesehen. Bei diesem ersten stationären Aufenthalt wurde - weil eine Spontanmiktion nicht möglich war - ein Dauerkatheter gesetzt. Am 8.3.1986 erfolgte die Transferierung des Klägers in das UKH Graz. Im Rahmen einer retrograden Uretrographie am 13.6.1986 wurde ein Harnröhrenriß zwischen Prostata und Blasenhals diagnostiziert, wie auch eine teilweise Blasenruptur mit Auszipfelung der Blase im cranialen Bereich (teilweiser Blasenwandriß). Am 27.3.1986 wurde neurologischerseits eine Besserung der im Tiefenanteil etablierten Wadenbeinlähmung links attestiert, auch war das Hautgefühl am Oberschenkel verbessert. Am 3.4.1986 erfolgte die Mobilisation des Klägers unter Zuhilfenahme zweier Stützkrücken; dies war infolge der rechts nach einem Zugunfall im Jahre 1967 getragenen Unterschenkelprothese sehr mühsam. Die Wunde im linken Unterbauchbereich wurde nach Streifendrainagierung am 9.4.1986 als geschlossen befunden; am 11.4.1986 erfolgte die Entlassung aus der stationären Behandlung im UKH Graz. Vom 29.4. bis 18.6.1986 erfolgte eine weitere stationäre Behandlung im Rehabilitationszentrum Tobelbad, wo am 10.6.1986 eine Kerbung der verengten Harnröhre (Urethrotomia interna) knapp unterhalb des Blasesnbodens durchgeführt wurde, wobei gleichzeitig ein Blasenpapillom entfernt wurde. Für die partielle Wadenbeinlähmung links wurde ein Peroneuszügel angefertigt und ausgehändigt. Im September 1986 erfolgte eine ambulante urologische Untersuchung. Im März 1987 erfolgte im LKH Klagenfurt nochmals eine Harnröhreninzision (Urethrotomia interna); danach normalisierte sich die Harnentleerungsstörung, welche vor dieser Operation im verstärkten Maße aufgetreten war. Allmählich kam es aber neuerlich zu einer zunehmenden Verschlechterung und trat gelegentlich auch eine zeitweise Harnsperre auf.

Beim Kläger heilte die Beckenringfraktur ohne Dauerschäden und ohne Gefahr von Spätfolgen aus. Der Harnröhrenriß war ursprünglich nicht als solcher erkannt und erst im Rahmen einer retrograden Urethrographie im UKH Graz bzw. einer Urethroskopie diagnostiziert worden, wobei sich Narbenbildungen knapp unterhalt des Blasenbodens an der Harnröhre einstellten. Es besteht eine Inkontinenzerscheinung mit unfreiwilligem Harnabgang während des Tages und der Nacht; ebenso bestehen Erektionsstörungen. Hier liegt ein Dauerschaden vor. Spätfolgen im Sinne neuerlicher Narbenschrumpfungen sind möglich. Die Schädigung des linken Oberschenkelnervens ist zwischenzeitig weitgehend gebessert, doch bestehen noch weitere Gefühlsstörungen an der Außenseite des linken Oberschenkels nebst einer geringen Kraftverminderung beim Hochheben des linken Beins. Mit größter Wahrscheinlichkeit ist eine bleibende Restsymptomatik zu erwarten. Die Lähmung des linken Wadenbeinnervs ist ein bleibender Schaden. Infolge der insuffizienten Streckung bzw. Anhebung des rechten Fußes kann es zu einer Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk und in weiterer Folge zu einer Arthrose im linken oberen Sprunggelenk kommen. Die Nervenlähmungen am linken Bein verursachen keine zusätzlichen Schmerzen, wohl aber müssen bei entsprechender Mehrbelastung des linken Beins bei langen Wegstrecken immer wieder auftretende Überlastungsschmerzen berücksichtigt werden. Der Kläger hatte 5 Tage Schmerzen sehr starken Grades, 14 Tage Schmerzen starken Grades, 33 Tage Schmerzen mittleren Grades und 225 Tage Schmerzen leichten Grades zu erdulden.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Kläger kein Mitverschulden am Unfall zu verantworten habe, weil er darauf vertrauen habe dürfen, daß der Zweitbeklagte die Arbeitsmaschine, auf welcher sich der Kläger befand, auch ohne besondere Einweisung deutlich erkennen würde, sodaß er sich auf dieser habe frei bewegen dürfen. An Schmerzengeld sei der Betrag von S 410.000 angemessen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der zweit- und drittbeklagten Parteien nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands S 300.000 übersteigt. Auch das Gericht zweiter Instanz vertrat den Standpunkt,daß der Kläger nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte, der Zweitbeklagte werde den vom Kläger bedienten Bagger schon wegen seiner Mächtigkeit nicht bloß erkennen, sondern auch den LKW nicht so weit heranführen, daß er hiedurch den auf dem Bagger befindlichen Kläger, dessen Anwesenheit er dort wahrgenommen hatte, in seiner körperlichen Sicherheit gefährden. Gegen die Höhe des vom Erstgericht ausgemessenen Schmerzengeldes bestünden angesichts der schweren Verletzungen und der Dauerschäden, die damit verbunden sind, keine Bedenken. Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision der zweit- und drittbeklagten Parteien aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das über den Zuspruch von S 140.000 hinausgehende Leistungsbegehren und das Feststellungsbegehren, soweit es eine Haftung von 50 % übersteigt, abgewiesen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Es ist zwar richtig, daß das Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines Schadens nicht die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens voraussetzt, sondern nur die Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (ZVR 1976/105; 5 Ob 622/88 ua); der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab darf aber nicht überspannt werden (EvBl 1977/110; 7 Ob 639/77 ua). Auf eine Überspannung der erforderlichen Sorgfalt läuft aber der Standpunkt der Revisionswerber hinaus, die vom Kläger die Bedachtnahme auf ein Fehlverhalten des Zweitbeklagten verlangen, das er unter den gegebenen Umständen keinesfalls in Rechnung stellen mußte:

