TE Vfgh Erkenntnis 2001/10/10 B530/01

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Veröffentlicht am 10.10.2001
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung einzelner Bestimmungen bzw. Wortfolgen der Umlagenordnungen der Ärztekammer für Wien für die Jahre 1991 bis 1993 und für das Jahr 1997 sowie der Umlagenordnungen für die Jahre 1994 bis 1996 mit E v 12.06.01, V107/00 ua; teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide; im übrigen Ablehnung der Beschwerden.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungsbestimmungen in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 29.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Orthopädie und steht in einem Einzelvertragsverhältnis zu mehreren Krankenversicherungsträgern.

2. Mit Eingabe vom 1. Dezember 2000 richtete er an den Präsidenten der Ärztekammer für Wien den Antrag,

"die gesamte Kammerumlage des (Beschwerdeführers) für die Ärztekammer Wien ab Jänner 1984 bis laufend dem Grunde und der Höhe nach bescheidmäßig festzusetzen".

Darüber hinaus wurde beantragt, die demgemäß festgesetzte Kammerumlage dem Beschwerdeführer rückzuerstatten.

Der Präsident der Ärztekammer für Wien erledigte diese Eingabe mit Bescheid vom 24. Jänner 2001, dessen Spruch wie folgt lautet:

"1. Die Kammerumlage für das Jahr 1994 wird mit öS 4.453,77 (Umlage zur Ärztekammer für Wien öS 2.243,73, Umlage zur Österreichischen Ärztekammer öS 2.210,04()) festgesetzt.

2. Die Kammerumlage für das Jahr 1995 wird mit öS 4.575,12 (Umlage zur Ärztekammer für Wien öS 2.346,82(,) Umlage zur Österreichischen Ärztekammer öS 2.228,30) festgesetzt.

3. Die Kammerumlage für das Jahr 1996 wird mit öS 4.654,44 (Umlage zur Ärztekammer für Wien öS 2.424,48, Umlage zur Österreichischen Ärztekammer öS 2.229,96) festgesetzt.

4. Die Kammerumlage für das Jahr 1997 wird mit öS 3.830,53 (Umlage zur Ärztekammer für Wien öS 30,53, Umlage zur Österreichischen Ärztekammer öS 3.800,--) festgesetzt.

5. Die Kammerumlage für das Jahr 1998 wird mit öS 3.959,42 (Umlage zur Ärztekammer für Wien öS 159,42, Umlage zur Österreichischen Ärztekammer öS 3.800,--) festgesetzt.

6. Die Kammerumlage für das Jahr 1999 wird mit öS 3.963,19 (Umlage zur Ärztekammer für Wien öS 163,19, Umlage zur Österreichischen Ärztekammer öS 3.800,--) festgesetzt.

7. Das Mehrbegehren auf Festsetzung der Kammerumlage 'bis laufend' wird abgewiesen.

8. Das Mehrbegehren um Festsetzung der Umlage zur Ärztekammer für Wien für die Jahre 1983 bis 1992 wird abgewiesen.

9. Der Antrag auf Rückerstattung der seit dem Jahr 1993 bis laufend entrichteten Kammerumlage wird abgewiesen."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. Feber 2001 Beschwerde an den Vorstand der Ärztekammer für Wien; darin heißt es:

"Der Bescheid wird im nachstehenden Umfange angefochten:

1.) Hinsichtlich der Punkte 1-4 des Spruches hinsichtlich der Höhe der Umlage zur Ärztekammer für Wien;

2.) Hinsichtlich Punkt 9 des Spruches auf Abweisung der Rückerstattung seit dem Jahr 1994 bis laufend."

Der Vorstand der Ärztekammer für Wien wies diese Beschwerde mit Bescheid vom 6. März 2001 ab.

3. Gegen diesen - letztinstanzlichen - Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Mit Erkenntnis vom 12. Juni 2001, V107-141/00-8, hat der Verfassungsgerichtshof die Umlagenordnungen der Ärztekammer für Wien für die Jahre 1991 bis 1993 und für das Jahr 1997 zum Teil und die Umlagenordnungen für die Jahre 1994 bis 1996 zur Gänze als gesetzwidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art139 Abs6 Satz 2 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalls so vorzugehen, als ob die für gesetzwidrig erkannte Norm bereits zu dem Zeitpunkt, in dem sich der dem bekämpften Bescheid zugrunde liegende Lebenssachverhalt verwirklicht hat, nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art139 Abs6 Satz 2 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, stehen all jene Beschwerdefälle gleich, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Verordnungsprüfungsverfahren bzw. bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (zB VfSlg. 11.818/1988).

Die nichtöffentliche Beratung in dem zu den Zlen. V107-141/00 geführten Verordnungsprüfungsverfahren fand am 12. Juni 2001 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 5. April 2001 eingelangt, war also bei Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

3. Die Behörde hat somit bei Erlassung des angefochtenen Bescheides gesetzwidrige Verordnungsbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungsbestimmungen in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.879/1986).

Der Bescheid war daher - wegen Untrennbarkeit seines Spruchs zur Gänze - aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in Höhe von S 4.500,-- sowie der Ersatz der gemäß §17a VerfGG 1953 entrichteten Eingabegebühr (S 2.500,--) enthalten.

5. Dies konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 Z3 VerfGG 1953).

Schlagworte

Bescheid Trennbarkeit, VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:B530.2001

Dokumentnummer

JFT_09988990_01B00530_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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