TE OGH 1989/4/13 6Ob576/89

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Veröffentlicht am 13.04.1989
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser sowie Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Edith W***, Fotografin in Wien 7., Burggasse 88/1/12, vertreten durch Dr. Katharina Rueprecht, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Franz B***, Beamter, Kottingbrunn, Bahnstraße 18, vertreten durch Dr. Manfred Vogel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 100.000 S samt Nebenforderungen (Revisionsgegenstand 85.718 S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. November 1988, GZ. 13 R 211/88-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 11. Juli 1988, GZ. 3 Cg 1344/88-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Berufungsurteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Der Beklagte war Mieter einer Wohnung in einem Wiener Zinshaus. Er hatte anläßlich seiner Übernahme der Mietwohnung (im Jahre 1980) an seinen Vormieter als Ablöse (für Wohnungseinrichtungsgegenstände) einen Betrag von 180.000 S bezahlt. Mit Vertrag vom März 1985 kaufte er - gemeinsam mit seiner nunmehrigen Ehefrau - von einer niederösterreichischen Marktgemeinde einen ideellen Sechstelanteil einer Liegenschaft mit einem 1.872 m2 großen Gutsbestand zur Schaffung einer Wohnstätte unter Begründung von Wohnungseigentum um

140.360 S. Er schloß auch bereits im März 1985 - gemeinsam mit seiner nunmehrigen Ehefrau - mit einem Baumeister einen Bauvertrag zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit einer ausgewiesenen Auftragssumme von 2,118.000 S.

Die Klägerin übernahm am 4. August 1986 als neue Mieterin vom Beklagten als früheren Mieter die Mietwohnung im Wiener Zinshaus. Sie bezahlte ihm für die verabredungsgemäß in der Wohnung verbliebenen Einrichtungsgegenstände, Geräte und Installationen 164.000 S.

Dabei handelte es sich um Feuchtrauminstallationen mit einem auf den Übergabsmonat bezogenen Wiederbeschaffungswert von 2.700 S und um Elektroinstallationen und elektrische Geräte mit einem auf denselben Zeitpunkt bezogenen Zeitwert von 20.400 S sowie um Möbel und Wohnungsausstattungen, die der zum Sachverständigen bestellte Architekt in seinem Befund und Gutachten tabellarisch auflistete. Für diese Möbel und Wobnungsausstattungsstücke wies der Sachverständige in seinem Befund und Gutachten jeweils das Anschaffungsjahr, die sich nach der Periode allgemein üblicher Neuanschaffungen bzw. Generalüberholung ergebende Lebenszeit, den Wiederbeschaffungswert im August 1986, die restliche Nutzungszeit (Anfallsjahr plus Lebenszeit minus 1986) und den sich daraus für August 1986 ergebenden Zeitwert (Wiederbeschaffungswert: Lebenszeit x Restnutzungsdauer) aus. Auf diese Weise gelangte der Sachverständige für sämtliche von ihm erfaßten Möbel und Ausstattungsstücke bezogen auf den Übergabsmonat August 1986 zu einer Summe der von ihm als Wiederbeschaffungswerte bezeichneten Neupreise von 218.235 S und zu einer Summe der von ihm als Zeitwert bezeichneten restlichen Nutzwerte von 55.182 S.

Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf dieses als schlüssig und unbedenklich gewertete Schätzungsgutachten stellte das Prozeßgericht erster Instanz für die von der Klägerin im August 1986 übernommenen Möbel und Ausstattungsstücke einen auf den Übernahmszeitpunkt bezogenen "Wiederbeschaffungswert von S 218.235" fest. Mit ihrer am 22. September 1986 angebrachten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten die Rückzahlung eines Teilbetrages von 100.000 S mit der Begründung, daß ihrer Zahlung von 164.000 S an den Beklagten aus Anlaß der Wohnungsübernahme nur im Gegenwert von 40.000 S Gegenleistungen gegenübergestanden wären.

Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Rückzahlungsbegehren aus der Erwägung ab, daß alle von der Klägerin übernommenen Einrichtungsgegenstände und Ausstattungsstücke im Übernahmszeitpunkt August 1986 einen "Wiederbeschaffungswert von 241.335 S aufgewiesen" hätten und die Klägerin danach für ihre Zahlung objektiv mehr als gleichwertige Gegenleistungen erhalten habe.

Die Klägerin ließ die Abweisung eines Teilbegehrens von 3.335 S unangefochten, erhob aber gegen die Abweisung eines Teilbegehrens von 96.665 S samt Nebenforderungen Berufung. Sämtliche Berufungsausführungen unterstellte sie dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Der Sache nach bemängelte sie vor allem, daß Ablösezahlungen des neuen Mieters nach Kommentarmeinung und Rechtsprechung zu § 27 MRG nur insoweit gerechtfertigt seien, als sie im Zeitwert der übernommenen Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände Deckung fänden, nicht aber in deren Neuwert, so daß nach den vom Sachverständigen ermittelten Bewertungen außer von den außer Streit gestellten Beträgen in der Höhe von insgesamt 23.100 S nur vom Gesamtbetrag (der in der letzten Spalte des Sachverständigengutachtens ausgewiesenen Zeitwerte) in der Höhe von 55.182 S (also von insgesamt 78.282 S), nicht aber von der Summe (der in der dritten Spalte ausgewiesenen sogenannten Wiederbeschaffungswerte) in der Höhe von 218.235 S (und damit von insgesamt 241.335 S) auszugehen gewesen wäre. (Für Fußböden und Vorhänge sei aber überhaupt nichts zu ersetzen, so daß weitere Beträge in der Gesamthöhe von 10.947 S als nicht ersatzfähig erschienen.)

Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Dazu sprach es aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht vorliege.

Das Berufungsgericht teilte zwar grundsätzlich die von der Rechtsmittelwerberin vertretenen Bewertungsgrundsätze im Sinne der Kommentarmeinung von Würth in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 27 MRG und Rechtsprechung (JBl. 1988, 247 ua.), führte aber zur Bemängelung der erstinstanzlichen Entscheidung in der Berufung wörtlich aus:

"Entgegen der Meinung der Berufungswerberin hat das Erstgericht der von ihr gezahlten Ablöse mit Recht nicht den Verkaufswert der Wohnungseinrichtung und Installationen, sondern deren Wiederbeschaffungswert (unter Berücksichtigung ihrer Lebensdauer und deren Abnützung im August 1986 - vgl. SV...AS 55 iVm AS 87) gegenübergestellt, ohne auf die Beschränkungen des hier nicht anzuwendenden § 10 MRG Rücksicht zu nehmen. Da der Wiederbeschaffungswert die Ablösezahlung von S 164.000,-- übersteigt, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob auch die Beschaffung einer Ersatzwohnung und die Übersiedlungskosten im vorliegenden Fall eine weitere gleichwertige Gegenleistung darstellen."

Die Klägerin erhebt gegen die Bestätigung der Abweisung ihres Teilbegehrens von 85.718 S samt 4 % Zinsen seit 25. Januar 1986 Revision mit einem auf Stattgebung dieses Teilbegehrens zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag. Sie rügt unter dem Revisionsgrund nach § 503 Abs. 2 ZPO eine qualifizierte unrichtige Lösung der Bewertungsfrage wegen mißverständlicher Deutung des Begriffes Wiederbeschaffungswert. Der Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig. Sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zwar in Ansehung der Bewertung der durch den neuen Mieter von einem früheren Mieter übernommenen gebrauchten Möbel und teilweise bereits abgenutzten Wohnungsausstattung theoretisch zutreffend dargelegt, daß es bei einem Markt für entsprechende gebrauchte Gegenstände auf jenen als Wiederbeschaffungswert bezeichneten Betrag ankomme, "den der neue Mieter hätte aufwenden müssen, um gleichwertige Einrichtungsgegenstände oder eine gleichwertige Wohnungsausstattung zu beschaffen, wobei auch die Verlegungs- und Einbaukosten zu berücksichtigen sind", was von einem Sachverständigen aufgrund der Marktbeobachtung einschätzbar wäre. Bei bereits teilweise abgenützten Einbauten, Installationen und sonstigen Ausstattungen, für die kein Marktpreis bestehen könne, müsse man hingegen "die Kosten der Wiederbeschaffung (Neupreis gleicher oder ähnlicher Installationen bzw. Einbauten) im Zeitpunkt der Übernahme ermitteln und davon jenen aliquoten Teilbetrag errechnen, welcher der auf den neuen Mieter entfallenden (Rest-)Lebensdauer der Ausstattung zu deren seinerzeitigen Gesamtlebensdauer entspricht". Das Berufungsgericht hat aber ungeachtet der Berufungsausführungen nicht die im Sinne seiner eigenen Ansicht als maßgeblich bezeichneten Werte des Sachverständigengutachtens in der letzten Spalte der Tabelle, sondern die in der dritten Spalte der Tabelle aufgelisteten Marktpreise für eine hypothetische Neuanschaffung im Übernahmszeitpunkt August 1986, die das Erstgericht in übereinstimmung mit der Wortwahl des Sachverständigen als "Wiederbeschaffungswerte" festgestellt hatte, seiner Entscheidung zugrundegelegt.

Nach der ausdrücklichen Bezugnahme des Erstgerichtes auf das Sachverständigengutachten war unzweifelhaft erkennbar, daß das Erstgericht nicht die vom Berufungsgericht als maßgebend erachteten Werte, sondern die im Sinne seiner eigenen Auffassung zu Unrecht bloß als "Wiederbeschaffungswerte" benannten, in Wahrheit aber den neuen Anschaffungspreisen entsprechenden Werte veranschlagt hat. Dies stellt einen groben inneren Widerspruch der Berufungsentscheidung dar, der im Sinne der zu wahrenden Rechtssicherheit die Revisionszulässigkeit begründet. Andererseits deckt der dargestellte innere Widerspruch des Berufungsurteiles einen Feststellungsmangel auf, weil die Werte, auf die nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichtes bei der Bewertung der Gegenleistung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 1 MRG abzustellen ist, der Sache nach nicht festgestellt wurden, sondern vielmehr Beträge, die nach der eigenen Begriffsbestimmung des Berufungsgerichtes nur zu Unrecht als "Wiederbeschaffungswerte" benannt worden sind. Zur Behebung des aufgezeigten Feststellungsmangels bedarf es einer Ergänzung des Urteiles erster Instanz. Der Würdigung des Erstgerichtes muß es zunächst überlassen bleiben, ob es das Sachverständigengutachten und die darin aufgezeigte Methode der Wertermittlung als richtig, schlüssig und glaubhaft und damit als Feststellungsgrundlage anerkennt oder eine Ergänzung des Verfahrens zur Wertfeststellung für erforderlich erachtet.

Bei der neuerlichen Entscheidung wird zum Einwand des Beklagten, der von der Klägerin bezahlte Betrag decke die Übersiedlungskosten und die Kosten der Errichtung seines Eigenheimes als Ersatz für die aufgegebene Mietwohnung nur zu einem Teil, zu beachten sein, daß als Gegenleistung nur das veranschlagt werden darf, wofür die vom Rückforderungsbegehren betroffene Leistung versprochen wurde. Als kausales Verpflichtungsgeschäft bedarf auch die aus Anlaß einer Raummiete geschlossene Vereinbarung über eine vom Mietwerber zu leistende Zahlung eines vom erklärten übereinstimmenden Willen der Vertragsteile getragenen Zweckes. Soweit es bereits an einer solchen Willensübereinstimmung gebricht, fehlt ein die zugesagte Leistung rechtfertigender Rechtsgrund. Einseitig im nachhinein kann der vereinbarte Rechtsgrund der Leistung vom Versprechensempfänger nicht geändert werden (NRSpr 1988/282).

In Stattgebung der außerordentlichen Revision waren aus den dargelegten Erwägungen beide vorinstanzlichen Urteile aufzuheben. Die Rechtssache war zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Ergänzung des Verfahrens an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E17342

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1989:0060OB00576.89.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19890413_OGH0002_0060OB00576_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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