Wie die Vorinstanzen feststellten, war der Arbeitsvorgang in der vom Kläger praktizierten Weise durchaus üblich; dieser verhielt sich immer so, daß er vom Führerhaus auf die Raupenkette des Löffelbaggers stieg und von dort - mit dem Rücken zum Gerät - auf das Näherkommen des Tank-LKWs wartete. Um diese Arbeitspraxis wußte der Zweitbeklagte, auch von ihm wurde jeweils diese Art des Auftankens praktiziert. Unter diesen Umständen mußte der Kläger nicht mit einer unkontrollierten oder unvorsichtigen Annäherung des Tank-LKWs rechnen. Der Kläger befand sich nicht etwa im freien Bereich zwischen Bagger und Tank-LKW, sondern auf dem Bagger selbst und wurde auf diesem durch das unvorsichtige Reversiermanöver des Zweitbeklagten mit der Bordwand des LKWs gegen den Aufbau des Bagges gestoßen. Mit einem derart unsachgemäßen Annäherungsmanöver eines durchaus versierten und mit der Praxis vertrauten LKW-Fahrers brauchte der Kläger nicht zu rechnen. In der Auffassung der Vorinstanzen, daß diesem kein Mitverschulden am Unfall anlastbar sei, kann daher ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden. Der Kläger erlitt nicht nur schwere Verletzungen der oben dargestellten Art; auch die Heilungsdauer war lang und mit zahlreichen Unbilden verbunden. Als Dauerfolge verblieb insbesondere eine Inkontinenzerscheinung, die unfreiwilliges Harnablassen während des Tages und der Nacht zur Folge hat. Auch Störungen der Sexualsphäre sind verblieben. Unter diesen Umständen kann in der übereinstimmenden Auffassung der Vorinstanzen, daß dem Kläger ein Schmerzengeld von 410.000 S gebührt, keine unrichtige rechtliche Beurteilung erkannt werden. Für einen gesonderten Zuspruch von Schmerzengeld für seelische Schmerzen, wie dies die Revision dem Berufungsgericht unterstellt, findet sich kein Anhaltspunkt im Akt. Der Revision war somit weder in ihren Ausführungen zum behaupteten Mitverschulden des Klägers noch zur Höhe des ausgemessenen Schmerzengeldes zu folgen, weshalb ihr der Erfolg zu versagen war.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E17255

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0020OB00035.89.0412.000

Dokumentnummer

JJT_19890412_OGH0002_0020OB00035_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten